Abbuchung der Mieterhöhung ohne Zustimmung des Mieters

Oktober 11, 2025

Abbuchung der Mieterhöhung ohne Zustimmung des Mieters

Der vorliegende Fall des Landgerichts Stuttgart (LG Stuttgart, Urteil vom 26.10.2011, Az. 13 S 41/11) klärt eine wichtige Frage für Mieter: Was passiert, wenn ein Vermieter die Miete erhöht, man nicht ausdrücklich zustimmt und der Vermieter den höheren Betrag trotzdem einfach vom Konto abbucht?

Kernbotschaft für Mieter: Schweigen ist keine Zustimmung

Die zentrale Aussage des Urteils ist: Das Schweigen eines Mieters auf ein Mieterhöhungsverlangen und die widerspruchslose Hinnahme einer unberechtigten Abbuchung der erhöhten Miete durch den Vermieter gelten nicht als Zustimmung zur Mieterhöhung.

Die rechtliche Situation

Nach deutschem Mietrecht (§ 558b BGB) muss der Mieter einer Mieterhöhung nach den gesetzlichen Vorschriften ausdrücklich zustimmen. Ohne diese Zustimmung ist die Mieterhöhung unwirksam.

Im Vertragsrecht gilt grundsätzlich: Schweigen ist keine Willenserklärung (ein „rechtliches Nullum“). Nur in ganz bestimmten, gesetzlich geregelten Ausnahmefällen kann Schweigen als Zustimmung gewertet werden – bei Mieterhöhungen ist das nicht der Fall.

Wenn ein Vermieter trotz fehlender Zustimmung die erhöhte Miete einfach abbucht (oft über ein bestehendes Lastschriftverfahren), handelt er vertrags- und treuwidrig. Er missbraucht die Einzugsermächtigung, da die Miete nur in der vereinbarten Höhe geschuldet wird.

Rückforderung zu viel gezahlter Miete

Da die Mieterhöhung unwirksam ist, hat der Vermieter die zu viel gezahlten Beträge ohne rechtlichen Grund erhalten. Mieter haben deshalb einen Anspruch auf Rückzahlung (sogenannter bereicherungsrechtlicher Anspruch).

Verwirkung

Der Vermieter versuchte in diesem Fall, sich darauf zu berufen, der Mieter habe seinen Rückforderungsanspruch verwirkt, weil er die Abbuchungen über längere Zeit (hier: etwa drei Jahre) widerspruchslos hingenommen hatte.

Verwirkung liegt nur vor, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind:

Zeitmoment:

Das Recht wurde längere Zeit nicht geltend gemacht.

Umstandsmoment:

Aufgrund des Verhaltens des Berechtigten (Mieter) durfte der Verpflichtete (Vermieter) darauf vertrauen, dass das Recht nicht mehr geltend gemacht wird.

Abbuchung der Mieterhöhung ohne Zustimmung des Mieters

Das Landgericht Stuttgart hat die Verwirkung abgelehnt, da das Umstandsmoment fehlt:

Der Vermieter hat sich von Anfang an rechtswidrig verhalten, indem er ohne Zustimmung die Miete eigenmächtig erhöht und abgebucht hat. Wer rechtswidrig handelt, genießt keinen Vertrauensschutz. Er durfte nicht davon ausgehen, das Geld endgültig behalten zu können.

Gerade bei einem gewerblichen Vermieter, der mit den Gesetzen vertraut ist und oft mit rechtlich ungeübten Mietern zu tun hat, muss er das Schweigen des Mieters nicht zwingend als Zustimmung deuten. Es liegt nahe, dass das Ausbleiben eines Widerspruchs an Rechtsunkenntnis oder der Sorge um den Mietvertrag liegt.

Fazit:

Der Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der zu viel gezahlten Miete ist nicht allein durch langes Schweigen verwirkt.

Wichtiger Hinweis zum Prozess

Das Gericht musste in diesem Fall auch eine prozessuale Frage klären, die für Laien weniger relevant ist, aber den Ablauf beeinflusste:

Im vorliegenden Streit ging es um zwei Mieterhöhungen (die erste von 2007, die zweite von 2010). Die zweite Erhöhung baute auf der ersten auf.

Das Gericht entschied, dass man nicht mit einem sogenannten Teilurteil nur über die Rückforderung (Widerklage, die sich auf die erste Erhöhung bezog) entscheiden darf.

Der Grund:

Die Wirksamkeit der ersten Mieterhöhung (2007) ist die entscheidende Vorfrage für beide Streitpunkte (Rückzahlung und Zustimmung zur zweiten Erhöhung). Ein Teilurteil über die Rückforderung könnte dem späteren Endurteil über die Zustimmung widersprechen. Daher musste der gesamte Fall gemeinsam vom Amtsgericht neu verhandelt werden.

Ihre Rechte als Mieter im Überblick

Keine automatische Zustimmung:

Eine Mieterhöhung wird nicht wirksam, nur weil Sie nicht widersprechen. Sie müssen ausdrücklich zustimmen.

Widerrufen Sie die Lastschrift:

Bucht der Vermieter ohne Ihre Zustimmung die erhöhte Miete ab, können Sie dies bei Ihrer Bank innerhalb von acht Wochen widerrufen (Achtung: Dies betrifft nur das Verhältnis zur Bank).

Rückforderung:

Sie können die rechtsgrundlos gezahlten Beträge vom Vermieter zurückfordern. Dieser Anspruch verjährt in der Regel erst nach drei Jahren, beginnend mit dem Ende des Jahres, in dem Sie von der unberechtigten Zahlung Kenntnis erlangt haben oder hätten erlangen müssen.

RA und Notar Krau

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