§ 2314 I 2 BGB Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Wertermittlung – BGH IV ZR 16/19
Zusammenfassung RA und Notar Krau
Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 3. Juni 2020 (Az. IV ZR 16/19) behandelt einen Rechtsstreit über die Wertermittlung zweier Eigentumswohnungen im Zusammenhang mit Pflichtteilsergänzungsansprüchen.
Der Kläger, der Sohn aus erster Ehe des Erblassers, verlangt von der Beklagten, der zweiten Ehefrau des Erblassers, die Ermittlung des Wertes der Wohnungen durch Sachverständigengutachten.
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 15. Januar 2019 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Kläger ist der Sohn aus erster Ehe des Erblassers, der 1946 geboren wurde und am 2. Januar 2017 verstarb. Der Erblasser war seit 1991 in zweiter Ehe mit der Beklagten verheiratet.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 25. Juli 2008 erwarb eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), bestehend aus dem Erblasser und der Beklagten, eine Eigentumswohnung in der L. Straße 55 in Hamburg.
Die GbR wurde als Eigentümerin eingetragen, und zur Finanzierung wurde ein durch Grundschuld gesichertes Darlehen über 125.000 € aufgenommen, für das beide Gesellschafter zu gleichen Teilen hafteten.
Zins und Tilgung des Darlehens wurden aus den Mieteinnahmen der Wohnung gezahlt, die zu einem unter der ortsüblichen Miete liegenden Mietzins an den gemeinsamen Sohn des Erblassers und der Beklagten vermietet ist.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 27. Dezember 2011 erwarb eine ebenfalls aus dem Erblasser und der Beklagten bestehende GbR eine noch zu errichtende Eigentumswohnung im H. Weg 30 in Hamburg.
Der Kaufpreis von 3.224.739,51 € wurde größtenteils aus dem Verkaufserlös eines Grundstücks finanziert, das ebenfalls der GbR gehörte.
Nach Fertigstellung zogen der Erblasser und die Beklagte in die Wohnung ein.
Im Kaufvertrag und einer späteren „Gesellschaftsrechtlichen Vereinbarung“ vom 11. September 2014 wurde geregelt, dass die Gesellschaft mit dem Tod eines Gesellschafters aufgelöst wird und der Anteil des verstorbenen Gesellschafters dem Überlebenden anwächst, ohne dass die Erben eine Abfindung erhalten.
Der Erblasser setzte die Beklagte mit notariellem Testament vom 24. Februar 2016 als Alleinerbin ein und den gemeinsamen Sohn als Ersatzerben.
Der Kläger verlangte von der Beklagten die Ermittlung des Wertes der beiden Wohnungen durch Sachverständigengutachten jeweils bezogen auf den Todestag des Erblassers.
Das Landgericht wies die Klage ab, während das Oberlandesgericht der Klage teilweise stattgab und die Beklagte zur Wertermittlung verpflichtete.
Das Berufungsgericht befand, dass dem Kläger ein Wertermittlungsanspruch nach § 2314 BGB zusteht, da er einen Pflichtteilsergänzungsanspruch in Bezug auf die Übertragung der Gesellschaftsanteile habe.
Es liege eine Zuwendung des Erblassers zugunsten der Beklagten vor, die als unentgeltlich zu betrachten sei.
Das Gericht stellte fest, dass die gesellschaftsrechtliche Regelung nicht primär der Fortführung eines Unternehmens diente, sondern der Wahrnehmung der Eigentümerposition für Wohnzwecke, wodurch keine relevante Gegenleistung der Beklagten bestand.
Der BGH bestätigte das Urteil des Berufungsgerichts. Der Kläger hat als Pflichtteilsberechtigter einen Anspruch auf Wertermittlung der Gesellschaftsanteile des Erblassers nach § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Pflichtteilsergänzungsansprüche:
Diese setzen voraus, dass der Erblasser eine Schenkung im Sinne von § 516 BGB gemacht hat, also eine unentgeltliche Zuwendung. Der BGH stellte fest, dass die abfindungsfreie Anwachsung der Gesellschaftsanteile zugunsten der Beklagten eine solche Schenkung darstellt.
Unentgeltlichkeit:
Der Erwerb der Gesellschaftsanteile durch die Beklagte war unentgeltlich, da keine Gegenleistung der Beklagten vorlag. Insbesondere bestand kein relevantes Haftungsrisiko für die Beklagte, und sie hatte keine konkreten Arbeitsleistungen für die Verwaltung der Wohnungen übernommen.
Schenkung und gesellschaftsrechtliche Vereinbarungen:
Der BGH stellte klar, dass gesellschaftsrechtliche Vereinbarungen zur Nachfolge nicht automatisch Schenkungen ausschließen. Es sei im Einzelfall zu prüfen, ob eine unentgeltliche Zuwendung vorliegt. Im vorliegenden Fall war die Anwachsung der Anteile zugunsten der Beklagten als Schenkung zu werten, da der Erblasser kein Verlustrisiko einging und die Vereinbarung primär der Sicherstellung diente, dass die Beklagte Alleinerbin wird.
Formmangel und Heilung:
Auch die privatschriftliche Vereinbarung hinsichtlich der Abfindungsausschlüsse war wirksam, da der Formmangel nach § 518 Abs. 2 BGB durch die Erfüllung der Schenkung geheilt wurde.
Das Urteil des BGH bestätigt, dass der Kläger einen Anspruch auf Wertermittlung der Gesellschaftsanteile des Erblassers hat.
Die gesellschaftsrechtlichen Regelungen zur Anwachsung der Anteile und der Ausschluss der Abfindung stellen eine unentgeltliche Zuwendung im Sinne einer Schenkung dar, die Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen kann.
Die Beklagte wurde daher zur Ermittlung des Wertes der Wohnungen durch Sachverständigengutachten verpflichtet.
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