Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit – Konfliktvertretung
Dieser Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 30.12.2008 (Aktenzeichen: 2 W 127/08) befasst sich mit einem sogenannten Ablehnungsgesuch in einem Zivilprozess.
Die ursprüngliche Klage wurde vom Insolvenzverwalter (eine Person, die das Vermögen einer insolventen Firma verwaltet) gegen die Gesellschafter (Teilhaber) einer insolventen OHG (einer Art Firma) erhoben. Der Insolvenzverwalter forderte von den Gesellschaftern, insbesondere dem Beklagten zu 2), eine hohe Summe ($1.339.044,70) wegen Schulden der Firma.
Das Landgericht Köln hatte zunächst ein Teilurteil (eine Entscheidung über einen Teil des Streitfalls) zugunsten des Klägers erlassen.
Dieses Teilurteil wurde jedoch vom OLG Köln in der Berufung wieder aufgehoben (für ungültig erklärt), da das Landgericht einen Verfahrensfehler gemacht hatte (es hatte eine Stellungnahme des Beklagten zu 2) ignoriert). Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen.
Das Verfahren zog sich hin, unter anderem wegen wiederholter Anträge auf Terminverlegung des Anwalts des Beklagten zu 2), die das Gericht jedes Mal gewährte.
Im Verhandlungstermin vom 18. September 2008, nachdem das Gericht beschlossen hatte, zunächst nur zu einigen Hauptforderungen Beweise zu erheben, lehnte der Anwalt des Beklagten zu 2) die gesamte Kammer (alle drei Richter) wegen Befangenheit ab.
Nach dem Gesetz (§ 42 ZPO) muss ein Richter unparteilich (unvoreingenommen) sein.
Eine Partei darf einen Richter ablehnen, wenn sie berechtigten Anlass hat, an dessen Unparteilichkeit zu zweifeln (Besorgnis der Befangenheit). Dies ist ein wichtiger Schutz der Grundrechte (Art. 103 GG, Art. 6 EMRK).
Es reicht nicht aus, wenn die Partei subjektiv glaubt, der Richter sei voreingenommen. Es muss ein Grund vorliegen, der aus Sicht einer ruhig und vernünftig wägenden Partei geeignet ist, Misstrauen zu begründen.
Der Beklagte stützte seine Ablehnung auf:
Die angeblichen Äußerungen des Vorsitzenden Richters in einer früheren mündlichen Verhandlung vom 6. Mai 2008.
Die Einseitigkeit des Beweisbeschlusses (die Richter wollten zuerst nur zu den hohen Forderungen Beweise erheben, was der Beklagte als parteiisch empfand).
Das Landgericht hatte den Befangenheitsantrag abgewiesen. Der Beklagte legte dagegen sofortige Beschwerde beim OLG Köln ein. Das OLG wies die Beschwerde als unbegründet zurück.
Das OLG sah erhebliche Bedenken gegen die Zulässigkeit des Ablehnungsgesuchs, weil es den Eindruck hatte, der Antrag diene vor allem der Verzögerung des Verfahrens (Konfliktvertretung).
Das OLG verwies auf die Vielzahl von Terminverlegungsanträgen des Beklagten-Anwalts.
Der Ablehnungsgrund (Äußerungen vom Mai, Beweisbeschluss vom Mai) war dem Beklagten schon seit Monaten bekannt. Trotzdem wurde der Antrag erst im Verhandlungstermin im September gestellt, kurz vor der Beweisaufnahme.
Das OLG sah darin ein Indiz dafür, dass das Gesuch nicht aus echter Besorgnis, sondern aus dem Interesse an einer weiteren Verzögerung gestellt wurde.
Die Ablehnung des Richters S. (der erst seit Kurzem in der Kammer war) war nach Ansicht des OLG unbegründet.
Richter S. hatte an den beanstandeten Vorentscheidungen oder der Sitzung vom 6. Mai nicht mitgewirkt.
Der Beklagte konnte keinen konkreten Ablehnungsgrund gegen diesen Richter nennen. Ein pauschaler Antrag gegen alle Mitglieder einer Kammer ohne konkrete Begründung ist missbräuchlich.
Das OLG sah auch bei den anderen beiden Richtern keine Befangenheit.
Der Inhalt von gerichtlichen Entscheidungen (wie der Beweisbeschluss oder eine abweichende Rechtsansicht) kann grundsätzlich kein Ablehnungsgrund sein. Dafür gibt es Rechtsmittel wie die Berufung. Nur wenn sich ein Richter so von der normalen Verfahrensweise entfernt, dass sich eine sachwidrige Voreingenommenheit aufdrängt, wäre dies anders – dies war hier aber nicht der Fall.
Dass das Gericht „zunächst“ nur Beweise zu den wichtigsten Forderungen erheben wollte, ist laut OLG eine zulässige und ökonomische (wirtschaftliche, zeitsparende) Verfahrensgestaltung, insbesondere in Fällen mit vielen einzelnen Punkten.
Soweit sich der Antrag auf Äußerungen aus dem Termin vom 6. Mai stützte, war er bereits unzulässig (§ 43 ZPO). Der Beklagte hatte sich damals trotz Kenntnis der angeblichen Äußerungen auf die Verhandlung eingelassen und Sachanträge gestellt. Sein Recht, die Richter deswegen abzulehnen, war damit verwirkt.
Die Richter hatten auf den Ablehnungsantrag mit kurzen dienstlichen Erklärungen reagiert, in denen sie lediglich mitteilten, sich nicht befangen zu fühlen. Der Beklagte kritisierte, die Richter hätten auf seine Vorwürfe eingehen und diese „würdigen“ müssen.
Das OLG widersprach dieser Auffassung. Die dienstliche Äußerung (§ 44 Abs. 3 ZPO) dient nur der Tatsachenfeststellung (z. B. „Ja, ich war bei der Sitzung anwesend“).
Es ist nicht Aufgabe des abgelehnten Richters, das Ablehnungsgesuch oder die Vorwürfe zu bewerten. Das ist allein Sache des „Kontrollrichters“ (der über den Befangenheitsantrag entscheidet).
Eine fehlende detaillierte Stellungnahme der abgelehnten Richter kann daher im vorliegenden Fall keine Befangenheit begründen.
Das OLG Köln hat die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 2) gegen die Ablehnung des Befangenheitsantrags zurückgewiesen. Das Gericht sah den Antrag als unzulässig an, da er möglicherweise nur zur Verzögerung des Prozesses diente, und als unbegründet, da die beanstandeten Handlungen (Beweisbeschluss, Äußerungen) keinen berechtigten Zweifel an der Unparteilichkeit der Richter hervorriefen.
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