BFH, Urteil vom 05. Juni 1991 – II R 77/88

August 14, 2020

BFH, Urteil vom 05. Juni 1991 – II R 77/88
Erwerbskosten beim Ersatzvermächtnis
Tatbestand
I. Frau A (Erblasserin) hatte zur Niederschrift eines Notars am 28.Mai 1963 mit Herrn B, dem Vater des Klägers und Revisionsklägers (Kläger), einen Erbvertrag über ein näher bezeichnetes Grundstück geschlossen. Darin heißt es u.a., daß sie den Vater des Klägers als Erben des Grundstücks einsetze. Für den Fall, daß der Vater des Klägers vor der Erblasserin versterbe, sollte an seine Stelle sein Sohn, der Kläger, und für den Fall, daß auch dieser vor ihr versterbe, sollten die Erben des Vaters des Klägers treten. Als Gegenleistung hatte der Vater des Klägers ab 1.Januar 1963 für die Dauer von fünf Jahren eine monatliche Rente von … DM, insgesamt also … DM, zu zahlen.
Der Vater des Klägers ist am … 1967 gestorben und vom Kläger und dessen Schwester zu gleichen Teilen beerbt worden. Am … 1979 ist Frau A, die Erblasserin, verstorben. Sie wurde von den Geschwistern … als Testamentserben beerbt. Diese übertrugen im Jahre 1980 das in dem Erbvertrag bezeichnete Grundstück auf den Kläger als Vermächtnisnehmer.
Das Finanzamt (FA) setzte für den Erwerb des Klägers durch vorläufigen Bescheid zunächst Erbschaftsteuer in Höhe von … DM fest, die es im Rahmen der Einspruchsentscheidung auf … DM ermäßigte. Dabei ging es von einem steuerpflichtigen Erwerb in Höhe von … DM aus; den Abzug der Rentenzahlungen des Vaters als Kosten des Erwerbs lehnte das FA ab.
Die Klage, mit der der Kläger weiterhin den Abzug der Rentenzahlungen sowie die Berücksichtigung der Verzinsung der Zahlungen begehrte, hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte u.a. aus, daß der Erwerb nach § 3 Abs.1 Nr.1 des Erbschaftsteuergesetzes 1974 (ErbStG 1974) der Erbschaftsteuer unterliege. Das Vermächtnis könne auch nicht um die Leistung, die der Vater des Klägers der Erblasserin gegenüber erbracht habe, gemindert werden. Es handle sich nämlich nicht um Kosten, die dem Erwerber mit der Erlangung des Erwerbs entstanden seien. Dem Kläger als Erwerber –nämlich als Vermächtnisnehmer– seien gegenüber der Erblasserin keine Kosten entstanden.
Mit der –vom FG zugelassenen– Revision rügt der Kläger Verletzung von § 10 Abs.3 und Abs.5 Nr.1 ErbStG 1974. Er trägt vor, daß mit dem Ableben seines Vaters nicht nur der Anspruch auf Übertragung des Grundbesitzes auf den Kläger übergegangen sei, sondern für den Fall der Nichterfüllung oder Beeinträchtigung der vertraglichen Vereinbarungen von seiten der Erblasserin der Anspruch auf Herausgabe bzw. Rückzahlung der gewährten Rentenzahlungen sowie der darauf entfallenden Zinsen. Nach § 10 Abs.5 Nr.1 ErbStG 1974 seien die vom Erblasser herrührenden Schulden vom Erwerb abzuziehen. Das gelte auch für Schulden des Erblassers gegenüber dem Erben, denn entgegen bürgerlichem Recht gelte die Schuld nicht als erloschen, wenn sie in die Hand des Gläubigers falle (§ 10 Abs.3 ErbStG 1974). Es gehe also darum, ob der Erblasser dem Erben, hier dem Vermächtnisnehmer, aus einem gegenseitigen Vertrag etwas schuldig geblieben sei.
Der Kläger beantragt im Ergebnis, unter Aufhebung der Vorentscheidung sowie der Einspruchsentscheidung die Erbschaftsteuer auf null DM herabzusetzen. Zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer seien vom Wert des Vermächtnisses die Rentenzahlungen in Höhe von … DM sowie die auf die Rentenzahlungen entfallenden Zinsen von 1963 bis 1979 in Höhe von … DM als Kosten abzuziehen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
Zu Recht hat das FG entschieden, daß die vom Vater des Klägers aufgewendeten Kosten beim Kläger nicht als Kosten für die Erlangung des Erwerbs gemäß § 10 Abs.5 Nr.3 ErbStG 1974 berücksichtigt werden können. Sein Erwerb als Vermächtnisnehmer (§ 1941 Abs.1 und 2, §§ 2174, 2176 des Bürgerlichen Gesetzbuches –BGB–; § 3 Abs.1 Nr.1 ErbStG 1974) ist durch die Aufwendungen seines Vaters nicht belastet worden; er war durch den Erbvertrag nicht verpflichtet, Zahlungen an die Erblasserin zu leisten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 13.Juli 1983 II R 105/82, BFHE 139, 294, BStBl II 1984, 37).
Die Revision geht fehl, wenn sie annimmt, die Aufwendungen könnten als Kosten des Erwerbs (§ 10 Abs.5 Nr.1 ErbStG 1974) deshalb beim Kläger berücksichtigt werden, weil sie beim Vater des Klägers als Erblasser entstanden seien, denn der Anspruch auf das Grundstück ist nicht von seinem Vater auf den Kläger als dessen Erbe übergegangen (§ 1922 Abs.1 BGB). Vielmehr ist dem Kläger der Anspruch auf das Grundstück von der Erblasserin als Vermögensvorteil zugewendet worden (Vermächtnis, § 1941 BGB). Da der von der Erblasserin zunächst als Vermächtnisnehmer bestimmte Vater des Klägers zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebte, war das zu seinen Gunsten ausgesetzte Vermächtnis unwirksam geworden (§ 2160 BGB). Eine Rechtsnachfolge des Klägers in die Rechtsstellung des Vaters als Vermächtnisnehmer konnte nicht eintreten. Vielmehr hat der Kläger den (Vermächtnis-)Anspruch auf die Herausgabe des Grundstücks als Ersatzberechtigter von der Erblasserin mit deren Tod erworben, denn nach dem Erbvertrag hatte die Erblasserin für den Fall, daß der Vater des Klägers das Vermächtnis nicht erwerbe, das Grundstück dem Kläger zugewendet (Ersatzvermächtnis, § 2190 BGB).

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