Abschichtung im Erbrecht: Ein Weg aus der Erbengemeinschaft
RA und Notar Krau
Die Abschichtung ist ein im deutschen Erbrecht relevantes Instrument, das es einem oder mehreren Miterben ermöglicht, aus einer Erbengemeinschaft vorzeitig auszuscheiden.
Dabei verzichten die ausscheidenden Erben auf ihren Erbteil und erhalten im Gegenzug eine Abfindung von den verbleibenden Miterben.
Obwohl der Begriff “Abschichtung” nicht explizit im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) erwähnt wird, hat er sich in der Praxis und Rechtsprechung etabliert.
Rechtliche Grundlagen und Voraussetzungen
Die Abschichtung basiert auf dem allgemeinen Grundsatz der Vertragsfreiheit und dem Recht jedes Miterben, seinen Erbteil zu veräußern (§ 2033 BGB).
Eine Abschichtung bedarf einer Einigung zwischen allen Miterben, die in einem sogenannten Abschichtungsvertrag festgehalten wird.
Dieser Vertrag muss notariell beurkundet werden, um Rechtswirksamkeit zu erlangen.
Gründe für eine Abschichtung
Es gibt verschiedene Gründe, warum Miterben eine Abschichtung in Erwägung ziehen:
- Streitigkeiten innerhalb der Erbengemeinschaft: Konflikte zwischen den Miterben über die Verwaltung oder Aufteilung des Nachlasses können eine Abschichtung sinnvoll machen, um eine langwierige und kostspielige Auseinandersetzung zu vermeiden.
- Unterschiedliche Interessen: Miterben können unterschiedliche Vorstellungen von der Nutzung oder Verwertung des Nachlasses haben. Eine Abschichtung ermöglicht es jedem Erben, seinen eigenen Weg zu gehen.
- Finanzielle Bedürfnisse: Ein Miterbe benötigt möglicherweise dringend Liquidität und kann durch die Abfindung seine finanziellen Bedürfnisse schneller befriedigen, als wenn er auf die Erbauseinandersetzung warten müsste.
- Vereinfachung der Nachlassabwicklung: Durch die Abschichtung reduziert sich die Anzahl der Miterben, was die Verwaltung und Aufteilung des Nachlasses erleichtern kann.
Abfindung und Bewertung
Die Höhe der Abfindung ist frei verhandelbar und hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie dem Wert des Erbteils, dem emotionalen Wert bestimmter Nachlassgegenstände und den individuellen Bedürfnissen der Miterben.
In der Regel wird die Abfindung auf Basis des Verkehrswerts des Erbteils berechnet, wobei auch Abschläge oder Zuschläge vereinbart werden können.
Vor- und Nachteile der Abschichtung
Vorteile:
- Schnelle Lösung: Die Abschichtung ermöglicht eine zügige Beendigung der Erbengemeinschaft und vermeidet langwierige Auseinandersetzungen.
- Flexibilität: Die Miterben können die Höhe der Abfindung und andere Bedingungen frei verhandeln.
- Liquidität: Ausscheidende Erben erhalten durch die Abfindung schnell Zugriff auf finanzielle Mittel.
- Vereinfachung: Die Nachlassabwicklung wird durch die Reduzierung der Miterben vereinfacht.
Nachteile:
- Verzicht auf den Erbteil: Ausscheidende Erben verzichten endgültig auf ihren Erbteil und damit auf mögliche Wertsteigerungen des Nachlasses.
- Steuerliche Auswirkungen: Die Abschichtung kann steuerliche Folgen haben, insbesondere im Hinblick auf die Erbschaftsteuer oder Schenkungsteuer.
- Konfliktpotenzial: Die Verhandlungen über die Höhe der Abfindung können zu neuen Konflikten führen.
- Notarielle Beurkundung: Der Abschichtungsvertrag muss notariell beurkundet werden, was mit Kosten verbunden ist.
Fazit
Die Abschichtung ist ein nützliches Instrument, um eine Erbengemeinschaft vorzeitig und einvernehmlich aufzulösen.
Sie bietet eine flexible Lösung für Miterben mit unterschiedlichen Interessen oder Bedürfnissen und kann langwierige Streitigkeiten vermeiden.
Allerdings sollten die Miterben die Vor- und Nachteile sorgfältig abwägen und sich im Zweifel von einem Rechtsanwalt oder Notar beraten lassen, um eine faire und rechtssichere Vereinbarung zu treffen.
Zusätzliche Aspekte:
- Anwachsung: Wenn ein Miterbe ohne Abfindung aus der Erbengemeinschaft ausscheidet, wächst sein Erbteil den anderen Miterben zu (Anwachsung).
- Teilungsanordnung: Der Erblasser kann in seinem Testament eine Teilungsanordnung treffen, die die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft erleichtern kann.
- Vermächtnisnehmer: Auch Vermächtnisnehmer können in eine Abschichtung einbezogen werden, wenn sie auf ihren Anspruch verzichten und dafür eine Abfindung erhalten.
- Ausgleichspflicht: Bei einer Abschichtung kann eine Ausgleichspflicht bestehen, wenn ein Miterbe bereits Zuwendungen vom Erblasser erhalten hat.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Abschichtung eine komplexe Angelegenheit sein kann, die eine sorgfältige Prüfung der individuellen Umstände und eine umfassende Beratung erfordert.