§ 1955 BGB Widerruf und Anfechtung der Anfechtung
Eine zweite Chance im Erbrecht: Wann Sie Ihre Entscheidung rückgängig machen können
Liebe Leserin, lieber Leser,
manchmal trifft man im Leben Entscheidungen, die man später bereut – auch im Erbrecht. Haben Sie zum Beispiel eine Erbschaft angenommen und stellen danach fest, dass sie nur aus Schulden besteht? Oder haben Sie eine Erbschaft ausgeschlagen und erfahren später von einem versteckten Vermögen? Keine Sorge, das deutsche Erbrecht kennt für solche Fälle einen „Notausgang“: die Möglichkeit, Ihre Entscheidung rückgängig zu machen.
Als Notar und Rechtsanwalt Krau möchte ich Ihnen heute erklären, wie das funktioniert und welche Besonderheiten Sie beachten müssen.
Stellen Sie sich vor, Sie haben bereits erklärt, eine Erbschaft anfechten zu wollen (also Ihre ursprüngliche Entscheidung rückgängig zu machen). Solange diese Erklärung noch nicht beim Nachlassgericht angekommen ist, können Sie Ihren „Rückzieher“ vom Rückzieher einfach widerrufen. Das ist so, als würden Sie eine E-Mail abschicken und sie sofort danach zurückrufen, bevor sie beim Empfänger ankommt.
Aber Achtung: Sobald Ihre Anfechtungserklärung das Nachlassgericht erreicht hat, ist sie unwiderruflich. Das heißt, Sie können sie nicht einfach zurücknehmen. Es gibt dann aber eine ganz besondere zweite Chance: die Anfechtung der Anfechtung!
Klingt kompliziert? Ist es aber gar nicht, wenn man es sich bildlich vorstellt. Haben Sie Ihre Erbschaft angenommen, dann aber doch angefochten und diese Anfechtung ist beim Gericht eingegangen? Wenn sich nun herausstellt, dass auch die Anfechtung falsch war (z.B. weil der Grund dafür nicht zutraf), können Sie tatsächlich die Anfechtung selbst anfechten.
Das ist wie ein doppelter Salto rückwärts:
Kurz gesagt: Der ursprüngliche Zustand wird wiederhergestellt.
Egal ob Sie eine Erbschaftsannahme, eine Erbschaftsausschlagung oder sogar eine Anfechtung anfechten möchten: Ihr erster und wichtigster Ansprechpartner ist das Nachlassgericht. Das ist das Gericht, das für Erbschaftsangelegenheiten zuständig ist und in dessen Bezirk der Verstorbene seinen letzten Wohnsitz hatte.
Die Formvorschriften sind hier wichtig: Ihre Anfechtung muss in der Regel öffentlich beurkundet werden, zum Beispiel von einem Notar oder direkt beim Nachlassgericht. Und die Frist dafür ist oft sehr kurz: Sie müssen Ihre Anfechtung sofort erklären, sobald Sie von dem Grund wissen, der Sie zur Anfechtung berechtigt. Man spricht hier von „unverzüglich“. Zögern Sie also nicht, rechtlichen Rat einzuholen!
Natürlich sind mit solchen juristischen Schritten auch Kosten verbunden. Sowohl das Nachlassgericht als auch ein Notar erheben Gebühren für die Beurkundung Ihrer Anfechtungserklärung.
Wichtig zu wissen: Die Person, deren Erklärung beurkundet wird, ist in der Regel auch derjenige, der die Kosten tragen muss. Wenn mehrere Personen eine Anfechtung erklären, haften sie anteilig für die Kosten.
Die reine Entgegennahme Ihrer Anfechtungserklärung durch das Nachlassgericht ist kostenlos. Egal, ob Sie die Erklärung direkt beim Gericht abgegeben oder von einem Notar haben beurkunden lassen – das Gericht darf dafür keine zusätzliche Gebühr erheben.
Manchmal wird diskutiert, ob Notare für die Einreichung der Erklärung beim Gericht eine weitere Gebühr verlangen können. Das ist in der Regel aber nicht der Fall, auch wenn das Senden fristgebundener Erklärungen an das richtige Gericht durchaus verantwortungsvoll ist.
Ich hoffe, diese Erläuterungen helfen Ihnen, die komplexen Regeln rund um den Widerruf und die Anfechtung im Erbrecht besser zu verstehen. Wenn Sie unsicher sind oder weitere Fragen haben, zögern Sie nicht, sich professionellen Rat einzuholen.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Rechtsanwalt und Notar Krau