Bayerisches Oberstes Landesgericht Beschluss verkündet am 10.11.2003 Aktenzeichen: 1Z AR 114/03

März 12, 2019

Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 10.11.2003
Aktenzeichen: 1Z AR 114/03

1. Ist der Miterbe selbst Nachlassgläubiger, kann er auch nach Teilung des Nachlasses jeden seiner Miterben als Gesamtschuldner auf den vollen Betrag seiner Forderung abzüglich des auf seinen eigenen Bruchteil fallenden Betrages in Anspruch nehmen. Solange dabei nicht die Voraussetzungen der §§ 2060, 2061 BGB gegeben sind, besteht hierfür als besonderer Gerichtsstand der erweiterte Gerichtsstand der Erbschaft.
2. Zuständigkeitsbestimmung trotz Vorliegens eines besonderen gemeinschaftlichen Gerichtsstands, wenn das nach Ansicht des Senats zuständige Gericht erhebliche Zweifel an seiner Zuständigkeit äußert.
I.
Die Parteien sowie K sind die Kinder des E, der im Jahr 2000 im Amtsgerichtsbezirk Memmingen ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung verstorben ist. Der Wert des inzwischen geteilten Nachlasses hat 3.792 DM betragen. K hat diesen Betrag sowie aus eigenen Mitteln weitere 8.915,72 DM (4.558,54 EUR) für die Beerdigung von E aufgewandt. K hat den Kläger auf Ersatz dieses Betrages in Anspruch genommen und vor dem Amtsgericht Memmingen einen Titel über 3.907,32 EUR nebst Zinsen erwirkt. Der Kläger nimmt nunmehr die Beklagten als Miterben auf Bezahlung der gegen ihn titulierten Forderung abzüglich des auf ihn als Miterben entfallenden Bruchteils in Anspruch. Er hat beim Amtsgericht Memmingen Klage mit dem Antrag erhoben, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 3.256,10 EUR nebst Zinsen zu bezahlen. Die Beklagten zu 1 bis 3 haben ihren Wohnsitz im Amtsgerichtsbezirk Emden (Niedersachsen), die Beklagte zu 4 im Amtsgerichtsbezirk Frankfurt/Main (Hessen) und die Beklagte zu 5 im Amtsgerichtsbezirk Bersenbrück (Niedersachsen).
Die Beklagten zu 2, 3 und 4 rügen die örtliche Unzuständigkeit des Amtsgerichts Memmingen. Die Beklagten zu 1, 3 und 4 nehmen in Anspruch, rechtzeitig die Erbschaft ausgeschlagen zu haben. Der Beklagte zu 2 macht Haftungsbeschränkung geltend. Das Amtsgericht Memmingen hat erhebliche Bedenken im Hinblick auf seine Zuständigkeit geäußert. Der Kläger hat deshalb beantragt, für die Beklagten ein gemeinsam örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen. Das Amtsgericht Memmingen hat diesen Antrag dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung über das Gesuch berufen (§ 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO). Zuerst mit der Sache befasst war das in Bayern gelegene Amtsgericht Memmingen. Die Zuständigkeitsbestimmung ist auch nach Rechtshängigkeit noch möglich (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 24. Aufl. § 36 Rn. 16; Thomas/Putzo ZPO 25. Aufl. § 36 Rn. 15). Ihr steht nicht entgegen, dass die Beklagten nicht ihren Sitz im Zuständigkeitsbereich des Bayerischen Obersten Landesgerichts haben (vgl. OLG Karlsruhe Report 1999, 380; BayObLG vom 5.2.2002 – 1Z AR 9/02).
2. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor. Für den Rechtsstreit ist zwar ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand nach §§ 28, 27 ZPO bei dem Amtsgericht Memmingen begründet, was im Regelfall eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ausschließt. Da aber das Amtsgericht Memmingen erhebliche Zweifel an seiner Zuständigkeit nach § 28 ZPO i.V.m. § 27 ZPO geäußert hat, nimmt der Senat aus prozessökonomischen Gründen trotzdem eine Bestimmung vor, wobei er dasjenige Gericht bestimmt, das nach seiner Auffassung ohnehin zuständig ist (vgl. KG Report 2003, 230/232).
Das Amtsgericht Memmingen ist nach § 28 ZPO i.V.m. § 27 ZPO zuständig, da nach dem insoweit maßgeblichen Vortrag (vgl. BayObLGZ 1985, 314/316) des Klägers dieser als Miterbe und gleichzeitig Nachlassgläubiger die Beklagten nach Teilung des Nachlasses als Gesamtschuldner auf Bezahlung der gegen ihn titulierten Beerdigungskosten abzüglich des auf seinen eigenen Bruchteil fallenden Betrages in Anspruch nimmt (vgl. Palandt/ Edenhofer BGB 62. Aufl. § 2058 Rn. 3 a.E.). Da die verklagten Miterben für die streitige Nachlassverbindlichkeit gemäß § 2058, § 421, § 426 BGB haften, kann der Kläger die Forderung vor dem Amtsgericht Memmingen geltend machen, bei dem der Erblasser zur Zeit seines Todes den allgemeinen Gerichtsstand gehabt hat. Die Gesamthaftung der Beklagten nach Teilung des Nachlasses und damit der besondere Gerichtsstand des § 28 ZPO i.V.m. § 27 ZPO ist nicht weggefallen, weil die Voraussetzungen der §§ 2060, 2061 BGB nicht gegeben sind (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 24. Aufl. § 29 Rn. 4).

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

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Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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