§ 1959 BGB Geschäftsführung vor der Ausschlagung
Wenn das Erbe plötzlich vor der Tür steht: Was Sie vor der Annahme oder Ausschlagung wissen sollten
Stellen Sie sich vor, ein geliebter Mensch verstirbt und Sie sind plötzlich Erbe. Eine herausfordernde Situation, die oft mit vielen Fragen verbunden ist. In dieser Zeit, in der Sie sich entscheiden müssen, ob Sie das Erbe annehmen oder ausschlagen, können verschiedene Dinge passieren. Was, wenn Sie schon handeln, bevor Sie sich entschieden haben? Oder Dritte Geschäfte mit Ihnen machen, weil sie denken, Sie sind der endgültige Erbe? Genau hier setzt ein oft übersehener, aber wichtiger Paragraph im Gesetz ein: § 1959 des Bürgerlichen Gesetzbuches.
Als Rechtsanwalt und Notar Krau möchte ich Ihnen diesen Paragraphen näherbringen und erklären, wie er Sie in dieser unsicheren Phase schützt und Klarheit schafft.
Wenn Sie als potenzieller Erbe – juristisch sprechen wir hier vom „vorläufigen Erben“ – sich um den Nachlass kümmern, bevor Sie die Erbschaft offiziell angenommen oder ausgeschlagen haben, können Sie trotzdem handeln. Das Gesetz sieht vor, dass diese Handlungen wirksam bleiben, auch wenn Sie die Erbschaft später ausschlagen. Das ist wichtig, denn sonst wäre alles, was Sie in dieser Zwischenzeit im Sinne des Nachlasses getan haben, plötzlich unwirksam. Das würde nicht nur Sie, sondern auch Dritte vor große Probleme stellen.
Stellen Sie sich vor, Sie bezahlen eine dringend benötigte Reparatur am geerbten Haus oder kümmern sich um die Beerdigungskosten. Diese Maßnahmen sind sinnvoll und notwendig. § 1959 BGB sorgt dafür, dass solche wichtigen Schritte nicht im Nachhinein für ungültig erklärt werden, nur weil Sie sich später gegen das Erbe entscheiden.
Das Gesetz vergleicht Sie als vorläufigen Erben in dieser Phase mit einem sogenannten „Geschäftsführer ohne Auftrag“. Das klingt vielleicht kompliziert, bedeutet aber im Grunde Folgendes: Sie handeln im Interesse des Nachlasses, obwohl Sie noch nicht der endgültige Erbe sind. Das ist eine Art „Notfallmanagement“, das das Gesetz erlaubt und sogar schützt.
Wenn Sie zum Beispiel im Interesse des Nachlasses handeln, als wären Sie schon der wahre Erbe, dann gelten für diese Handlungen bestimmte Regeln. Sie werden nicht wie ein Fremder behandelt, der sich einfach so einmischt, sondern Ihre Handlungen haben Gewicht. Das ist besonders wichtig, damit Sie nicht später für etwas haftbar gemacht werden, das Sie in gutem Glauben und zum Wohl des Nachlasses getan haben.
Manchmal gibt es Dinge, die im Nachlass sofort erledigt werden müssen. Denken Sie an den Verkauf verderblicher Waren oder eine unaufschiebbare Reparatur, um größeren Schaden zu vermeiden. In solchen Fällen dürfen Sie handeln, auch wenn Sie noch nicht endgültig Erbe sind.
§ 1959 Absatz 2 schützt diese „unaufschiebbaren Verfügungen“. Das bedeutet, wenn Sie einen Gegenstand aus dem Nachlass verkaufen mussten, weil es nicht anders ging und ein Aufschub zum Nachteil des Nachlasses gewesen wäre, dann bleibt dieser Verkauf auch gültig, wenn Sie die Erbschaft später ausschlagen. Das schützt nicht nur Sie, sondern auch den Käufer, der auf Ihre Berechtigung vertraut hat. Die Gerichte legen diesen Paragraphen aber sehr genau aus, um sicherzustellen, dass es sich wirklich um eine Notwendigkeit handelte und nicht um eine übereilte Handlung.
Was ist, wenn jemand anderes ein Geschäft mit Ihnen als vermeintlichem Erben abschließt? Zum Beispiel, wenn ein Nachlassgläubiger eine Forderung an Sie richtet. Auch hier kommt § 1959 Absatz 3 ins Spiel. Er stellt sicher, dass solche Geschäfte grundsätzlich gültig bleiben, selbst wenn Sie die Erbschaft später ausschlagen.
Das ist wichtig, um das Vertrauen im Rechtsverkehr zu schützen. Dritte können ja nicht wissen, ob Sie das Erbe annehmen oder ausschlagen werden. Daher sollen ihre berechtigten Geschäfte mit dem Nachlass nicht einfach hinfällig werden, nur weil sich die Erbenstellung später ändert. Der endgültige Erbe muss in solchen Fällen zwar die Konsequenzen tragen, kann sich aber gegebenenfalls an den vorläufigen Erben halten.
Dieser wichtige Paragraph gilt nur, solange die Frage Ihrer Erbschaft noch offen ist. Haben Sie die Erbschaft einmal angenommen – und das kann auch durch schlüssiges Handeln geschehen, etwa wenn Sie sich bereits aktiv um den Nachlass kümmern –, dann greift § 1959 nicht mehr. Dann werden alle Ihre Handlungen rückwirkend so behandelt, als wären sie von Anfang an die Handlungen des endgültigen Erben gewesen.
Sollten Sie Ihre Annahme der Erbschaft erfolgreich anfechten, werden Sie rückwirkend wieder wie ein vorläufiger Erbe behandelt, der die Erbschaft ausschlägt. Für den Zeitraum zwischen Erbfall und Anfechtung kommt dann wieder § 1959 zur Anwendung.
Es ist wichtig zu verstehen, dass Sie als vorläufiger Erbe nicht automatisch als Vertreter des endgültigen Erben handeln. § 1959 ist eine Ausnahme und keine allgemeine Regel. Es gibt keinen Freifahrtschein, um alle möglichen Geschäfte im Namen des Nachlasses zu tätigen. Der Paragraph schützt vor allem notwendige und unaufschiebbare Handlungen sowie das Vertrauen Dritter.
Ich hoffe, diese Erläuterungen helfen Ihnen, die Bedeutung von § 1959 BGB besser zu verstehen. Bei Fragen zur Erbschaft und den damit verbundenen rechtlichen Schritten stehe ich Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.
Ihr Rechtsanwalt und Notar Krau