BGH, 09.09.2015 – XII ZB 125/15 – Zur Erforderlichkeit einer Kontrollbetreuung bei einem vom Betroffenen geäußerten Verdacht der unberechtigten Entnahme eines Geldbetrags durch den Vorsorgebevollmächtigten

August 17, 2018

BGH, 09.09.2015 – XII ZB 125/15

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. September 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 3 gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 24. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.

Beschwerdewert: 5.000 €

Gründe

I.

Die 83jährige Betroffene leidet an seniler Demenz, wegen derer sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. Am 26. September 2004 hatte sie ihrer Tochter, der Beteiligten zu 3 (im Folgenden: Bevollmächtigte), Vorsorgevollmacht erteilt.

Mit Schreiben vom 14. August 2013 widerrief die Betroffene die Vorsorgevollmacht, weil sie das Vertrauen in die Bevollmächtigte verloren habe. Am 5. September 2013 erteilte sie einer anderen Person Vollmacht. Im Zeitpunkt dieser beiden Erklärungen war die Betroffene jedoch nicht mehr geschäftsfähig.

Das Amtsgericht hat eine Kontrollbetreuung mit dem Aufgabenkreis der Geltendmachung von Rechten der Betroffenen gegenüber der Vorsorgebevollmächtigten eingerichtet und die Beteiligte zu 1 als Berufsbetreuerin bestimmt.

Das Landgericht hat die von der Bevollmächtigten im eigenen Namen eingelegte Beschwerde zurückgewiesen; hiergegen richtet sich deren Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 und 2 FamFG zulässig. Insbesondere ist die Bevollmächtigte als Tochter der Betroffenen, die im ersten Rechtszug beteiligt worden ist, gemäß § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG beschwerdebefugt (vgl. Senatsbeschluss vom 9. April 2014 – XII ZB 595/13 – FamRZ 2014, 1099 Rn. 10 ff.).

Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet.a) Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die Betroffene sei aufgrund ihrer Erkrankung nicht in der Lage, die Bevollmächtigte zu kontrollieren bzw. dem von ihr geäußerten Wunsch auf Widerruf der Vorsorgevollmacht und Bevollmächtigung einer anderen Person Rechtsgültigkeit zu verleihen. Die Betreuerbestellung sei auch erforderlich, da die Betroffene erklärt habe, sie wolle aufgrund eines tiefgreifenden Vertrauensverlusts nicht mehr von der Bevollmächtigten vertreten werden und widerrufe die Vollmacht. Diesem eindeutigen Willen der Betroffenen sei unabhängig von ihrer Geschäftsfähigkeit zu entsprechen.

b) Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.

aa) Nach 1896 Abs. 3 BGB kann ein Betreuer zur Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten bestellt werden. Mit dieser so genannten Kontrollbetreuung kann im Falle einer wirksam erteilten Vorsorgevollmacht für eine Kontrolle des Bevollmächtigten gesorgt werden, wenn der Vollmachtgeber aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht mehr in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen.

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt; dagegen erinnert auch die Rechtsbeschwerde nichts.

bb) Eine Kontrollbetreuung darf jedoch wie jede andere Betreuung (vgl. 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB) nur dann eingerichtet werden, wenn sie erforderlich ist. Da der Vollmachtgeber die Vorsorgevollmacht gerade für den Fall erteilt hat, dass er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann, um eine gerichtlich angeordnete Betreuung zu vermeiden, kann das Bedürfnis nach einer Kontrollbetreuung nicht allein damit begründet werden, dass der Vollmachtgeber aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr selbst in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen. Denn der Wille des Vollmachtgebers ist auch bei der Frage der Errichtung einer Kontrollbetreuung zu beachten (vgl. § 1896 Abs. 1 a BGB). Daher müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Errichtung einer Kontrollbetreuung erforderlich machen. Notwendig ist der konkrete, d.h. durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Verdacht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juli 2014 – XII ZB 142/14 – FamRZ 2014, 1693 Rn. 11).

Dies kann der Fall sein, wenn nach den üblichen Maßstäben aus der Sicht eines vernünftigen Vollmachtgebers unter Berücksichtigung des in den Bevollmächtigten gesetzten Vertrauens eine ständige Kontrolle schon deshalb geboten ist, weil Anzeichen dafür sprechen, dass der Bevollmächtigte mit dem Umfang und der Schwierigkeit der vorzunehmenden Geschäfte überfordert ist, oder wenn gegen die Redlichkeit oder die Tauglichkeit des Bevollmächtigten Bedenken bestehen. Ein Missbrauch der Vollmacht oder ein entsprechender Verdacht ist nicht erforderlich. Ausreichend sind konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte nicht mehr entsprechend der Vereinbarung und dem Interesse des Vollmachtgebers handelt (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juli 2014 – XII ZB 142/14 – FamRZ 2014, 1693 Rn. 12).

cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landgericht die Beschwerde gegen die Bestellung der Beteiligten zu 1 zur Kontrollbetreuerin zu Recht zurückgewiesen. In der vom Landgericht in Bezug genommenen Anhörung vom 25. Juli 2014 hat die Betroffene den konkreten Verdacht erhoben, die Bevollmächtigte habe sie hintergangen. Nach ihrer Rückkehr aus dem Pflegeheim in die eigene Wohnung habe eine Geldkassette mit 7.000 € gefehlt, die nur ihre Tochter genommen haben könne, da sie Schlüssel zur Wohnung habe.

Träfe der Vorwurf zu, die Bevollmächtigte habe einen Betrag von 7.000 € entnommen, ohne ihn für die Betroffene zu verwenden, bestünden jedenfalls Rückzahlungsansprüche der Betroffenen gegen die Bevollmächtigte. Die Kontrollbetreuung ist daher erforderlich, um die ordnungsgemäße Verwendung der Mittel der Betroffenen – etwa durch Verlangen nach Auskunft und Rechenschaftslegung (§ 666 BGB) – zu klären und eventuelle Ersatzansprüche gegen die Bevollmächtigte geltend zu machen. Ließe danach das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls der Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten, dient die Kontrollbetreuung auch dazu, eine Erweiterung der Betreuung um den Aufgabenkreis des Vollmachtwiderrufs (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Juli 2015 – XII ZB 674/14 – […] Rn. 10 ff.) sowie die Regelbetreuung anzuregen.

Dose

Weber-Monecke

Klinkhammer

Günter

Nedden-Boeger

 

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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