Ablehnung eines zuständigen Richters wegen unsachlicher dienstlicher Stellungnahme
Gericht: OLG Stuttgart 13. Zivilsenat
Entscheidungsdatum: 02.10.2024
Aktenzeichen: 13 W 20/24
Dokumenttyp: Beschluss
Dieser Beschluss befasst sich mit der Frage, wann eine Partei erfolgreich einen Richter ablehnen kann, weil sie befürchtet, dieser sei befangen (voreingenommen). Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart entschied, dass die Besorgnis der Befangenheit (die Angst vor Voreingenommenheit) begründet war, weil der Richter auf einen Antrag der beklagten Partei hin mit unsachlicher Kritik reagierte.
In einem Gerichtsverfahren verlangen die Kläger vom Beklagten die Räumung einer Immobilie.
Ein Gerichtstermin wurde verschoben, weil der Anwalt der Kläger (Rechtsanwalt S.) angab, krank zu sein.
Der Beklagte rief in der Kanzlei des Anwalts an und erfuhr, dass der Anwalt angeblich telefonierte oder zumindest kurz in der Kanzlei war. Der Beklagte fragte sich in einem Schreiben an das Gericht, wie dies mit der Krankmeldung zusammenpasse, und bat um Aufklärung. Er äußerte dabei auch sein Misstrauen gegenüber dem Anwalt.
Der zuständige Richter (Richter …) beendete die Sache nach einer Erklärung des Anwalts mit der Verfügung (einer internen Anweisung des Gerichts) an den Beklagten:
„Aus hiesiger Sicht ist die Sache geklärt. Der Beklagte möge mit derartigen Unterstellungen künftig ein wenig zurückhaltender sein.“
Der Beklagte sah in dieser Äußerung einen Vorwurf und eine Maßregelung (eine Art Zurechtweisung) und stellte daraufhin einen Ablehnungsantrag gegen den Richter. Er befürchtete, der Richter sei wegen der Meinungsverschiedenheit über die „Unterstellungen“ ihm gegenüber voreingenommen.
Der abgelehnte Richter musste zu dem Antrag Stellung nehmen und äußerte sich dabei u. a. wie folgt:
Er gehe davon aus, dass es dem Beklagten nur um Verfahrensverzögerung gehe.
Er sei erstaunt, dass der Anwalt des Beklagten sich „in dieser Weise für den Beklagten einsetzt, anstatt in der Sache zu streiten.“
Er merkte an, dass der Beklagte schon mehrere Befangenheitsanträge gestellt habe, wovon der letzte „offensichtlich unbegründet“ gewesen sei.
Das Landgericht (die Vorinstanz) wies den Ablehnungsantrag zurück, weil es meinte, die Äußerungen des Richters in der Stellungnahme begründeten keine Voreingenommenheit.
Der Beklagte legte sofortige Beschwerde (ein Rechtsmittel, eine Art „Einspruch“) beim Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart ein.
Das Recht einer Partei, einen Richter abzulehnen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dieser sei nicht unparteiisch.
Sie liegt vor, wenn ein objektiver Grund gegeben ist, der bei einer vernünftigen Partei Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters rechtfertigen kann. Es muss nicht tatsächlich eine Voreingenommenheit vorliegen; der „böse Schein“ reicht aus.
Das Gesetz, das regelt, wie Zivilverfahren ablaufen.
Ein schneller Einspruch gegen bestimmte Entscheidungen des Gerichts, hier gegen die Ablehnung des Befangenheitsgesuchs durch das Landgericht.
Das OLG Stuttgart gab dem Beklagten recht und erklärte den Ablehnungsantrag für begründet.
Die Gerichte sind von Verfassung wegen zur Neutralität verpflichtet. Kritik an der Ausübung des Rechts zur Richterablehnung kann schnell den Eindruck erwecken, dass ein Richter nicht unparteiisch ist.
Das OLG stellte fest, dass die erste Verfügung des Richters (in der er Zurückhaltung anmahnte) für sich genommen zwar vertretbar war und keine Befangenheit begründete.
Die dienstliche Stellungnahme des Richters zum Ablehnungsgesuch war jedoch unsachlich.
Der Beklagte hatte mit seinem Antrag, der an die scharfe Formulierung in der Verfügung anknüpfte, ein nicht ganz abwegiges Anliegen.
Die Äußerungen des Richters in der Stellungnahme wie die Unterstellung der Verfahrensverzögerung, das Erstaunen über den Anwalt, er setze sich „in dieser Weise“ ein, und der Hinweis auf frühere, angeblich „offensichtlich unbegründete“ Ablehnungsanträge, wurden als unsachliche Kritik gewertet.
Diese „Stimmungsmache“ erweckt bei einer vernünftigen Partei den Eindruck, der Richter stehe dem Beklagten negativ gegenüber. Insbesondere die Bewertung des Richters, der Anwalt setze sich „in dieser Weise“ (also nicht fair oder vernünftig) ein, stehe dem abgelehnten Richter nicht zu und könne den Anwalt sogar unter Druck setzen.
Da der Richter auf einen nicht ganz unbegründeten Antrag mit unsachlicher Kritik reagierte, die eine negative Einstellung erkennen ließ, konnte der Beklagte aus Sicht des OLG vernünftigerweise befürchten, dass der Richter ihm nicht unvoreingenommen gegenübersteht. Die Besorgnis der Befangenheit war somit gegeben, und der Richter musste vom weiteren Verfahren ausgeschlossen werden.
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