§ 1952 BGB Vererblichkeit des Ausschlagungsrechts
Naht ein Erbfall, kommen viele Fragen auf. Besonders knifflig wird es, wenn der Erbe selbst verstirbt, bevor er über sein Erbe entscheiden konnte. Was passiert dann mit dem „vererbten“ Erbe? Kann man es ausschlagen? Oder muss man es annehmen, obwohl es vielleicht voller Schulden steckt?
Diese Fragen sind wichtig und können schnell komplex werden. Deshalb möchte ich, Rechtsanwalt und Notar Krau, Ihnen § 1952 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) näherbringen. Dieser Paragraph regelt genau solche Fälle und sorgt dafür, dass niemandem ein unliebsames Erbe aufgezwungen wird.
Stellen Sie sich vor, Herr Müller erbt von seiner Tante. Bevor er jedoch entscheiden kann, ob er das Erbe annehmen oder ausschlagen möchte, verstirbt Herr Müller selbst. Was passiert nun mit dem Erbe seiner Tante? Muss Herr Müllers Erbe – nennen wir ihn Herrn Meier – dieses „zweite“ Erbe automatisch annehmen?
Genau hier greift § 1952 Absatz 1 BGB. Er besagt, dass das Recht, ein Erbe auszuschlagen, „vererblich“ ist. Das bedeutet, Herrn Meiers Situation ist der von Herrn Müller sehr ähnlich. Herr Meier tritt gewissermaßen in die Fußstapfen von Herrn Müller und erhält die Möglichkeit, das Erbe der Tante ebenfalls auszuschlagen. Das ist eine wichtige Schutzfunktion, denn niemand soll gezwungen sein, ein Erbe anzunehmen, das er gar nicht wollte – besonders nicht, wenn es vielleicht nur aus Schulden besteht.
Normalerweise haben Sie nach Kenntnis des Erbfalls eine Frist von sechs Wochen, um das Erbe auszuschlagen. Was aber, wenn der ursprüngliche Erbe – in unserem Beispiel Herr Müller – innerhalb dieser sechs Wochen stirbt? Ist die Frist dann einfach abgelaufen?
§ 1952 Absatz 2 BGB gibt hier Entwarnung. Die Ausschlagungsfrist für das „erste“ Erbe (das der Tante) wird in solchen Fällen verlängert. Sie endet nicht, bevor die Ausschlagungsfrist für das „zwebeite“ Erbe (das von Herrn Müller an Herrn Meier) abgelaufen ist. Das ist sehr fair, denn Herr Meier braucht ja Zeit, um sich nicht nur um den Nachlass von Herrn Müller, sondern auch um den zusätzlichen Nachlass der Tante zu kümmern. Er hat in der Regel noch weniger Einblick in das Erbe der Tante als Herr Müller selbst. Diese Verlängerung verhindert, dass übereilte Entscheidungen getroffen werden müssen.
Was passiert, wenn Herr Müller nicht nur einen, sondern mehrere Erben hinterlässt – zum Beispiel seine beiden Kinder, Frau Klein und Herr Schmidt? Müssen die beiden gemeinsam entscheiden, ob sie das Erbe der Tante annehmen oder ausschlagen? Was, wenn Frau Klein die Schulden vermeiden will, Herr Schmidt aber auf ein paar wertvolle Gegenstände im Nachlass hofft?
Hier kommt § 1952 Absatz 3 BGB ins Spiel. Er erlaubt es, dass jeder Erbe des Erben seinen Anteil am „vererbten“ Erbe selbständig ausschlagen kann. Das bedeutet, Frau Klein könnte ihren Teil des Erbes der Tante ausschlagen, während Herr Schmidt seinen Teil annimmt. Es ist eine wichtige Ausnahme vom sonst üblichen Grundsatz, dass Miterben in Erbengemeinschaften oft nur gemeinsam handeln können. Dies gibt jedem Einzelnen die volle Entscheidungsfreiheit und verhindert, dass die Ausschlagung eines überschuldeten Erbes am Widerstand eines einzigen Miterben scheitert.
Ich hoffe, diese Erläuterungen haben Ihnen einen besseren Einblick in dieses wichtige Thema gegeben. Es zeigt, wie durchdacht unser Erbrecht ist, um Sie vor unerwünschten Überraschungen zu schützen.
Ihr Rechtsanwalt und Notar Krau