AG Bamberg RV 56 VI 1123/21

Februar 14, 2023

AG Bamberg RV 56 VI 1123/21, Beschluss vom 08.07.2022 – Tatsächliche Vermutung bei Datumsangabe in Testament für Errichtungszeitpunkt und Nichtwiederherstellung des früheren Testaments nach Widerruf des späteren Testaments

Tenor

  1. Die zur Begründung des Antrags des Beteiligten N. vom 04.06.2021 auf Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Tatsachen werden für festgestellt erachtet. Der Beteiligte W. N. hat beantragt: Es wird bezeugt, dass der am … .04.2021 verstorbene N., zuletzt wohnhaft …, von dem Beteiligten N. allein beerbt worden ist.
  2. Der Antrag der Beteiligten C. und S. vom 06.07.2021 auf Erteilung eines Erbscheins, in dem bezeugt wird, dass der am … .04.2021 verstorbene N., zuletzt wohnhaft …, vom Beteiligten N. zu 1/10 und von den Beteiligten C., S. und J. zu je 3/10 beerbt worden ist, wird zurückgewiesen.
  3. Die sofortige Wirksamkeit der Ziffer 1. dieses Beschlusses wird ausgesetzt. Die Erteilung des Erbscheins zugunsten des N. wird bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses zurückgestellt.
  4. Der Beteiligte N. trägt die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der durch den Erbscheinsantrag der Beteiligten C. und S. entstandenen Kosten, welche diese selbst tragen. Der Beteiligte N. trägt die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten J. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
  5. Der Geschäftswert wird auf … € festgesetzt.

Tatbestand

AG Bamberg RV 56 VI 1123/21


Der Beteiligte N., der Bruder des Erblassers, beantragte einen auf gesetzliche Erbfolge gestützten Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweist.

Die Beteiligten C. und S., Beschäftigte im ehemaligen Geschäftsbetrieb des Erblassers, beantragten gestützt auf testamentarische Erbfolge einen Erbschein, der sie – neben dem Beteiligten N. und der weiteren früheren Beschäftigten des Erblassers, der Beteiligten J.,- als maßgeblich begünstigte Miterben ausweist.

Der Erblasser hatte ein diese begünstigendes Testament vom 18.06.2020 Ende Oktober 2020 widerrufen.

Fraglich war die Wirksamkeit eines auf den 12.06.2020 datierenden – großteils inhaltsgleichen – Testaments. Nach Durchführung der Beweisaufnahme kam das Amtsgericht zu dem Ergebnis, dass das auf den 12.06.2020 lautende Testament mangels Wirksamkeit nicht zur Bestimmung der Erbfolge herangezogen werden kann; dabei könne dahingestellt bleiben, ob der Erblasser tatsächlich der Urheber des auf den 12.06.2020 datierenden Testats sei, da nach Widerruf des späteren Testaments jedenfalls ein Wille des Erblassers positiv feststellbar sei, das frühere Testament nicht wiederherzustellen.

Infolgedessen gab das Amtsgericht dem auf gesetzliche (Allein-)Erbfolge gestützten Erbscheinsantrag des Beteiligten N. statt und wies demgegenüber den Erbscheinsantrag der Beteiligten C. und S. zurück.

Der amtsgerichtliche Beschluss vom 08.07.2022, Az. RV 56 VI 1123/21, ist nicht rechtskräftig. Gegen den amtsgerichtlichen Beschluss wurde Beschwerde erhoben, die dem Oberlandesgericht Bamberg zur Entscheidung vorgelegt wurde. 

Gründe

AG Bamberg RV 56 VI 1123/21


I.

Der 194… geborene, allseits als N. bekannte Erblasser betrieb viele Jahre lang ein stadtbekanntes Musikgeschäft in der L.-Straße in B., das sein Lebenswerk war. Der Erblasser war verheiratet, die Ehe blieb kinderlos und wurde vor einigen Jahren geschieden. Nächster Blutsverwandter ist sein Bruder, der Beteiligte W. N., zu dem er jedoch wegen einer Streitigkeit in Zusammenhang mit dem Tod der gemeinsamen Mutter in den Jahren vor seinem Ableben kaum Kontakt hatte.

Die Beteiligten C., S. und J. waren im Geschäft des Erblassers geringfügig bzw. in Teilzeit beschäftigt und erbrachten dabei auch Versorgungsleistungen zugunsten des Erblassers. Die Beteiligte C. war seit etwa 2012/2013 beim Erblasser beschäftigt, die Beteiligte S. seit 2018 und die Beteiligte J. bereits seit 2011.

Der Erblasser wohnte jahrelang in dem ihm gehörenden Anwesen L.-Straße …, in dem sich auch sein Musikhaus befand. Ende 2019 veräußerte das Anwesen, in dem er auch eine Ferienwohnung für Fremdengäste unterhielt, blieb dort aber zunächst noch wohnen.

Im Jahr 2020 nahmen die altersbedingten gesundheitlichen Probleme des Erblassers zu, sodass er körperlich und ab Ende 2020 auch in seinen geistigen Fähigkeiten eingeschränkt war. Ende 2020 wurde sein Geschäftsbetrieb aufgelöst und eine umfassende Betreuung für den Erblasser seitens des Betreuungsgerichts angeordnet. Zum Betreuer wurde unter anderem der Zeuge St., ein langjähriger Bekannter des Erblassers aus der Jugendzeit, bestellt.

Im Januar 2021 erfolgte nach einem Krankenhausaufenthalt des Erblassers sein Umzug ins …-Pflegeheim in B.. Dort verstarb er am …. April 2021, ohne dass einer der Erbprätendenten zu ihm im Altenheim Kontakt aufgenommen oder ihn gar besucht hätte.Akte) folgenden Inhalts verfasst:

“Mein letzter Wille

Mit diesem Testtament Wiederrufe

ich alle bisher errichteten

Verfügungen von Todes Wegen.

Es soll allein das hier geschriebene gelten.

Ich … N.

geb. am …, setzte als Erben zu verschiedenen Teilen ein:

Von meinem Vermögen soll mein Bruder

N. geb … 10% erhalten.

Mein Restvermögen sollen in gleichen Teilen an

C., geb. … und an S. geb. .. erhalten.

B., 18.06.2020 … N.”

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Das vorbezeichnete Testament vom 18.06.2020 gab der Erblasser am 26.06.2020 beim Nachlassgericht des Amtsgerichts Bamberg in amtliche Verwahrung. Es wurde im Verwahrungsbuch Nr. 62 VerwB 26527 hinterlegt.

Anfang Oktober 2020 ließ sich der Erblasser beim Nachlassgericht eine Kopie des hinterlegten Testaments vom 18.06.2020 aushändigen. Weiterhin traten im Oktober 2020 auffällige Geldabflüsse von den Bankkonten des Erblassers in Höhe von über 120.000 € zugunsten der im Musikhaus des Erblassers beschäftigten Beteiligten C. und S. zutage.

Deswegen fand am 22.10.2020 im Beisein u.a. des Erblassers, des Zeugen St. und des vom Erblasser mit der Sache mandatierten Rechtsanwalts Dr. B. eine Besprechung statt. Dabei bekundete der Erblasser mehrfach, dass er die Geldbewegungen zugunsten der Beteiligten C. und S. in der Größenordnung von über 120.000 € nicht autorisiert habe und von diesen deshalb sehr enttäuscht sei.

Am 28. Oktober 2020 begab sich der Erblasser im Beisein seines Vertrauten, des Zeugen Rechtsanwalt Dr. B., zum Nachlassgericht des Amtsgerichts Bamberg und verlangte die Herausgabe seines in amtliche Verwahrung genommenen Testaments vom 18.06.2020, in dem er die Beteiligten C. und S. als maßgebliche Erben bedacht hatte.

Nach Rückgabe des vorbezeichneten Testaments durch die Rechtspflegerin, die Zeugin E., vernichtete der Erblasser das Testament im Beisein von Rechtsanwalt Dr. B., um dessen Gültigkeit aufzuheben. Gegenüber der Nachlassrechtspflegerin E. erwähnte der Erblasser, dass ihn die im hinterlegten Testament bedachten Personen verletzt hätten.

Bei Rücknahme des Testaments aus der amtlichen Verwahrung war er von der Rechtspflegerin auf die Folgen hingewiesen worden und insbesondere darauf, dass im Falle der Vernichtung des Testaments die gesetzliche Erbfolge eintreten würde, was vom Erblasser so zur Kenntnis genommen wurde.

Auch nach Oktober 2020 beschäftigte der Erblasser die Beteiligten C. und S. weiterhin in seinem Betrieb, wobei er gegenüber Rechtsanwalt Dr. B. und dem Zeugen St. äußerte, dass er die Beschäftigten noch für die Auflösung seines Geschäfts und für die Inanspruchnahme von Pflegeleistungen benötigen würde.

Unter dem 11.11.2020 schlossen die Beteiligten C. und S. mit Rechtsanwalt Dr. B., der im Namen des Erblassers auftrat, eine Rückzahlungsvereinbarung, in der sie sich als Schuldner verpflichteten “die widerrechtlich vereinnahmten Beträge in Höhe von insgesamt 122.000 € an den Gläubiger zurückzubezahlen”.

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Dabei wurde ihnen Ratenzahlung bzw. Rückzahlung durch Erbringung von Pflegeleistungen zugunsten des Erblassers gewährt.

Auf die in Kopie vorliegende Vereinbarung vom 11.11.2020 (Bl. … der Akte) wird Bezug genommen. Im Rahmen der Verhandlungen über die Rückzahlung der vereinnahmten Gelder präsentierte die Beteiligte C. ein auf den 01.01.2020 datiertes Schriftstück “Genehmigung von Überweisungen” mit der Unterschrift “N.”, ausweislich dessen der Erblasser bestätigt haben soll, dass seine Erben / Mitarbeiterinnen C. und S. alle Beträge “nach meiner Absprache und meine Genehmigung auf ihre Konten angegangen” werden.

Auf das betreffende Schriftstück datierend auf 1.1.2020 (Bl. … der Akte) wird Bezug genommen. Als der Zeuge Dr. B. den Erblasser mit dem vorerwähnten Schreiben “Genehmigung von Überweisungen” konfrontierte, erklärte dieser, dass er ein solches Schriftstück nicht erstellt und unterschrieben habe.

Im Januar 2021 übergab die Beteiligte C. einem dem Erblasser gut bekannten Geschäftsmann, dem Zeugen L., der sein Geschäft unweit des Musikhauses des Erblassers führte, einen Briefumschlag mit dem Hinweis, dass dieser ihn für den Erblasser aufbewahren solle.

Nach Darstellung der Beteiligten C. und S. befand sich der geschlossene Briefumschlag in der Wohnung des Erblassers und dieser habe der Zeugin C. aufgetragen, den Briefumschlag, wenn ihm etwas zustoßen sollte, beim Zeugen L. als Vertrauensperson abzugeben; dies habe die Beteiligte C. nach dem Krankenhausaufenthalt des Erblassers im Januar 2021 auftragsgemäß getan, ohne vom Inhalt des Briefumschlags bis zu diesem Zeitpunkt Kenntnis erlangt zu haben.

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Im weiteren Verlauf öffnete der Zeuge L. den betreffenden Briefumschlag und fand darin ein handschriftlich verfasstes Schriftstück vor, das mit “Testament” überschrieben ist, auf den 12.6.2020 datiert und mit “R.T. N.” unterschrieben ist. Dieses Schriftstück (= Bl. … d.A.) weist folgenden Inhalt auf:

“Testament Mein letzter Wille.

Mit diesem Testament widerufe

ich alle bisher errichteten

Verfügungen von Todes wegen.

Es soll allein das hier Geschriebene gelten.

Ich, … N.

Geb. am …, setzte als Erben zu verschiedenen Teilen ein:

Von meinem Vermögen soll mein Bruder

N. geb. … 10% erhalten.

Mein Restvermögen sollen in gleichen Teilen an C., geb. … und an S., geb. … sowie an J., geb. … erhalten.

Der Testamentsvollstrecker erhält für seine Tätigkeiten eine Vergütung in Höhe der jeweils aktuellen Fassung der Empfehlungen des Deutschen Notarvereins.

B., 12.6.2020 … N.”

Der Zeuge L. gab das auf den 12.06.2020 lautende und im Original vom ihm verwahrte Testament zeitnah nach dem Tod des Erblassers im April 2020 am 07. Mai 2021 beim Nachlassgericht ab.

Die Urheberschaft des Testaments vom 12.06.2020 ist umstritten. Der Beteiligte N. bestritt, dass dieses vom Erblasser selbst verfasst wurde.

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Die Beteiligten C., S. und J. behaupten, dass das vorbezeichnete Testament mit der Datumsangabe 12.6.2020 vom Erblasser selbst handschriftlich verfasst wurde.

Sie gehen davon aus, dass die Datumsangabe 12.6.2020 nicht dem tatsächlichen Errichtungsdatum entspricht, sondern dass dieses Testat vom Erblasser erst nach dem Ende Oktober 2020 erfolgten Widerruf des amtlich verwahrten Testaments vom 18.06.2020 verfasst wurde.

Mit Antrag vom 04.06.2021, aufgenommen zu Protokoll des Nachlassgerichts Bamberg, beantragte der Beteiligte N.

die Erteilung eines Erbscheins dahingehend, dass der Erblasser beerbt wird von

N. …, geboren am … allein. – Mit Erklärung vom 06.07.2021, eingegangen beim Amtsgericht Bamberg – Nachlassgericht – am 09.07.2021, beantragten die Beteiligten C. und S.

die Erteilung eines Erbscheins dahingehend, dass der Erblasser beerbt wird von

  • N., geboren am … zu 1/10,
  • C., geboren am … zu 3/10,
  • S., geboren am … zu 3/10,
  • J., geboren am … zu 3/10.
  • Der Beteiligte N. begründet sein Erbrecht wie folgt:

“Es komme die gesetzliche Erbfolge zur Anwendung, weshalb er als Bruder des Erblassers zum Alleinerben berufen sei. Mit dem Widerruf des amtlich verwahrten Testaments vom 18.06.2020 durch Herausnahme aus amtlicher Verwahrung und Vernichtung am 28.10.2020 sei der Erblasser davon ausgegangen, dass auch das Testament vom 12.06.2020 ungültig geworden sei. Dem Erblasser sei klar gewesen, dass nunmehr die gesetzliche Erbfolge gelte und sein Bruder Alleinerbe werde. Dass das vorangegangene Testament vom 12.06.2020 noch gültig sein solle, sei vom Erblasser nie gewollt gewesen.

Im Übrigen werde bestritten, dass das präsentierte Testament vom 12.06.2020 vom Erblasser stamme. Ein Vergleich mit dem Schriftbild des unstreitig vom Erblasser verfassten Testaments vom 18.06.2020 ergebe zahlreiche Unterschiede, die Zweifel daran aufkommen lassen würden, dass das Schriftstück vom 12.06.2020 tatsächlich vom Erblasser herrühre. Ergänzend wird hinsichtlich des Vorbringens des Beteiligten W. N. auf (…) Bezug genommen.”

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Hiergegen erheben die Beteiligten C., S. und J. unter Beanspruchung ihres Erbrechts aufgrund gewillkürter Erbfolge nach dem Testament vom 12.06.2020 folgende Einwendungen: Das vom Erblasser stammende, auf den 12.06.2020 datierte Testament beanspruche Geltung. Der Erblasser habe als Ausdruck seiner Verbundenheit gegenüber seinen langjährigen Beschäftigten maßgeblich sie, die Beteiligten C., S. und J., als Erben bedenken wollen.

Eine Aufhebung seines auf den 12.06.2020 lautenden Testaments sei vom ihm nie gewollt gewesen. Der Erblasser habe das von ihm handschriftlich verfasste, auf den 12.06.2020 datierte Testament tatsächlich erst zu einem späteren Zeitpunkt erstellt, namentlich nach Vernichtung des aus amtlicher Verwahrung herausgenommenen Testaments vom 18.06.2020 Ende Oktober 2020.

Der Erblasser habe die Beteiligte C. ausdrücklich angewiesen, den in seiner Wohnung befindlichen Briefumschlag, in dem sich das auf den 12.06.2020 datierte Testament befunden habe, für den Fall, dass ihm etwas zustoßen solle, dem ihm vertrauten Geschäftsmann L. zu übergeben, was diese im Januar 2021 auftragsgemäß getan habe.

Die Beteiligte C. behauptete überdies, dass der Erblasser ihr gegenüber erwähnt habe, dass er das Testament vom 18.06.2020 vernichtet habe, da darin die Beteiligte J. nicht begünstigt worden sei. Ergänzend wird auf (…) Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat das Verwahrungsbuch Nr. 62 VerwB 26527 sowie die Betreuungsakten betreffend den Erblasser Az. 21 XVII 413/20 und 21 XVII 1023/20 des Amtsgerichts Bamberg – Betreuungsgericht – beigezogen. Außerdem hat es den Zeugen Rechtsanwalt Dr. B. zunächst schriftlich befragt, wobei insoweit auf dessen schriftliche Zeugenangaben gemäß Schriftsatz vom 26.08.2020 verwiesen wird

Weiterhin hat das Amtsgericht im Termin vom 19.01.2022 sämtliche vier Verfahrensbeteiligte persönlich angehört sowie Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen Dr. B., St., Dr. G. und E. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll des Termins vom 19.01.2022 verwiesen.

Zudem hat das Gericht Beweis erhoben durch Einvernahme des (nachträglich benannten) Zeugen G., wobei hinsichtlich des Ergebnisses auf das Protokoll des Termins vom 06.05.2022 verwiesen wird.

Das Gericht hat mehrfach Versuche unternommen, eine für vorzugswürdig befundene sachgerechte gütliche Einigung herbeizuführen, eine solche kam jedoch trotz grundsätzlicher Einigungsbereitschaft aller Beteiligter in hiesiger Instanz nicht zustande.

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Hinsichtlich des am 29.04.2021 verstorbenen Erblassers N. kommt gesetzliche Erbfolge zur Anwendung gemäß §§ 1922 Abs. 1, 1925 Abs. 1 BGB; die ausweislich § 1937 BGB vorrangig heranzuziehende gewillkürte Erbfolge greift mangels wirksamer letztwilliger Verfügung (§§ 2231 Nr. 2, 2247 BGB) nicht Platz.

Das unstrittig vom Erblasser verfasste handschriftliche Testament vom 18.06.2020, das einen e…pliziten Widerruf vorausgegangener Verfügungen von Todes wegen enthält (vgl. dazu auch § 2258 Abs. 1 BGB), hat dieser nach Herausnahme aus amtlicher Verwahrung durch Vernichtung am 28.10.2020 (unstreitig) widerrufen, §§ 2255 Satz 1, 2256 Abs. 3 Hs. 2 BGB (unten 1.).

Das auf den 12.06.2020 datierende Testament gelangt demgegenüber unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Geltung, wobei dahingestellt bleiben kann, ob dieses tatsächlich vom Erblasser verfasst wurde (unten 2.a). Aufgrund der der Testamentsurkunde zu entnehmenden Datumsangabe “12.6.2020” gilt insoweit – unterstellt der Erblasser hätte den Te…t selbst verfasst – die (vorliegend nicht hinreichend widerlegte) tatsächliche Vermutung für ihre Richtigkeit dahingehend, dass das Testament in der Tat am 12.06.2020 und mithin vor dem später widerrufenen Testament vom 18.06.2020 erstellt wurde (vgl. Weidlich, in: Grüneberg, BGB, 81. Auflage 2022, § 2247, Rdn. 13 m.w.N. sowie nachfolgend unten 2.b).

Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme steht indes zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Erblasser auch nach Widerruf qua Vernichtung des späteren Testaments vom 18.06.2020 das frühere Testament vom 12.06.2020 unter keinen Umständen wiederherstellen wollte und damit die gesetzliche Wiedergeltungsvermutung des § 2258 Abs. 2 BGB zugunsten des früheren Testaments widerlegt ist.

Nach der maßgeblichen Motivation des Erblassers lagen dem Widerruf des (späteren) Testaments vom 18.06.2020 schwerwiegende Vermögensverfehlungen der darin als Haupterben zu je 45% bedachten Beteiligten C. und S. zugrunde, so dass nach seinem feststellbaren Willen auch das frühere Testament vom 12.06.2020, in dem gleichermaßen die Beteiligten C. und S. nennenswert zu je 1/3 als Miterben bedacht wurden, nicht mehr gelten sollte (unten 2.c).

Unter diesen Umständen ist dem früheren Testament vom 12.06.2020 in jedem Fall umfassend die Geltung zu versagen, zumal ein etwaiger Wille des Erblassers, ein früheres Testament nur teilweise wiederherzustellen und demgegenüber einzelne Bestimmungen zu revidieren, nur durch eine neue Verfügung von Todes wegen wirksam werden kann (vgl. Weidlich, in: Grüneberg, BGB, 81. Auflage 2022, § 2258, Rdn. 4 m.w.N.; Sticherling, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 2258 Rn. 9 sowie unten 2.d).

Demnach kommt dem Testat vom 12.06.2020 bei beiden relevant in Betracht kommenden Sachverhaltsvarianten (sei es, dass das Testament vom 12.06.2020 überhaupt nicht vom Erblasser selbst stammt, sei es, dass das Testament vom 12.06.2020 auch unter Berücksichtigung des Widerrufs des späteren Testaments vom 18.06.2020 nach dem feststellbaren Erblasserwillen nicht mehr in Gänze wiederhergestellt werden sollte) keine Wirksamkeit zu, weshalb die gesetzliche Erbfolge zugunsten des nächsten Blutsverwandten des Erblassers greift. Mithin beerbt ihn sein Bruder, der Beteiligte N., allein, §§ 1922 Abs. 1, 1925 Abs. 1 BGB.

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Dieses Ergebnis mündet einerseits in der Stattgabe des auf gesetzliche Erbfolge gestützten Erbscheinsantrags des Beteiligten N. vom 04.06.2021 sowie andererseits in der Zurückweisung des auf das Testament vom 12.06.2020 gestützten Erbscheinsantrags der Beteiligten C. und S. vom 06.07.2021.

  1. Widerruf des Testaments vom 18.06.2020 am 28.10.2020 durch Vernichtung / keine Zweifel an Testierfähigkeit

a) Errichtung und Widerruf des Testaments vom 18.06.2020

Das am 26.06.2020 in amtliche Verwahrung genommene, gemäß § 2247 BGB formgerecht errichtete Testament vom 18.06.2020 stammt unstrittig vom Erblasser und wurde von diesem unstreitig am 28.10.2020 aus der amtlichen Verwahrung genommen und mit Aufhebungswillen vernichtet, §§ 2255 Satz 1, 2256 Abs. 3 Hs. 2 BGB.

Die Umstände der amtlichen Verwahrung und der Herausnahme des vorerwähnten Testaments am 28.10.2020 gehen überdies aus dem beigezogenen Verwahrungsbuch Nr. 62 VerwB 26527 hervor. Der Zeuge Dr. G., langjähriger Zahnarzt und Freund des Erblassers, zu dessen Gunsten der Erblasser M. 2020 eine Vorsorgevollmacht erteilte, bekräftigte, dass er das Testament des Erblassers vom Juni 2020 gemeinsam mit dem Erblasser beim Nachlassgericht zur Aufbewahrung abgegeben habe.

Der als Zeuge vernommene Rechtsanwalt Dr. B., den der Erblasser im Oktober 2020 entsprechend mandatierte, bestätigte sowohl schriftlich als auch im Termin vom 19.01.2022, dass der Erblasser nach den Vorfällen um die unberechtigten Geldbewegungen zugunsten seiner Mitarbeiterinnen C. und S. am 28.10.2020 mit ihm als Beistand zum Nachlassgericht gegangen sei.

Dort habe der Erblasser nach Herausgabe des Testaments vom 18.06.2020 dieses in seinem – des Zeugen Dr. B.s – Beisein sowie im Beisein der Nachlassrechtspflegerin vernichtet, um es aufzuheben, weil er die Erbeinsetzungen zugunsten der maßgeblich bedachten Damen C. und S. rückgängig machen wollte. Er, der Zeuge Dr. B., habe dabei auch vom Inhalt des Testats vom 18.06.2020 Kenntnis erlangt, gleichermaßen habe er eine Kopie des Testats vom 18.06.2020 erhalten – wahrscheinlich vom Vorsorgebevollmächtigten Dr. G. – und zu seiner Mandatsakte genommen.

Die Zeugin E. bestätigte, dass sie als zuständige Nachlassrechtspflegerin die Herausnahme des Testaments aus amtlicher Verwahrung am 28.10.2020 vorgenommen und dokumentiert habe, was durch die dem betreffenden Verwahrungsbuch Nr. 62 VerwB 26527 entnehmbare Dokumentation belegt wird (vgl. Bl. … des Nr. 62 VerwB 26527).

Weiterhin bekräftigte die Zeugin E., dass sie wenige Wochen zuvor im Oktober 2020 dem Erblasser persönlich im Beisein seines Vorsorgebevollmächtigten (des Zeugen Dr. G.) wunschgemäß eine Kopie des amtlich verwahrten Testaments vom 18.06.2020 ausgehändigt habe (vgl. Bl. … d. Verwahrungsbuchs Nr. 62 VerwB 26527).

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Eine Kopie des Testaments des Erblassers vom 18.06.2020 wurde schließlich am 11.05.2021 vom seinerzeitigen Betreuer des Erblassers, dem Zeugen St., beim Nachlassgericht eingereicht (vgl. Bl. … d.A.).

Nach alledem bestehen für das Gericht keine Zweifel daran, dass der Erblasser das noch in Kopie in den Akten vorhandene Testament vom 18.06.2020 selbst verfasst, hinterlegt und nach Rückgabe aus der Hinterlegung Ende Oktober 2020 mit Aufhebungswillen vernichtet hat.

b) Keine Zweifel an Testierfähigkeit des Erblassers zu den relevanten Zeitpunkten

Ohne Verkennung seiner Amtsermittlungspflicht aus § 26 FamFG hegt das Gericht keine Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers zum maßgeblichen Zeitpunkt. Aufgrund der Umstände des Einzelfalls kann vielmehr Testierunfähigkeit im Sinne von § 2229 Abs. 4 BGB im hier relevanten Zeitraum der Erstellung des Testaments im Juni 2020 und des (gleichfalls Testierfähigkeit voraussetzenden) Widerrufs des Testaments im Oktober 2020 ausgeschlossen werden; insoweit bedarf es keiner Einholung eines (im Übrigen von keinem Beteiligten angeregten) psychiatrischen Sachverständigengutachtens zur Aufklärung der Frage der Testierfähigkeit bzw. Testierunfähigkeit (wird ausgeführt).

Nach alledem ist das Gericht davon überzeugt, dass der Erblasser im relevanten Zeitpunkt der Testamentserrichtung im Juni 2020 und des Widerrufs des Testats vom 18.06.2020 im Oktober 2020 hinreichende Einsichts- und Willensbildungsfähigkeit besaß. Insoweit ist namentlich den grundrechtlich geschützte Interessen des Erblassers in Rechnung zu tragen.

Das bestimmende Element der Erbrechtsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ist die Testierfreiheit, die ebenso wie das Eigentumsgrundrecht und der in Art. 2 Abs. 1 GG verankerte Grundsatz der Privatautonomie der Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben dient

(vgl. BVerfGE 91, 346 <358>; 99, 341 <350>; 112, 332-363).

Dem Erblasser ist hierdurch die Möglichkeit eingeräumt, die Erbfolge selbst durch Verfügung von Todes wegen weitgehend nach seinen persönlichen Wünschen und Vorstellungen zu regeln

(vgl. BVerfGE 58, 377 <398>; 99, 341 <350 f.>; 112, 332-363).

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  1. Ungültigkeit des auf den 12.06.2020 datierten Testaments

Eingedenk jedweder hier ernstlich in Betracht kommender Sachverhaltsvariante kann das Testat vom 12.06.2020 aus Rechtsgründen keine Geltung beanspruchen.

a) Urheberschaft des auf 12.06.2020 lautenden Testats kann offen bleiben Dahingestellt bleiben kann, ob das Testament vom 12.06.2020 vom Erblasser selbst verfasst wurde. Mangels Entscheidungserheblichkeit war daher zur näheren Aufklärung nicht wie vom Beteiligten W. N. angeregt ein graphologisches Gutachten zum Schriftvergleich einzuholen.

Aufgrund der vorhandenen Erkenntnislage bleibt indessen die Urheberschaft des Erblassers hinsichtlich des präsentierten, auf den 12.06.2020 datierten Testats zweifelhaft. Im Schriftbild vermag das Gericht bei Vergleich der Schrift (der Kopie) des unfraglich vom Erblasser verfassten Testaments vom 18.06.2020 mit der Schrift des Testats vom 12.06.2020 zwar nur geringfügige Unterschiede zu erkennen.

Allerdings erscheint es als ungewöhnlich, dass der Erblasser nur sechs Tage vor dem unter dem 18.06.2020 errichteten Testament, das in Text und Inhalt eher kompakt gehalten ist und das er umgehend in amtliche Verwahrung beim Nachlassgericht gegeben hat, ein in Text und Inhalt ausführlicheres Testament unter dem 12.06.2020 errichtet haben soll. Inhaltlich ist insoweit auffällig, dass das Testat vom 12.06.2020 eine Regelung zur Testamentsvollstreckung enthält, welche auf vorherige nähere rechtliche Beratung schließen lässt

(“Der Testamentsvollstrecker erhält für seine Tätigkeiten eine Vergütung in Höhe der jeweils aktuellen Fassung der Empfehlungen des Deutschen Notarvereins.”),

während im nachfolgenden Testat vom 18.06.2020 ohne ersichtlichen Grund eine entsprechende Regelung zur Testamentsvollstreckung fehlt, obschon dort gleichermaßen mehrere Miterben bestimmt werden. Inhaltlich noch weniger eingängig ist, weshalb der Erblasser im Testament vom 12.06.2020 zusätzlich noch die Beteiligte J. als Miterbin begünstigt und im nachweislich vom ihr errichteten Testament vom 18.06.2020 diese nur wenige Tage später nicht mehr berücksichtigt haben soll, ohne dass hierfür ein Grund – wie etwa ein zwischenzeitliches Zerwürfnis des Erblassers mit seiner langjährigsten Angestellten J. – erkennbar ist.

Dies gilt umso mehr, da die Beteiligte J. nach ihrer Darstellung zum Erblasser ein sehr gutes Verhältnis gleichsam einem Vater-Tochter-Verhältnis gehabt habe. Bestätigt wird dies vom Zeugen Dr. G. dahingehend, dass ihm das gute Verhältnis zwischen dem Erblasser und der Beteiligten J. aufgefallen sei.

Weiterhin ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Erblasser die Existenz des Testats vom 12.06.2020 nicht gegenüber dritten Personen, etwa vertrauten Personen wie seinem Freund Dr. G., seinem langjährigen Rechtsanwalt Dr. B. oder seinem langjährigen Buchhalter St., offenbart haben soll.

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Spätestens im Oktober 2020 nach dem Bekanntwerden der Geldabflüsse von seinem Bankvermögen zugunsten der Beteiligten C. und S., was in dem Widerruf des diese begünstigenden, gerichtlich hinterlegten Testaments vom 18.06.2020 mündete, wäre die Offenbarung des Testats vom 12.06.2020, in dem gleichermaßen die Mitarbeiterinnen S. und C. als Miterben begünstigt werden, naheliegend gewesen.

Demgegenüber betonte der anwaltlich Vertraute des Erblassers, der Zeuge Dr. B., sowohl in seinen schriftlichen Zeugenangaben als auch in seinen mündlichen Bekundungen im Termin vom 19.01.2022, dass der Erblasser die Existenz eines weiteren Testaments nicht erwähnt habe. Entsprechendes bestätigten die Zeugen Dr. G. und St., dass der Erblasser ihnen gegenüber nie die Existenz eines weiteren Testaments erwähnt habe.

Auch die Zeugin E., die für die Herausgabe des amtlich verwahrten Testaments vom 18.06.2020 zuständige Rechtspflegerin, bekundete, dass ihr nicht bekannt sei, dass bei Herausgabe des hinterlegten Testaments am 28.10.2020 durch den Erblasser ein weiteres Testament zur Sprache gekommen sei.

Auch sei für den Erblasser nach Herausgabe und Vernichtung der amtlich verwahrten Testaments klar gewesen, dass nunmehr die gesetzliche Erbfolge gelte und daher sein Bruder gesetzlicher Erbe würde, so die Zeugin E..

Zudem führte der Zeuge L. aus, dass er nie mit dem Erblasser darüber gesprochen habe, was mit seinem Nachlass geschehen solle, er habe den Briefumschlag mit dem Testament vom 12.06.2020 im Januar 2021 von der Angestellten C. des Erblassers erhalten, mit der Bitte diesen aufzubewahren, da dies nach Angaben der Beschäftigten C. der Wille des Erblassers sei und er allein ihm, dem Zeugen L., vertraue; Gelegenheit mit dem Erblasser hierüber zu sprechen, habe er, der Zeuge L., im Hinblick auf den Umzug des Erblassers ins Pflegeheim nicht gehabt.

AG Bamberg RV 56 VI 1123/21

Das Gericht hat keinerlei Anhaltspunkte, am Wahrheitsgehalt der referierten Angaben der im Hinblick auf den gegenständlichen Nachlass allesamt neutralen Zeugen Dr. G., St., Dr. B., L. und E. zu zweifeln. Nachvollziehbare Gründe, weshalb der Erblasser das auf den 12.06.2020 lautende Testat niemandem persönlich offenbart hat, sind hiernach nicht erkennbar.

Die fehlende (naheliegende) Offenbarung gegenüber seinen Vertrauenspersonen lässt auch aus Sicht des Gerichts Zweifel an der Urheberschaft des Erblassers hinsichtlich des auf den 12.06.2020 datierten Testaments aufkommen.

Dies gilt umso mehr, da das Gericht ein Vergessen des Testats vom 12.06.2020 seitens des Erblassers mit Blick auf seine langjährige Erfahrung in der Führung eines Geschäftsbetriebs und in der Verwaltung seiner Vermögensangelegenheiten für nahezu ausgeschlossen erachtet, zumal die von ihm veranlasste amtliche Verwahrung des unfraglich von ihm stammenden Testaments vom 18.06.2020 zeigt, dass er um die Bedeutung der rechtssicheren Aufbewahrung von letztwilligen Verfügungen wusste.

Im Übrigen soll nach der Darstellung der Beteiligten C. und S. das auf den 12.06.2020 lautende Testat sich in einem Briefumschlag in seiner Wohnung befunden haben, den die Angestellte C. auf Geheiß des Erblassers an den benachbarten Geschäftsmann L. weitergeben sollte, falls ihm etwas zustoßen sollte; insofern erhellt nicht ansatzweise, weshalb der Erblasser das betreffende für wichtig befundene Dokument im Briefumschlag nicht persönlich dem Zeugen L. (oder einer anderen Vertrauensperson) übergeben hat, zumal nach Bekanntwerden der unberechtigten Vermögensabflüsse zu seinem Nachteil zum Vorteil der Beteiligten C. und S. (vgl. dazu unten c) bb).

Weiterhin ist nicht erkennbar, dass der Erblasser die E…istenz des Testats vom 12.06.2020 etwa aus Scham oder Verlegenheit mit Blick auf die Erbeinsetzung seiner Mitarbeiterinnen verschwiegen hat. Hiergegen spricht zum einen der Umstand, dass er den Inhalt des Testaments vom 18.06.2020 jedenfalls in Zusammenhang mit dessen Widerruf im Oktober 2020 den Zeugen Dr. G., Dr. B. und St. offenbart hat (so nach deren jeweiliger Bekundung).

Und zum anderen, dass der Erblasser laut den übereinstimmenden Angaben der vorbezeichneten drei Zeugen auch im Jahr 2020 seinen eigenständigen Willen noch eindeutig und klar zu äußern pflegte; so führten die Zeugen Dr. G. und St. etwa aus, dass der Erblasser auf das Thema Nachlass stets sinngemäß geantwortet habe, dass es sein Geld sei, über das er selbst bestimme.

AG Bamberg RV 56 VI 1123/21

Auch die Angaben des Zeugen G., eines langjährigen Freundes des Erblassers, wonach er vom Erblasser erfahren habe, dass es zwei Testamente gebe, eines, das die Beteiligten C. und S. als Haupterben begünstige und ein weiteres, das um die Aufnahme einer weiteren Beschäftigten (wohl der Beteiligten J.) als Haupterbin ergänzt worden sei, sprechen nicht zwingend für eine Urheberschaft des Erblassers hinsichtlich des auf den 12.06.2020 lautenden Testaments.

Denn auch in Bezug auf den Zeugen G., der bekundete, dass er das ihm vorgehaltene, auf den 12.06.2020 datierte Testament nicht kenne, während der Erblasser ihm eine Kopie des Testaments vom 18.06.2020, das die Beteiligten C. und S. zu Haupterben eingesetzt habe, übergeben habe, erhellt nicht, weshalb der Erblasser nicht diesem, seinem Freund G., eine Kopie des auf 12.06.2020 lautenden Testats oder gar dessen Original zur Aufbewahrung als Vertrauensperson übergeben hat.

Zudem führte der Zeuge G. auf Nachfrage aus, dass er (erst) zu einem späteren Zeitpunkt gehört habe, dass es ein weiteres Testament des Erblassers gebe, das um eine weitere Dame erweitert worden sei, wobei er sich nicht mehr daran erinnern könne, von wem er das gehört habe, also vom Erblasser persönlich oder von einer anderen Person.

Ferner vermochte der Zeuge G. auf Vorhalt des auf den 12.06.2020 lautenden Testats (ebenso wenig wie auf Vorhalt des Testaments vom 18.06.2020) nicht zu sagen, ob es sich hierbei um die Handschrift des Erblassers handelt.

Die vorerwähnten Umstände lassen in der Gesamtschau auch aus Sicht des Gerichts Zweifel an der Urheberschaft des Erblassers hinsichtlich des auf den 12.06.2020 datierten Testaments erwachsen. Aus nachfolgenden Gründen war die Frage der Urheberschaft mangels Erheblichkeit jedoch nicht weiter aufzuklären, da selbst bei Annahme, das Testat vom 12.06.2020 stamme vom Erblasser, dem nämlichen keine Wirksamkeit zukommt.

b) Tatsächliche Vermutung der Richtigkeit der Datumsangabe 12.06.2020 Unterstellt, das auf den 12.06.2020 datierte Testat rühre handschriftlich vom Erblasser her, besteht insoweit die tatsächliche Vermutung dafür, dass dieses zutreffenderweise am 12.06.2020 und damit vor dem unfraglich vom Erblasser stammenden Testament vom 18.06.2020 erstellt wurde.

AG Bamberg RV 56 VI 1123/21

Aufgrund der der Testamentsurkunde zu entnehmenden Datumsangabe “12.06.2020” neben der Ortsangabe “B.” unmittelbar vor der Unterschrift “….N.” gilt – unterstellt der Erblasser hätte den Te…t selbst verfasst – die Vermutung für die Richtigkeit dieser Angabe (vgl. Weidlich, in: Grüneberg, BGB, 81. Auflage 2022, § 2247, Rdn. 13 m.w.N.).

In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Zeitangabe im Testament die Bedeutung eines Zeugnisses des Erblassers über den Zeitpunkt der Testamentserrichtung hat. Enthält ein Testament – wie hier – eine von der Unterschrift gedeckte Zeitangabe, so besteht eine tatsächliche Vermutung für die Richtigkeit dieser Angabe (BayObLG, Beschluss vom 13. Januar 2005 – 1Z BR 078/04 -, Rn. 14 m.w.N. juris; BayObLG FamRZ 2001, 1329/1330).

Nur wenn diese Vermutung widerlegt ist, ist der Beweis des richtigen Zeitpunkts möglich (vgl. BayObLG, Beschluss vom 28. Mai 1993 – 1Z BR 7/93 -, Rn. 25 m.w.N., juris = FamRZ 1994, 593/594).

Die tatsächliche Vermutung für die Richtigkeit der Datumsangabe 12.06.2020 ist vorliegend indes nach einer gebotenen Gesamtwürdigung nicht hinreichend widerlegt.

aa) Zwar äußerten die Bevollmächtigten der Beteiligten C., S. und J. (erstmals) im Termin vom 19.01.2022 die Behauptung, dass der Zeitpunkt der Errichtung des auf den 12.06.2020 datierten Testaments davon abweicht; insbesondere sei dieses Testament zugunsten der drei Mitarbeiterinnen des Erblassers erst nach Oktober 2020 vom Erblasser errichtet worden sein, nachdem er das hinterlegte Testament vom 18.06.2020 am 28.10.2020 vernichtet habe, da die Beteiligte J. darin nicht erwähnt sei und der Erblasser auch diese als Haupterbin begünstigen habe wollen.

Diese (unterstellte) Motivation könnte in der Tat für die Errichtung eines neuen Testats zugunsten seiner drei Mitarbeiterinnen zu einem späteren Zeitpunkt nach Oktober 2020 sprechen. Auch bestätigten der Zeuge St. den gemeinsamen Vortrag der Beteiligten C., S. und J. dahingehend, dass der Erblasser der Beteiligten J. Ende 2020 zu Lebzeiten einen nennenswerten Geldbetrag (in der Größenordnung von 20.000,- EUR) schenken wollte, was er, der Zeuge St., als Betreuer jedoch nicht ausgeführt habe, da diese Schenkung vom Betreuungsgericht nicht genehmigt worden wäre.

Weiterhin bestätigte der Zeuge St. die vom Erblasser getroffene Aussage, dass er mit seinem Geld mache, was er wolle.

AG Bamberg RV 56 VI 1123/21

Auch wäre durch die tatsächlich spätere Errichtung des auf den 12.06.2020 datierenden Testats nach dem Testament vom 18.06.2020 erklärbar, weshalb das Testament vom 18.06.2020 in Te…t und Inhalt eher kompakt gehalten ist, während das auf den 12.06.2020 datierende Testat in Te…t und Inhalt ausführlicher gehalten ist und eine (überschießende) Regelung zur Testamentsvollstreckung enthält, welche auf vorherige nähere rechtliche Beratung schließen lässt (oben a).

Weiterhin hat der Zeuge G. als langjähriger Freund des Erblassers referiert, dass er vom Erblasser erfahren habe, dass es zwei Testamente gebe, ein erstes, das die Beteiligten C. und S. als Haupterben begünstige und ein weiteres, das um die Aufnahme einer weiteren Beschäftigten (wohl der Beteiligten J.) als Haupterbin ergänzt worden sei.

Die vorstehenden Umstände könnten naheliegend damit vereinbar sein, dass der Erblasser das auf den 12.6.2020 datierte, um die Beteiligte J. als Haupterbin ergänzte Testament erst nach Oktober 2020 erstellt hat und die Datumsangabe 12.6.2020 den tatsächlichen (späteren) Errichtungszeitpunkt nicht zutreffend wiedergibt.

bb) Allerdings bliebe auch nach dem Vorstehenden völlig offen, ob die Datumsangabe absichtlich oder unabsichtlich (etwa durch Verschreiben 12.6.2020 statt 6.12.2020) unzutreffend wiedergegeben wurde. Insbesondere weil eine eingängige Erklärung, weshalb das Datum 12.6.2020 im betreffenden Testat unzutreffend wiedergegeben sein sollte, fehlt, erachtet das Gericht die tatsächliche Vermutung für die Richtigkeit der Datumsangabe 12.06.2020 für nicht hinreichend widerlegt.

Denn ein Verschreiben (etwa 12.6 statt korrekt 6.12) bei einem derart bedeutenden Testamentsbestandteil durch den Erblasser als erfahrenem Geschäftsmann hält das Gericht für wenig wahrscheinlich, selbst wenn seine geistigen Fähigkeiten Ende 2020 eingeschränkt gewesen sein sollten.

Mit Blick auf das konkrete Testat spricht dezidiert gegen ein Verschreiben des Erblassers bei der Angabe des Errichtungszeitpunkts, dass der Erblasser im Testat sämtliche weitere Datumsangaben (seinen Geburtstag am ….194… und die Geburtstage der begünstigen Erben N. geb. …, C., geb …, S. geb. … und J. geb. …) korrekt wiedergegeben hat; der Erblasser war daher bei Abfassung des Testats offenkundig in der Lage, Datumsangaben korrekt zu erfassen und wiederzugeben.

Weiterhin ist eine Motivation des Erblassers, das Errichtungsdatum 12.06.2020 absichtlich falsch wiederzugeben, nicht erkennbar.

AG Bamberg RV 56 VI 1123/21

Die Vermutung der Beteiligten J. bzw. ihres Bevollmächtigten, der Erblasser habe im späteren Testament bewusst die Datumssetzung vor dem vernichteten Testament vom 18.06.2020 gewählt, um auf diese Weise die versehentliche Nichteinsetzung der Beteiligten J. zu “korrigieren” und nach außen hin seinen Willen kund zu tun, dass er die Einsetzung der drei Begünstigten C., S. und J. bereits vor der Errichtung des vernichteten Testaments gewünscht habe, erhellt nicht und ist spekulativ.

Auch die Bekundungen des Zeugen G., dass er vom Erblasser erfahren habe, dass es zwei Testamente gebe, ein erstes, das die Beteiligten C. und S. als Haupterben begünstige und ein weiteres, das um die Aufnahme einer weiteren Beschäftigten (wohl der Beteiligten J.) als Haupterbin ergänzt worden sei, sprechen nicht zwingend für einen abweichenden (späteren) Errichtungszeitpunkt als den 12.06.2020.

Denn im Verlauf der weiteren Vernehmung berichtete der Zeuge G. auch, dass er das ihm vorgehaltene, auf den 12.06.2020 datierte Testament nicht kenne, während der Erblasser ihm eine Kopie des Testaments vom 18.06.2020, das die Beteiligten C. und S. zu Haupterben eingesetzt habe, übergeben habe. Auch gab der Zeuge G. auf die Frage, ob das auf den 12.06.2020 datierende Testament auch zu einem späteren Zeitpunkt, als das Datum es ausweist, geschrieben sein könnte, an, dass er hierzu nichts sagen könnte.

Auch vermochte der Zeuge G. die Ereignisse um das erste und zweite Testament des Erblassers (in zeitlicher Hinsicht) nicht mehr genau einzugruppieren und nicht mehr genau zu rekonstruieren. Schließlich führte der Zeuge G. auf Nachfrage aus, dass er zu einem (erst) späteren Zeitpunkt gehört habe, dass es ein weiteres Testament des Erblassers gebe, das um eine weitere Dame erweitert worden sei, wobei er sich jedoch nicht mehr daran erinnern könne, von wem er das gehört habe, also vom Erblasser persönlich oder von einer anderen Person.

Nach alledem bestätigen wegen der verbleibenden Unsicherheiten (insbesondere hinsichtlich der zeitlichen Abfolge der Ereignisse) auch die durchaus glaubhaften Angaben des Zeugen G. nicht mit hinreichendem Gewicht, dass das auf den 12.06.2020 lautende Testament zu einem späteren Zeitpunkt, als es das Datum ausweist, errichtet wurde.

Im Ergebnis wird die Behauptung der Abfassung des auf den 12.06.2020 datierenden Testats zu einem abweichenden (späteren) Zeitpunkt aus Sicht des Gerichts nicht hinreichend belastbar untermauert. In der Gesamtschau bestehen keine durchgreifende tatsächliche Anhaltspunkte, geschweige denn irgendwelche konkrete Belege dafür, dass (und wann) der Erblasser das auf den 12.06.2020 datierte Testat zu einem abweichenden (späteren) Zeitpunkt errichtet hätte.

AG Bamberg RV 56 VI 1123/21

Mithin ist für die nachfolgende Würdigung davon auszugehen, dass das streitgegenständliche, auf den 12.06.2020 lautende Testament tatsächlich am 12.06.2020 und mithin vor dem später widerrufenen Testament vom 18.06.2020 erstellt wurde.

c) Widerruf des späteren Testaments vom 18.06.2020 und Wille des Erblassers zur Nichtwiederherstellung des früheren Testaments vom 12.06.2020

Entgegen der Vermutungsregel des § 2258 Abs. 2 BGB, wonach, wenn ein späteres Testament widerrufen wird, im Zweifel das frühere Testament in gleicher Weise wirksam wird, wie wenn es nicht (hier gemäß § 2258 Abs. 1 BGB) aufgehoben worden wäre, ist vorliegend nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein positiver Wille des Erblassers feststellbar, das frühere Testament vom 12.06.2020 auch nach Vernichtung bzw. Widerruf des späteren Testats vom 18.06.2020 nicht wiederherzustellen.

aa) Wird ein früheres Testament durch ein späteres ganz oder teilweise aufgehoben und wird das spätere Testament widerrufen, so wird das frühere Testament nach § 2258 Abs. 2 BGB nur dann nicht wieder wirksam, wenn sich der Wille des Erblassers im Zeitpunkt des Widerrufs positiv feststellen lässt, die Wirksamkeit des früheren Testaments nicht wieder herzustellen

(vgl. dazu OLG Köln NJOZ 2006, 2152, 2152/2153;

Sticherling, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 2258 Rn. 7 und 9;

Kroiß, in: Kroiß/Ann/Mayer, BGB/Erbrecht, 5. Aufl. 2018, Rn. 14 m.w.N.;

Grziwotz, in: beck-online Grosskommentar zum BGB, Hrsg:

Müller-Engels, Stand: 01.10.2021, § 2258 Rn. 17).

§ 2258 Abs. 2 BGB enthält mithin nur eine Auslegungsregel:

Der Wille des Erblassers kann vielmehr auch dahin gehen, trotz Widerrufs des späteren Testaments die Wiederherstellung des früheren Testaments auszuschließen, also mit dem späteren auch das frühere Testament aufzuheben (siehe dazu Weidlich, in: Grüneberg, BGB, 81. Auflage 2022, § 2258, Rdn. 4 m.w.N).

Der Widerruf des späteren Testaments im Anwendungsbereich des § 2258 Abs. 2 BGB kann dabei in jeder zulässigen Form erfolgen, insbesondere auch – wie hier – durch Vernichtung nach §§ 2255 Satz 1, 2256 Abs. 3 Hs. 2 BGB (Grziwotz, in: beck-online Grosskommentar zum BGB, Hrsg: Müller-Engels, Stand: 01.10.2021, § 2258 Rn. 18 m.w.N.).

bb) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest: die Motivation des Erblassers, das hinterlegte Testament vom 18.06.2020 aus amtlicher Verwahrung zurückzuholen und zu vernichten, lag darin, die maßgeblich (zu je 45%) als Erben bedachten Beteiligten S. und C. wegen unberechtigter Geldabflüsse von seinem Bankvermögen zu deren Gunsten endgültig von der Erbfolge auszuschließen.

AG Bamberg RV 56 VI 1123/21

Hieraus zieht das Gericht den naheliegenden Schluss, dass es bei Widerruf des späteren Testaments dem maßgeblichen Willen des Erblassers entsprach, auch das frühere Testament vom 12.06.2020, in dem gleichermaßen die Beteiligten C. und S. nennenswert als (Mit-)Erben (zu je 1/3) begünstigt wurden, aufzuheben bzw. nicht wiederherzustellen (wird ausgeführt).

Nach alledem ist das Gericht davon überzeugt, dass der Erblasser das hinterlegte Testament vom 18.06.2020 widerrufen hat, weil er wegen der unberechtigten Geldabflüsse von seinem Bankvermögen zugunsten der Beteiligten C. und S. von diesen enttäuscht war und diese deshalb (dauerhaft) von der Erbfolge ausschließen wollte. Daraus zieht das Gericht den naheliegenden Schluss, dass der Erblasser auch das (frühere) Testat vom 12.06.2020, das die beteiligten C. und S. gleichermaßen nicht unerheblich begünstigte (Erbeinsetzung zu je 1/3), nicht wiederherstellten wollte.

Diesen Schluss hat auch der Zeuge St. als langjähriger Bekannter des Erblassers seit der Jugendzeit, dessen Buchhalter und Betreuer (seit Ende 2020) gezogen, der die Rückforderung des Anfang 2021 neuerlich aufgetauchten Testaments vom 12.06.2020 gegenüber dem Zeugen L. und der Beteiligten C. damit begründete, dass er aus der Rücknahme und Vernichtung des Testaments vom 18.06.2020 im Oktober 2020 geschlossen habe, dass die Vernichtung auch des Testats vom 12.06.2020 dem Willen des Erblassers entsprechen würde.

d) Nichtwiederherstellung des früheren Testaments vom 12.06.2020 auch in Bezug auf die Beteiligte J.

Schlussendlich verkennt das Gericht nicht, dass in Bezug auf die Beteiligte J. keinerlei Vermögensverfehlung zum Nachteil des Erblassers im Raum stand und daher in Bezug auf diese die Auslegungsregel des § 2258 Abs. 2 BGB nicht widerlegt sein könnte, so dass ihre testamentarische Begünstigung im Testat vom 12.06.2020 für sich genommen wiederaufleben könnte.

AG Bamberg RV 56 VI 1123/21

Allerdings ist insoweit in rechtlicher Hinsicht einschränkend zu berücksichtigen, dass ein etwaiger – hier im Übrigen nicht mit hinreichender Gewissheit feststellbarer – Wille des Erblassers, ein früheres Testament nur teilweise wiederherzustellen und demgegenüber einzelne Bestimmungen zu revidieren, nur durch eine gänzlich neue Verfügung von Todes wegen wirksam werden kann

(vgl. Weidlich, in: Grüneberg, BGB, 81. Auflage 2022, § 2258, Rdn. 4 m.w.N.;

Sticherling, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 2258 Rn. 9).

Vor diesem Hintergrund vermag das (frühere) Testat vom 12.06.2020 auch zugunsten der Beteiligten J. keine Wirksamkeit mehr zu entfalten, da sicher feststellbar ist, dass der Erblasser dieses in Bezug auf die zu gleichen Teilen zu je 1/3 zu Erben berufenen Beteiligten C. und S. nicht wiederherstellen wollte und deren Erbeinsetzung (dauerhaft) revidieren wollte. Hätte der Erblasser demgegenüber die Beteiligte J. (weiter) bedenken wollen, hätte er dies durch eine neue (formwirksame) Verfügung von Todes wegen zu ihren Gunsten tun müssen.

e) Zusammenfassung

Nach alledem verbleibt es – mangels wirksamer letztwilliger Verfügung von Todes wegen – bei der gesetzlichen Erbfolge zugunsten des Bruders der Erblasser, mithin zugunsten des Beteiligten N..

AG Bamberg RV 56 VI 1123/21

III.

Da der gegenständliche Beschluss in Ziffer 1. des Tenors dem erklärten Willen der Beteiligten C., S. und J. widerspricht, wurde seine Wirksamkeit ausgesetzt und die Erteilung eines Erbscheins zugunsten der Beteiligten N. bis nach Rechtskraft zurückgestellt, vgl. § 352e Abs. 2 Satz 2 FamFG.

IV.

AG Bamberg RV 56 VI 1123/21

Die nach billigem Ermessen zu treffende Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG, zumal ein Sonderfall des § 81 Abs. 2 FamFG nicht erkennbar ist.

Bei der nach billigem Ermessen zu treffenden Kostenentscheidung in Erbscheinsverfahren gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG sind sämtliche in Betracht kommende Umstände des Einzelfalls heranzuziehen. Hierbei kann neben anderen Umständen auch das Obsiegen und Unterliegen berücksichtigt werden.

Zuden weiteren Umständen zählen etwa die Art der Verfahrensführung, die verschuldete oder unverschuldete Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die familiäre und persönliche Nähe zwischen Erblasser und Verfahrensbeteiligten (vgl. dazu ausführlich BGH, NJW-RR 2016, 200 ff.).

Auch ist bei der Kostentragungspflicht gemäß § 81 FamFG die Wertung des § 22 Abs. 1 GNotKG zu berücksichtigen, wonach grundsätzlich der Veranlasser eines antragsgebundenen Verfahrens für die Kosten haftet.

Das Veranlasserprinzip entspringt dem Gedanken der Billigkeit, denn wer durch Einleitung eines Verfahrens die Entstehung von Kosten in Kauf nimmt (veranlasst), der hat diese im Verhältnis zu den anderen Verfahrensbeteiligten grundsätzlich zu tragen (vgl. dazu OLG Bamberg, Beschluss vom 10.01.2022 – 2 W 30/21 – beck-online = FGPra… 2022, 34 ff. und ZEV 2022, 153 ff.).

Vorliegend obsiegt letztlich der Beteiligte N. mit seinem auf gesetzliche Erbfolge gegründeten Erbscheinsantrag, während hingegen die Beteiligten C., S. und J. unterliegen, wobei allein die Beteiligten C. und S. einen gegenläufigen Erbscheinsantrag gestellt haben. Die Verfahrensführung der Beteiligten und ihrer Bevollmächtigten war durchweg konstruktiv.

Während der Beteiligte N. zu seinem Bruder in den letzten Jahren kaum Kontakt hatte, unterhielten die Beteiligten C., S. und J. als Beschäftigte im Geschäftsbetrieb des Erblassers in den letzten Jahren ein gewisses Näheverhältnis zum Erblasser; allerdings brach der Kontakt des Erblassers nach der Auflösung seines Geschäfts und seiner Übersiedlung ins …-Altenheim im Januar 2021 auch zu diesen ab, so dass der Erblasser dort im April 2021 “vereinsamt” verstarb, ohne dass sich die am Nachlass Interessierten noch um ihn gekümmert hätten.

In Bezug auf die Beteiligten C. und S. waren auch die zur Überzeugung des Gerichts feststehenden Vermögensverfehlungen zum Nachteil des Erblassers zu berücksichtigen, während demgegenüber in Bezug auf die Beteiligte J. eine solche Verfehlung nicht im Raum steht und der Erblasser dieser zu Lebzeiten (Ende 2020) einen Betrag in der Größenordnung von 20.000,- EUR schenkungsweise zukommen lassen wollte, wogegen sich jedoch der Betreuer St. wandte, zumal das Betreuungsgericht keine entsprechende Genehmigung erteilt hätte (so der Zeuge St.).

Schließlich ist in Rechnung zu stellen, dass der Nachlass werthaltig ist.

Die vorstehenden Gesichtspunkte münden darin, dass es billigem Ermessen entspricht, wenn der Beteiligte W. N. die Gerichtskosten des Verfahrens trägt, mit Ausnahme der für den Erbscheinsantrag der Beteiligten C. und S. entstandenen Kosten, welche von diesen zu tragen sind.

Weiterhin entspricht es nach den vorstehenden Erwägungen billigem Ermessen, dass der Beteiligte N., dem der werthaltige Nachlass zufällt, die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten J. trägt, während die Beteiligten im Übrigen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst tragen.

AG Bamberg RV 56 VI 1123/21

V.

Der gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2, Satz 2 GNotKG dem Nachlasswert folgende Gegenstandswert entspricht dem zum Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenen (nennenswerten) Vermögen des Erblassers.

Der feststellbare Nachlasswert in Höhe von … € wurde dem in den Akten vorhandenen (berichtigten) Nachlassverzeichnis der Nachlasspflegerin vom 29.09.2021 (Aktiva … € minus Passiva … €) entnommen.

Es bestehen keine Anhaltspunkte, an der Richtigkeit des vorbezeichneten Nachlassverzeichnisses zu zweifeln. Mit Blick auf etwaige abzuziehende Nachlassschulden waren nur Schulden zu berücksichtigen, die beim Ableben des Erblassers bereits vorhanden waren (arg e… § 40 Abs. 1 Satz 2 GNotKG). Beerdigungskosten zählen dazu nicht, ebenfalls nicht die Schulden, die nach dem Ableben des Erblassers entstanden sind.

AG Bamberg RV 56 VI 1123/21

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