Abgrenzung zwischen land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und Grundvermögen – Anforderungen an ein Verkehrswertgutachten
Das Urteil des Finanzgerichts Hessen vom 24.09.2013 (Az. 3 K 708/08) befasst sich mit der steuerlichen Bewertung eines Grundstücks im Erbfall und stellt hohe Anforderungen an Gutachten, die einen niedrigeren Grundstückswert nachweisen sollen.
Im Streitfall ging es um die Erbschaftsteuer für ein bebautes Grundstück, das früher als Hofstelle genutzt wurde. Das Finanzamt setzte einen Grundbesitzwert (Mindestwert) von 264.000 € fest. Die Erbin wollte einen niedrigeren Wert (125.000 €) durch ein privates Sachverständigengutachten nachweisen, um weniger Erbschaftsteuer zahlen zu müssen. Im Kern ging es um zwei Hauptfragen:
War das Grundstück noch teilweise land- und forstwirtschaftliches Vermögen?
War das vorgelegte Sachverständigengutachten geeignet, einen niedrigeren Verkehrswert zu belegen?
Für die Bewertung von Grundbesitz nach dem Bewertungsgesetz (BewG) ist die Unterscheidung zwischen land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und Grundvermögen entscheidend, da hierfür unterschiedliche Bewertungsmethoden gelten.
Das Gericht stellte fest, dass das gesamte Grundstück als Grundvermögen zu behandeln war. Die Begründung:
Wenn ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb eingestellt wird und die Ländereien verpachtet werden (oder wie hier keine aktive Landwirtschaft mehr betrieben wird), endet die Zugehörigkeit des Wohnhauses zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen. Es dient dann nur noch Wohnzwecken und wird Grundvermögen.
Diese Teile bleiben zwar grundsätzlich land- und forstwirtschaftliches Vermögen, wenn sie keiner anderen Zweckbestimmung zugeführt werden. Im konkreten Fall sah das Gericht jedoch Anhaltspunkte dafür, dass auch diese Teile nach Einstellung der aktiven Landwirtschaft einer anderen Nutzung zugeführt wurden (z.B. durch Nutzung als Bauland im Flächennutzungsplan oder durch andere Miterben). Somit galt das gesamte Grundstück als Grundvermögen und war nach den Regeln für Grundvermögen zu bewerten.
Das Gericht prüfte das von der Klägerin vorgelegte Sachverständigengutachten, das einen niedrigeren Wert (125.000 €) nachweisen sollte. Nach §146 Abs. 7 BewG kann der Steuerpflichtige einen niedrigeren gemeinen Wert (Verkehrswert) nachweisen.
Das Gericht urteilte, dass das Gutachten ungeeignet war, diesen Nachweis zu führen, da es erhebliche Mängel aufwies:
Fehlende Plausibilität/Prüfung: Der Sachverständige hatte wichtige Maße (Wohnflächen) und Pläne von der Klägerin übernommen, ohne sie selbst zu prüfen (z.B. durch Aufmaße oder Pläne). Wichtige Dokumente wie Lagepläne und detaillierte Fotos fehlten.
Das Gutachten stützte sich fast nur auf das Ertragswertverfahren mit der Begründung, das Grundstück habe einen negativen Ertragswert. Das Gericht betonte, dass die Wertermittlung sich nicht ausschließlich auf das Ertragswertverfahren stützen darf. Insbesondere bei einem Einfamilienhaus (oder einem Objekt mit nur einer Wohnung) muss auch das Sachwertverfahren herangezogen werden.
Es fehle die Berücksichtigung, dass für den Verkaufspreis nicht nur die Renditeerwartungen potenzieller Käufer, sondern auch die Verkaufsbereitschaft des Eigentümers eine Rolle spielt.
Mietansatz: Der angesetzte niedrige Mietwert (4,00 €/m²) zur Berechnung des Ertragswerts wurde nicht ausreichend belegt, insbesondere im Vergleich zu Mietspiegelwerten oder den tatsächlich erzielten Mieten.
Die angesetzten hohen Bewirtschaftungskosten (30 % der Miete) erschienen für ein Objekt mit nur einer Wohnung nicht plausibel und wurden nicht ausreichend begründet.
Der vorgenommene Abschlag vom Bodenrichtwert wegen der Lage an einer Straße wurde nur subjektiv und auf Basis von „Erfahrungssätzen“ begründet. Das Gericht forderte hier objektivierbare, grundstücksbezogene Begründungen und einen Vergleich mit den Grundstücken der Bodenrichtwertzone.
Die angesetzten fiktiven Abbruchkosten von 70.000 € wurden nicht näher erläutert. Das Gericht kritisierte, dass der Abzug von Abbruchkosten vom Bodenwert nur zulässig ist, wenn ein positiver Ertragswert des Gebäudes nicht mehr besteht und der Abriss alsbald zu erwarten ist. Eine pauschale Annahme, dass der Abriss in einem Jahr erfolgt, ist nicht zulässig, wenn die tatsächliche Nutzung (z.B. durch Vermietung) dem widerspricht.
Wegen der Mängel im Gutachten wurde der Nachweis des niedrigeren Verkehrswerts nicht als erbracht angesehen. Das Finanzgericht setzte den Grundbesitzwert auf den vom Finanzamt neu berechneten Mindestwert von 252.500 € fest.
Dieses Urteil ist ein wichtiges Beispiel dafür, wie das Finanzamt und die Gerichte bei der Erbschaftsteuer Grundstücke bewerten und welche hohen Anforderungen an private Gutachten gestellt werden.
Ein Grundstück, das nicht mehr aktiv landwirtschaftlich genutzt wird, verliert seinen Status als landwirtschaftliches Vermögen und wird zum Grundvermögen. Das betrifft auch den Wohnteil und die Wirtschaftsgebäude/Flächen, wenn sie anderweitig genutzt oder zur Bebauung vorgesehen sind.
Wer einen niedrigeren Grundstückswert nachweisen will, muss ein lückenloses, plausibles und nachvollziehbares Gutachten vorlegen, das alle relevanten Bewertungsmethoden (Ertragswert- und Sachwertverfahren) berücksichtigt.
Subjektive Annahmen über Mieten, Kosten oder Wertminderungen reichen nicht aus. Abschläge (z.B. wegen Lärm) müssen objektiv belegbar und im Detail begründet sein (z.B. durch Mietspiegel-Vergleiche oder Verkehrsmessungen).
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