Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 05. November 1987 – BReg 1 Z 42/87 (Ergänzende Testamentsauslegung – hinterlassener Erbteil im Sinne des BGB § 2306 Abs 1 S 1)

Dezember 1, 2019

Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 05. November 1987 – BReg 1 Z 42/87
(Ergänzende Testamentsauslegung – hinterlassener Erbteil im Sinne des BGB § 2306 Abs 1 S 1)
1. Zur ergänzenden Testamentsauslegung, wenn der Erblasser Testamentsvollstreckung angeordnet hat und einen Testamentsvollstrecker bestimmt, der vor dem Erbfall stirbt.
2. Hinterlassener Erbteil im Sinne des BGB § 2306 Abs 1 S 1 ist der dem Erben angefallene, nicht der im Testament zugedachte Erbteil.
(Zur Testamentsauslegung, wenn der eingesetzte Testamentsvollstrecker vor dem Erblasser verstorben ist)
1. Hat der Erblasser die Testamentsvollstreckung selbst angeordnet und ist der eingesetzte Testamentsvollstrecker vor dem Erblasser verstorben, so ist zu prüfen, ob das Testament in seiner Gesamtheit den Willen des Erblassers erkennen läßt, die Testamentsvollstreckung auch nach dem Wegfall der vom Erblasser benannten Person fortdauern zu lassen. Hierbei ist zu prüfen, ob der Erblasser bei Berücksichtigung der später eingetretenen Sachlage mutmaßlich die Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlaßgericht gewollt hätte. Von maßgeblicher Bedeutung ist, welche Gründe den Erblasser zur Anordnung der Testamentsvollstreckung bestimmt haben und ob diese Gründe von seinem Standpunkt aus, auch nach dem Wegfall der im Testament benannten Person fortbestehen, insbesondere ob noch Aufgaben des Testamentsvollstreckers zu erfüllen sind (so auch OLG Hamm, 1975-10-28, 15 Wx 156/74, OLGZ 1976, 20).

Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts München II vom 15. Mai 1987 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Am 8.10.1986 verstarb in St. der ehemalige Verleger F. C. M. im Alter von 73 Jahren. Er hatte seinen letzten Wohnsitz in B. Seine Ehe wurde im Jahre 1970 geschieden. Aus der Ehe ging ein Sohn hervor, der Beteiligte zu 1. Weitere Abkömmlinge hatte der Erblassen nicht. Zum Nachlaß gehören Bankguthaben und Wertpapiere in Höhe von ca. 300.000 DM sowie Grundvermögen.
Am 18.8.1969 errichtete der Erblasser ein notarielles Testament. Es lautet auszugsweise wie folgt:
“II.
Ich setze hiermit zu Erben meines Nachlasses ein:
a) meine Schwester E. S. geb. M. zu 1/2,
b) meine Ehefrau zu 1/8
c) meinen Sohn zu 3/8. Sollte meine Ehe beim Erbfall geschieden sein, so fällt der Anteil an meinen Sohn, den sonst meine Ehefrau erhalten würde, neben dem Anteil, den er ohnehin erhält.
III.
Ich ordne Testamentsvollstreckung an. Zur Testamentsvollstreckerin bestimme ich meine Schwester E. S. Die Testamentsvollstreckerin ist befugt, einen Nachfolger zu bestimmen. Die Testamentsvollstreckerin hat die Aufgabe, meinen Nachlaß auf die längstmögliche Zeit zu verwalten, um auf diese Weise das Vermögen möglichst lange zu erhalten, da ich sonst befürchte, es würde vorzeitig verschleudert werden.
IV.
Wer von den Erben gegen diese meine testamentarischen Anordnungen gerichtlich vorgeht oder gar Antrag auf Entlassung der Testamentsvollstreckerin beim Nachlaßgericht stellt, der soll von der Erbfolge ausgeschlossen sein.”
Die Schwester des Erblassers, E. S., ist im Herbst 1985 verstorben. Sie hinterließ keine Kinder.
Das Nachlaßgericht St., welches dem Beteiligten zu 1 zunächst einen Erbschein als Alleinerben auf Grund gesetzlicher Erbfolge erteilt hatte, zog den Erbschein wieder ein, als das notarielle Testament abgeliefert wurde. Daraufhin beantragte der Beteiligte zu 1 erneut einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweist, nunmehr jedoch zu einer Hälfte auf Grund des Testaments, zur anderen Hälfte auf Grund gesetzlicher Erbfolge, sowie ohne Angabe eines Testamentsvollstreckervermerks. Für den Fall, daß das Gericht einen Erbschein nur unter Angabe der Testamentsvollstreckung erteilen könne, regte er an, Rechtsanwalt P. als Testamentsvollstrecker zu bestimmen, weil dringende wirtschaftliche Entscheidungen erforderlich seien.
Mit Beschluß vom 19.2.1987 hat das Nachlaßgericht Rechtsanwalt P. P. zum Testamentsvollstrecker ernannt. Diesem und dem Beteiligten zu 1 ist der Beschluß förmlich zugestellt worden. Gegen den Beschluß des Nachlaßgerichts hat der Beteiligte zu 1 sofortige Beschwerde eingelegt. Diese hat das Landgericht mit Beschluß vom 15.5.1987 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz eingelegte sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1, welche am 5.6.1987 bei Gericht einging. Darin teilt der Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten zu 1 mit, die Entscheidung des Landgerichts sei ihm am 22.5.1987 zugegangen.
II.
1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig.
Sie ist statthaft (§§ 27, 29 Abs. 2, § 81 Abs. 1 FGG). Insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt (§ 29 Abs. 4, § 22 Abs. 1 FGG). Die Rechtsmittelfrist wurde am 23.5.1987 in Lauf gesetzt (§ 16 Abs. 2 FGG), weil der Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten zu 1 mit dem von ihm unterzeichneten Rechtsmittelschriftsatz vom 5.6.1987 den Empfang der Entscheidung des Landgerichts am 22.5.1987 und seinen Annahmewillen bestätigt hat. Dies genügt für den Nachweis einer wirksamen Zustellung gemäß § 16 Abs. 2 FGG. Daß sich in den Akten kein Empfangsbekenntnis unter Verwendung des üblichen Vordrucks befindet, ist unschädlich, weil der Empfänger auf beliebige Weise den Empfang und Annahmewillen schriftlich bestätigen kann (BGH NJW 1987, 2679/2680). Die Rechtsmittelschrift ist innerhalb der Zweiwochenfrist beim Landgericht München II eingegangen (§ 22 Abs. 1, § 16 Abs. 2 FGG, § 222 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB).
Das Rechtsmittel ist aber unbegründet.
2. Das Landgericht hat ausgeführt:
Zu Recht habe das Nachlaßgericht gemäß § 2200 Abs. 1 BGB einen Testamentsvollstrecker ernannt. Das hierfür erforderliche Ersuchen des Erblassers ergebe sich bei einer ergänzenden Auslegung aus dem notariellen Testament vom 18.8.1969. Hätte der Erblasser nämlich im Zeitpunkt der Testamentserrichtung bedacht, daß die eingesetzte Testamentsvollstreckerin wegfallen werde, dann hätte er die Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlaßgericht gewollt. Diese Annahme sei dadurch gerechtfertigt, daß der Erblasser seine Schwester zur Miterbin und Testamentsvollstreckerin eingesetzt und angeordnet habe, diese sei befugt, einen anderen Testamentsvollstrecker zu ernennen. Der Gedanke an einen anderen Testamentsvollstrecker sei ihm daher nicht fremd gewesen. Den Umstand, daß die eingesetzte Testamentsvollstreckerin vor dem Erbfall verstorben sei, habe der Erblasser zwar nicht berücksichtigt. Nach der eindeutigen Umschreibung der Aufgabe der Testamentsvollstreckerin sei es ihm aber darauf angekommen, das Vermögen möglichst lange zu erhalten und zwar unabhängig von der Person des Testamentsvollstreckers. Hierfür spreche die schwerwiegende Sanktion in Nr. IV des Testaments.
Inhaltlich beziehe sich die Testamentsvollstreckung nicht nur auf die ehemalige Firma des Erblassers, sondern auf den gesamten Nachlaß. Der Ernennung stehe auch § 2306 BGB nicht entgegen. Zum Zeitpunkt des Erbfalls sei der Anteil des Beteiligten zu 1 am Nachlaß höher gewesen als sein Pflichtteil. Eine Ausdehnung der Rechtsprechung zur Werttheorie sei für Fälle der Pflichtteilsergänzung (§ 2325 BGB) nicht gerechtfertigt.
3. Diese Entscheidung hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 FGG, § 550 ZPO) stand.
a) Gemäß § 2200 Abs. 1 BGB kann das Nachlaßgericht einen Testamentsvollstrecker ernennen, wenn der Erblasser in seinem Testament darum ersucht hat. Ob ein solches Ersuchen vorliegt, ist von Amts wegen zu prüfen. Nach allgemeiner Meinung muß der Erblasser ein Ersuchen gemäß § 2200 Abs. 1 BGB nicht ausdrücklich stellen. Es genügt, daß sich durch Auslegung, gegebenenfalls durch ergänzende Auslegung der letztwilligen Verfügung (§§ 133, 2084 BGB) ein darauf gerichteter Wille des Erblassers feststellen läßt (OLG Hamm OLGZ 1976, 20/21; KG OLGE 42, 139; Soergel/Damrau BGB 11. Aufl. RdNr. 1, BGB-RGRK/Kregel BGB 12. Aufl. RdNr. 1, MünchKomm/Brandner BGB RdNr. 4, Staudinger/Reimann BGB 12. Aufl. RdNr. 6, je zu § 2200 BGB; Haegele/Winkler Der Testamentsvollstrecker 8. Aufl. RdNr. 76). Das Ersuchen kann auch für den Fall gestellt sein, daß der vom Erblasser ernannte Testamentsvollstrecker das Amt nicht annimmt oder vor dem Erbfall verstirbt, da sich andernfalls die Anordnung der Testamentsvollstreckung nicht auswirken könnte (§ 2084 BGB). Hat der Erblasser die Testamentsvollstreckung selbst angeordnet und ist der eingesetzte Testamentsvollstrecker vor dem Erblasser verstorben, so ist zu prüfen, ob das Testament in seiner Gesamtheit den Willen des Erblassers erkennen läßt, die Testamentsvollstreckung auch nach dem Wegfall der vom Erblasser benannten Person fortdauern zu lassen. Hierbei ist zu prüfen, ob der Erblasser bei Berücksichtigung der später eingetretenen Sachlage mutmaßlich die Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlaßgericht gewollt hätte. Von maßgeblicher Bedeutung ist, welche Gründe den Erblasser zur Anordnung der Testamentsvollstreckung bestimmt haben und ob diese Gründe, von seinem Standpunkt aus, auch nach dem Wegfall der im Testament benannten Person fortbestehen, insbesondere ob noch Aufgaben des Testamentsvollstreckers zu erfüllen sind (Senatsbeschluß vom 25.1.1978 – BReg. 1 Z 101/77; OLG Hamm OLGZ 1976, 20/21 m.w.Nachw.; OLG Düsseldorf MDR 1957, 421; Soergel/Damrau § 2200 RdNr. 2). Selbst wenn der Erblasser dem Testamentsvollstrecker die Pflicht auferlegt, einen Nachfolger zu ernennen, enthält dies nicht ohne weiteres ein Ersuchen an das Nachlaßgericht, einen Testamentsvollstrecker zu ernennen (KG OLGE 42, 139; Soergel/Damrau RdNr. 2, Palandt/Edenhofer BGB 46. Aufl. Anm. 1, je zu § 2200 BGB). Welchen Willen der Erblasser hatte, muß wenigstens andeutungsweise aus der letztwilligen Verfügung erkennbar sein. Zur Feststellung des Erblasserwillens sowie der Gründe, die ihn zur Anordnung der Testamentsvollstreckung bewogen haben, muß der gesamte Inhalt der Erklärung einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher, die außerhalb der Testamentsurkunde liegen, als Ganzes gewürdigt werden; auch die allgemeine Lebenserfahrung ist zu berücksichtigen (vgl. BGHZ 86, 41/45 f.; BayObLGZ 1976, 67/75; 1982, 159/164).
b) Die Auslegung selbst ist grundsätzlich den Richtern der Tatsacheninstanzen vorbehalten (BGHZ 80, 246/249). Sie bindet das Rechtsbeschwerdegericht, sofern sie nach den Denkgesetzen und der Erfahrung möglich ist, mit den gesetzlichen Auslegungsregeln in Einklang steht, dem klaren Sinn und Wortlaut des Testaments nicht widerspricht und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt. Nur in diesem Rahmen unterliegt sie der Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht. Dabei müssen die Schlußfolgerungen, welche die Richter der Tatsacheninstanzen bei der Auslegung ziehen, nicht zwingend sein; es genügt, daß sie möglich sind, mag auch eine andere Schlußfolgerung ebenso nahe oder noch näher liegen (BayObLGZ 1982, 331/337 m.w.Nachw.).
4. Diesen Grundsätzen wird die Auslegung des Landgerichts insoweit nicht gerecht, als es wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat.
a) Ein Rechtsfehler des Landgerichts liegt insbesondere darin, daß es sich darauf beschränkt hat, die letztwilligen Anordnungen des Erblassers nur unter dem Gesichtspunkt zu würdigen, daß die eingesetzte Testamentsvollstreckerin vor ihm verstorben ist. Dabei hat es nicht beachtet, daß dies nur einer von mehreren wesentlichen Umständen ist, die sich seit der Testamentserrichtung geändert haben. Es hätte aber die gesamten Umstände in die ergänzende Auslegung einbeziehen müssen. Nur so hätte es feststellen dürfen, ob der Erblasser bei Kenntnis der veränderten Umstände mutmaßlich ein Ersuchen an das Nachlaßgericht gestellt hätte, einen Testamentsvollstrecker gemäß § 2200 BGB zu ernennen; ferner, ob die Gründe, welche ihn veranlaßt hatten, Testamentsvollstreckung anzuordnen, auch nach dem Wegfall der im Testament bestimmten Person fortbestanden (§ 2084 BGB).
b) Der Rechtsbeschwerdeführer rügt zu Recht, das Landgericht sei nicht darauf eingegangen, daß seit der Testamentserrichtung der Nachlaß sich wesentlich verändert hatte. Als alleiniger persönlich haftender Gesellschafter der Kommanditgesellschaft hat der Erblasser am 9.8.1983 seine Beteiligung veräußert. Die einzige Kommanditistin, seine zur Testamentsvollstreckerin bestimmte Schwester, hatte ihren Kommanditanteil gleichfalls im Sommer 1983 veräußert. Das Landgericht hätte daher in seine Auslegung einbeziehen müssen, daß Gründe weggefallen sind, welche den Erblasser bewogen haben konnten, die Verwaltungsvollstreckung (§ 2209 BGB) anzuordnen, um den Fortbestand des Verlags und das Gesellschaftsvermögen zu sichern. Die Würdigung des Landgerichts war insoweit unvollständig, als es lediglich festgestellt hat, die Testamentsvollstreckung sei nicht nur in bezug auf die Firma des Erblassers angeordnet, denn der Erblasser spreche in der letztwilligen Verfügung ausdrücklich von dem “Vermögen”.
c) Außerdem hätte das Landgericht erörtern müssen, daß weitere Veränderungen eingetreten sind. Der Beteiligte zu 1 hat sich nämlich darauf berufen, im Zeitpunkt der Testamentserrichtung sei er erst 14 Jahre alt gewesen, beim Erbfall aber 32 Jahre alt; er habe keine Kinder, für die das Vermögen des Erblassers erhalten werden müßte. Ferner konnte mit dem Tod der Testamentsvollstreckerin eine Erbengemeinschaft, wie sie der Erblasser vorgesehen hatte, nicht mehr entstehen. Als Erbe kommt allein der Beteiligte zu 1 in Betracht: Zu einem Viertel als eingesetzter Testamentserbe (§ 1937 BGB), zu einem weiteren Viertel als Ersatzerbe für seine verstorbene Mutter (§ 2096 BGB), zur Hälfte infolge Anwachsung (§ 2094 BGB) oder kraft Gesetzes (§ 1924 Abs. 1 BGB). Um den mutmaßlichen Erblasserwillen festzustellen, hätte das Landgericht ferner beachten müssen, daß der Erblasser zur Zeit der Errichtung des Testaments im Jahr 1969 noch verheiratet war. Deshalb waren auch die Gründe weggefallen, die den Erblasser bewogen haben konnten, Testamentsvollstreckung deshalb anzuordnen, weil er die Verfügungsmacht seiner früheren Ehefrau beschränken wollte (§ 2211 BGB), insbesondere auch insoweit, als sie gesetzliche Vertreterin des damals minderjährigen Beteiligten zu 1 sein konnte.
5. Der Rechtsfehler des Landgerichts gibt keinen Anlaß, die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Selbst wenn man die gesamten Veränderungen berücksichtigt, führt die Auslegung des Testaments zu keinem anderen Ergebnis.
a) Auch wenn der Erblasser berücksichtigt hätte, daß nur noch der Beteiligte zu 1 als sein Erbe in Betracht kommt, daß dieser keine Kinder hat und im Zeitpunkt des Erbfalls 32 Jahre alt sein werde, ferner, daß die Beteiligung des Erblassers an der Kommanditgesellschaft nicht mehr in den Nachlaß fällt, dann wäre dennoch die letztwillige Verfügung dahin auszulegen, daß der Erblasser ein Ersuchen gemäß § 2200 BGB an das Nachlaßgericht gestellt hätte. Ein solcher mutmaßlicher Wille entspricht dem Wortlaut und dem Sinn des Testaments, weil der Erblasser in einem ersten Satz Testamentsvollstreckung angeordnet und erst in einem zweiten Satz einen Testamentsvollstrecker bestimmt hat. Außerdem wollte er eine “längstmögliche” Verwaltung. Nach dem Tode der Schwester ist eine Testamentsvollstreckung aber nur noch möglich, wenn ein Ersuchen des Erblassers gemäß § 2200 BGB angenommen wird.
b) Daher ist im Einklang mit den gesetzlichen Auslegungsgrundsätzen aus dem Wortlaut der letztwilligen Verfügung der Schluß zu ziehen, dem Erblasser sei es wesentlich auf die “möglichst lange” Erhaltung des Vermögens angekommen, und zwar unabhängig von der Person des Testamentsvollstreckers. Diese Auslegung wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß der Erblasser als Testamentsvollstreckerin seine Schwester berufen hat, also eine nahe Familienangehörige, daß diese zugleich Kommanditistin war und er ihr außerdem die Hälfte seines Nachlasses als Miterbin zugedacht hatte.
6. Die in der sofortigen weiteren Beschwerde erhobenen Rügen sind unbegründet.
a) Einer ergänzenden Auslegung steht nicht entgegen, daß die letztwillige Verfügung von einem Notar beurkundet worden ist. Wie sich aus dem Testament ergibt, hat der Erblasser den Fall, daß die eingesetzte Testamentsvollstreckerin vor ihm sterben würde, nicht geregelt. Es ist daher Raum für die ergänzende Auslegung gemäß § 2084 BGB.
b) Die eingereichten eidesstattlichen Versicherungen der Eheleute U., welche schon dem Nachlaßgericht vorlagen, hat das Landgericht zwar nicht gewürdigt. Dies ist aber deshalb unschädlich, weil darin nur versichert wird, der Erblasser habe wiederholt, zuletzt noch im August 1986, geäußert, der Beteiligte zu 1 sei uneingeschränkt Alleinerbe des Privatvermögens. Das Wort “uneingeschränkt” kann auch bedeuten, daß der Beteiligte zu 2 nicht mehr neben Ehefrau und Schwester, wie ursprünglich vorgesehen, sondern allein Erbe ist. Die behaupteten Äußerungen des Erblassers müssen daher nicht zu der Annahme führen, daß der formgerecht erklärte letzte Wille, eine Verwaltungsvollstreckung anzuordnen, weggefallen sei.
c) Die im übrigen vorgebrachten neuen Tatsachen und Beweise können im Verfahren der Rechtsbeschwerde nicht berücksichtigt werden (BayObLGZ 1984, 184/191; Keidel/Kuntze/Winkler FGG 12. Aufl. § 27 RdNr. 43 m.w.Nachw.).
d) Die Testamentsvollstreckung ist auch nicht gemäß § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB weggefallen. Das träfe nur zu, wenn der Erbteil, der dem als Erbe berufenen Pflichtteilsberechtigten hinterlassen wird, die Hälfte des gesetzlichen Erbteils nicht übersteigt. Dieser Fall liegt hier nicht vor.
(1) Das Landgericht hat zutreffend dargelegt, daß der dem Beteiligten zu 1 hinterlassene Erbteil die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils übersteigt (§ 1924 Abs. 1, § 2303 Abs. 1 BGB). Er ist nämlich Alleinerbe. Es kommt auf den Erbteil an, der dem Pflichtteilsberechtigten im Augenblick des Erbfalls zusteht (Staudinger/Ferid/Cieslar § 2306 RdNrn. 8,11; OLG Schleswig NJW 1961, 1929/1930). Dabei ist ohne Bedeutung, ob er durch Verfügung von Todes wegen zum Erben eingesetzt ist oder ob die Verfügung des Erblassers den Nachlaß nicht erschöpft und insoweit gesetzliche Erbfolge eintritt.
(2) Für die Berechnung des hinterlassenen Erbteils ist grundsätzlich die Größe des Bruchteils maßgebend, also nicht der Wert des Hinterlassenen (BGHZ 19, 309/310 f.; BGH WM 1968, 543; BayObLGZ 1968, 112/117; Soergel/Dieckmann § 2306 RdNr. 2). Sind allerdings Anrechnungs- und Ausgleichspflichten gemäß §§ 2315, 2316 BGB zu berücksichtigen, so ist anstelle des Quotenvergleichs ein Wertvergleich vorzunehmen (Soergel/Dieckmann § 2306 RdNr. 3). Auf die bestrittene Frage, ob auch im Fall des Pflichtteilsergänzungsanspruchs (§ 2325 BGB) diese Grundsätze anzuwenden sind (vgl. MünchKomm/Frank § 2306 RdNr. 3; Staudinger/Ferid/Cieslar § 2306 RdNr. 48) kommt es hier nicht an; denn Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs sind nicht ersichtlich.
7. Für eine Kostenentscheidung besteht kein Anlaß. Eine Anordnung, außergerichtliche Kosten zu erstatten, kommt nicht in Betracht, weil der Beteiligte zu 2 zwar am Verfahren formell beteiligt wurde, aber nicht hervorgetreten ist und sich damit tatsächlich nicht beteiligt hat (vgl. § 13a Abs. 1 FGG; Keidel/Kuntze/Winkler § 13a RdNr. 16).
Von einer Festsetzung des Geschäftswerts sieht der Senat ab, weil sich den Akten dafür keine genügenden Anhaltspunkte entnehmen lassen.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

cemetery with bare trees

Belastung Vermächtnisnehmer mit Grabpflege ist höchstpersönlich und geht nicht auf dessen Erben über – AG München 158 C 16069/22

April 18, 2024
Belastung Vermächtnisnehmer mit Grabpflege ist höchstpersönlich und geht nicht auf dessen Erben über – AG München 158 C 16069/22Zusammenfassun…
paragraph, a book, law

Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Gewährung eines Zuwendungsnießbrauchs – OLG Saarbrücken 5 U 35/23

April 18, 2024
Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Gewährung eines Zuwendungsnießbrauchs – OLG Saarbrücken 5 U 35/23Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 232…
paragraph, gold, law

Zwangsgeld zur Durchsetzung titulierten Anspruches auf Vorlage notariellen Nachlassverzeichnisses – OLG Köln 24 W 49/23

April 18, 2024
Zwangsgeld zur Durchsetzung titulierten Anspruches auf Vorlage notariellen Nachlassverzeichnisses – OLG Köln 24 W 49/23Inhaltsverzeichnis:…