Abgrenzung zwischen vererblichem Vermächtnis und Auflage
Kammergericht Berlin 22 U 8110/95
Testamentsauslegung
Sachverhalt:
Die Erblasserin hatte in ihrem Testament von 1983 ihren Neffen als Alleinerben eingesetzt.
In diesem Testament verfügte sie, dass der Erbe ihre in Italien lebende Schwägerin (die Klägerin) mit 50% an den Reineinnahmen
eines Hauses beteiligen solle, solange er Eigentümer des Hauses sei.
Nach dem Tod der Erblasserin kam es zum Streit zwischen der Klägerin und dem Testamentsvollstrecker (Beklagter)
über die Frage, ob diese Beteiligung als Vermächtnis oder als Auflage zu qualifizieren sei.
Prozessverlauf:
Die Klägerin hatte vor dem Landgericht Berlin Klage erhoben und die Feststellung beantragt, dass ihr Anspruch auf 50% der Reineinnahmen vererblich sei.
Das Landgericht gab der Klage statt. Gegen dieses Urteil legte der Beklagte Berufung beim Kammergericht ein.
Entscheidung des Kammergerichts:
Das Kammergericht änderte das Urteil des Landgerichts ab und wies die Klage insgesamt ab.
Begründung:
Vermächtnis oder Auflage: Das Kammergericht stellte zunächst fest, dass die Frage, ob die Klägerin ein Vermächtnis oder eine Auflage erhalten hat, für die zeitliche Begrenzung der Begünstigung relevant ist. Ein Vermächtnis wäre mit dem Tod der Klägerin erloschen, während eine Auflage den Erben des Erben binden würde.
Auslegung des Testaments: Das Kammergericht führte aus, dass bei der Auslegung von Testamenten der tatsächliche Wille des Erblassers zu ermitteln ist. Anhand der Aussage des beurkundenden Notars als Zeugen kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Erblasserin die Klägerin nicht im Sinne eines Vermächtnisses berechtigen, sondern den Erben lediglich durch eine Auflage verpflichten wollte. Die Erblasserin habe gewünscht, dass die Klägerin an dem Nachlass beteiligt wird, ihr aber kein eigenständiges Recht zustehen solle.
Rechtsfolgen der Auflage: Da die Klägerin lediglich durch eine Auflage begünstigt wurde, entstand mit dem Erbfall kein Anspruch auf die Leistung in ihrer Person. Sie gehörte auch nicht zum Kreis der vollziehungsberechtigten Personen und war von der Erblasserin auch nicht zur Vollziehung der Auflage ermächtigt worden.
Ergänzende Testamentsauslegung: Eine ergänzende Testamentsauslegung kam nicht in Betracht, da nicht ersichtlich war, dass die Erblasserin einen Umstand außer Acht gelassen hatte, der sie zu einer abweichenden Verfügung bewogen hätte. Auch der Tod des Ehemanns der Klägerin und ihre Rückkehr nach Deutschland rechtfertigten keine ergänzende Auslegung.
Schreiben des Beklagten: Die Feststellungsanträge der Klägerin waren auch nicht durch das Schreiben des Beklagten vom 13. Juni 1991 begründet, da der Beklagte darin lediglich seine Rechtsansicht mitgeteilt hatte.
Fazit:
Das Urteil des Kammergerichts zeigt die Bedeutung der Testamentsauslegung bei der Abgrenzung zwischen Vermächtnis und Auflage.
Durch die Vernehmung des beurkundenden Notars als Zeugen konnte der tatsächliche Wille der Erblasserin ermittelt und die Klage der Klägerin abgewiesen werden.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass eine Auflage zwar eine Begünstigung darstellen kann, dem Begünstigten aber kein eigenes Recht gewährt.
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