Abgrenzung zwischen Wohn- und Gewerberaummiete bei der Überlassung von Wohnraum

Oktober 21, 2025

Abgrenzung zwischen Wohn- und Gewerberaummiete bei der Überlassung von Wohnraum

KG Beschluss vom 18.9.2024 – 8 U 40/24

Abgrenzung: Wann ist es Wohn- und wann Gewerberaummiete?

Die Unterscheidung ist entscheidend für den Mieterschutz! Nur bei Wohnraummiete gelten die strengen Schutzvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), insbesondere der Kündigungsschutz (§§ 573 ff. BGB).

1. Das Wichtigste: Der Zweck des Mietverhältnisses

Entscheidend für die Einordnung eines Mietvertrags ist nicht, was die Räume sind (z. B. eine Wohnung), oder wie der Vertrag überschrieben ist, sondern der Zweck, den der Mieter mit der Anmietung vertragsgemäß verfolgt.

Wohnraummiete (§ 549 BGB)

liegt nur vor, wenn die Räume dem Mieter vertragsgemäß zur Befriedigung seiner eigenen Wohnbedürfnisse und/oder der Wohnbedürfnisse seiner engen Familie dienen sollen.

Gewerberaummiete (Miete über „andere Räume“ § 578 BGB)

liegt vor, wenn der Mieter die Räume für wirtschaftliche Zwecke nutzt.

2. Der Fall der juristischen Person (GmbH, AG etc.)

Wenn der Mieter eine juristische Person (z. B. eine GmbH im vorliegenden Fall) ist, kann diese begrifflich nicht selbst wohnen und auch keine engen Angehörigen haben. In solchen Fällen dient der Vertragszweck des Mieters in der Regel rein wirtschaftlicher Natur – nämlich dazu, Räume für ihre Angestellten zur Verfügung zu stellen, um damit dem Geschäftsbetrieb zu dienen.

Folge:

Ein solcher Vertrag, selbst wenn Wohnungen angemietet und an Mitarbeiter überlassen werden, ist grundsätzlich als Gewerberaummietvertrag einzuordnen. Die Schutzvorschriften für Wohnraummieter (z. B. Kündigungsschutz) greifen im Verhältnis zwischen Vermieter und der juristischen Person (Mieter) nicht.

3. Was ist, wenn ein Wohnraum-Formularvertrag verwendet wird?

Die Mieterseite (im Beispielsfall die beklagte GmbH) argumentierte, dass die Verwendung eines Formulars für Wohnraummietverträge oder die Bezugnahme auf Vorschriften des Wohnraummietrechts (wie § 575 BGB zum Zeitmietvertrag) zeige, dass die Parteien die Anwendung des Wohnraummietrechts gewollt hätten.

Abgrenzung zwischen Wohn- und Gewerberaummiete bei der Überlassung von Wohnraum

Das Gericht stellte jedoch klar: Allein die Verwendung eines Wohnraum-Vordrucks oder die Übernahme einzelner wohnraumrechtlicher Regelungen reicht nicht aus. Es müsste ein bewusster, übereinstimmender Wille der ursprünglichen Vertragsparteien feststellbar sein, den Vertrag entgegen der gesetzlichen Wertung dem Wohnraummietrecht zu unterstellen.

Ein solcher Wille fehlt, wenn die Parteien lediglich irrtümlich davon ausgingen, das Wohnraummietrecht sei (wegen der Wohnnutzung durch die Mitarbeiter) ohnehin anwendbar. Da der Kündigungsschutz für den Vermieter (Eigentümer) erheblich nachteilig ist, kann der Mieter nicht allein aus der Formularwahl schließen, dass der Vermieter freiwillig auf seine besseren Kündigungsmöglichkeiten verzichten wollte, insbesondere wenn der Vertrag ohnehin zeitlich befristet werden sollte.

Die Überlassung an Arbeitnehmer (§ 565 BGB)

Die juristische Person (GmbH) kann die Wohnung selbst nicht nutzen, überlässt sie aber ihren Arbeitnehmern. Dies wirft die Frage auf, ob der Kündigungsschutz § 565 BGB zum Tragen kommt, der in bestimmten Fällen den Mieter (Endnutzer/Arbeitnehmer) schützt.

§ 565 BGB regelt, dass der Vermieter bei Beendigung des Hauptmietvertrages (zwischen Vermieter und GmbH) in einen bestehenden Wohnraummietvertrag mit dem Endnutzer (Arbeitnehmer) eintritt. Im vorliegenden Fall konnte die Mieter-GmbH nicht nachweisen, dass sie mit ihren Arbeitnehmern tatsächlich eigenständige Wohnraummietverträge abgeschlossen hatte.

Da die Überlassung unentgeltlich erfolgte (Verrechnung als Sachleistung mit dem Lohn), spricht dies eher für eine Dienstwohnung (oder Werkdienstwohnung), die in erster Linie arbeitsrechtlichen Bestimmungen und nicht dem reinen Mietrecht unterliegt.

Folge:

Da kein nachgewiesener, kündigungsgeschützter Wohnraummietvertrag zwischen GmbH und Arbeitnehmer bestand, konnte der Arbeitnehmer auch keinen Schutz aus § 565 BGB ableiten. Die Räumungsklage gegen die GmbH hatte Erfolg.

Fazit

Der Gerichtsbeschluss bestätigt die ständige Rechtsprechung: Der Zweck der Anmietung durch den Mieter ist entscheidend. Eine juristische Person (wie eine GmbH), die Wohnraum anmietet, um ihn ihren Arbeitnehmern zur Verfügung zu stellen, schließt in der Regel einen Gewerberaummietvertrag ab, da der Zweck des Vertrages für die Firma selbst rein wirtschaftlich ist. Die Verwendung eines Wohnraum-Formularvertrags ändert daran allein nichts.

RA und Notar Krau

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