Akteneinsichtsrecht nicht beteiligter Dritter im Erbscheinsverfahren

Februar 9, 2025

Akteneinsichtsrecht nicht beteiligter Dritter im Erbscheinsverfahren

Beschluss OLG Brandenburg vom 30.12.2024 – 11 VA 3/24

RA und Notar Krau

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Brandenburg vom 30. Dezember 2024 (Az.: 11 VA 3/24) behandelt die Frage der Akteneinsicht in ein Erbscheinsverfahren und die damit verbundenen Voraussetzungen.

Im konkreten Fall ging es um den Antrag eines mutmaßlichen Miterben auf Einsicht in die Nachlassakte, welcher vom Amtsgericht Neuruppin abgelehnt worden war.

Das OLG Brandenburg hob die Entscheidung des Amtsgerichts auf und gewährte dem Antragsteller die Akteneinsicht.

Hintergrund des Falls

Frau V… L… W… beantragte 2015 beim Amtsgericht Neuruppin einen Erbschein als Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemannes.

In diesem Verfahren wurden Abkömmlinge der Schwester des Vaters des Erblassers nicht beteiligt.

Nachdem der Erbschein erteilt und ein Teil des Nachlasses hinterlegt worden war, meldete sich der Antragsteller und beanspruchte ebenfalls ein Erbrecht.

Ihm wurde jedoch mangelnde Glaubhaftmachung seiner Verwandtschaft zum Erblasser entgegengehalten.

Akteneinsichtsrecht nicht beteiligter Dritter im Erbscheinsverfahren

Entscheidung des OLG Brandenburg

Das OLG Brandenburg entschied, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Akteneinsicht hat.

Die Begründung des Gerichts lässt sich wie folgt zusammenfassen:

  1. Zulässigkeit des Antrags: Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Ablehnung der Akteneinsicht ist zulässig. Obwohl es sich formal um eine Entscheidung über einen Justizverwaltungsakt handelt, ist der Antrag statthaft und fristgerecht eingelegt.
  2. Berechtigtes Interesse: Der Antragsteller hat ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht glaubhaft gemacht. Er ist ein potenzieller gesetzlicher Miterbe des Erblassers, da er ein Abkömmling der Großeltern des Erblassers ist. Durch Vorlage von Urkunden, insbesondere der Geburtsurkunde seiner Mutter und dem Auszug aus seinem Familienbuch, konnte er seine Stellung als möglicher Miterbe dritter Ordnung nach § 1926 Abs. 1 BGB ausreichend darlegen.
  3. Keine entgegenstehenden Interessen: Schutzwürdige Interessen der Beteiligten oder Dritter, die der Akteneinsicht entgegenstehen könnten, wurden nicht festgestellt. Insbesondere die Antragstellerin im Erbscheinsverfahren konnte keine stichhaltigen Gründe gegen die Einsicht vorbringen. Auch die von anderen Beteiligten geltend gemachten Rechte stehen der Einsicht nicht entgegen, da diese den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers sogar mit der Geltendmachung ihrer Rechte betreffend den Erbfall bevollmächtigt haben.
  4. Ermessensentscheidung: Das OLG betonte, dass die Entscheidung über die Akteneinsicht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegt. Im vorliegenden Fall hat sich das Ermessen jedoch zu einer einzigen richtigen Entscheidung verdichtet, da der Antragsteller über seine Beteiligungsmöglichkeit zu belehren war und sein mehrfaches Insistieren auf der Akteneinsicht seinen Beteiligungswillen am Erbscheinsverfahren zeigt.
  5. Kostenentscheidung: Die Kosten des Verfahrens, einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers, werden von der Staatskasse getragen, da die Justizbehörde die Miterbenstellung des Antragstellers offensichtlich und grob fehlerhaft verkannt hat.

Akteneinsichtsrecht nicht beteiligter Dritter im Erbscheinsverfahren

Bedeutung der Entscheidung

Die Entscheidung des OLG Brandenburg unterstreicht die Bedeutung des Rechts auf Akteneinsicht in Nachlassverfahren für potenzielle Miterben.

Sie verdeutlicht, dass ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht bereits dann gegeben sein kann, wenn ein Antragsteller

seine mögliche Miterbenstellung durch Vorlage von Urkunden und schlüssige Darlegung glaubhaft macht.

Zudem betont das Gericht die Pflicht des Nachlassgerichts, die Beteiligungsrechte potenzieller Miterben zu beachten und diese über ihre Rechte zu belehren.

Anmerkungen

Es ist wichtig zu beachten, dass es sich bei der Entscheidung des OLG Brandenburg um eine Einzelfallentscheidung handelt.

Die konkreten Umstände des jeweiligen Falles, insbesondere die Glaubhaftmachung des berechtigten Interesses und das Vorliegen entgegenstehender Interessen,

sind stets ausschlaggebend für die Entscheidung über die Akteneinsicht.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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