Abfindungsausschluß in Gesellschaftsvertrag GbR mit rein ideeller Zielsetzung

April 24, 2019

Abfindungsausschluß in Gesellschaftsvertrag GbR mit rein ideeller Zielsetzung

BGH II ZR 81/96

RA und Notar Krau

In dem vorliegenden Fall setzte sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Frage der Zulässigkeit von Beschränkungen der Abfindung ausscheidender Gesellschafter in einer

Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGB-Gesellschaft) auseinander, die einen rein ideellen Zweck verfolgt.

Konkret ging es um eine 1983 gegründete Gesellschaft mit dem Ziel, gemeinschaftlich und alternativ zu wohnen.

Der Gesellschaftsvertrag sah vor, dass der Zweck der Gesellschaft nicht die Gewinnerzielung sei, sondern die Schaffung besserer Lebensverhältnisse für die Gesellschafter und ihre Kinder.

Bei Eintritt leistete jeder Gesellschafter eine Einlage von 6.000 DM, die er bei Ausscheiden ohne Berücksichtigung einer möglichen Wertsteigerung des Gesellschaftsanteils zurückerhalten sollte.

Die Gesellschaft erwarb 1983 ein sanierungsbedürftiges Anwesen für 170.000 DM und modernisierte es mit erheblichen Fördermitteln für über 1,8 Mio. DM.

Der Wert des Anwesens wurde später auf 3 Mio. DM geschätzt.

Die Kläger, Gesellschafter der ersten Stunde, hielten die im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Abfindungsregelung für unwirksam und klagten auf Feststellung.

Das Landgericht wies die Klage ab, während das Berufungsgericht die Regelungen für teilweise unwirksam hielt und im Wege ergänzender Vertragsauslegung neu fasste.

Auf die Revision der Beklagten hob der BGH dieses Urteil auf und verwies die Sache zurück an das Berufungsgericht (KG).

Der BGH stellte in seinem ersten Urteil fest, dass die wirtschaftliche Freiheit eines aus einer Gesellschaft mit rein ideellem Zweck ausgeschiedenen Gesellschafters durch den Ausschluss

oder die weitgehende Beschränkung einer Abfindung grundsätzlich nicht beeinträchtigt werde.

Bei Auflösung der Gesellschaft müsse jedoch sichergestellt sein, dass nicht nur die dann noch vorhandenen, sondern auch alle früheren Gesellschafter angemessen am Wert des

Gesellschaftsvermögens beteiligt würden, beispielsweise pro rata temporis ihrer Zugehörigkeit zur Gesellschaft.

Abfindungsausschluß in Gesellschaftsvertrag GbR mit rein ideeller Zielsetzung

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren vor dem Kammergericht (KG) änderten die Kläger ihren Antrag und verlangten eine Neufassung des Gesellschaftsvertrages, wonach ein neu

eintretender Gesellschafter die Hälfte des Verkehrswertes seines Gesellschaftsanteils als Einlage leisten und ein ausscheidender Gesellschafter in entsprechender Höhe abgefunden werden sollte.

Einer von den anderen Gesellschaftern vorgeschlagenen Änderung des Gesellschaftsvertrages, die eine Beteiligung ehemaliger Gesellschafter am Liquidаtionserlös vorsah, stimmten die Kläger nicht zu.

Das KG schloss die nach dem Revisionsurteil des BGH bestehende Vertragslücke, indem es den Vertrag um Bestimmungen ergänzte,

die die Gesellschaftsmehrheit zur Abstimmung gestellt hatte, der die Kläger jedoch ihre Zustimmung verweigerten.

Die Revision der Kläger gegen diese Entscheidung des KG nahm der BGH nicht zur Entscheidung an.

In seiner Anmerkung zu dem Beschluss des BGH vom 12. Juli 1999,  DStR 1999, 1368, betont Prof. Dr. Wulf Goette, Richter am BGH,

dass das KG gemäß § 565 Abs. 2 ZPO an die rechtliche Beurteilung des BGH im ersten Revisionsverfahren gebunden war, solange es keinen neuen Sachverhalt feststellte.

Die Kläger hätten sich daher auf die vom BGH für erforderlich gehaltene ergänzende Auslegung des Vertrages einstellen müssen,

anstatt die Richtigkeit des ersten Revisionsurteils in Frage zu stellen.

Goette hebt hervor, dass es konsequent war, dass sich das KG der Frage widmete, wie sichergestellt werden kann, dass auch früher zum Buchwert ausgeschiedene Gesellschafter an

dem erheblich gestiegenen Wert des Objekts beteiligt werden, falls die Gesellschaft aufgelöst würde.

Der ideelle Zweck der Gesellschaft rechtfertige es nicht, dass die verbleibenden Gesellschafter sich den gemeinsam geschaffenen Wert,

der auch durch erhebliche öffentliche Mittel entstanden sei, allein aneigneten.

Abfindungsausschluß in Gesellschaftsvertrag GbR mit rein ideeller Zielsetzung

Die vom KG gefundene Lösung bestand in einer ergänzten Abfindungsregelung, die nur mit Zustimmung aller gegenwärtigen und ehemaligen Gesellschafter geändert werden konnte und

vorsah, dass diese pro rata temporis ihrer Zugehörigkeit zur Gesellschaft am Wert des Gesellschaftsvermögens teilhaben müssen.

Diese Lösung entsprach dem Willen der Mehrheit der Gesellschafter und war bereits im ersten Revisionsverfahren vom BGH als rechtlich einwandfreie Ergänzung des Vertrages bezeichnet worden.

Im Ergebnis müssen sich die Kläger vorerst mit der Abfindung zum Buchwert bei ihrem Ausscheiden zufriedengeben und darauf hoffen, dass das bislang durch den ideellen Zweck

gebundene Gesellschaftsvermögen eines Tages frei verfügbar wird, an dessen Wert sie dann entsprechend ihrer Mitgliedschaftsdauer beteiligt würden.

Die Entscheidung des BGH und die Folgerungen des KG verdeutlichen, dass bei Gesellschaften mit ideellem Zweck zwar Beschränkungen der Abfindung beim Ausscheiden zulässig sein

können, die Gesellschafter aber bei einer späteren Verwertung des gemeinsam geschaffenen Vermögens angemessen berücksichtigt werden müssen.

Hinweis zur neuen Rechtslage:

Das Urteil gibt den alten Rechtsstand wieder. Hier einige Hinweise zu den neuen rechtlichen Regelungen:

Abfindungsausschluss vor dem MoPeG:

Vor Inkrafttreten des MoPeG am 1. Januar 2024 war es in der Praxis durchaus üblich, im Gesellschaftsvertrag einer GbR

einen vollständigen oder teilweisen Ausschluss des Abfindungsanspruchs ausscheidender Gesellschafter zu vereinbaren.

Dies war insbesondere bei Gesellschaften mit ideellen Zielen relevant, da die Finanzierung der Abfindungszahlungen das Fortbestehen der Gesellschaft gefährden konnte.

Die Rechtsprechung hat solche Abfindungsausschlüsse grundsätzlich anerkannt, solange sie nicht gegen zwingendes Recht oder die guten Sitten verstießen.

Abfindungsausschluß in Gesellschaftsvertrag GbR mit rein ideeller Zielsetzung

Änderungen durch das MoPeG:

Das MoPeG hat das Personengesellschaftsrecht grundlegend reformiert und dabei auch die Rechte ausscheidender Gesellschafter neu geregelt.

Gemäß § 728 Abs. 1 BGB n.F. hat nunmehr jeder ausscheidende Gesellschafter einen Anspruch auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens.

Dieses entspricht dem Wert seines Anteils am Gesellschaftsvermögen im Zeitpunkt des Ausscheidens.

Was bedeutet das für einen Abfindungsausschluss in einer GbR mit ideeller Zielsetzung?

Durch die Neufassung des § 728 Abs. 1 BGB n.F. ist ein vollständiger Ausschluss des Auseinandersetzungsanspruchs im Gesellschaftsvertrag grundsätzlich nicht mehr möglich.

Diese Regelung ist zwingend und kann nicht durch Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag abbedungen werden (§ 728 Abs. 3 BGB n.F.).

Mögliche Modifikationen des Auseinandersetzungsanspruchs:

Allerdings lässt das Gesetz Modifikationen der Modalitäten der Auseinandersetzung zu.

Das bedeutet, dass im Gesellschaftsvertrag beispielsweise Regelungen getroffen werden können hinsichtlich:

Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens:

Hier könnten beispielsweise besondere Bewertungsmaßstäbe für ideelle Werte oder immaterielle Vermögensgegenstände vereinbart werden, die den spezifischen Charakter der Gesellschaft berücksichtigen.

Fälligkeit und Zahlungsweise des Auseinandersetzungsguthabens:

Es könnten beispielsweise Stundungsvereinbarungen oder Ratenzahlungen vorgesehen werden, um die finanzielle Belastung für die verbleibenden Gesellschafter zu mindern.

Berücksichtigung von Verlusten:

Es kann vereinbart werden, dass ein ausscheidender Gesellschafter auch an Verlusten beteiligt ist, die bis zu seinem Ausscheiden entstanden sind.

Besonderheiten bei rein ideeller Zielsetzung:

Gerade bei einer GbR mit rein ideeller Zielsetzung ist es wichtig, im Gesellschaftsvertrag klare Regelungen zur Auseinandersetzung zu treffen, die der besonderen Natur der Gesellschaft Rechnung tragen.

Hier könnten beispielsweise Klauseln sinnvoll sein, die sicherstellen, dass das ideelle Vermögen und der Zweck der Gesellschaft nicht durch hohe Auszahlungsansprüche gefährdet werden.

Empfehlung:

Es ist dringend zu empfehlen, den Gesellschaftsvertrag einer GbR mit rein ideeller Zielsetzung nach Inkrafttreten des MoPeG zu überprüfen und gegebenenfalls an die neue Rechtslage anzupassen.

Dabei sollte insbesondere auf die Regelungen zum Ausscheiden von Gesellschaftern und deren Auseinandersetzungsansprüche geachtet werden.

Eine individuelle Beratung durch einen Rechtsanwalt, der mit dem neuen Personengesellschaftsrecht vertraut ist, ist hier unerlässlich,

um eine rechtssichere und den Bedürfnissen der Gesellschaft entsprechende Gestaltung zu gewährleisten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein vollständiger Abfindungsausschluss nach dem MoPeG in einer GbR nicht mehr möglich ist.

Allerdings bestehen Möglichkeiten, die Modalitäten der Auseinandersetzung im Gesellschaftsvertrag zu modifizieren,

um den spezifischen Gegebenheiten der Gesellschaft mit ideeller Zielsetzung Rechnung zu tragen.

 

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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