Ab wann ist der Vorbehalt eines Wohnungsrechts für das Anlaufen der Zehnjahresfrist des § 2325 BGB schädlich?
Der Vorbehalt eines Wohnungsrechts § 1093 BGB ist für das Anlaufen der Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 BGB (Pflichtteilsergänzung) schädlich, wenn der Erblasser durch das vorbehaltene Recht die wesentliche Nutzungsmöglichkeit des verschenkten Gegenstands weiterhin behält und somit der „Genuss“ des Geschenks nicht aufgegeben wird.
Die Zehnjahresfrist beginnt nach § 2325 Abs. 3 Satz 2 BGB grundsätzlich erst mit der „Leistung des verschenkten Gegenstandes“ zu laufen. Bei einer Grundstücksschenkung ist die Leistung erfolgt, wenn der Erblasser seine Rechtsstellung als Eigentümer nicht nur formal aufgibt, sondern auch darauf verzichtet, den Gegenstand im Wesentlichen weiterhin zu nutzen („Genuss“).
Wenn der Erblasser den verschenkten Gegenstand, z.B. ein Haus, aufgrund des vorbehaltenen Rechts im Wesentlichen weiter nutzt, gilt die Leistung als noch nicht erfolgt, und die Zehnjahresfrist beginnt nicht zu laufen. Der Erblasser wird weiterhin als „Herr im Haus“ betrachtet.
Ob ein vorbehaltenes Wohnungsrecht den Fristbeginn hindert, ist stets eine Einzelfallentscheidung und hängt vom Umfang des vorbehaltenen Rechts ab:
Schädlich (Frist beginnt nicht zu laufen):
Das Wohnungsrecht erstreckt sich auf die gesamte oder nahezu gesamte Immobilie (z.B. ein Einfamilienhaus oder eine Eigentumswohnung), sodass dem Beschenkten keine oder nur eine völlig unwesentliche eigene Nutzungsmöglichkeit verbleibt.
Der Erblasser behält sich somit eine eigentümerähnliche Stellung vor und muss den „Genuss“ des Geschenks nicht entbehren.
Regelmäßig unschädlich (Frist beginnt zu laufen):
Das Wohnungsrecht bezieht sich nur auf Teile des Grundstücks oder Gebäudes (z.B. eine von mehreren Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus).
In diesem Fall verbleibt dem Beschenkten (Eigentümer) eine eigenständige, wesentliche Nutzungsmöglichkeit an anderen Teilen des Objekts, sodass die „Leistung“ im Sinne des § 2325 BGB als erfolgt angesehen wird.
Der § 2325 Abs. 3 BGB unterscheidet nicht explizit zwischen Wohnungsrecht und Nießbrauch. Jedoch wird der Nießbrauch (§ 1030 BGB) als umfassenderes Nutzungsrecht (inkl. Fruchtziehung, z.B. Vermietung) angesehen als das Wohnungsrecht (§ 1093 BGB), welches in der Regel auf die Eigennutzung beschränkt ist.
Beim Vorbehalt eines Nießbrauchs läuft die Zehnjahresfrist grundsätzlich nicht an, da der Erblasser in aller Regel den „Genuss“ des verschenkten Gegenstands uneingeschränkt behält.
Beim Vorbehalt eines Wohnungsrechts beginnt die Frist im Regelfall zu laufen, es sei denn, das Wohnungsrecht ist so umfassend ausgestaltet, dass es einer Nießbrauchsbestellung wirtschaftlich gleichkommt (s.o.).
Allein die Existenz eines Wohnungsrechts alleine genügt in der Regel nicht, um das Anlaufen der Frist zu hindern. Es kommt entscheidend auf den konkreten Umfang der Nutzungsmöglichkeit des Erblassers an.
Würden Sie gerne wissen, wie sich die Pflichtteilsergänzung bei einer Schenkung an den Ehegatten auf die Zehnjahresfrist auswirkt?