Ablehnung der Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit aufgrund von dienstlichen Äußerungen
Bayerischer VGH, Beschluss vom 02.09.2016 – 10 C 16.1214
Dieser Beschluss des Bayerischen VGH dreht sich nicht um die eigentliche Ausweisung (die Abschiebung eines Ausländers aus Deutschland), sondern um einen Antrag, die Richter, die über die Ausweisung entschieden haben, wegen Befangenheit abzulehnen.
Der Kläger (die Person, die vor Gericht klagt) war ein Ausländer, der aufgrund einer Verurteilung wegen Totschlags und Drogendelikten zu einer langen Haftstrafe verurteilt wurde. Das führte dazu, dass die Behörden seine Ausweisung anordneten.
Der Kläger wurde ausgewiesen und versuchte, gerichtlich dagegen vorzugehen.
Er beantragte Prozesskostenhilfe, also staatliche Unterstützung für die Kosten des Gerichtsverfahrens. Das Verwaltungsgericht München lehnte diesen Antrag ab.
Beschwerde: Dagegen legte der Kläger Beschwerde beim Bayerischen VGH ein.
Der VGH wies die Beschwerde in einem Beschluss vom 6. Juni 2016 zurück. Er entschied also, dass der Kläger keine PKH bekommt.
Gegen diesen Beschluss reichte der Kläger eine Anhörungsrüge ein (dazu gleich mehr) und lehnte gleichzeitig die drei Richter des zuständigen Senats (einer Abteilung des Gerichts) wegen Besorgnis der Befangenheit ab.
Dieser juristische Fachbegriff meint: Es gibt einen Grund, der bei einer vernünftigen und objektiven Betrachtung Misstrauen gegen die Unparteilichkeit (Neutrlität) des Richters erwecken könnte.
Ein Richter darf nicht befangen (voreingenommen) sein. Er muss neutral und objektiv sein.
Wenn ein Kläger denkt, ein Richter ist nicht neutral, kann er ein Ablehnungsgesuch stellen und verlangen, dass der Richter ausgetauscht wird.
Der Kläger warf den Richtern vor, sie hätten seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
Das ist ein wichtiges Grundrecht, das besagt: Jeder muss die Möglichkeit haben, sich vor Gericht zu äußern, bevor das Gericht eine Entscheidung trifft, die ihn betrifft.
Der Kläger argumentierte:
Die Richter hätten ihren Beschluss mit einer neuen juristischen Begründung gefällt, über die sie ihn vorher nicht informiert (kein „Hinweis“) und ihm keine Stellungnahme ermöglicht hatten.
Diese Begründung war, dass eine zweite Ausweisung des Klägers ein neuer eigenständiger Akt der Behörde war und nicht etwa die erste, bereits aufgehobene Ausweisung, wieder aufleben ließ.
Dieses Vorgehen (die Nutzung eines neuen Gesichtspunkts ohne vorherige Anhörung) zeige, dass die Richter voreingenommen waren.
Der VGH hat die Ablehnungsgesuche (die Anträge auf Austausch der Richter) zurückgewiesen. Die Richter gelten als nicht befangen.
Die Richter stellen klar, dass ein (behaupteter) Fehler im Verfahren (wie die Verletzung des Rechts auf Gehör) nicht automatisch bedeutet, dass der Richter befangen ist.
Die Richterablehnung ist kein Rechtsmittel gegen falsche Urteile oder Verfahrensfehler. Dafür gibt es die üblichen Rechtsmittel (Beschwerde, etc.).
Befangenheit liegt nur vor, wenn der Fehler auf einer unsachlichen Einstellung (Willkür) des Richters beruht. Dafür sah der VGH hier keinen Beweis.
Keine Verletzung des rechtlichen Gehörs:
Grundsätzlich muss ein Gericht nicht auf seine Rechtsauffassung hinweisen.
Nur wenn das Gericht einen Standpunkt einnimmt, mit dem ein gewissenhafter Beteiligter überhaupt nicht rechnen konnte, muss es einen Hinweis geben.
Die Frage, welche Wirkung die Aufhebung der ersten Ausweisung hatte (d.h., ob sie die Möglichkeit für eine neue Ausweisung eröffnete), war bereits Gegenstand des gesamten Verfahrens. Der Kläger hatte bereits dazu argumentiert. Deshalb war es nicht überraschend, dass das Gericht die Rechtsauffassung des Ausgangsgerichts teilte. Ein vorheriger Hinweis war nicht nötig.
Der Kläger warf den Richtern auch vor, in ihren dienstlichen Stellungnahmen zum Befangenheitsantrag gelogen zu haben.
Der VGH weist dies zurück. Die Richter hatten korrekt dargelegt, dass die Frage der Ausweisung Teil der Akten und des Vortrags war. Sie haben sich korrekt geäußert und müssen keine weiteren Details zu ihrem gefällten Beschluss darlegen, da der Befangenheitsantrag keine Überprüfung des Urteils ist.
Die Ablehnungsgesuche waren unbegründet. Die Richter bleiben im Amt.
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