§ 1953 BGB Wirkung der Ausschlagung – Einzelheiten
Als Notar und Rechtsanwalt werde ich oft gefragt, was passiert, wenn man eine Erbschaft ausschlägt. Viele denken, damit sei die Sache erledigt. Doch das deutsche Erbrecht ist hier vielschichtiger, als man auf den ersten Blick meint. Es kann unerwartete Folgen haben – sowohl positive als auch negative.
Wenn Sie eine Erbschaft ausschlagen, erklären Sie, dass Sie die Erbschaft nicht annehmen möchten. Das kann verschiedene Gründe haben, zum Beispiel wenn der Nachlass überschuldet ist und Sie keine Schulden erben wollen. Die Ausschlagung muss innerhalb einer bestimmten Frist (meist sechs Wochen) nach Kenntnis vom Erbfall erklärt werden, in der Regel beim Nachlassgericht.
Eine der wichtigsten Botschaften für Sie als Laie ist: Nur weil Sie eine Erbschaft ausschlagen, verlieren Sie nicht zwangsläufig Ihren Pflichtteil. Der Pflichtteil ist eine Art Mindestbeteiligung am Erbe, die bestimmten nahen Angehörigen (wie Kindern, Eltern oder dem Ehepartner) zusteht, selbst wenn sie durch ein Testament enterbt wurden.
Stellen Sie sich vor, der Erblasser hat Sie enterbt, und Sie wären eigentlich pflichtteilsberechtigt. Wenn Sie die Erbschaft ausschlagen, können Sie in bestimmten Fällen trotzdem Ihren Pflichtteil verlangen. Dies gilt zum Beispiel, wenn Sie als Erbe eingesetzt wurden, aber mit einer Belastung oder einer Auflage (wie einer Hypothek oder der Pflicht, jemandem eine bestimmte Sache zu überlassen) versehen sind, die Sie nicht hinnehmen möchten. In solchen Fällen können Sie ausschlagen und trotzdem den Pflichtteil fordern. Es ist, als ob Sie sagen: „Ich will nicht das ganze Paket mit den Bedingungen, aber meinen gesetzlich zustehenden Anteil möchte ich trotzdem haben.“
Sogar der Anspruch auf eine Pflichtteilsergänzung bleibt bestehen. Das bedeutet, wenn der Erblasser kurz vor seinem Tod große Schenkungen gemacht hat, die Ihren Pflichtteil schmälern würden, können Sie auch nach einer Ausschlagung noch verlangen, dass diese Schenkungen bei der Berechnung Ihres Pflichtteils berücksichtigt werden.
Sie haben auch weiterhin das Recht auf Auskunft: Selbst wenn Sie die Erbschaft ausschlagen, können Sie verlangen, dass Ihnen der Wert des Nachlasses offengelegt wird, um Ihren Pflichtteilsanspruch berechnen zu können.
Gerade bei Ehepaaren gibt es oft sogenannte gemeinschaftliche Testamente (Berliner Testament), in denen sich die Ehepartner gegenseitig als Erben einsetzen und oft auch Regelungen für den Fall des Todes des länger Lebenden treffen. Oder es gibt Erbverträge, die ebenfalls bindende Regelungen enthalten können.
Wenn Sie in einem solchen Testament oder Vertrag als Erbe eingesetzt sind und die Erbschaft ausschlagen, kann dies die Bindungswirkung dieser Verfügungen für Sie persönlich aufheben. Das bedeutet, Sie gewinnen Ihre Testierfreiheit zurück und könnten danach ein eigenes Testament erstellen, das nicht mehr an die früheren Vereinbarungen gebunden ist. Allerdings geben Sie damit auch das auf, was Ihnen durch die bindende Verfügung eigentlich zugestanden hätte.
Wichtig ist zu wissen: Die Ausschlagung macht nicht das gesamte Testament oder den Erbvertrag unwirksam. Eine darin angeordnete Enterbung bleibt zum Beispiel trotz Ausschlagung bestehen.
Wenn Sie die Erbschaft ausschlagen, fällt sie nicht einfach ins Leere. Vielmehr rückt der nächstberufene Erbe an Ihre Stelle. Das ist die Person, die erben würde, wenn Sie nicht mehr leben oder die Erbschaft nicht annehmen würden. Dieser Nachrücker wird dann zum „Gesamtrechtsnachfolger“ des Verstorbenen, tritt also in alle Rechte und Pflichten des Erblassers ein – nicht in Ihre!
Manchmal können Sie sogar selbst der „Nächstberufene“ sein, wenn Sie aus verschiedenen Gründen zum Erben berufen wären und nur aus einem Grund ausschlagen.
Das Gesetz hat genaue Regeln, wer nachrückt, wenn jemand ausschlägt:
Auch wenn ein Testament oder Erbvertrag vorhanden ist, führt die Ausschlagung nicht dazu, dass diese letztwillige Verfügung unwirksam wird. Es wird vielmehr so getan, als ob der Ausschlagende nicht mehr leben würde.
Der Erblasser kann in seinem Testament auch selbst festlegen, was im Falle einer Ausschlagung passieren soll, zum Beispiel indem er Bedingungen an die Erbschaft knüpft.
Die Ausschlagung einer Erbschaft ist also ein komplexer Vorgang mit weitreichenden Folgen, die weit über die reine Annahme oder Ablehnung hinausgehen. Wenn Sie über eine Ausschlagung nachdenken oder unsicher sind, welche Konsequenzen dies für Sie haben könnte, ist eine fundierte rechtliche Beratung unerlässlich. Wir bei Krau und Partner stehen Ihnen hierbei gerne zur Seite.
Ihr Rechtsanwalt und Notar Krau