AG Marl 16 C 122/21, Urt. v. 22.3.2023 Für das privatrechtliche Totenfürsorgerecht ist der Wille des Erblassers maßgebend
Für das privatrechtliche Totenfürsorgerecht ist der Wille des Erblassers maßgebend. Dieser kann den Ort seiner letzten Ruhestätte bestimmen.
Auch im Bereich der Totenfürsorge gilt der Grundsatz, dass bis zum Beweis des Gegenteils der Erklärende als geschäfts- bzw. testierfähig anzusehen ist.
In erster Linie ist, wenn keine Bestimmung getroffen wurde, zur Totenfürsorge der Ehegatte berufen und erst danach die Kinder.
Als Totenfürsorgeberechtigter kann der überlebende Ehegatte den Ort der letzten Ruhestätte auswählen, und zwar auch noch nach dem Tod des erstverstorbenen Ehegatten, jedenfalls dann, wenn die Wahl der letzten Ruhestätte dessen mutmaßlichem Willen entspricht. Angesichts tradierter Werte kann davon ausgegangen werden, dass Eheleute regelmäßig eine gemeinsame Ruhestätte wünschen.
Der Umstand einer Bevollmächtigung kann ein Indiz dafür sein, dass der Erblasser in der Person des Bevollmächtigten seinen nächsten Angehörigen für die Totenfürsorge gesehen hat.
Tatbestand: AG Marl 16 C 122/21
Die Parteien sind Geschwister und einzige Abkömmlinge der inzwischen verstorbenen Eltern der Parteien Frau H. S. und Herrn W. S. Die Mutter der Parteien hatte zu Lebzeiten mehrfach davon gesprochen, in P. ihre letzte Ruhestätte finden zu wollen.
Als die Mutter der Parteien verstarb, wählte der Vater der Parteien für die verstorbene Mutter eine Grabstätte auf dem Friedhof in P. der Stadt G. aus und ließ die Urne mit der Asche der Mutter dort in einem 4er-Urnengrab beisetzen, wo nach seiner damaligen Vorstellung auch er selbst nach seinem Ableben und der Sohn R., der Kläger zu 4, beigesetzt werden sollte.
Im Mai 2019 veranlasste die Beklagte den Umzug des Vaters der Parteien nach H. Im Zeitraum September/Oktober 2019 erfolgte ein Gespräch des Vaters der Parteien mit der Zeugin K., Inhaberin des Bestattungshauses M.
Der Vater der Parteien kam im September 2019 ins Krankenhaus. Am 5.10.2019 begann seine Reha, aus der er am 4.11.2019 wieder ins […]heim entlassen wurde. Am 11.11.2019 ging bei der Stadtverwaltung in G. ein schriftlicher Umbettungsantrag unter dem Namen des Vaters der Parteien ein […]. Darin heißt es unter anderem: „da ich im Mai 2019 von G. nach H. gezogen bin und meinen Lebensmittelpunkt zu meiner Tochter S. verlegt habe, wünsche ich, dass die Grabstätte bzw. Urne meiner Ehefrau vom Friedhof P. nach H. in NRW umgebettet wird. […]. Hinzu kommt, dass auch ich hier in H. bestattet werden möchte und das selbstverständlich bei meiner Frau in die Grabstätte.“
Unterzeichnet war es mit folgendem Schriftbild:
„M.f.G.
W. S[…]“
Auf das Schreiben […] wird wegen der weiteren Einzelheiten vollumfänglich Bezug genommen.
Daraufhin wurde die Umbettung der Urne der Mutter der Parteien auf den Friedhof in H. (S.) vorgenommen. Am 18. oder 19.11.2019 nahm ihn dann die Beklagte aus dem […]heim zu sich, wo er am 22.11.2019 verstarb. Nach dem Tod des Vaters wurde in dem Grab auf dem Friedhof in H. (S.) auf Veranlassung der Beklagten auch die Urne mit der Asche des Vaters beigesetzt.
Die Kläger behaupten, der am 11.11.2019 bei der Stadtverwaltung in G. eingegangene Umbettungsantrag habe die Beklagte für ihren kurz danach verstorbenen Vater verfasst, der zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits schwer erkrankt war und bei Unterzeichnung nicht gewusst habe, was er da unterzeichnet habe.
Die Unterschrift des Vaters der Parteien lasse vermuten, dass er zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits selbst nicht mehr in der Lage war, eigenhändig zu unterzeichnen und das unterzeichnete Schriftstück zu verstehen. Die Mutter der Parteien habe nach dem Tod auf dem Friedhof in P. begraben werden wollen.
AG Marl 16 C 122/21
Dies habe die Mutter zu Lebzeiten – was unstreitig ist – wiederholt ausdrücklich geäußert. Mit der Stadt H. habe die Mutter – was ebenfalls unstreitig ist – nichts verbunden. Der Kläger zu 4) besuchte die Grabstätte der Mutter mehrmals in der Woche. Auch nachdem er erfahren habe, dass seine Mutter in ein Grab in H. umgebettet worden war, suchte der Kläger zu 4) die noch existierende Grabstätte in P. regelmäßig auf, um sich zu vergewissern, dass diese noch existiere und in der Hoffnung, dass seine Mutter dorthin bald wieder hin umgebettet [würde]. Ihm sei das häufige Aufsuchen des Grabes seiner Mutter ein sehr großes Bedürfnis. Er verstehe nicht, warum seine Mutter nicht mehr da ist. Dass er seine Mutter seit der Umbettung nicht mehr besuchen könne, setze ihm stark zu.
Noch während seines Aufenthaltes in H. habe der Vater der Parteien mehrfach geäußert, dass seine Heimat in G. sei und er in P., zusammen mit seiner Ehefrau, begraben sein wolle – auch, weil fast die ganze restliche Familie in P. lebt. Am 2./3.11.2019 hätten die Klägerin zu 1) und ihr Ehemann, der Zeuge S., den Vater der Parteien im Krankenhaus in L. besucht und ihnen gegenüber während deren Besuchs mitgeteilt, dass er „nachhause zu Mutti” – gemeint sei die Ehefrau – wolle. Sie ist der Auffassung, der Beklagten stehe weder das alleinige Totenfürsorgerecht für die Mutter noch für den Vater zu.
Die der Beklagten zu Lebzeiten des Vaters erteilte Vorsorgevollmacht reiche nicht über den Tod hinaus. Im Hinblick auf den jeweils ausdrücklich geäußerten Willen der Mutter und des Vaters der Parteien trete die Totenruhe zurück. […]
Die Beklagte ist der Auffassung, den Klägern stehe der Anspruch auf Umbettung der Urnen beider Elternteile von H. nach G. nicht zu. Nur die Beklagte sei die Totenfürsorgeberechtigte des Vaters der Parteien, was sich sowohl aus den Äußerungen gegenüber Dritten als auch aus den von dem Erblasser errichteten Urkunden ergebe.
Dieser sei auch im Zeitpunkt der Abgabe der an die Stadtverwaltung G. gerichteten Erklärung geschäfts- und testierfähig gewesen. Sie behauptet, der Vater habe ausdrücklich in H. bestattet werden wollen, um die Nähe zu der Beklagten zu erhalten. Die Umbettung der Urne der Mutter habe dem ausdrücklichen und mutmaßlichen Willen des Vaters entsprochen, damit beide Elternteile die letzte Ruhe in nächster Nähe finden sollten.
Sie ist der Auffassung, entscheidend sei dafür der zuletzt geäußerte Wille des Verstorbenen. Sie behauptet, die Klägerin zu 1) und ihr Ehemann hätten den Vater drei Wochen vor seinem Ableben nicht besucht. Im Übrigen habe der behinderte Bruder das Grab der Mutter sehr selten besucht, weil er sich stets vor Friedhöfen fürchtete. […]
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger kann von den Beklagten die Zustimmung zur Umbettung des Leichnams der verstorbenen Eltern vom Friedhof H. auf die Grabstelle auf dem Friedhof in P. unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, insbesondere nicht aus dem gewohnheitsrechtlich anerkannten privaten Recht zur Totenfürsorge verlangen.
Die Klage ist vor den ordentlichen Gerichten zulässig, denn Streitigkeiten, die bei der Ausübung des Rechts zur Totenfürsorge entstehen, sind privatrechtlicher Natur und von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden. Das gilt auch bei Streit um die Umbettung einer Leiche oder Urne.
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Die Klage ist jedoch unbegründet. Den Klägern steht nicht der geltend gemachte Anspruch auf Umbettung aus dem im Gesetz nicht geregelten, aber gewohnheitsrechtlich anerkannten privaten Recht zur Totenfürsorge zu.
Denn das Recht zur Totenfürsorge stand nicht den Klägern zu. Der Vater der Parteien war für seine Ehefrau zur Ausübung des Rechts zur Totenfürsorge berufen und hat zuletzt für seine Ehefrau in Ausübung des Totenfürsorgerechts wirksam entschieden, dass sie in H. (S.) beigesetzt werden solle.
Was den Ort der letzten Ruhestätte für sich und seine Ehefrau anging, hatte er sich in den Monaten vor seinem Tod umentschieden, die Ruhestätten in H. (S.) gewählt und dies wirksam schriftlich niedergelegt.
Maßgeblich ist der zuletzt gebildete Wille des Vaters der Parteien. Für die Ehefrau war trotz ihrer Äußerungen, sie wolle in P. beigesetzt werden, nicht zu ermitteln, ob sie auch dann in P. hätte beigesetzt werden wollen, wenn das die getrennte Beisetzung von ihrem Ehmann bedeutet hätte.
Hierzu im Einzelnen:
Hinsichtlich der Urne des Vaters der Parteien ist der Umbettungsantrag unbegründete, da der Vater der Parteien selbst in den letzten Monaten kurz vor seinem Tod H. ausdrücklich für sich als letzte Ruhestätte bestimmt hat. Beherrschender Grundsatz des Totensorgerechts ist die Maßgeblichkeit des zuletzt bestehenden Willens des Verstorbenen. Demgemäß entscheidet dieser Wille in erster Linie über den Ort der Bestattung (vgl. auch BGH Urt. v. 26.2.1992 – XII ZR 58/91).
Der Vater der Parteien hat sowohl im Gespräch mit der Zeugin K., das im Zeitraum September/Oktober 2019 stattgefunden hat, als auch durch Unterzeichnung des Schreibens an die Stadtverwaltung G. seinen Willen in den letzten Monaten vor seinem Versterben unmissverständlich und wirksam geäußert.
Hiervon ist das Gericht nach der Beweisaufnahme überzeugt. Die Zeugin K. hat glaubhaft ausgesagt, dass der Vater der Parteien in H. (S.) ein Zweipersonen-Urnengrab erworben habe, damit er nach seinem Ableben dort zusammen mit seiner Ehefrau die letzte Ruhestätte finden sollte. Sie bekundete ebenfalls lebensnah und überzeugend, dass sie den Vater der Parteien ausführlich im persönlichen Gespräch aufgeklärt habe, insbesondere darüber, dass es eine weitreichende Entscheidung sei, wo er für sich und seine Ehefrau die letzte Ruhestätte wähle, da man eine Urne nicht ständig umbetten könne.
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Die Zeugin hat ebenfalls glaubhaft bekundet, dass der Vater der Parteien nach ihrem Eindruck alles verstanden habe. Die Aussage der Zeugin K. war frei von Belastungstendenzen und wirkte aufrichtig. Für die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage sprach auch, dass sie plausible Wissenslücken einräumte, indem sie mitteilte, sich nicht mehr an den genauen Zeitpunkt des Gesprächs zu erinnern. Angesichts der verstrichenen Zeit ist es auch plausibel, sich nicht mehr an das genaue Datum zu erinnern, wobei sie aber auch plausibel und überzeugend bekundete, den Vater der Parteien noch „vor ihrem geistigen Auge sitzen zu sehen“ und sich an das Gespräch mit ihm erinnern zu können.
Da die Zeugin K. in dem Gespräch die Gestaltung eines später an die Stadtverwaltung G. verfassten Schreibens mit dem Vater der Parteien besprochen hat, war das von der Zeugin K. geschilderte Gespräch zwischen ihr und dem Vater der Parteien zeitlich dahin gehend einzuordnen, dass es im Zeitraum September/Oktober 2019 und vor dem Eingang des Umbettungsantrags bei der Stadtverwaltung G. am 11.11.2019 stattgefunden haben muss.
Der Vater der Parteien hat zudem in dem am 11.11.2019 bei der Stadtverwaltung G. eingegangenen Schreiben ausdrücklich den Wunsch geäußert, nach seinem Tod auf dem Friedhof in H. (S.) seine letzte Ruhestätte zu finden.
So heißt es in dem am 11.11.2019 bei der Stadtverwaltung in G. eingegangenen schriftlichen Umbettungsantrags unter dem Namen des Vaters der Parteien unter anderem:
„da ich im Mai 2019 von G. nach H. gezogen bin und meinen Lebensmittelpunkt zu meiner Tochter S. verlegt habe, wünsche ich, dass die Grabstätte bzw. Urne meiner Ehefrau vom Friedhof P. nach H. NRW umgebettet wird. […].
Hinzu kommt, dass auch ich hier in H. bestattet werden möchte und das selbstverständlich bei meiner Frau in die Grabstätte.“
Sowohl die Angaben des Vaters der Parteien gegenüber der Zeugin K. als auch die Angaben des Vaters der Parteien in dem Schreiben an die Stadtverwaltung G. waren eindeutig und übereinstimmend.
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Entscheidend ist der Wille des Verstorbenen, der auch über Art und Ort der Bestattung entscheidet (vgl. auch BGH Beschl. v. 14.12.2011 – IV ZR 132/11; BGH Urt. v. 26.2.1991 – XII ZR 58/91). Für das privatrechtliche Totenfürsorgerecht ist der Wille des Erblassers maßgebend. Dieser kann den Ort seiner letzten Ruhestätte bestimmen (vgl. auch BGH Beschl. v. 14.12.2011 – IV ZR 132/11).
Der für die Wahrnehmung der Totenfürsorge maßgebende letzte Wille des verstorbenen Vaters der Parteien war zur Überzeugung des Gerichts zuletzt, dass er in H. (S.) beigesetzt werden sollte. Zwar ist für das Gericht unstreitig, dass der Vater der Parteien in früheren Lebensphasen in P. beigesetzt werden soll.
Allerdings steht für das Gericht auch fest, dass er sich vor seinem Tod umentschieden hat und in H. seine letzte Ruhestätte finden wollte. Maßgeblich ist der zuletzt gebildete Wille.
Das Gericht geht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch davon aus, dass er bei dieser Entscheidung geschäftsfähig war, insbesondere aufgrund der Aussagen der Zeuginnen C. und S. und mangels entgegenstehender Anhaltspunkte.
Das Gericht ist anhand der Beweisaufnahme zur Überzeugung gelangt, dass der Vater der Parteien in der Lage war, die Frage nach seiner letzten Ruhestätte zu verstehen, verständig abzuwägen und sich hierzu eine freie Entscheidung zu bilden.
Die Zeugin C. bekundete insoweit glaubhaft, dass sie den Eindruck hatte, dass der Vater der Parteien bis zum Schluss noch alles verstehen, abwägen und selbst entscheiden konnte. Das Gericht geht davon aus, dass ihre Wahrnehmung zum Zustand des Vaters der Parteien bis Ende September 2019 reichte.
Sie hat differenziert bekundet, dass er zwar in den letzten Wochen vor seinem Tod insoweit abgebaut hatte, dass er seelisch und psychisch niedergeschlagen war, schlecht hörte und sich nicht wohl fühlte, dass das aber auf seine Fähigkeit, die Dinge zu verstehen oder einzuschätzen keinen Einfluss hatte und er für sie bis zuletzt klar wirkte.
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Die Zeugin hat auch bekundet, mit ihm bis zum letzten Telefonat Ende September regelmäßig telefoniert zu haben, so dass sie auch Gelegenheit zur Wahrnehmung des Zustands ihres Großvaters in den mit ihm geführten Telefongesprächen hatte.
Soweit die Zeugin am Schluss ihrer Vernehmung mitteilte, den Antrag auf Umbettung der Urne der Mutter der Parteien könne sie sich nur so erklären, dass er nicht mehr verstanden habe, was er da unterzeichnet habe, handelte es sich um eine bloße Vermutung ihrerseits. Die Zeugin C. hat hierzu keine konkreten Wahrnehmungen gemacht.
Dies deckt sich auch mit der Einschätzung der Zeugin S., die ebenfalls glaubhaft bekundete, dass der Vater der Parteien nach ihrem Eindruck bis zuletzt in der Lage war, die Dinge zu verstehen, abzuwägen und eine freie Entscheidung zu treffen. Auch wenn die Zeugin S. die zeitlichen Abläufe aus Sicht des Gerichts nicht mehr in eine ganz korrekt zeitliche Abfolge einordnen konnte, ist das Gericht nach ihren Angaben davon überzeugt, dass der Beklagte bei der Entscheidung geschäftsfähig war.
Denn sie bekundete schlüssig und lebensnah, dass der Vater der Parteien nach ihrem Eindruck aus den Gesprächen mit ihm zu jedem Zeitpunkt in der Lage war, hinsichtlich des Ortes der letzten Ruhestätte abzuwägen, zu entscheiden und die Problematik zu verstehen. Dabei hat die Zeugin S. auch von sich aus geschildert, dass er zeitweise nach dem letzten Krankenhausaufenthalt in L. etwas verändert und zeitweise etwas desorientiert war. Sie erläuterte aber auch, dass er immer zur Person und zum Ort orientiert war und aus ihrer Sicht nur sein Kurzzeitgedächtnis etwas eingeschränkt war.
Als Beispiel führte sie nachvollziehbar an, dass es vielleicht vorgekommen sein könne, dass er unwesentliche Details wie das Mittagessen des vergangenen Tages nicht mehr erinnern hätte können, dass er aber wesentliche Fragen, insbesondere so etwas grundsätzliches wie den Ort seiner letzten Ruhestätte, nach ihrer Einschätzung durchgängig verstehen, abwägen und dazu frei und ungetrübt Entscheidungen zu treffen in der Lage war.
Die Zeugin S. schilderte auch plastisch, wie immens wichtig die Frage zum Ort seiner letzten Ruhestätte für den Vater der Parteien war und dass er darüber auch in den letzten Monaten vor seinem Tod viel nachzudenken und sich damit zu beschäftigen schien. Die Aussage der Zeugin S. war ausgesprochen detailliert, frei von Belastungstendenzen und vermittelte ein plastisches überzeugendes und lebensnahes Bild vom Zustand des Vaters der Parteien.
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Die angesichts der Vielzahl an Bewohnern eines Pflegeheims gute Erinnerung war angesichts der nachvollziehbar geschilderten guten persönlichen Bindung mit dem Vater der Parteien plausibel. Dass die Zeugin S. auf derselben Straße wie die Beklagte wohnt, vermochte den Beweiswert ihrer Aussage nicht zu schmälern. Für die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage sprach auch, dass sie sich nicht auf die für die Beklagte günstige Aussage beschränkte, sondern ein vielschichtiges und komplexes Bild vom Zustand des Beklagten zeichnete und auch leichte Einschränkungen von sich aus ansprach.
Zudem hat das Gericht bei ihrer Anhörung den Eindruck, dass sie die Fähigkeiten und Einschränkungen des Vaters in den letzten Monaten vor seinem Versterben eingehend beobachtet hat.
Daraus, dass der Vater im November 2019 palliativ versorgt wurde, ergibt sich für das Gericht auch nicht, dass dieser nicht mehr geschäftsfähig war […], denn palliativ bedeutet nur unheilbar krank, was jedoch ohne Weiteres keinen Rückschluss auf die Geschäftsfähigkeit zulässt, sondern auch auf rein körperliche Einschränkungen hindeuten kann.
Selbst wenn der Vater der Parteien, wie der Zeuge S. und die Zeugin C. bekundet haben, vor seinem Tod geäußert haben sollte: „Ich möchte nach Hause zu Mutti“ – wie er seine Ehefrau zu betiteln pflegte, liegt es für das Gericht näher, eine solche Äußerung dahin gehend auszulegen, dass er die Zeit, als seine Ehefrau noch lebte und er mit dieser einen gemeinsamen Hausstand hatte, zurücksehnte und trotz der Unmöglichkeit den Wunsch, dies wieder erleben zu wollen, mit seiner Äußerung zum Ausdruck brachte.
Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Vater der Parteien ausdrücklich der Zeugin K. und im Schreiben an die Stadtverwaltung G. den Wunsch bekundet hat, dass er und seine Ehefrau die letzte Ruhestätte in H. finden sollten, wäre eine Äußerung „zu Mutti“ zu wollen, nicht als Wunsch für seine letzte Ruhestätte zu verstehen gewesen.
Denn der Vater der Parteien hat keine Schritte unternommen, die Urne in P. zu belassen, sondern nur für die Umbettung der Urne nach H. Maßnahmen ergriffen. Wenn die Kläger behaupteten, der Vater der Parteien hätte unter dem Einfluss der Beklagten gestanden und keine Möglichkeit zur freien Entscheidung gehabt ist nicht nachvollziehbar, warum er nicht einfach zu den Klägern zB mit einem Taxi gefahren ist, die ihn vielleicht sogar auf seinen Wunsch hin abgeholt hätten und ihm einen Heimplatz in P. besorgt hätten oder ihn bei sich hätten einquartieren können.
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Für die Äußerung des Zeugen S., dass der Vater am 2.11.2019 gesagt habe: „Wenn ich nicht mehr bin, bringt mich nach Hause zu Mutti“ lagen zudem auch nicht genug Wahrheitsanzeichen vor, um das Gericht zu überzeugen. Das Gericht hatte bei dem Zeugen den Eindruck, dass er nicht frei von jedem Überzeugungseifer war, sondern ihm der Ausgang des Rechtsstreits äußerst wichtig war.
Gegen den Wahrheitsgehalt sprach auch, dass er zur Überzeugung des Gerichts hinsichtlich eines anderen Aussageteils nicht wahrheitsgemäß ausgesagt hat. So erschien die Äußerungen des Zeugen auf Vorhalt zu dem behaupteten Ereignis, bei dem […] seine Ehefrau, die Klägerin zu 1) geschlagen haben soll, dem Gericht nicht lebensnah und nicht überzeugend. Zu diesem Ereignis gab der Zeuge auf vielzählige Fragen an, sich nur sehr eingeschränkt erinnern zu können. Seine Schilderung beschränkte sich nach mehreren Fragen auf folgendes:
„Die Beklagte kam rein und schrie direkt: Die Erbschleicher sind wieder da. Sie hat den Vater ja gegen seinen Willen nach H. geholt. Sie ging dann wieder raus und schrie Hilfe, Hilfe.“ Es wäre bei seiner Aussage zu erwarten gewesen, wenn seine Ehefrau tatsächlich zu Unrecht einer Straftat in seinem Beisein unmittelbar in der Situation durch vorgetäuschte Hilferufe bezichtigt worden wäre, er sich hätte detaillierter erinnern können oder die Schilderung emotionaler erfolgt wäre.
Wäre seine Schilderung zutreffend gewesen, wäre auch zu erwarten gewesen, dass zwischen der Äußerung der Beklagten und dem Herauslaufen und Hilferufen zumindest eine Verblüffung oder emotionale Betroffenheit seinerseits oder auch zumindest eine kurze Entwicklung des Geschehens geschildert worden wäre oder jedenfalls eine kurze Ansprache der Beklagten an ihren Vater – wie es seine Ehefrau geschildert hatte – berichtet worden wäre.
Denn dass die Beklagte das Zimmer betritt, sich dann ohne weitere Geste, Mimik, Nachdenkpause oder ähnliches sofort umdreht und ohne jeden Anlass herausläuft erscheint nicht lebensnah. Zudem gab er auf Nachfrage später an, der Vater habe gefragt: „Warum ist die denn jetzt herausgerannt?“.
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Zum einen war nicht nachvollziehbar, dass er dies nicht sogleich, sondern erst auf Nachfrage geschildert hatte. Auch wäre zu erwarten gewesen, dass dieses Verhalten den Vater sehr zB verwirrt oder sonst betroffene hätte und dessen Gemütszustand geschildert worden wäre. Zudem fügt sich seine Aussage nicht stimmig zu der Angabe seiner Ehefrau, der Klägerin zu 1) in ihrer persönlichen Anhörung.
Sie gab an, dass die Beklagte zu ihrem Vater hinging, ein paar Worte mit ihm wechselte und dann erst herausrannte. Ein solches Gespräch zwischen der Beklagten und dem Vater hat der Zeuge S. jedoch nicht bekundet. Zudem bekundete die Klägerin zu 1), der Vater habe dann gesagt: „Was war denn jetzt?“, also eine andere Äußerung, als ihr Ehemann mit „Warum ist die denn jetzt herausgerannt?“ sie bekundet hatte.
Das Gericht verkennt zwar nicht, dass der Zeuge S. und seine Ehefrau nicht hinsichtlich der Äußerungen des Vaters zum Ort der letzten Ruhestätte, sondern zu dem behaupteten Köperverletzungsvorfall widersprechen. Allerdings ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Zeuge hinsichtlich des behaupteten Körperverletzungsvorfalls nicht die Wahrheit gesagt hat und mangels weiterer Wahrheitsanzeichen zur Äußerung des Vaters der Parteien vermochte das Gericht sich auch hinsichtlich der durch den Zeugen S. bekundeten Äußerung des Vaters keine Überzeugung von der Wahrheit zu bilden.
Auch das Schriftbild des Vaters vermochte das Gericht nicht zu überzeugen, dass der Vater nicht mehr geschäftsfähig war. Das Schriftbild ist zwar nicht parallel zum unteren Rand, sondern leicht diagonal. Der Schriftzug ist jedoch gut lesbar und für eine ältere Person nicht auffällig. Auch wenn die Unterschrift des Vaters der Parteien nach dem Schriftbild Auffälligkeiten aufgewiesen hätte, ließe sich von einem möglicherweise körperlich geschwächten Zustand nicht ohne Weiteres auf eine eingeschränkte Fähigkeit der Willensbildung schließen.
Im Übrigen gilt auch im Bereich der Totenfürsorge der Grundsatz, dass bis zum Beweis des Gegenteils der Erklärende als geschäfts- bzw. testierfähig anzusehen ist. Die Beweislast für das Gegenteil liegt auf Klägerseite (vgl. Palandt/Weidlich, 78. Aufl. 2019, § 2229 BGB Rn. 11 sowie § 104 BGB Rn. 8).
AG Marl 16 C 122/21
Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass der Vater das Totenfürsorgerecht für sich nicht wirksam ausgeübt hätte, wäre seine letzte Ruhestätte gleichwohl in H. (S.) durch die auch vorsorgebevollmächtigte Beklagte wirksam in Ausübung des Totenfürsorgerechts bestimmt worden. Das Gericht ist zur Überzeugung gelangt, dass sie nach seinem Tod zur Ausübung des Totenfürsorgerechts berufen war.
Das Totenfürsorgerecht für den Vater der Parteien stand nach seinem Ableben der Beklagten allein zu. In erster Linie ist zur Totenfürsorge der Ehegatte berufen und erst danach die Kinder des Verstorbenen (vgl. auch BGH Urt. v. 14.12.2011 – IV ZR 132/11). Allerdings war zum Zeitpunkt des Todes des Vaters seine Ehefrau bereits vorverstorben, so dass hier lediglich die Kinder zur Ausübung des Totenfürsorgerechts in Betracht kommen.
Das Totenfürsorgerecht steht insoweit nicht den Erben als solchen, sondern gewohnheitsrechtlich — wenn ein anderer Wille des Verstorbenen nicht erkennbar ist – den nächsten Angehörigen zu (vgl. BGH Urt. v. 26.2.1992 – XII ZR 58/91; BGH Urt. v. 14.12.2011 – IV ZR 132/11). Vorrangig ist Inhaber des Totenfürsorgerechts derjenige, den der Verstorbene hierzu bestimmt hat.
Das Gericht geht davon aus, dass die vorsorgebevollmächtigte Beklagte zur Ausübung des Totenfürsorgerechts berufen war. Zwar verkennt das Gericht nicht, dass das Totenfürsorgerecht nicht zwangsläufig mit der Bestimmung eines Vorsorgebevollmächtigten einhergehen muss und die vom verstorbenen Vater erteilte Vorsorgevollmacht nicht über den Tod hinaus reichte.
Ohne ausdrückliche Übertragung in der Vorsorgevollmacht ist der Vorsorgebevollmächtigte nicht automatisch berechtigt, über die Art der Bestattung und die letzte Ruhestätte zu entscheiden; der Umstand seiner Bevollmächtigung kann aber ein Indiz dafür sein, dass der Erblasser in der Person des Bevollmächtigten auch seinen nächsten Angehörigen für die Totenfürsorge gesehen hat.
Da vorliegend der Vater der Beklagten ihr die Vorsorgevollmacht übertragen hat und sämtliche anderen Kinder nicht bevollmächtigt hat, geht das Gericht davon aus, dass ihr das Recht der Totenfürsorge für ihren Vater zustand.
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Ein weiteres Indiz dafür, dass der verstorbene Vater das Totenfürsorgerecht auch auf die Beklagte übertragen wollte, ist, dass er – wie die Zeugin S. glaubhaft bekundet hat – sich über Schläge der Klägerin zu 1) gegen die Beklagte erschüttert gezeigt hat.
Die Zeugin S. bekundete glaubhaft, dass der Vater ihr berichtet habe, dass Frau S., die Klägerin zu 1), die Beklagte auf den Rücken geschlagen habe und er deswegen traurig und aufgebracht gewesen sei.
Durch die vom Vater beklagten Schläge der Klägerin zu 1) gegen die Beklagte ist eher davon auszugehen, dass dies auch aus seiner Sicht zu einer Einschränkung des Vertrauens gegen die Klägerin zu 1) geführt haben dürfte und er das Totenfürsorgerecht nicht der Klägerin zu 1) übertragen wollte.
Auch hat er selbst angegeben, sich in H. einleben zu wollen und durch die Vorsorgevollmacht zum Ausdruck gebracht, er vertraue der Beklagten am meisten. Auch die Tatsache, dass der Vater der Parteien nach seiner Verbringung nach H. dort geblieben ist, spricht nach Auffassung des Gerichts dafür, dass er der Beklagten das Totenfürsorgerecht übertragen wollte. Zwar mag es zutreffen, dass der Vater der Parteien zunächst mit einer Äußerung, nur vorübergehend dort zu bleiben, nach H. genommen worden ist. Allerdings hätte der Vater der Parteien selbst nach der Kündigung seiner Wohnung jederzeit ein Taxi zu den Klägern nehmen können und sich bei diesen einquartieren können.
Dass er jedoch in H. geblieben ist, spricht aus Sicht des Gerichts ebenfalls deutlich dafür, dass er damit zum Ausdruck gebracht hat, der Beklagten umfassend in organisatorischen Angelegenheiten zu vertrauen und seine wesentlichen Angelegenheiten, insbesondere das Recht der Totenfürsorge, der Beklagten anvertrauen wollte. Indizien, die dafür sprechen, dass der Vater der Parteien die Kläger zur Ausübung des Rechts zur Totenfürsorge berufen wollte, sind demgegenüber nicht ersichtlich.
AG Marl 16 C 122/21
Das Totenfürsorgerecht für die verstorbene Mutter der Parteien stand zu Lebzeiten dem verstorbenen Vater der Parteien, ihrem Ehemann, zu. Er war für die Mutter der Parteien nächststehende Person im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. auch BGH Hinweisbeschl. v. 14.12.2011 – IV ZR 132/11), dem mithin befugtermaßen die Wahl der letzten Ruhestätte zustand. In erster Linie ist zur Totenfürsorge der Ehegatte berufen und erst danach die Kinder des Verstorbenen (vgl. BGH Hinweisbeschl. v. 14.12.2011 – IV ZR 132/11).
Als Totenfürsorgeberechtigter konnte dementsprechend auch der Vater den Ort der letzten Ruhestätte auswählen, und zwar auch noch nach der Beerdigung seiner Ehefrau (vgl. auch BGH Urt. v. 14.12.2011 – IV ZR 132/11).
Es ist auch davon auszugehen, dass der Vater der Parteien das Totenfürsorgerecht bezüglich der Mutter zu seinen Lebzeiten derart ausgeübt hat, dass er sich in Ausübung des Totenfürsorgerechts wirksam für die Umbettung nach H. entschieden hat. Wie bereits ausgeführt, hat die Zeugin K. glaubhaft bekundet, der Vater der Parteien habe im persönlichen Gespräch erklärt, er wünsche die Umsetzung der Urne seiner Ehefrau, nachdem er ausführlich von ihr über die Details und die Tragweite der Entscheidung aufgeklärt wurde. Zudem liegt, wie ebenfalls bereits ausgeführt, mit dem Schreiben an die Stadtverwaltung G. eine schriftliche und vom Vater der Parteien unterzeichnete Erklärung vor, wonach er die Umbettung der Mutter beantragte.
Die Ausübung des Totenfürsorgerechts durch den Vater der Parteien war auch wirksam, da nicht davon auszugehen ist, dass es dem von der Mutter der Parteien zu Lebzeiten bestehenden Willen widersprach. Denn der Wille der Mutter der Parteien bei Zugrundelegung der derzeitigen Umstände ist unklar.
AG Marl 16 C 122/21
Das Gericht ist davon überzeugt, dass für sie drei Wünsche im Vordergrund standen: Sie wolle in P. und mit Sohn und mit dem Ehemann gemeinsam die letzte Ruhestätte finden. Was ihr Wunsch gewesen wäre, hätte sie entscheiden müssen, entweder in P. ohne ihren Ehemann oder in H. mit ihrem Ehemann begraben zu werden, konnte auch nach der umfangreichen Beweisaufnahme unter Abwägung aller Umstände des Falles nicht ermittelt werden. Beides wäre einem ihrer Wünsche zuwidergelaufen.
Zwar hat sie unstreitig zeitlebens geäußert, in P. begraben sein zu wollen. Zur Überzeugung des Gerichts steht jedoch auch fest, dass sie zudem gemeinsam mit ihrem Ehemann und mit ihrem Sohn R., dem Beklagten zu 4), beerdigt werden wollte. Was sie gewollt hätte, wenn – wie es nunmehr zu entscheiden ist – sie entweder nicht in P. oder nicht mit ihrem Ehemann die letzte Ruhestätte finden würde, lässt sich nicht mehr ermitteln und auch nicht aus den Umständen entnehmen.
So gingen auch die Zeugen aus der Familie der Parteien davon aus, dass die Mutter zwar auch in P., aber auch mit dem Sohn R. und dem Ehemann beerdigt sein wollte. Es schien auch recht einhellige Auffassung der Zeugen zu sein, dass die Mutter der Parteien sich nie darüber eine Vorstellung gemacht hatte, dass der Vater an einem anderen Ort als P. seine letzte Ruhestätte finden wollen würde. Der Kläger zu 3) hat in seiner persönlichen Anhörung im Verhandlungstermin am 26.1.2023 ebenfalls eingeräumt, dass er davon ausgehe, dass sich die Mutter mit ihrem Ehemann eine gemeinsame letzte Ruhestätte gewünscht hat.
Auch die Klägerin zu 1) gab an, dass es für sie als Kinder selbstverständlich war, dass die Eltern eine gemeinsame Ruhestätte haben würden. Der Zeuge S. bekundete, die Mutter der Parteien habe in erster Linie mit dem Kläger zu 4) in einer gemeinsamen letzten Ruhestätte beigesetzt werden wollen.
Der Zeuge M. S. und die Zeugin C. bekundeten, dass sie davon ausgingen, dass die Mutter unter anderem auch den Wunsch hatte, mit ihrem Ehemann gemeinsam eine letzte Ruhestätte zu haben.
AG Marl 16 C 122/21
Der Zeuge S. S. bekundete auch, dass es normal sei, dass Eheleute, die zusammen gewohnt haben, sich eine gemeinsame Ruhestätte wünschen.
Die Zeugin E. S., Ehefrau des Klägers zu 3) bekundete, der Mutter sei es wichtig gewesen, dass der Vater zu Lebzeiten es zum Ort der letzten Ruhestätte der Mutter nicht zu weit habe. Vor diesem Hintergrund ist nicht feststellbar, welche Wahl sie getroffen hätte, hätte sie wählen müssen, in P., dem Wohnort dreier ihrer Kinder ohne ihren Ehemann, aber ggf. mit dem Kläger zu 4) künftig die letzte Ruhestätte zu finden oder in H., wo zwei ihrer Kinder wohnen mit ihrem Ehemann zusammen die letzte Ruhestätte zu finden.
Die Zeugen haben auch durchgängig bekundet, dass es neben dem Wunsch in P. beigesetzt zu werden, auch der Wunsch der Mutter der Parteien war, die letzte Ruhestätte mit dem Kläger zu 4) und ihrem Ehemann zu teilen.
Eine Überzeugung, welcher der Wünsche der Mutter wichtiger war, vermochte das Gericht anhand der Zeugenaussagen nicht festzustellen.
Es kann vor diesem Hintergrund, dass die Folge wäre, von ihrem Ehemann getrennt begraben zu werden, nicht mehr als selbstverständlich vorausgesetzt werden, dass die Verstorbene an ihrem ursprünglich geäußerten Willen festgehalten hätte, in P. beerdigt zu werden.
Die Wichtigkeit der traditionellen Werte, wie sie bei den verstorbenen Eheleuten anklingen, lassen zudem auch nicht als unwahrscheinlich erscheinen, dass dies ihre Prioritäten im Hinblick auf den Beisetzungsort derart geändert hätte, dass sie vielleicht nunmehr lieber bei ihrem Mann beigesetzt werden wollte (vgl. auch OLG Naumburg Urt. v. 8.10.2015 – 1 U 72/15 online).
AG Marl 16 C 122/21
Da das Gericht nicht zu ermitteln vermochte, was der vordringlichste Wunsch der Mutter zur letzten Ruhestätte war, war ihr Ehemann zur Entscheidung zur Ausübung des Totenfürsorgerechts berufen.
Das Gericht verkennt nicht, dass die Erblasserin in ihren Äußerungen zeitlebens immer wieder herausgestellt hat, in P. beigesetzt sein zu wollen.
Dies erfolgte jedoch vor dem Hintergrund der irrigen Annahme, dass der Vater dort auch beigesetzt werden würde.
Bei der Ermittlung des für die Wahrnehmung der Totenfürsorge maßgeblichen Willens des Verstorbenen kommt es nicht nur auf dessen ausdrückliche Willensbekundungen, sondern auch auf den tatsächlichen Willen an, wie er sich aus den Umständen ergibt (vgl. BGH Urt. v. 26.2.2019 – VI ZR 272/18, Rn. 17).
Dieser tatsächliche Wille der Mutter vor dem Hintergrund der heutigen Umstände konnte jedoch nicht ermittelt werden. Es wäre auch nicht ausgeschlossen, dass die Mutter der Parteien die Äußerung, in P. die letzte Ruhestätte finden zu wollen, im Sinne einer Metonymie gemeint hatte, so dass der Ort „P.“ sinnbildlich auch für das dort Befindliche, nämlich die dort
nach ihrer Vorstellung dann ebenfalls beigesetzten Familienangehörigen, nämlich Ehemann und Sohn R. gestanden hätte.
Daher geht das Gericht nicht davon aus, dass die Ausübung des Totenfürsorgerechts des Vaters der Parteien bei der Umbettung der Mutter ihrem Willen zuwidergelaufen wäre. Da ein Anspruch der Kläger nicht ersichtlich ist, muss der Totenschutz auch nicht zurücktreten. […]
AG Marl 16 C 122/21