Aktuelle Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes zum Arbeitsrecht

Oktober 11, 2025

Aktuelle Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes zum Arbeitsrecht

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in den letzten drei Jahren (etwa 2022 bis 2025) wichtige Entscheidungen im Arbeitsrecht getroffen, die besonders die Bereiche Urlaub, Arbeitszeit, Kündigungsschutz und Gleichbehandlung betreffen. Diese Urteile wirken sich direkt auf die nationale Rechtsprechung, wie die des Bundesarbeitsgerichts (BAG), aus und stärken oft die Rechte der Arbeitnehmer.

Urlaub und Urlaubsabgeltung

Der EuGH hat die Rechte der Arbeitnehmer beim gesetzlichen Mindesturlaub weiter gestärkt:

Abgeltung bei freiwilliger Beendigung (2024):

Ein zentrales Urteil betrifft die finanzielle Vergütung („Abgeltung“) von nicht genommenem Jahresurlaub. Der EuGH hat klargestellt, dass eine nationale Regelung, die einem Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst (oder generell) die Abgeltung seines gesetzlichen Mindesturlaubs verweigert, nur weil dieser freiwillig ausscheidet, gegen EU-Recht verstößt (Urteil vom 18. Januar 2024, C‑218/22).

Kein automatischer Verfall des Urlaubs (2022):

Bereits früher hatte der EuGH entschieden, dass Urlaubsansprüche nicht automatisch verfallen oder verjähren. Die Gerichte bestätigten, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aktiv und rechtzeitig auffordern und informieren muss, den Urlaub zu nehmen. Unterlässt er dies, bleiben die Urlaubsansprüche erhalten (Urteile vom 22. September 2022, C-518/20 und C-727/20).

Arbeitszeiterfassung und -gestaltung

Im Bereich der Arbeitszeit festigt der EuGH die Pflicht zur Dokumentation:

Pflicht zur vollständigen Arbeitszeiterfassung (2024/2025): Der EuGH hat seine bisherige Rechtsprechung zur verpflichtenden Zeiterfassung weiter konkretisiert. Er stellte fest, dass jede Arbeitszeit lückenlos dokumentiert werden muss, und zwar in allen Branchen. Dies bedeutet eine verschärfte Pflicht für Arbeitgeber, ein entsprechendes System einzuführen, was auch die traditionelle „Vertrauensarbeitszeit“ in Frage stellt (Urteil vom 19. Dezember 2024, C-531/23).

Aktuelle Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes zum Arbeitsrecht

Kündigungsschutz

Auch beim Kündigungsschutz gab es wichtige Klärungen:

Massenentlassungsanzeige (2023):

Im Falle einer Massenentlassung muss der Arbeitgeber die Arbeitsagentur frühzeitig informieren und ihr eine Abschrift der Betriebsratsunterrichtung zuleiten. Der EuGH urteilte, dass ein Verstoß gegen diese Zuleitungspflicht nicht automatisch zur Unwirksamkeit der Kündigungen des einzelnen Arbeitnehmers führt, da diese Pflicht primär dem Schutz des Arbeitsmarktes dient und keinen individuellen Kündigungsschutz bezweckt (Urteil vom 13. Juli 2023, C-143/22).

Verlängerte Klagefrist bei Schwangerschaft (2024):

Der EuGH befand, dass eine kurze nationale Frist (z.B. zwei Wochen) für den Antrag auf nachträgliche Klagezulassung gegen eine Kündigung für schwangere Arbeitnehmerinnen unvereinbar mit EU-Recht ist, da sie den Zugang zum Kündigungsschutz zu sehr erschwert (Urteil vom 27. Juni 2024, C-284/23).

Gleichbehandlung und Datenschutz

Der Grundsatz der Gleichbehandlung wird in verschiedenen Kontexten angewandt:

Benachteiligung von Teilzeitkräften (2023):

Regelungen, die Teilzeitbeschäftigte (z.B. Piloten) bei der Zusatzvergütung für Mehrarbeit benachteiligen, indem sie die gleiche Obergrenze wie für Vollzeitkräfte vorsehen, stellen eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung dar und sind unzulässig (Urteil vom 19. Oktober 2023, C-660/20).

Datenschutz in Betriebsvereinbarungen (2024):

Der EuGH stellte klar, dass Betriebsvereinbarungen die allgemeinen Grundsätze der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) nicht außer Kraft setzen können. Spezifischere Vorschriften müssen stets im Rahmen der DSGVO ausgelegt werden. Das bedeutet, datenverarbeitende Prozesse, insbesondere Überwachungstools, müssen umfassend an den Maßstäben der DSGVO gemessen werden, auch wenn sie durch eine Betriebsvereinbarung gedeckt sind (Urteil vom 19. Dezember 2024, C-65/23).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die EuGH-Rechtsprechung der letzten drei Jahre eine kontinuierliche Stärkung der Arbeitnehmerrechte in Europa bewirkt hat, insbesondere bei den Themen Urlaub, Arbeitszeitdokumentation und Schutz vor Diskriminierung.

RA und Notar Krau

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