BGH XII ZB 162/21

September 12, 2022

BGH XII ZB 162/21, Beschluss vom 13.04.2022 -Berufsbetreuer, erhöhte Vergütung, Rechtsbeschwerdeverfahren

1. Die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, die gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 VBVG die Bewilligung einer erhöhten Vergütung rechtfertigen, obliegt einer wertenden Betrachtung des Tatrichters.

Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob er die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat

(im Anschluss an Senatsbeschluss vom 3. März 2021 – XII ZB 118/20, FamRZ 2021, 890).

2. Einer solchen Überprüfung hält die tatrichterliche Würdigung stand, wonach das von dem Betreuer absolvierte Studium an der Bayerischen Beamtenfachhochschule, Fachbereich Polizei, das er mit dem akademischen Grad “Diplom-Verwaltungswirt (FH)” abgeschlossen hat, eine Vergütung nach der Vergütungstabelle C nicht rechtfertigt.

Tenor BGH XII ZB 162/21

Die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 3 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Würzburg vom 12. März 2021 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.

Wert: 396 €

Gründe

BGH XII ZB 162/21

I.

Der Beteiligte zu 3 (im Folgenden: Betreuer), der mit Beschluss des Amtsgerichts vom 4. Dezember 2019 neben der Beteiligten zu 1 zum Berufsbetreuer des Betroffenen bestellt wurde, absolvierte ein dreijähriges Studium an der Bayerischen Beamtenfachhochschule, Fachbereich Polizei, das er mit dem akademischen Grad “Diplom-Verwaltungswirt (FH)” abschloss.

Mit Schreiben vom 6. März 2020 und vom 21. August 2020 hat der Betreuer beantragt, die Vergütung für seine Betreuertätigkeit in den Zeiträumen vom 6. Dezember 2019 bis zum 5. März 2020 und vom 6. März 2020 bis zum 5. Juni 2020 unter Zugrundelegung der Vergütungstabelle C 5.2.1 mit einer monatlichen Fallpauschale von jeweils 171 € auf insgesamt 1.026 € festzusetzen.

Das Amtsgericht hat die Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 2 (Bezirksrevisorin) hat das Landgericht den amtsgerichtlichen Beschluss abgeändert und auf der Grundlage der Vergütungstabelle A 5.2.1 die Vergütung des Betreuers auf insgesamt 630 € festgesetzt.

Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Betreuer weiter die Festsetzung seiner Betreuervergütung auf der Grundlage der Vergütungstabelle C 5.2.1.

II.

BGH XII ZB 162/21

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Betreuer könne lediglich eine Vergütung nach der Vergütungstabelle A beanspruchen, da er über keine besonderen Kenntnisse verfüge, die für die Führung der Betreuung nutzbar seien.

Auf der Grundlage des vom Betreuer vorgelegten Prüfungszeugnisses, der Auszüge aus der aktuellen Ausbildungsordnung über die Fachlaufbahn Polizei und Verfassungsschutz (FachV-Pol/VS) vom 9. Dezember 2010 (GVBI. S. 821; 2011 S. 36) sowie einer Übersicht über die aktuellen Unterrichtseinheiten an der Beamtenfachhochschule Fachbereich Polizei ergebe sich, dass die Ausbildung zum Diplom-Verwaltungswirt-Polizei (FH) zwar betreuungsrelevantes Wissen vermittelt habe, nicht aber im Kernbereich darauf ausgerichtet gewesen sei.

2. Dies hält rechtlicher Überprüfung stand.

a) Nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 VBVG in der hier maßgeblichen, ab dem 27. Juli 2019 geltenden Fassung (vgl. Art. 4 des Gesetzes zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung vom 22. Juni 2019; BGBl. I S. 866) richtet sich die Vergütung eines Berufsbetreuers nach der Vergütungstabelle C, wenn der Betreuer über besondere Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, und diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind.

Besondere betreuungsrelevante Kenntnisse eines Betreuers rechtfertigen nur dann einen erhöhten Stundensatz, wenn sie durch die dort genannten Ausbildungen erworben wurden.

Es genügt daher nicht, wenn die Ausbildung gleichsam am Rande auch die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse zum Inhalt hat.

Erforderlich ist vielmehr, dass sie in ihrem Kernbereich hierauf ausgerichtet ist. Davon ist auszugehen, wenn ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung solchen Wissens gerichtet ist und dadurch das erworbene betreuungsrelevante Wissen über ein Grundwissen deutlich hinausgeht.

Dabei muss das Gericht bei der Entscheidung über eine erhöhte Vergütung eine konkrete Betrachtung des tatsächlichen Inhalts der Ausbildung vornehmen, insbesondere den Umfang der für die Betreuung nutzbaren Ausbildungsinhalte und deren Anteil an der Gesamtausbildungszeit feststellen und in die Würdigung einbeziehen, inwieweit diese Kenntnisse selbständiger und maßgeblicher Teil der Abschlussprüfung sind.

Der Umfang bzw. Anteil der Vermittlung für die Betreuung nutzbarer Kenntnisse muss dabei nicht so genau festgestellt werden, dass ein exakter Prozentanteil angegeben werden kann. Es genügt, wenn aufgrund des erkennbaren zeitlichen Aufwands oder anderer Anhaltspunkte feststeht, dass ein erheblicher Teil der Ausbildungszeit auf die Vermittlung solchen Wissens fällt

(vgl. Senatsbeschluss vom 3. März 2021 – XII ZB 118/20 – FamRZ 2021, 890 Rn. 7 f. mwN).

Die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, die gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 VBVG die Bewilligung einer erhöhten Vergütung rechtfertigen, obliegt einer wertenden Betrachtung des Tatrichters.

Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob er die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat

(vgl. Senatsbeschluss vom 3. März 2021 – XII ZB 118/20 – FamRZ 2021, 890 Rn. 9 mwN).

b) Einer solchen Überprüfung hält die tatrichterliche Würdigung des Landgerichts stand, wonach das von dem Betreuer absolvierte Studium an der Bayerischen Beamtenfachhochschule, Fachbereich Polizei, das er mit dem akademischen Grad “Diplom-Verwaltungswirt (FH)” abgeschlossen hat, eine Vergütung nach der Vergütungstabelle C nicht rechtfertigt.

Das Landgericht hat unter Würdigung der vom Betreuer eingereichten Unterlagen rechtsfehlerfrei das Vorliegen besonderer und für die Betreuung nutzbarer Kenntnisse des Betreuers verneint, weil die von ihm absolvierte Ausbildung auf die Tätigkeit im Polizeivollzugsdienst und nicht im Kernbereich auf die Vermittlung betreuungsrechtlich relevanter (Rechts-)Kenntnisse ausgerichtet war.

Das Landgericht hat hierzu festgestellt, dass dem Betreuer durch die Ausbildung an der Bayerischen Beamtenfachhochschule, Fachbereich Polizei, allenfalls in den Fächern Staats- und Verfassungsrecht, Strafrecht, Zivilrecht, Nebenstrafrecht, Allgemeines Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht, Führungslehre, Soziologie, Psychologie, Politologie sowie Kommunikation und Konfliktbewältigung und somit nur in elf von 23 unterrichteten Fächern betreuungsrelevante Kenntnisse vermittelt worden seien, wobei einige dieser Fächer im Schwerpunkt auf den polizeilichen Aufgabenbereich ausgerichtet und deshalb größtenteils ohne Nutzen für die Aufgaben eines Betreuers gewesen seien.

Im Übrigen hatten diese Fächer nur einen untergeordneten Anteil an den gesamten Unterrichtseinheiten der Ausbildung. Weiter hat das Landgericht berücksichtigt, dass nur vier von den acht Fächern, in denen der Betreuer eine Prüfung abgelegt hat, einen betreuungsrechtlich relevanten Inhalt hatten.

Aufgrund dieser Feststellungen begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht im Rahmen der vorgenommenen Gesamtbetrachtung die nur in untergeordnetem Umfang betreuungsrelevanten Inhalte dieser Fächer als nicht zum Kernbereich der Ausbildung gehörend angesehen und die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse durch diese Ausbildung verneint hat.

Der Einwand der Rechtsbeschwerde, das Landgericht habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Betreuer durch die Ausbildung nicht nur umfangreiche Rechtskenntnisse, sondern auch Kenntnisse im Bereich der “Menschenführung” erlangt habe, die einen nicht unerheblichen Teil seiner Ausbildung umfasst hätten, greift nicht durch.

Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, dass das Fach polizeiliches Informations- und Kommunikationswesen schon dem Begriff nach nur den polizeilichen Bereich betrifft und daher ohne Bezug für die Tätigkeit eines Betreuers ist.

Dies hält sich im Rahmen einer zulässigen tatrichterlichen Würdigung. Gleiches gilt für die Beurteilung des Landgerichts, dass einige der Fächer, in denen der Betreuer ausgebildet wurde, im Schwerpunkt auf den polizeilichen Aufgabenbereich ausgerichtet waren und daher ohne speziellen Nutzen für die Tätigkeit eines Betreuers sind.

3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

BGH XII ZB 162/21

Guhling

Klinkhammer

Schilling

Günter

Nedden-Boeger

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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