Abzugsfähigkeit von Prozesszinsen und Verbindlichkeiten aus einer Vermächtnisanordnung sowie Pflichtteilsansprüchen als Nachlassverbindlichkeiten

Oktober 5, 2025

Abzugsfähigkeit von Prozesszinsen und Verbindlichkeiten aus einer Vermächtnisanordnung sowie Pflichtteilsansprüchen als Nachlassverbindlichkeiten

Gerne fasse ich das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.05.2013 – 4 K 2215/11) zusammen. Es geht um die Frage, welche Zahlungen, die nach einem Erbfall anfallen, bei der Berechnung der Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden dürfen.

Worum ging es in dem Fall?

Der Kläger war Alleinerbe seiner verstorbenen Mutter. Er musste Zahlungen an andere Personen leisten, nämlich:

Pflichtteilsansprüche:

An seinen Bruder (Prof. Dr. D.) sowie an seine Neffen (Herren B.).

Prozesszinsen:

Zinsen, die er aufgrund eines Gerichtsurteils zusätzlich zum Pflichtteil an seinen Bruder zahlen musste.

Vermächtnis:

Eine Abfindungszahlung an seine Nichte (Frau S.) für eine testamentarisch zugesagte Eigentumswohnung.

Das Finanzamt erkannte diese Zahlungen nicht oder nur teilweise als abzugsfähige Nachlassverbindlichkeiten an. Dies hätte eine höhere Erbschaftsteuer für den Kläger zur Folge gehabt. Der Kläger klagte dagegen.

Die Entscheidungen des Finanzgerichts (FG)

Das Gericht musste entscheiden, ob und in welcher Höhe die streitigen Beträge bei der Erbschaftsteuer abziehbar sind.

Prozesszinsen auf Pflichtteilsansprüche:

Abzugsfähig

Das Problem:

Das Finanzamt meinte, Prozesszinsen seien keine abzugsfähigen Kosten der Nachlassregelung nach §10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG. Es sah die Zinsen als Entgelt für einen ungerechtfertigten „Zwangskredit“, den der Erbe durch die verzögerte Zahlung des Pflichtteils erlangt hätte.

Die Entscheidung des Gerichts: Das FG entschied, dass die Prozesszinsen sehr wohl abzugsfähig sind.

Sie fallen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem gerichtlichen Streit um die Höhe des Pflichtteils an und sind daher als gerichtliche Nachlassregulierungskosten anzusehen.

Prozesszinsen sind nach zivilem Recht (§288 BGB) ein gesetzlich festgelegter Mindestschadenersatz für den Gläubiger (Pflichtteilsberechtigten), der sein Geld verspätet erhält. Sie dienen nicht dazu, eine ungerechtfertigte Bereicherung des Erben auszugleichen.

Da die eigentlichen Prozesskosten (Anwalts- und Gerichtskosten) unstrittig abziehbar sind, müssen auch die zwangsläufig entstehenden Prozesszinsen, die eine unmittelbare Folge dieses Streits sind, abzugsfähig sein.

Verbindlichkeit aus Vermächtnis (Abfindung):

Nur in Höhe der Vergleichssumme abzugsfähig

Das Problem:

Die Erblasserin hatte der Nichte ihre Wohnung vermacht. Der Kläger und die Nichte schlossen nach einer Klage einen gerichtlichen Vergleich, in dem der Kläger eine Abfindung von 40.000 € zahlte. Der Kläger forderte jedoch den Abzug eines viel höheren Betrags (ca. 140.000 €), da er das Vermächtnis als Verschaffungsvermächtnis ansah, dessen Wert zum Todeszeitpunkt maßgeblich sei.

Abzugsfähigkeit von Prozesszinsen und Verbindlichkeiten aus einer Vermächtnisanordnung sowie Pflichtteilsansprüchen als Nachlassverbindlichkeiten

Die Entscheidung des Gerichts:

Das FG gab dem Finanzamt recht und ließ nur die tatsächlich gezahlte Vergleichssumme von 40.000 € (umgerechnet 78.233 DM) zum Abzug zu.

Maßgeblich für die Erbschaftsteuer ist das Ergebnis eines ernsthaften Erbvergleichs, der die gütliche Regelung streitiger Erbverhältnisse zum Ziel hat, sofern er seinen Rechtsgrund noch im Erbrecht findet. Hier lag ein solcher Fall vor, da über die Erfüllung des Vermächtnisses gestritten wurde.

Würde man den höheren Wert abziehen, obwohl der Erbe durch den Vergleich nur 40.000 € zahlen musste, könnte der Erbe eine Nachlassverbindlichkeit geltend machen, die ihn in dieser Höhe gar nicht belastet hat. Dies würde zu einem widersinnigen Ergebnis führen.

Die Besteuerung muss sich deshalb am Ergebnis des Vergleichs orientieren, um für Erbe und Vermächtnisnehmer ein kohärentes (übereinstimmendes) steuerliches Ergebnis zu erzielen.

Höhe der Pflichtteilsansprüche bei Verjährung:

Nur in der Höhe abzugsfähig, in der sie tatsächlich/wirksam geltend gemacht wurden

Das Problem:

Im Falle der Neffen (Herren B.) stritten sich Kläger und Finanzamt über die Höhe des Pflichtteils. Die Neffen hatten zunächst einen hohen Betrag gefordert, sich aber schließlich mit 750.000 DM (dem Zahlbetrag) zufriedengegeben, um einen Prozess zu vermeiden. Später versuchten sie, mehr zu erhalten, aber der Kläger berief sich auf die Verjährung. Das Finanzamt wollte zunächst nur 750.000 DM abziehen, änderte dies aber später im Verfahren zugunsten des Klägers.

Die Entscheidung des Gerichts:

Das Gericht bestätigte die allgemeine Regel, auch wenn das Finanzamt hier nachgebessert hatte:

Ein Pflichtteil ist abzugsfähig, wenn er geltend gemacht wird.

Ausnahme:

Gibt sich der Pflichtteilsberechtigte nach ernsthaftem Streit vergleichsweise mit weniger zufrieden, ist nur dieser niedrigere Wert abzugsfähig.

Eine spätere (vergebliche) Forderung ist nicht abzugsfähig, wenn der Erbe erfolgreich die Verjährung einwendet, da dann die für den Abzug erforderliche wirtschaftliche Belastung des Erben fehlt.

Fazit

Dieses Urteil klärt wichtige Details für die Erbschaftsteuer:

Prozesszinsen bei Pflichtteilsstreitigkeiten sind Teil der notwendigen Kosten zur Abwicklung des Nachlasses und dürfen von der Erbschaft abgezogen werden.

Vergleiche über erbrechtliche Ansprüche (wie Vermächtnisse) sind für die Erbschaftsteuer maßgeblich. Man kann nicht den theoretisch höheren Wert eines Anspruchs abziehen, wenn man sich in einem Vergleich auf eine niedrigere Zahlung geeinigt hat.

Ein Pflichtteilsanspruch kann nur als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden, soweit er vom Berechtigten tatsächlich und wirksam (z. B. vor Verjährung) geltend gemacht wurde.

RA und Notar Krau

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