Aktuelle Übersicht über das Erbrecht
Diese Zusammenfassung beleuchtet aktuelle Gerichtsurteile zum Erbrecht, die wichtige Entwicklungen in diesem Rechtsbereich markieren. Die Entscheidungen betreffen vor allem die Ablehnung einer Erbschaft, das Fortbestehen von Erbansprüchen trotz Scheidung und die Erstellung notarieller Nachlassverzeichnisse.
Wenn Eltern eine Erbschaft für ihr minderjähriges Kind ablehnen, weil sie selbst ausgeschlagen haben und die Erbschaft dadurch erst dem Kind zusteht (sogenannte lenkende Ausschlagung), braucht diese Ablehnung keine Genehmigung des Familiengerichts mehr.
Bisher gab es Uneinigkeit. Manche Gerichte und Experten hielten eine Genehmigung für nötig, besonders wenn der Nachlass wertvoll war, weil das Kind möglicherweise benachteiligt werden könnte.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass das Gesetz in solchen Fällen keine Genehmigung vorschreibt. Die Richter sehen keine planwidrige Lücke im Gesetz. Die Ablehnung ist also einfacher, kostengünstiger und steuerlich vorteilhafter möglich.
Nur bei offensichtlichem Rechtsmissbrauch (wenn Eltern die Regelung nur nutzen, um das Kind eindeutig zu benachteiligen) ist das Gericht gefragt, was aber die Ausnahme sein dürfte.
Wenn ein Betreuer für eine betreute Person die Erbschaft ablehnt, ist dafür in der Regel eine gerichtliche Genehmigung nötig.
Die Ablehnung wird erst wirksam, wenn die Genehmigung erteilt und dem Nachlassgericht mitgeteilt wird. Wichtig ist: Die gesetzliche Frist für die Ausschlagung stoppt (ist gehemmt), sobald die Genehmigung beim Gericht beantragt wird. Sie läuft erst weiter, wenn der Genehmigungsbeschluss rechtskräftig ist.
Seit einer Gesetzesreform 2023 muss das Gericht, das die Genehmigung erteilt, diese direkt dem Nachlassgericht mitteilen. Die frühere Regelung, dass der gesetzliche Vertreter dies tun musste, ist damit überholt.
Die Frist zur Ausschlagung einer Erbschaft beträgt sechs Wochen.
Ein Gerichtsurteil hat entschieden, dass diese Frist gehemmt (gestoppt) sein kann, wenn eine Verzögerung beim Einreichen der Ausschlagungserklärung beim Nachlassgericht durch ein Verschulden des Notars entsteht.
In so einem Fall dürfen sich die Erben auf die ordnungsgemäße und sorgfältige Arbeit des Notars verlassen. Die verspätete Zustellung durch den Notar kann als höhere Gewalt gewertet werden, wodurch die Frist als eingehalten gilt.
Grundsätzlich verliert der Ehegatte sein gesetzliches Erbrecht, wenn die Ehe geschieden wurde. Auch Testamente oder Erbverträge zugunsten des Ex-Partners werden normalerweise unwirksam, wenn die Scheidung oder das Scheidungsverfahren vor dem Tod des Erblassers begonnen wurde. Dies sind allerdings Auslegungsregeln, d.h., sie gelten nur, wenn der Erblasser keinen anderen Willen geäußert hat.
Wenn jemand seinen unverheirateten Lebensgefährten testamentarisch bedenkt und die Partnerschaft später endet, ohne dass geheiratet wurde, wird das Testament nicht automatisch unwirksam.
Der BGH hat entschieden, dass die Regel, die Testamente nach Scheidung unwirksam macht, nicht direkt oder entsprechend auf nichteheliche Lebensgemeinschaften anzuwenden ist, auch wenn die Partner später heiraten und sich scheiden lassen, sofern das Testament keinen Bezug zur späteren Ehe hatte. Es fehle die gesetzliche Vermutung, dass der Erblasser im Falle einer Scheidung die Verfügung automatisch unwirksam wollte.
Ein anderes Gericht sah das anders, wenn der Erbvertrag und der Ehevertrag zeitlich eng zusammenlagen oder auf die spätere Ehe Bezug nahmen. In solchen Fällen wird ein Verlöbnis angenommen, was eine Anwendung der Unwirksamkeitsregel bei Scheidung rechtfertigt.
Ein Gerichtsurteil bestätigte die Erbenstellung eines Partners trotz Aufhebung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft.
Die Lebenspartnerschaft wurde nur aus praktischen Gründen (Haftung für Pflegekosten) und nicht wegen eines Beziehungsbruchs aufgehoben. Daher ging das Gericht davon aus, dass der Erblasser den Partner weiterhin als Erben behalten wollte.
Um ungewollte Erbschaften nach einer Trennung oder Scheidung zu vermeiden, sollten Erblasser in Verfügungen zugunsten von Lebensgefährten (oder Ehegatten) ausdrücklich festlegen, dass die Zuwendung unwirksam wird, wenn die Beziehung oder Ehe später endet oder ein Scheidungsverfahren läuft.
Wenn ein Testamentsvollstrecker ein Grundstück verkauft, braucht er für die Eintragung im Grundbuch normalerweise kein Testamentsvollstreckerzeugnis, wenn die Erbfolge aus einer notariellen Urkunde hervorgeht und er seine Amtsannahme nachweisen kann.
Hat das Grundbuchamt jedoch Zweifel an der Wirksamkeit des Testaments (z. B. an der Testierfähigkeit des Erblassers), muss es ein Testamentsvollstreckerzeugnis verlangen und ggf. ein laufendes Verfahren beim Nachlassgericht abwarten.
Wurde bereits eine Auflassungsvormerkung (eine Art Reservierung) für den Käufer eingetragen und stellt sich später heraus, dass der Testamentsvollstrecker nicht wirksam eingesetzt war, hat der Käufer keinen Schutz (auch nicht durch die Vormerkung). Der Kaufvertrag ist dann unwirksam.
Legt der Testamentsvollstrecker ein Testamentsvollstreckerzeugnis vor, wirkt dieses wie ein öffentlicher Glaube. Ist das Zeugnis falsch, wird die Rechtsmacht des Testamentsvollstreckers dem gutgläubigen Käufer gegenüber fingiert, d.h., der Käufer ist geschützt.
Pflichtteilsberechtigte haben einen Anspruch auf Erstellung eines Nachlassverzeichnisses durch einen Notar.
Der Notar muss alle notwendigen Nachforschungen anstellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Pflichtteilsberechtigten für erforderlich hielte. Er darf die Erstellung nicht ablehnen, nur weil die Ermittlungen schwierig oder zeitaufwendig sind.
Zur Ermittlung von Schenkungen, die den Pflichtteil erhöhen können, ist eine Sichtung der Kontounterlagen des Erblassers nicht in jedem Fall für die letzten zehn Jahre zwingend notwendig, sondern muss vom Einzelfall abhängen. Gibt es konkrete Anhaltspunkte für Schenkungen, muss der Notar die Konten sichten und weitere Nachforschungen anstellen.
Kann der Notar trotz aller zumutbaren Bemühungen keine vollständigen Informationen beschaffen, muss er dies ausführlich dokumentieren und seine Zweifel im Verzeichnis festhalten. Die Ablehnung der Tätigkeit kommt nur selten in Betracht, z.B. bei mangelnder Mitwirkung des Erben.
Keine „Über-die-Schulter-Schau“: Der Pflichtteilsberechtigte hat kein Recht, bei einzelnen Ermittlungen des Notars, wie der Sichtung von Kontounterlagen, anwesend zu sein oder diese Unterlagen selbst einzusehen.
Die Offenlegung von Kontounterlagen würde das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers schwerwiegend verletzen, da die Unterlagen auch nicht-pflichtteilsrelevante Informationen enthalten, die geheim bleiben sollen. Der Notar unterliegt der Amtsverschwiegenheit, der Pflichtteilsberechtigte nicht.
Das Anwesenheitsrecht dient nur dazu, bei der ersten Erfassung des Nachlasses einen Überblick zu erhalten und mitzuwirken.
Ein Erblasser kann mit einem Kind einen Pflichtteilsverzicht gegen Zahlung einer Abfindung vereinbaren.
Der BGH bestätigte, dass der Erblasser bei einem Pflichtteilsverzichtsvertrag höchstpersönlich handeln muss und sich nicht durch einen Stellvertreter vertreten lassen kann.
Ein Notar, der eine solche Vereinbarung mit einem Vertreter des Erblassers beurkundet, verletzt seine Amtspflichten und kann schadensersatzpflichtig werden, wenn der Verzicht dadurch unwirksam ist.
Wird der Pflichtteilsverzicht (das sogenannte Verfügungsgeschäft) wegen der Vertretung unwirksam, so bleibt in der Regel die schuldrechtliche Vereinbarung (das sogenannte Kausalgeschäft) über die Abfindungszahlung wirksam, wenn der Erblasser sie nachträglich genehmigt. Stirbt der Erblasser jedoch, bevor der wirksame Verzicht erklärt werden kann, wird die Abfindungsvereinbarung unwirksam wegen nachträglicher Unmöglichkeit. Geleistete Abfindungen müssen dann zurückgezahlt werden.