§ 1956 Anfechtung der Fristversäumung – Kausalität des Anfechtungsgrundes
Erbschaft ausschlagen – Was tun, wenn die Frist abgelaufen ist?
Stellen Sie sich vor, Sie erfahren von einer Erbschaft, sind sich aber unsicher, ob Sie diese annehmen sollen. Vielleicht, weil Sie Schulden im Nachlass befürchten oder die Person des Erblassers Ihnen unklar ist. In Deutschland haben Sie sechs Wochen Zeit, um eine Erbschaft auszuschlagen. Doch was passiert, wenn diese Frist ungenutzt verstreicht und Sie die Erbschaft ungewollt annehmen? Keine Sorge, oft gibt es einen Ausweg: die Anfechtung der Annahme.
Manchmal schlägt man eine Erbschaft nicht aus, weil man sich über eine entscheidende Eigenschaft der Erbschaft oder des Erblassers irrt. Das kann eine unerwartete Überschuldung des Nachlasses sein oder ein Irrtum über die Identität oder die Persönlichkeit des Erblassers.
Hier ein Beispiel: Sie lassen die Ausschlagungsfrist verstreichen, weil Sie glauben, die Erbschaft sei wertvoll. Später stellt sich heraus, dass der Nachlass komplett überschuldet ist. Hätten Sie das gewusst, hätten Sie die Erbschaft ausgeschlagen. In solchen Fällen kann der Gesetzgeber davon ausgehen, dass Sie die Erbschaft im Grunde gar nicht annehmen wollten. Das ist ein klassischer Eigenschaftsirrtum.
Wichtig ist dabei: Man betrachtet hypothetisch, ob Sie bei Kenntnis der wahren Sachlage die Erbschaft ausgeschlagen hätten. Es kommt also nicht darauf an, ob Sie tatsächlich wussten, dass die Frist abläuft. War Ihnen der Fristablauf unbekannt, liegt oft sogar ein noch einfacherer Anfechtungsgrund vor, der sogenannte Inhalts- oder Erklärungsirrtum.
Manchmal ist der Wille zur Ausschlagung da, aber die Erklärung kommt nicht rechtzeitig oder gar nicht beim Nachlassgericht an. Das passiert zum Beispiel, wenn der Postbote die Ausschlagungserklärung zu spät oder an das falsche Gericht liefert. Auch wenn ein Notar, den Sie beauftragt haben, die Frist versehentlich versäumt, kann das ein Grund für eine Anfechtung sein.
Ein Notar, der Ihre Ausschlagungserklärung an das Nachlassgericht sendet, ist in diesem Fall Ihr Bote und kein „Vertreter“ im rechtlichen Sinne. Daher kann Ihnen ein Fehler des Notars in der Regel nicht angelastet werden, wenn Sie die Anfechtung erklären.
Für eine erfolgreiche Anfechtung muss der Irrtum, der Sie zur Fristversäumung geführt hat, auch ursächlich dafür gewesen sein. Das bedeutet: Hätten Sie gewusst, wie die Dinge wirklich liegen, hätten Sie die Erbschaft fristgerecht ausgeschlagen.
Man prüft dies aus der Sicht eines objektiven, vernünftigen Dritten zum Zeitpunkt des Fristablaufs. Wenn Ihnen die Erbschaft – selbst bei einer möglichen Überschuldung – gleichgültig war, fehlt es an diesem Zusammenhang. Auch wenn Sie erst nach Ablauf der Frist erfahren, dass Ihre Ausschlagungserklärung unwirksam war, kann es schwierig werden. Es sei denn, Sie waren zum Zeitpunkt des Fristablaufs fälschlicherweise davon überzeugt, wirksam ausgeschlagen zu haben.
Ein häufiger Fall ist die Überschuldung des Nachlasses. Die allgemeine Lebenserfahrung spricht hier dafür, dass man die Erbschaft bei Kenntnis der Schulden ausgeschlagen hätte. Es kommt dabei auf das subjektive Wissen des Erben zum Zeitpunkt des Fristablaufs an. Auch wenn sich später herausstellt, dass der Nachlass doch nicht überschuldet war, steht das einer Anfechtung nicht entgegen.
Die Anfechtung der Annahme muss, genau wie die Ausschlagung selbst, in einer bestimmten Form erfolgen. Sie müssen die Anfechtung gegenüber dem Nachlassgericht erklären, entweder zur Niederschrift des Gerichts oder in öffentlich beglaubigter Form (oft durch einen Notar).
Auch für die Anfechtung gibt es eine Frist. Diese beginnt, sobald Sie von den Tatsachen erfahren, die Sie zur Anfechtung berechtigen. Es ist dabei nicht notwendig, dass Sie über Ihr konkretes Anfechtungsrecht aufgeklärt werden. Es reicht die zuverlässige Kenntnis aller Tatsachen, die den Anfechtungsgrund bilden. Dazu gehören etwa die Existenz der Ausschlagungsfrist, ihr Lauf und die Rechtsfolgen, wenn sie abläuft.
Wenn Sie zum Beispiel von einem Rechtsanwalt oder Notar über die Frist und deren Bedeutung informiert wurden, wird davon ausgegangen, dass Sie ausreichend Kenntnis haben.
Wenn Ihre Anfechtung erfolgreich ist, gilt die Erbschaft als von Anfang an ausgeschlagen. Das bedeutet, Sie werden so behandelt, als hätten Sie die Erbschaft nie angenommen. Sie haben dann keine Rechte und Pflichten mehr bezüglich des Nachlasses.
In seltenen Fällen kann es sogar möglich sein, die Versäumung der Anfechtungsfrist anzufechten. Das ist aber eine sehr komplizierte Angelegenheit und nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen möglich, um nicht die generellen Fristen des Erbrechts zu unterlaufen.
Als Ihr Rechtsanwalt und Notar Krau hoffe ich, dass Ihnen diese Erläuterungen mehr Klarheit verschaffen konnten. Bei weiteren Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.