Abgrenzung von Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung

März 30, 2019

Abgrenzung von Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung

BGH IVa ZR 191/85

Urteil 28.1.1987

RA und Notar Krau

Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 1987 behandelt die Abgrenzung zwischen einem Vorausvermächtnis und einer Teilungsanordnung im Rahmen der Erbauseinandersetzung.

Der Fall betraf die Erben, die Geschwister waren, die um die Verteilung der Nachlässe ihrer Eltern stritten.

Im Testament hatten die Eltern dem Sohn das Schulgrundstück und der Tochter das Landschulheim vermacht.

Es stellte sich heraus, dass das Schulgrundstück erheblich mehr wert war als das Landschulheim.

Der BGH stellte fest, dass in Fällen, in denen ein Erblasser einem Erben mehr zukommen lässt, als dessen Erbquote entspricht, geprüft werden muss, ob dieser Mehrbetrag als zusätzliche Zuwendung gemeint ist.

Abgrenzung von Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung

Wenn dies der Fall ist, handelt es sich um ein Vorausvermächtnis gemäß § 2150 BGB.

Wenn jedoch der Erblasser nicht beabsichtigte, dem Erben den Mehrwert zusätzlich zu seinem Erbteil zu geben, liegt eine bloße Teilungsanordnung gemäß § 2048 BGB vor.

Im vorliegenden Fall hatte das Berufungsgericht entschieden, dass die Zuweisung des Schulgrundstücks an den Sohn keine zusätzliche Begünstigung darstelle und daher als Teilungsanordnung zu betrachten sei.

Der BGH hob dieses Urteil teilweise auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurück.

Er bemängelte, dass das Berufungsgericht den Willen des Erblassers nicht ausreichend geprüft habe, indem es sich

zu sehr auf den Wortlaut des Testaments stützte und nicht alle äußeren Umstände in Betracht zog, die den wahren Willen der Eltern hätten erhellen können.

Der BGH betonte, dass bei der Auslegung eines Testaments alle relevanten Umstände, einschließlich außerhalb des Testaments liegender,

berücksichtigt werden müssen, um den tatsächlichen Willen des Erblassers zu ermitteln.

Abgrenzung von Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung

Weiterhin entschied der BGH, dass die Übereignung des Schulgrundstücks durch die Mutter an den Sohn unentgeltlich und daher unwirksam war, weil sie nach dem Tod des Vaters als Nacherbenfall galt.

Zudem wurde das Berufungsurteil bezüglich der Auskunfts- und Rechenschaftspflicht des Beklagten aufgehoben, da noch nicht abschließend geklärt sei,

ob dem Beklagten das Schulgrundstück im Rahmen eines Vermächtnisses zustehe.

Allgemein:

Die Abgrenzung zwischen Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung im deutschen Erbrecht kann knifflig sein,

da beide Begriffe auf den ersten Blick ähnlich erscheinen. Beide betreffen die Verteilung von Nachlassgegenständen an Erben, doch es gibt entscheidende Unterschiede:

Teilungsanordnung (§ 2048 BGB):

  • Der Erblasser bestimmt, welcher Miterbe welchen Gegenstand aus dem Nachlass erhalten soll.
  • Der Wert des zugewiesenen Gegenstandes wird auf den Erbteil angerechnet.
  • Es findet keine Begünstigung eines Erben statt, lediglich eine Konkretisierung des Erbteils.
  • Beispiel: „Mein Sohn Erwin erhält das Haus, meine Tochter Elsa das Auto.“

Vorausvermächtnis (§§ 2150, 2174 BGB):

  • Ein Erbe erhält zusätzlich zu seinem Erbteil einen bestimmten Gegenstand.
  • Der Wert des Gegenstandes wird nicht auf den Erbteil angerechnet.
  • Es findet eine Begünstigung des Erben statt.
  • Beispiel: „Mein Sohn Erwin erhält zusätzlich zu seinem Erbteil mein wertvolles Gemälde.“

Worauf kommt es bei der Abgrenzung an?

Der entscheidende Punkt ist der Wille des Erblassers. Wollte er einen Erben gegenüber den anderen begünstigen, liegt ein Vorausvermächtnis vor. Wollte er lediglich die Aufteilung des Nachlasses regeln, handelt es sich um eine Teilungsanordnung.

Wie wird der Wille des Erblassers ermittelt?

  • Auslegung des Testaments: Wortlaut, Zusammenhang der Regelungen, sonstige Hinweise im Testament
  • Außerhalb des Testaments liegende Umstände: Verhältnis des Erblassers zu den Erben, Wertverhältnisse der Nachlassgegenstände

Beispiel:

Im Testament heißt es: „Meine Tochter soll die antike Uhr erhalten.“

  • Teilungsanordnung: Wenn die Uhr einen Wert hat, der dem Erbteil der Tochter entspricht, und keine weiteren Anhaltspunkte für eine Begünstigung vorliegen.
  • Vorausvermächtnis: Wenn die Uhr sehr wertvoll ist und die Tochter aufgrund ihrer schwierigen Lebenssituation besonders bedacht werden soll.

Schwierigkeiten bei der Abgrenzung:

Oft ist der Wille des Erblassers nicht eindeutig. In diesen Fällen müssen die Gerichte den Sachverhalt genau prüfen und den mutmaßlichen Willen ermitteln.

Konsequenzen der Unterscheidung:

Die Unterscheidung hat erhebliche Auswirkungen auf die Erbauseinandersetzung und die Pflichtteilsberechnung.

Daher ist im Zweifel die Beratung durch einen erfahrenen Rechtsanwalt im Erbrecht ratsam.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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