§ 1959 BGB Geschäftsführung vor der Ausschlagung – Pflichten des vorläufigen Erben

Juni 8, 2025

§ 1959 BGB Geschäftsführung vor der Ausschlagung – Pflichten des vorläufigen Erben

Was ist, wenn Sie (noch) nicht der „wahre“ Erbe sind? Einblick in die Pflichten des vorläufigen Erben

Stellen Sie sich vor, Sie erfahren, dass Sie Erbe geworden sind. Vielleicht freuen Sie sich, vielleicht sind Sie auch unsicher, was nun auf Sie zukommt. Doch was passiert, wenn Ihre Erbenstellung noch nicht endgültig geklärt ist? Sie sind dann, juristisch gesprochen, ein vorläufiger Erbe. In diesem Blogbeitrag möchten wir, RA und Notar Krau, Ihnen einen klaren Überblick über Ihre Rechte und Pflichten in dieser besonderen Situation geben.

Keine Pflicht zur aktiven Verwaltung des Nachlasses – aber ein Recht dazu!

Vielleicht fragen Sie sich, ob Sie jetzt sofort losrennen und den Nachlass verwalten müssen. Die gute Nachricht: Als vorläufiger Erbe sind Sie nicht verpflichtet, sich aktiv um die Geschäfte des Nachlasses zu kümmern. Das bedeutet, Sie müssen weder ein Inventar erstellen, noch müssen Sie die Nachlassinsolvenz beantragen. Der Grund dafür ist recht einfach und nachvollziehbar: Es wäre Ihnen nicht zuzumuten, einen Nachlass zu verwalten, der vielleicht weit entfernt ist oder dessen endgültiger Verbleib noch unsicher ist. Die Sicherung des Nachlasses ist in erster Linie Aufgabe des Nachlassgerichts.

Aber aufgepasst: Auch wenn Sie nicht zur Geschäftsführung verpflichtet sind, so sind Sie doch berechtigt, sich um den Nachlass zu kümmern. Das ist ein wichtiger Unterschied!

Wenn Sie handeln, dann sorgfältig!

Sollten Sie sich dazu entscheiden, Geschäfte für den Nachlass zu erledigen – sei es, weil es notwendig ist oder Sie einfach aktiv werden möchten –, dann müssen Sie diese auch sorgfältig und im Interesse des Nachlasses ausführen. Stellen Sie sich vor, Sie sind ein umsichtiger Hausverwalter, der sich um fremdes Eigentum kümmert. Sie müssen nicht den „wahren“ Erben kennen oder dessen genauen Willen ergründen. Vielmehr geht es darum, dass Sie so handeln, wie es ein verständiger Erbe in Ihrer Lage tun würde. Es kommt darauf an, dass Sie die Sorgfalt anwenden, die Sie auch in eigenen Angelegenheiten walten lassen würden.

Das bedeutet: Wenn Sie zum Beispiel eine bereits begonnene Maßnahme fortführen oder beenden, weil es im Sinne des Nachlasses ist, dann ist das gut. Sie müssen aber keine neuen Maßnahmen ergreifen, wenn es dafür keine zwingende Notwendigkeit gibt.

Besondere Situationen: Öffentliches Interesse, Unterhaltspflichten und dringende Gefahren

Manche Handlungen sind auch als vorläufiger Erbe immer „interessengerecht“. Dazu gehören:

  • Handlungen im öffentlichen Interesse: Wenn es um Dinge geht, die der Allgemeinheit zugutekommen, wie zum Beispiel die Sicherung eines öffentlichen Wegerechts.
  • Erfüllung von Unterhaltspflichten: Sollte der Nachlass die Möglichkeit bieten, dringend benötigte Unterhaltszahlungen zu leisten, ist dies ebenfalls eine gebotene Handlung.
  • Abwendung dringender Gefahren: Wenn Gefahr im Verzug ist und Sie handeln müssen, um Schaden vom Nachlass abzuwenden (z. B. ein undichtes Dach reparieren), dann haften Sie dafür nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Das ist eine Erleichterung für Sie.

§ 1959 BGB Geschäftsführung vor der Ausschlagung – Pflichten des vorläufigen Erben

Was ist, wenn ein Testamentsvollstrecker oder Nachlasspfleger im Spiel ist?

Manchmal gibt es neben dem vorläufigen Erben auch einen Testamentsvollstrecker (jemand, der den letzten Willen des Verstorbenen umsetzt) oder einen Nachlasspfleger (eine Person, die vom Gericht zur Sicherung und Verwaltung des Nachlasses bestellt wird).

Hier ist zu unterscheiden:

  • Wenn Ihnen die Verwaltung entzogen ist: Haben Sie keine Befugnis, den Nachlass zu verwalten, weil diese bei einem Testamentsvollstrecker oder Nachlasspfleger liegt, dann müssen Sie deren Interessen und Anweisungen beachten, wenn Sie dennoch handeln.
  • Wenn Sie weiterhin handeln dürfen: Bleiben Sie neben diesen Personen handlungsbefugt, dann gelten die oben genannten Grundsätze. Sie handeln weiterhin nach Ihrer eigenüblichen Sorgfalt.

Wenn etwas schiefläuft: Schadensersatzpflicht

Sollten Sie Ihre Pflicht zur interessengerechten Geschäftsbesorgung verletzen, zum Beispiel weil Sie extrem unvorsichtig vorgegangen sind, dann können Sie dem wahren Erben gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet sein. Allerdings: Solange Sie noch vorläufiger Erbe sind, haften Sie nur eingeschränkt – eben nach dem Maßstab der „eigenüblichen Sorgfalt“. Erst wenn Ihre Erbenstellung endgültig geklärt ist (und Sie zum Beispiel die Erbschaft ausgeschlagen haben), gilt ein strengerer Haftungsmaßstab.


Ihre Pflichten nach der endgültigen Klärung

Sobald feststeht, dass Sie nicht der endgültige Erbe sind, kommen weitere wichtige Pflichten auf Sie zu:

Auskunfts- und Rechenschaftspflicht

Sie müssen dem wahren Erben Auskunft über alles geben, was den Nachlass betrifft und während Ihrer vorläufigen Erbenstellung geschehen ist. Das bedeutet, Sie müssen ihm erzählen, welche Geschäfte Sie erledigt haben, welche Einnahmen und Ausgaben es gab. Darüber hinaus sind Sie zur Rechenschaftslegung verpflichtet, das heißt, Sie müssen detaillierte Rechnungen vorlegen und Belege herausgeben.

Herausgabepflicht

Alles, was Sie durch Ihre vorläufige Erbenstellung erhalten haben, müssen Sie dem wahren Erben herausgeben. Das können Gelder sein, Gegenstände, aber auch Ansprüche, die Sie gegenüber Dritten erworben haben, die aber eigentlich dem Nachlass zustehen. Auch wenn Sie Nachlassgelder mit Ihrem eigenen Vermögen vermischt oder ausgegeben haben, müssen Sie diese dem wahren Erben zurückgeben. Wenn Sie das Erlangte nicht mehr herausgeben können, kann dies zu einer Schadensersatzpflicht führen.

Verzinsungspflicht

Haben Sie Gelder aus dem Nachlass für Ihre eigenen Zwecke verwendet, müssen Sie diese an den wahren Erben zurückzahlen und zusätzlich verzinsen. Die Zinspflicht beginnt, sobald Sie die Gelder für sich genutzt haben.

Was, wenn Sie nicht geschäftsfähig waren?

Sollten Sie als vorläufiger Erbe zum Zeitpunkt Ihrer Handlungen geschäftsunfähig oder in Ihrer Geschäftsfähigkeit beschränkt gewesen sein (z.B. ein Kind oder eine Person mit einer Betreuung), dann gelten für Sie Haftungserleichterungen. Sie haften dann in der Regel nur für Schäden, die Sie vorsätzlich oder fahrlässig verursacht haben und können sich eventuell auf eine „Entreicherung“ berufen – sprich, wenn Sie nicht mehr im Besitz des Erlangten sind. Wichtig ist hierbei: Diese Erleichterungen gelten nur, wenn Sie selbst gehandelt haben. Wenn Ihr gesetzlicher Vertreter für Sie gehandelt hat, gelten andere Regeln.


Wir hoffen, dieser Überblick hat Ihnen geholfen, die komplexe Materie der Pflichten des vorläufigen Erben besser zu verstehen. Bei weiteren Fragen stehen wir Ihnen selbstverständlich jederzeit gerne zur Verfügung.

Ihr RA und Notar Krau

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