Ableitung des Anteilswerts einer Kapitalgesellschaft aus Verkäufen zwischen fremden Dritten

April 23, 2025

Ableitung des Anteilswerts einer Kapitalgesellschaft aus Verkäufen zwischen fremden Dritten

Eine Zusammenfassung des BFH-Urteils vom 25.09.2024 (II R 15/21)

RA und Notar Krau

Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. September 2024 (II R 15/21) befasst sich mit der Frage, wie der Wert von Anteilen an einer nicht börsennotierten Kapitalgesellschaft für Zwecke der

Erbschaftsteuer gemäß § 11 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) abzuleiten ist, insbesondere im Hinblick auf Verkäufe zwischen fremden Dritten und die Bedeutung des Substanzwerts.

Kernpunkte des Urteils:

Keine generelle Begrenzung des gemeinen Werts durch den Substanzwert bei zeitnahen Verkäufen:

Der BFH stellt klar, dass der Substanzwert nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG nicht als generelle Untergrenze für den Wert von Gesellschaftsanteilen gilt,

wenn der gemeine Wert aus Verkäufen unter fremden Dritten abgeleitet werden kann, die weniger als ein Jahr zurückliegen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG).

Diese Auslegung basiert auf einer teleologischen, systematischen und verfassungskonformen Betrachtung des Gesetzes.

Der Gesetzgeber verfolgt mit § 11 Abs. 2 Satz 1 BewG das Ziel, den gemeinen Wert anzusetzen, der durch zeitnahe Verkäufe unter fremden Dritten am besten abgebildet wird.

Die Anwendung des Substanzwerts als Mindestwert würde dieses Ziel konterkarieren, da der Verkaufspreis unter Umständen niedriger sein kann als der Substanzwert.

Ableitung des Anteilswerts einer Kapitalgesellschaft aus Verkäufen zwischen fremden Dritten

Regelmäßig gleichbleibende Preise bei Einziehungen sind keine geeignete Grundlage für die Ableitung des gemeinen Werts:

Der BFH bekräftigt seine frühere Rechtsprechung, wonach Verkäufe nicht zur Ableitung des gemeinen Werts herangezogen werden können, wenn über Jahre hinweg regelmäßig derselbe Preis zugrunde gelegt wird.

Dies gilt insbesondere für Einziehungen von Gesellschaftsanteilen zu einem konstant bleibenden Einziehungskurs, der nicht an die sich verändernde Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft angepasst wird.

Ein solcher gleichbleibender Preis deutet darauf hin, dass die Beteiligten den Preis nicht unter den Bedingungen des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen gebildet haben.

Sachverhalt des Urteils:

Im konkreten Fall ging es um die Bewertung von Anteilen an einer GmbH, einer Familienholdinggesellschaft.

Die Erben der verstorbenen Mutter (M) hielten ca. 9,95 % der Anteile.

Bereits seit 2009 erfolgten mehrfach Einziehungen von Teilgeschäftsanteilen zu einem Einziehungskurs von 400 % des Nennkapitals.

Auch ein Anteilsverkauf unter Gesellschaftern fand zu diesem Preis statt.

Im Februar 2015, nach dem Bewertungsstichtag, wurden weitere Anteile zu demselben Kurs eingezogen.

Das Finanzamt (FA) setzte zunächst den Wert der Anteile entsprechend dem Vierfachen des Nominalwerts fest,

änderte dies jedoch später und setzte den Wert auf Basis des Substanzwerts deutlich höher fest.

Ableitung des Anteilswerts einer Kapitalgesellschaft aus Verkäufen zwischen fremden Dritten

Die Klage der Erben gegen diese Wertfeststellung blieb vor dem Finanzgericht (FG) erfolglos.

Entscheidung des BFH:

Der BFH wies die Revision der Kläger ab, obwohl er die Rechtsauffassung des FG zur Anwendung des Substanzwerts als Untergrenze bei zeitnahen Verkäufen korrigierte.

Die Entscheidung des FG erwies sich aus anderen Gründen als richtig.

Der BFH kam zu dem Schluss, dass der im vorliegenden Fall angewandte Einziehungskurs von 400 % des Nennkapitals keine geeignete Grundlage

für die Ableitung des gemeinen Werts gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG darstellt.

Begründung des BFH:

Kein gewöhnlicher Geschäftsverkehr:

Der BFH argumentierte, dass der Einziehungskurs über Jahre hinweg konstant angewandt wurde, ohne die veränderten Vermögensverhältnisse der Gesellschaft und ihrer Beteiligungen zu berücksichtigen.

Dies spreche gegen eine Preisbildung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr, bei der Angebot und Nachfrage

sowie objektive Wertmaßstäbe wie das Gesamtvermögen und die Ertragsaussichten eine Rolle spielen.

Erhebliches Missverhältnis zum Substanzwert:

Das erhebliche Missverhältnis zwischen dem sich aus dem Einziehungskurs ergebenden Wert und dem deutlich höheren Substanzwert der Gesellschaft deutete ebenfalls darauf hin,

dass der Einziehungskurs die tatsächlichen Vermögensverhältnisse nicht widerspiegelte.

Freiwilligkeit allein nicht ausreichend:

Die Tatsache, dass die Einziehungen freiwillig erfolgten, genügte nicht, um einen Handel im gewöhnlichen Geschäftsverkehr anzunehmen.

Entscheidend sei, dass der Preis nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen gebildet wurde.

Da somit keine Ableitung des gemeinen Werts aus zeitnahen Verkäufen möglich war, kam § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG zur Anwendung, wonach der Substanzwert als Mindestwert anzusetzen ist.

Da der vom FA angesetzte Wert auf Basis des Substanzwerts erfolgte und ein höherer Wert aufgrund des Verböserungsverbots im gerichtlichen Verfahren nicht möglich war, blieb die Klage erfolglos.

Fazit:

Das Urteil des BFH präzisiert die Anwendung des § 11 Abs. 2 BewG bei der Bewertung von Anteilen an nicht börsennotierten Kapitalgesellschaften.

Ableitung des Anteilswerts einer Kapitalgesellschaft aus Verkäufen zwischen fremden Dritten

Es stellt heraus, dass bei der Ableitung des gemeinen Werts aus zeitnahen Verkäufen der Substanzwert grundsätzlich keine Untergrenze darstellt.

Allerdings betont der BFH, dass solche Verkäufe tatsächlich im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zu marktgerechten Preisen erfolgt sein müssen.

Regelmäßig gleichbleibende Preise, die die wirtschaftliche Realität der Gesellschaft nicht widerspiegeln, sind keine geeignete Grundlage für die Ableitung des gemeinen Werts.

In solchen Fällen greift die Bewertung nach anderen anerkannten Methoden, wobei der Substanzwert als Mindestwert relevant werden kann.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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