§ 1953 BGB Wirkung der Ausschlagung – Die Rolle des Nachlassgerichts
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
der Tod eines geliebten Menschen ist immer eine schwere Zeit. Neben der Trauer müssen oft auch viele organisatorische und rechtliche Fragen geklärt werden, insbesondere wenn es um das Erbe geht. Eine dieser Fragen betrifft die Erbausschlagung und was passiert, wenn jemand ein Erbe nicht annehmen möchte. Als Notar und Rechtsanwalt habe ich oft mit solchen Fällen zu tun. In diesem Blogbeitrag möchte ich Ihnen daher auf verständliche Weise erklären, welche Rolle das Nachlassgericht dabei spielt und was Sie wissen sollten, wenn Sie oder jemand in Ihrem Umfeld ein Erbe ausschlägt.
Stellen Sie sich vor, jemand erbt etwas, möchte das Erbe aber nicht annehmen – vielleicht, weil es überschuldet ist. Man spricht dann von einer Erbausschlagung. Wenn das passiert, ist es, als würde das Erbe eine Stufe weiter springen und an den Nächstberufenen fallen. Der Nächstberufene ist die Person, die laut Gesetz oder Testament als Nächstes an der Reihe wäre.
Das Nachlassgericht – das ist die Abteilung beim Amtsgericht, die sich um Erbschaftsangelegenheiten kümmert – bekommt die Erklärung über die Ausschlagung. Seine Aufgabe ist es dann, die Person, die als Nächstes erben würde, darüber zu informieren. Warum? Damit diese Person weiß, dass sie jetzt das Erbe antreten könnte und sich überlegen kann, ob sie es annehmen oder ebenfalls ausschlagen möchte.
Wichtig zu wissen: Auch wenn das Gericht die Mitteilung nicht sofort verschickt, wird das Erbe trotzdem sofort an den Nächstberufenen weitergegeben. Die Benachrichtigung dient vor allem dazu, Ihnen Klarheit zu verschaffen und die Frist für Ihre eigene Entscheidung in Gang zu setzen.
Zuständig für diese Benachrichtigung ist das Nachlassgericht, das für den letzten Wohnsitz des Verstorbenen zuständig war. Selbst wenn ein anderes Gericht die Ausschlagung entgegengenommen hat, ist die Mitteilung an den Nächstberufenen die Aufgabe des eigentlich zuständigen Nachlassgerichts.
Es gibt aber auch Ausnahmen, bei denen eine Benachrichtigung entfallen kann:
Das Nachlassgericht muss von sich aus herausfinden, wer der nächste Erbe ist, dem das Erbe durch die Ausschlagung zufällt. Dabei muss das Gericht nicht prüfen, ob die Ausschlagung „gültig“ war. Es nimmt die Erklärung einfach entgegen und informiert die nächste Person in der Erbfolge.
Sollte der nächste Erbe nicht sofort gefunden werden können, trifft das Gericht Maßnahmen, um das Erbe zu sichern, zum Beispiel durch die Anordnung einer Nachlasspflegschaft. Ein Nachlasspfleger kümmert sich dann vorübergehend um den Nachlass, bis der Erbe feststeht.
Die gute Nachricht ist: Die Mitteilung über die Erbausschlagung durch das Nachlassgericht ist kostenfrei für Sie. Es fallen also keine Gebühren dafür an.
Sobald das Nachlassgericht seine Mitteilungspflicht erfüllt hat, ist das Verfahren der Ausschlagung grundsätzlich abgeschlossen. Nur wenn weitere Ausschlagungen erfolgen oder Sicherungsmaßnahmen notwendig werden, bleibt das Verfahren aktiv. Das Gericht selbst entscheidet übrigens nicht darüber, ob eine Ausschlagung wirksam war oder nicht.
Manchmal möchten Dritte die Ausschlagungserklärung einsehen. Das ist möglich, aber nur, wenn sie ein rechtliches Interesse daran nachweisen können. Das bedeutet, die Einsichtnahme muss sich unmittelbar auf ihre eigenen rechtlichen Angelegenheiten auswirken.
Ein rechtliches Interesse haben beispielsweise:
Kein rechtliches Interesse haben in der Regel Familienangehörige, Freunde oder Bekannte, die lediglich aus Neugier Einblick wünschen. Auch ein Kreditgeber, der die Liquidität des Ausschlagenden prüfen möchte, hat nur ein wirtschaftliches, aber kein rechtliches Interesse.
Wenn kein rechtliches Interesse nachgewiesen werden kann, gibt es unter Umständen noch die Möglichkeit, in die gesamte Nachlassakte Einblick zu erhalten, wenn ein berechtigtes Interesse vorliegt. Ein berechtigtes Interesse ist ein weiterer Begriff und kann auch ein wirtschaftliches, wissenschaftliches, soziales oder historisches Interesse umfassen. Es ist also nicht so streng wie das rechtliche Interesse.
Ein Erbe, der ein Erbe ausschlägt, muss dafür keine Erbschaftsteuer zahlen. Die Steuerpflicht entfällt rückwirkend ab dem Zeitpunkt des Todes. Wenn der erste Erbe die Erbschaft ausschlägt, wird der Erbschaftsteuerbescheid, der eventuell schon erstellt wurde, aufgehoben und stattdessen an den Nächstberufenen gerichtet.
Ein wichtiger Hinweis für Sie: Eine Erbausschlagung kann aus steuerlicher Sicht vorteilhaft sein, wenn der Nächstberufene in eine günstigere Steuerklasse fällt oder höhere Steuerfreibeträge hat. Es ist sogar möglich, dass durch eine Ausschlagung das Erbe steuerfrei an eine dritte Person gelangt, ohne dass der Ausschlagende es selbst erben muss.
Aber Vorsicht: Auch wenn die steuerlichen Vorteile verlockend klingen, sollten Sie immer bedenken, dass eine Erbausschlagung weitreichende zivilrechtliche Folgen hat. Es ist ein komplexes Thema, bei dem eine rein steuerliche Betrachtung zu Fehlern führen kann. Eine Ausschlagung „zugunsten“ einer bestimmten Person ist rechtlich oft schwierig umzusetzen.
Wenn der Nächstberufene eine Abfindung an den Ausschlagenden zahlt, weil dieser das Erbe weitergegeben hat, wird diese Abfindung als Erwerb vom Erblasser angesehen und ist ebenfalls erbschaftsteuerpflichtig.
Ich hoffe, dieser Überblick hat Ihnen ein besseres Verständnis für die Erbausschlagung und die Rolle des Nachlassgerichts vermittelt. Wenn Sie weitere Fragen haben oder eine individuelle Beratung wünschen, stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt und Notar gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr RA und Notar Krau