BGH II ZR 299/01

September 13, 2017

BGH II ZR 299/01 – Zahlung rückständigen Mietzinses – Vermieter ist GbR – Gesellschafter stirbt – wer ist aktivlegitimiert?

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 15. Oktober 2001 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand BGH II ZR 299/01

Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung rückständigen Mietzinses für die Zeit von April bis Dezember 1997 in Höhe von insgesamt 58.585,59 DM. Der Forderung liegt ein am 8. Oktober 1991 von der Beklagten als Mieterin und der Gesellschaft bürgerlichen Rechts G./S. als Vermieterin geschlossener Mietvertrag zu Grunde. Der Gesellschaftsvertrag zwischen dem Kläger und seinem (einzigen) Mitgesellschafter G. enthielt u.a. folgende Regelungen:

“§ 9 -Ausscheiden eines Gesellschafters 1.) Im Falle der Kündigung der Gesellschaft durch einen Gesellschafter oder einen Privatgläubiger eines Gesellschafters oder der Eröffnung eines Konkursverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters scheidet der betroffene Gesellschafter aus der Gesellschaft aus. Die Gesellschaft wird in einem solchen Fall mit den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt. …

  • 10 -Erbfolge 1.) Im Falle des Todes eines Gesellschafters wird die Gesellschaft nicht aufgelöst, sondern mit den Erben fortgesetzt. …”

Ende 1997 starb W. G.. Über sein Vermögen wurde das Nachlaßkonkursverfahren eröffnet. Wer ihn beerbt hat, ist nicht bekannt.

BGH II ZR 299/01

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger aktiv legitimiert ist, sowie über die Auffassung der Beklagten, daß die Mietforderung getilgt sei, weil die entsprechenden Beträge auf Grund einer Vereinbarung mit dem verstorbenen W. G. an dessen Gläubiger gezahlt worden seien.

Der Kläger vertritt die Ansicht, der Gesellschaftsanteil G. sei gemäß § 9 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages auf ihn übergegangen, da die Erben G. mit Eröffnung des Nachlaßkonkurses aus der Gesellschaft ausgeschieden seien. Er sei daher berechtigt, die Mietzinsforderung im eigenen Namen geltend zu machen.

Auf den Hinweis des Berufungsgerichts, daß der Nachlaßkonkurs in seiner Auswirkung auf das Gesellschaftsverhältnis dem in § 9 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages geregelten Fall des Gesellschafterkonkurses nach der Rechtsprechung des Senats nicht gleich steht, hat er hilfsweise Zahlung an sich und die Erben G. zur gesamten Hand beantragt.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit seiner -zugelassenen -Revision verfolgt der Kläger seine zweitinstanzlichen Anträge weiter.

Gründe BGH II ZR 299/01

Die Revision ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Das Oberlandesgericht hat die Befugnis des Klägers, Zahlung des offenstehenden Mietzinses an sich im eigenen Namen zu verlangen, verneint, weil § 9 des Gesellschaftsvertrages nicht für den Nachlaßkonkurs gelte und daher das Vermögen der Gesellschaft nicht auf den Kläger übergegangen sei. Vielmehr sei die Gesellschaft mit den Erben des W. G. fortgesetzt worden.

Soweit der Kläger hilfsweise Zahlung an die fortbestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts verlangt habe, sei der Antrag zu unbestimmt, da die Erben nicht namentlich benannt worden seien und der Kläger nicht dargelegt habe, daß die Erben den Auseinandersetzungsanspruch aus der Nachlaßkonkursmasse abgelöst und dadurch den Anspruch des Nachlaßkonkursverwalters auf das Auseinandersetzungsguthaben zum Erlöschen gebracht hätten.

Das hält revisionsrechtlicher Prüfung stand, soweit es um das vom Kläger im eigenen Namen erhobene und auf Zahlung an sich selbst gerichtete Klagebegehren geht. Von Rechtsirrtum beeinflußt sind jedoch die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht die Abweisung des Hilfsantrags des Klägers begründet.

Zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 91, 132) geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Eröffnung des Konkursverfahrens über den Nachlaß des G. nicht zum Ausscheiden von dessen Erben aus der Gesellschaft geführt hat, so daß die Gesellschaft zwischen dem Kläger und den Erben G. fortbesteht und Inhaber der geltend gemachten Mietzinsforderung nicht der Kläger, sondern weiterhin die Gesellschaft ist.

BGH II ZR 299/01

Soweit die Revision demgegenüber meint, der Kläger habe das Gesellschaftsvermögen deswegen übernommen, weil sämtliche Erben die Erbschaft ausgeschlagen hätten, so daß der Fiskus Erbe von W. G. geworden sei, auf den die Nachfolgeklausel des Gesellschaftsvertrages jedoch keine Anwendung finden könne, geht ihr Angriff fehl. Es kann weder davon ausgegangen werden, daß sämtliche in Betracht kommenden Personen die Erbschaft ausgeschlagen haben, noch davon, daß der Fiskus nach dem Inhalt des Gesellschaftsvertrages nicht Gesellschafter-Erbe sein kann.

Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, daß sämtliche Erben G. die Erbschaft ausgeschlagen haben. Die Revision zeigt nicht auf, daß insoweit konkreter Sachvortrag der Parteien übergangen worden ist.

Der Wortlaut der Nachfolgeklausel § 10 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages bietet keinen Anhalt für die Annahme, der Fiskus komme als Erbe nicht in Betracht, weil die Klausel nach ihrem Sinn und Zweck allein dazu diene, den Gesellschaftsanteil für die Familie des verstorbenen Gesellschafters oder ihm nahestehende und deshalb als Erben eingesetzte Personen zu erhalten.

Die Klausel ist keine qualifizierte, sondern eine einfache Nachfolgeklausel. Sie beschränkt den Kreis der nachfolgeberechtigten Erben in keiner Weise, sondern sieht lediglich die Fortsetzung der Gesellschaft mit den Erben des Verstorbenen vor. Da zu den Erben nach § 1936 BGB auch der Fiskus als gesetzlicher Erbe gehört, kann entgegen der Revision allein aus dem Vertragstext nicht gefolgert werden, daß der Kläger und G. den Fiskus nicht als Gesellschafter-Erbe vorsehen wollten.

Die Begründung, mit der das Berufungsgericht den Hilfsantrag abgewiesen hat, trägt diese Entscheidung nicht.

a) Dem Antrag fehlte es, wie die Revision mit Recht ausführt, nicht an der erforderlichen Bestimmtheit. Er konnte, weil er auf Zahlung an den Kläger und die Erben des G. zur gesamten Hand gerichtet war, nur dahin verstanden werden, daß damit Zahlung an die Gesellschaft verlangt wurde.

BGH II ZR 299/01

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist es nicht erforderlich, sämtliche Gesellschafter namentlich zu benennen, sofern die klagende Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausreichend identifizierbar ist (Sen.Urt. v. 12. März 1990 -II ZR 312/88, ZIP 1990, 715, 716; BGH, Urteil v. 15. Oktober 1999 -V ZR 141/98, ZIP 1999, 2009, 2010).

Die Gesellschaft war mit der Angabe der Gesellschafter -des Klägers einerseits und der Erben G. andererseits hinreichend konkret bezeichnet, die Erben des verstorbenen Gesellschafters brauchten daher nicht namentlich aufgeführt zu werden.

b) Die Geltendmachung der der Gesellschaft zustehenden Forderung hat, worauf die Revision zutreffend hinweist, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht die Ablösung des Auseinandersetzungsanspruchs des Nachlaßkonkursverwalters durch die Erben zur Voraussetzung.

Der Gesellschaftsanteil als solcher geht mit dem Tode des Erblassers im Wege der Einzelrechtsnachfolge unmittelbar auf den oder -entsprechend geteilt -die Erben über, lediglich die aus der Beteiligung abzuleitenden übertragbaren Vermögensrechte fallen in den übrigen Nachlaß (vgl. BGHZ 91, 132, 135 ff.; BGHZ 108, 187, 192).

Die Mitgliedschaftsrechte, zu denen das Recht gehört, eine der Gesellschaft zustehende Forderung einzuklagen, stehen ungeachtet der Eröffnung des Nachlaßkonkurses allein den Erben zu.

Die Abweisung des Hilfsantrags stellt sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar, § 563 ZPO a.F..

BGH II ZR 299/01

a) Die Voraussetzungen einer gewillkürten Prozeßstandschaft, die der Kläger ersichtlich für gegeben hielt, lagen allerdings nicht vor. Es fehlte an einer wirksamen Ermächtigung, die der Gesellschaft zustehende Forderung im eigenen Namen geltend zu machen. Der Kläger war nach dem Gesellschaftsvertrag zwar zur alleinigen Vertretung der Gesellschaft berechtigt, nicht aber von dem Verbot des § 181 BGB, als Vertreter der Gesellschaft mit sich im eigenen Namen Geschäfte zu schließen, befreit.

b) Die Revision rügt jedoch mit Erfolg, daß der Kläger auf die Unzulässigkeit der Prozeßstandschaft hätte hingewiesen werden müssen, und bringt vor, daß er auf einen solchen Hinweis einen Parteiwechsel vorgenommen und die Forderung nicht mehr im eigenen Namen, sondern in Vertretung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts geltend gemacht hätte. Das Berufungsgericht hatte von seinem -unzutreffenden -Rechtsstandpunkt aus zwar keine Veranlassung, die Frage der Zulässigkeit der Prozeßstandschaft zu erörtern.

Hätte es die Unrichtigkeit seiner Rechtsauffassung erkannt, wäre es nach der Überzeugung des Senats seiner aus § 139 ZPO (a.F. wie n.F.) folgenden Pflicht, auf Schlüssigkeitsbedenken hinzuweisen, jedoch nachgekommen und hätte den Kläger auf das Fehlen einer wirksamen Ermächtigung zur Geltendmachung der Gesellschaftsforderung im eigenen Namen aufmerksam gemacht.

Der Kläger ist daher so zu stellen, wie er ohne den Rechtsirrtum des Berufungsgerichts gestanden hätte: Ihm ist Gelegenheit zu geben, den Parteiwechsel in der Berufungsinstanz vorzunehmen.

III. Demnach ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das nach Durchführung des Parteiwechsels und gegebenenfalls ergänzender Anhörung der Parteien über den von der Beklagten erhobenen Tilgungseinwand zu entscheiden haben wird.

BGH II ZR 299/01

 

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