§ 1952 BGB Vererblichkeit des Ausschlagungsrechts – Ausschlagung durch einzelne Erbeserben
Was passiert, wenn ein Erbe sein Erbe ausschlägt? Ein Blick hinter die Kulissen
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
als Rechtsanwalt und Notar stehe ich Ihnen gerne zur Seite, wenn es um komplexe rechtliche Fragen geht. Heute möchte ich mit Ihnen über ein Thema sprechen, das viele Menschen beschäftigt: Was geschieht eigentlich, wenn jemand eine Erbschaft ausschlägt, insbesondere wenn es sich um einen Miterben handelt? Das Erbrecht kann manchmal wie ein Labyrinth wirken, aber gemeinsam werden wir die wichtigsten Aspekte beleuchten und verständlich machen.
Stellen Sie sich vor, mehrere Personen sollen gemeinsam etwas erben, zum Beispiel ein Haus. Einer dieser Miterben entscheidet sich jedoch, seinen Anteil am Erbe nicht anzunehmen. Was passiert dann mit diesem „freien“ Anteil?
Die heute vorherrschende Meinung (die sogenannte „herrschende Ansicht“) besagt: Der Anteil des ausschlagenden Miterben wächst den übrigen Miterben, die das Erbe annehmen, einfach zu. Ihr Erbteil wird dadurch größer. Das ist eine sehr praktische und einfache Lösung. Man könnte es sich wie ein Kuchenstück vorstellen, das nicht gegessen wird und dann unter den anderen Gästen aufgeteilt wird.
Eine andere Meinung sieht das etwas anders. Sie sagt, dass das Anwachsen nur dann stattfindet, wenn der Erblasser (also der Verstorbene) keine „Ersatzerben“ bestimmt hat – das sind Personen, die an die Stelle des eigentlich vorgesehenen Erben treten sollen, falls dieser ausfällt. Auch das Gesetz sieht in bestimmten Fällen vor, dass Abkömmlinge (Kinder, Enkel) als Ersatzerben berufen werden. Hier würde also zuerst geprüft, ob es solche Ersatzerben gibt, bevor der Anteil einfach den anderen Miterben zugeschlagen wird.
Die früher vorherrschende Meinung orientierte sich an einer anderen Regelung im Gesetz: Wenn ein Erbe ausschlägt, muss man schauen, wer an seine Stelle tritt – entweder ein vom Erblasser bestimmter Ersatzerbe oder die Person, die nach der gesetzlichen Erbfolge als Nächstes an der Reihe wäre. Diese Ansicht legt großen Wert auf den Willen des Erblassers.
Obwohl die heute vorherrschende Meinung eine einfache Lösung bietet, bin ich als RA und Notar Krau der Ansicht, dass sie nicht die beste ist. Sie ignoriert nämlich einen ganz wichtigen Punkt: den Vorrang des Erblasserwillens. Das ist ein Grundsatz im Erbrecht, der besagt, dass der Wunsch des Verstorbenen, wie sein Erbe verteilt werden soll, an erster Stelle steht.
Denken Sie an folgenden Vergleich: Wenn der Verstorbene zu Lebzeiten eine bestimmte Person als Alleinerben eingesetzt hat und diese Person später ausschlägt, fällt das Erbe nicht etwa an deren eigene Erben, sondern an die vom Erblasser bestimmten Ersatzerben oder die Nächstberufenen. Genauso sollte es auch bei einem Miterben sein, der ausschlägt. Sein Anteil sollte nicht einfach den anderen Miterben zufallen, wenn der Erblasser hierfür eine andere Regelung getroffen hat oder die gesetzliche Erbfolge eine andere Person vorsieht.
Kurz gesagt: Die Ausschlagung eines Miterben sollte nicht dazu führen, dass die anderen Miterben faktisch einen größeren Anteil erhalten, wenn dies dem ursprünglichen Willen des Erblassers oder der gesetzlichen Ordnung widerspricht.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Haftung für Schulden, wenn es um eine Erbschaft geht, die sich aus zwei Teilen zusammensetzt (zum Beispiel ein eigenes Erbe und ein „Unternachlass“, der von einem anderen verstorbenen Erben stammt).
Gläubiger des Hauptnachlasses (also des ursprünglichen Erbes) können zwar auf diesen zugreifen und auch auf das Privatvermögen der Miterben. Sie können aber nicht direkt auf die Dinge zugreifen, die zum noch ungeteilten Unternachlass gehören. Sie können diesen jedoch insgesamt pfänden und so die Teilung erzwingen.
Umgekehrt können Gläubiger des Unternachlasses (also des Erbes, das ein verstorbener Erbe hinterlassen hat) auf diesen und das Eigenvermögen der Miterben zugreifen. Sie können aber nicht direkt auf die Dinge des ungeteilten Hauptnachlasses zugreifen. Sie können jedoch den Anteil der einzelnen Miterben am Hauptnachlass pfänden.
Als Miterbe können Sie Ihre Haftung für Schulden aus dem Unternachlass auf genau diesen Unternachlass beschränken. Das bedeutet: Die Gläubiger dieses Unternachlasses können dann nicht auf Ihr eigenes Vermögen zugreifen – und damit auch nicht auf den Hauptnachlass.
Eine solche Beschränkung ist aber nicht möglich gegenüber den Gläubigern des Hauptnachlasses. Denn für diese Gläubiger war der gesamte Nachlass des verstorbenen Erben als Haftungsmasse vorgesehen. Wenn Sie also eine umfassende Haftungsbeschränkung wünschen, die sowohl Ihr Eigenvermögen als auch Ihren Anteil am Unternachlass schützt, ist eine doppelte Haftungsbeschränkung nötig.
Wichtig zu wissen ist auch: Wenn Sie ein Erbe ausschlagen, hat das nur Wirkung für Sie selbst. Es nützt den anderen Miterben nichts. Wenn diese die Frist zur Ausschlagung verpasst haben, können sie die Erbschaft nur noch durch eine Anfechtung loswerden.
Umgekehrt können Sie als ausschlagender Miterbe nicht einfach einen Teil der Rechte geltend machen, die dem verstorbenen Erben zustanden. Hätte der verstorbene Erbe zum Beispiel einen Pflichtteil oder Zugewinnausgleich verlangen können, geht dieses Recht nicht auf Sie über, auch nicht anteilig.
Für die Geltendmachung solcher Rechte ist es meist erforderlich, dass alle Miterben den Unternachlass endgültig ausschlagen. Sollten Sie sich auf die Ausschlagung der anderen Miterben verlassen und dann selbst ausschlagen, diese aber nicht folgen, ist es schwierig, die eigene Ausschlagung rückgängig zu machen. Es gibt jedoch die Möglichkeit, die Ausschlagung so zu formulieren, dass sie nur wirksam wird, wenn auch die anderen Miterben ausschlagen.
Zum Schluss noch ein kurzer Blick auf die Beweislast:
Ich hoffe, dieser Einblick hat Ihnen geholfen, die komplexen Zusammenhänge rund um die Ausschlagung eines Erbes besser zu verstehen. Bei weiteren Fragen oder für eine individuelle Beratung stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt und Notar Krau jederzeit gerne zur Verfügung.