Abziehbarkeit von Beiträgen zu einer freiwilligen privaten Pflegezusatzversicherung als Sonderausgaben
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 24. Juli 2025 unter dem Aktenzeichen X R 10/20 ein Urteil zur steuerlichen Abziehbarkeit von Beiträgen zu einer freiwilligen privaten Pflegezusatzversicherung als Sonderausgaben gefällt.
Das Urteil bestätigt, dass Beiträge zu einer solchen Zusatzversicherung, die über die gesetzlich vorgeschriebene Basisabsicherung hinausgeht, nicht uneingeschränkt als Sonderausgaben abziehbar sind, wenn der gesetzlich festgelegte Höchstbetrag für Vorsorgeaufwendungen bereits durch die Beiträge zur Basisabsicherung der Kranken- und Pflegeversicherung ausgeschöpft ist.
Das Urteil befasst sich mit der Frage, ob die Beiträge für eine freiwillige private Pflegezusatzversicherung, die dazu dient, die Lücke zwischen den Leistungen der gesetzlichen (oder privaten Pflicht-) Pflegeversicherung und den tatsächlich im Pflegefall anfallenden Kosten zu schließen, zwingend aus verfassungsrechtlichen Gründen steuerlich abzugsfähig sein müssen.
Im konkreten Fall hatten Eheleute, die privat kranken- und pflegeversichert waren, eine zusätzliche private Pflegezusatzversicherung abgeschlossen. Die gezahlten Beiträge wurden vom Finanzamt nicht als Sonderausgaben berücksichtigt, weil der gemeinsame Höchstbetrag für Vorsorgeaufwendungen (nach §10 Abs. 4 EStG) bereits durch ihre Beiträge zur Basisabsicherung der Kranken- und Pflegeversicherung vollständig ausgeschöpft war.
Die Kläger argumentierten im Wesentlichen, dass ihre Beiträge zur freiwilligen Zusatzversicherung zur Sicherung des Existenzminimums notwendig seien und daher steuerfrei gestellt werden müssten.
Sie bezogen sich auf eine frühere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) von 2008, wonach Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherungen, die zur Gewährleistung einer sozialhilfegleichen Versorgung erforderlich sind, steuerlich berücksichtigt werden müssen.
Im Falle einer vollstationären Pflege reichten die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung oftmals nicht aus, um die tatsächlichen Kosten zu decken (die sogenannte „Pflegelücke“).
Diese unabgedeckten Kosten würden bei Sozialhilfeempfängern vom Sozialhilfeträger übernommen. Daher gehöre die Absicherung dieser Lücke durch eine private Zusatzversicherung zur Gewährleistung des sozialhilfegleichen Existenzminimums und müsse demnach vollständig abziehbar sein.
Der BFH wies die Revision der Kläger als unbegründet zurück und bestätigte damit die Auffassung des Finanzamts und des vorherigen Finanzgerichts. Die Regelungen des Einkommensteuergesetzes sind nach Ansicht des BFH verfassungsrechtlich unbedenklich.
Die Beiträge zur gesetzlichen oder privaten Pflichtversicherung (Basisabsicherung) sind nach §10 Abs. 1 Nr. 3 EStG unbegrenzt als Sonderausgaben abziehbar. Diese unbegrenzte Abziehbarkeit trägt dem verfassungsrechtlichen Gebot Rechnung, das Existenzminimum steuerfrei zu stellen.
Die Beiträge für die freiwillige private Pflegezusatzversicherung fallen unter §10 Abs. 1 Nr. 3a EStG und gelten als sonstige Vorsorgeaufwendungen.
Für diese sonstigen Vorsorgeaufwendungen gibt es einen Höchstbetrag (für Ehegatten maximal 5.600€ gesamt). Wenn die Basisabsicherung (Nr. 3) diesen Höchstbetrag bereits alleine überschreitet, bleiben die Beiträge zur freiwilligen Zusatzversicherung (Nr. 3a) nach §10 Abs. 4 Satz 4 EStG unberücksichtigt (werden also nicht zusätzlich abgezogen). Dies war bei den Klägern der Fall.
Der BFH sah keine verfassungsrechtliche Pflicht zur uneingeschränkten Abziehbarkeit der Beiträge zur freiwilligen Zusatzversicherung.
Der Gesetzgeber hat die Pflegeversicherung bewusst als Teilleistungssystem konzipiert, das keine Vollversorgung leistet. Diese bewusste Ausgestaltung ist verfassungsrechtlich zulässig. Werden die gesetzlichen Pflegeversicherungen als Teilleistungssystem akzeptiert, kann der Gesetzgeber nicht gleichzeitig gezwungen werden, die steuerliche Förderung eines Vollleistungssystems (durch die Zusatzversicherung) als verfassungsrechtliche Pflicht anzusehen.
Die Steuerfreiheit des Existenzminimums erfordert nur, dass der Staat diejenigen Beiträge steuerlich freistellt, die er selbst als verpflichtende Vorsorge ansieht und die nicht über das sozialhilferechtliche Niveau hinausgehen.
Die Kläger erhalten bereits den unbegrenzten Abzug für ihre Pflichtbeiträge, wodurch der Schutz des steuerlichen Existenzminimums gewährleistet ist.
Die freiwillige Zusatzversicherung geht über den Umfang der Pflichtversicherung hinaus.
Die Zusatzversicherung ist freiwillig und nicht wie die Basisabsicherung gesetzlich verpflichtend. Eine finanzielle Belastung entsteht nur, wenn der Steuerpflichtige den Vertrag abschließt.
Auch im Sozialhilferecht (§32 SGB XII) sind nur die Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung (Basisabsicherung) vorgesehen, nicht aber Beiträge zu einer privaten Zusatzversicherung. Das deutet darauf hin, dass eine private Pflegezusatzversicherung typischerweise nicht zum sozialhilferechtlichen Leistungsniveau gehört.
Eventuell im Pflegefall anfallende Eigenanteile (die „Pflegelücke“) können im Bedarfsfall als außergewöhnliche Belastung (§33 EStG) steuermindernd geltend gemacht werden, auch wenn dort eine zumutbare Belastungsgrenze beachtet werden muss.
Das Urteil bedeutet, dass die Beiträge zu einer freiwilligen privaten Pflegezusatzversicherung in der Regel steuerlich leerlaufen, wenn die Pflichtbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung (Basisabsicherung) des Steuerpflichtigen alleine schon hoch genug sind, um den gesetzlichen Höchstbetrag für Vorsorgeaufwendungen auszuschöpfen.
Der Gesetzgeber hat die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Steuerfreiheit des Existenzminimums durch die unbegrenzte Abziehbarkeit der Basisabsicherung erfüllt. Eine zusätzliche, unbegrenzte steuerliche Förderung für eine freiwillige Versicherung, die über diese Basisabsicherung hinausgeht und die Lücke des bewusst als Teilleistung konzipierten Pflegesystems schließt, ist verfassungsrechtlich nicht zwingend vorgeschrieben.
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