§ 1954 BGB Anfechtungsfrist – Kausalität des Irrtums

Juni 8, 2025

 § 1954 BGB Anfechtungsfrist – Kausalität des Irrtums

Erbschaft ausschlagen oder annehmen: Wann ein Irrtum Sie retten kann!

Als Erbe stehen Sie vor einer wichtigen Entscheidung: die Erbschaft annehmen oder ausschlagen? Doch was passiert, wenn Sie diese Entscheidung aufgrund eines Irrtums treffen? Kann man das rückgängig machen? Ja, unter bestimmten Umständen ist das möglich! In diesem Blogbeitrag, verfasst von RA und Notar Krau, beleuchten wir, wann ein Irrtum bei der Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft eine Rolle spielt und wie Sie Ihre Rechte wahrnehmen können.


Ihr Irrtum muss „ursächlich“ sein: Der Dreh- und Angelpunkt der Anfechtung

Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Erbschaft angenommen, weil Sie dachten, der Nachlass sei wertvoll. Später stellt sich heraus: Er war überschuldet. Hier kommt die sogenannte Irrtumsanfechtung ins Spiel. Damit diese erfolgreich ist, muss Ihr Irrtum „ursächlich“ für Ihre Entscheidung gewesen sein. Das bedeutet: Hätten Sie den wahren Sachverhalt gekannt, hätten Sie die Erbschaft nicht angenommen oder ausgeschlagen.

Es geht nicht darum, dass Sie bei Kenntnis der Lage sofort die gegenteilige Entscheidung getroffen hätten. Es reicht, wenn Sie die Dinge erst einmal offengelassen hätten, um sich genauer zu informieren. Ihr eigenes Verschulden, also ob Sie den Irrtum hätten vermeiden können, spielt dabei keine Rolle.


Die Sicht eines vernünftigen Dritten: Objektivität zählt

Um zu beurteilen, ob Ihr Irrtum ursächlich war, wird die Situation aus der Sicht eines „verständigen Dritten“ betrachtet. Man fragt sich: Hätte jemand anderes in Ihrer Situation, mit den Informationen, die Ihnen zum Zeitpunkt der Entscheidung bekannt waren oder die Sie mit zumutbarem Aufwand hätten herausfinden können, genauso gehandelt?

Es ist wichtig zu wissen, dass nur Umstände berücksichtigt werden, die Ihnen damals bekannt waren oder leicht zu erfahren gewesen wären. Informationen, die Sie erst viel später bekommen haben, spielen keine Rolle. Diese Regelung soll verhindern, dass jemand das Anfechtungsrecht missbraucht, nur weil sich später seine Meinung geändert hat. Es geht um Rechtssicherheit.


Wann ist ein Irrtum „wirtschaftlich bedeutsam“?

Die Praxis zeigt: Ein Erbe schlägt einen überschuldeten Nachlass in der Regel aus. Wenn Sie sich also über die (Nicht-)Überschuldung geirrt haben, ist das oft ein wichtiger Anfechtungsgrund. Es gibt jedoch Fälle, in denen ein Irrtum über die wirtschaftliche Lage des Nachlasses nicht als ursächlich angesehen wird.

Ein Irrtum ist dann nicht ursächlich, wenn er wirtschaftlich unbedeutend ist oder wenn Sie Ihre Erklärung unbedacht abgegeben haben.


Wirtschaftlich unbedeutend: Kleinvieh macht auch Mist – oder eben nicht

Es kommt nicht darauf an, wie viel ein einzelner Gegenstand wert ist, über den Sie sich geirrt haben. Entscheidend ist, ob dieser Irrtum wirklich ausschlaggebend für Ihre Entscheidung war, die Erbschaft anzunehmen oder auszuschlagen.

 § 1954 BGB Anfechtungsfrist – Kausalität des Irrtums

Wann ein Irrtum wirtschaftlich bedeutsam ist (Beispiele):

  • Sie übersehen eine hohe Schmerzensgeldforderung oder eine Abfindung, die den Nachlasswert erheblich beeinflusst hätte.
  • Es gibt ein großes Bankguthaben, das Ihnen nicht bekannt war und das die Schulden bei Weitem übersteigt.
  • Sie haben eine Lebensversicherung irrtümlich zum Nachlass gezählt, die aber an jemand anderen ausbezahlt wurde.
  • Ein vermietetes Grundstück im Nachlass wirft nicht genug ab, um die Kosten zu decken, und Sie müssen Geld zuschießen.
  • Sie dachten, eine Forderung sei verjährt und damit wertlos, was aber nicht stimmte.
  • Sie hätten die Erbschaft nicht ausgeschlagen, wenn Sie gewusst hätten, dass ein werthaltiger Erbteil vorhanden war, der die Schulden überstiegen hätte.

Wann ein Irrtum wirtschaftlich unerheblich ist (Beispiele):

  • Sie haben den sowieso schon werthaltigen Nachlass nur noch werthaltiger eingeschätzt, als er war.
  • Sie dachten, der Nachlass sei weniger wertvoll, aber er war immer noch positiv.
  • Sie haben die Erbschaft angenommen, obwohl Sie wussten, dass sie überschuldet sein könnte (z.B. weil Sie eine Haftungsbeschränkung in Erwägung zogen).
  • Sie haben lediglich gehofft, dass wertvolle Gegenstände vorhanden sind oder der Nachlass nicht überschuldet ist.
  • Die Überschuldung ist so gering, dass sie kaum ins Gewicht fällt
  • Sie haben die Erbschaft ausgeschlagen, weil Sie von Überschuldung ausgingen, aber auch bei Kenntnis eines übersehenen Guthabens hätten Sie sie ausgeschlagen, weil Sie weiterhin von Überschuldung ausgegangen wären.

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Die „Unbedachtheit“ Ihrer Erklärung: Haben Sie sich Gedanken gemacht?

Ein Irrtum ist auch dann nicht ursächlich, wenn Sie die Erbschaft ohne nachzudenken angenommen oder ausgeschlagen haben. Das ist der Fall, wenn Sie sich keine Gedanken über die finanzielle Lage des Nachlasses gemacht haben, Ihnen das egal war oder Sie die Entscheidung auch bei Kenntnis der Wahrheit so getroffen hätten.

Wann eine „unbedachte“ Erklärung vorliegt (Beispiele):

  • Sie hätten die Erbschaft auch bei Kenntnis einer Überschuldung angenommen, weil Ihnen die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung bewusst war oder aus persönlichen Gründen.
  • Sie hatten selbst keine genauen Vorstellungen vom Nachlass und Ihnen war die Möglichkeit der Überschuldung bewusst.
  • Sie haben sich überhaupt keine Gedanken über die Überschuldung gemacht.
  • Sie haben eine pauschale Ausschlagungserklärung abgegeben, ohne sich über die genauen Rechtsfolgen im Klaren zu sein.
  • Ihnen war die genaue Höhe des Erbschaftserwerbs egal, obwohl Sie wegen einer vermeintlichen Überschuldung ausgeschlagen haben.
  • Sie haben Ihre Entscheidung auf Spekulationen oder vage Auskünfte getroffen, ohne sich gründlich zu informieren.

Wann keine „unbedachte“ Erklärung vorliegt (Beispiele):

  • Sie hielten es für denkbar, dass die Kosten der Wohnungsauflösung gedeckt wären und sogar noch etwas übrigbleiben könnte, auch wenn Ihnen klar war, dass „nichts zu erben sei“.
  • Ihre Entscheidung basierte auf einer Empfehlung oder Auskunft einer Behörde (z.B. Gemeinde, Polizei, Nachlassgericht), die eine Überschuldung nahelegte.

Sonderfälle: Inhaltsirrtum und die maßgebliche Person

Neben den bisher genannten Irrtümern gibt es auch den Inhaltsirrtum. Hier irren Sie sich über die rechtliche Bedeutung Ihrer Erklärung.

Wann ein Inhaltsirrtum ursächlich ist (Beispiele):

  • Sie dachten, der Antrag auf einen Erbschein sei notwendig, um die Ausschlagungsfrist zu starten.
  • Sie treffen nur geringwertige Verfügungen über den Nachlass und gehen davon aus, dass entstehende Kosten durch eine Lebensversicherung gedeckt sind.
  • Sie waren unsicher, welche von zwei widersprüchlichen Testamenten gültig war.

Wann ein Inhaltsirrtum nicht ursächlich ist (Beispiele):

  • Ihnen war innerhalb der Ausschlagungsfrist bekannt, dass Sie für Ihren Pflichtteil die Erbschaft ausschlagen müssen.
  • Ihnen war der Grund Ihrer Erbenstellung bei der Annahme der Erbschaft egal.

Wer ist der „Irrende“?

Grundsätzlich muss der Irrtum in der Person des Erklärenden (also bei Ihnen als Erbe) vorliegen. Wenn die Annahme oder Ausschlagung von einem gesetzlichen Vertreter (z.B. Ihren Eltern für ein minderjähriges Kind) erklärt wurde, kommt es auf dessen Irrtum an. Bei mehreren Vertretern reicht es, wenn einer von ihnen im Irrtum war.

Selbst wenn Sie unter Betreuung stehen, kommt es auf Ihre eigene Fehlvorstellung an. Kenntnisse Ihres Betreuers werden Ihnen in diesem Fall nicht zugerechnet.


Sie haben Fragen? Wir helfen Ihnen gerne!

Die Materie des Erbrechts kann komplex sein. Wenn Sie sich unsicher sind, ob Sie Ihre Entscheidung bezüglich einer Erbschaft aufgrund eines Irrtums angefochten werden kann, zögern Sie nicht, sich an uns zu wenden. Als RA und Notar Krau stehen wir Ihnen mit unserer Expertise zur Seite und helfen Ihnen, Ihre Rechte zu wahren.

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Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

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