Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 04. September 2019 – 4 U 128/17 vorgehend LG Potsdam, 26. Juli 2017, 11 O 242/16

Februar 2, 2020

Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 04. September 2019 – 4 U 128/17
vorgehend LG Potsdam, 26. Juli 2017, 11 O 242/16
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 26.7.2017, berichtigt durch Beschluss vom 22.8.2017, wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung in Höhe von insgesamt 82.421,90 € wegen der Vereinnahmung des Guthabens auf dem Girokonto der Erblasserin, der Auszahlung der Lebensversicherung und aus dem Wertpapierdepot richtet. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das vorgenannte Urteil des Landgerichts Potsdam sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages erbringen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 274.196,55 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Kläger sind die unbekannten Erben der am … 2014 verstorbenen E…U… W…, die, vertreten durch den am 10.11.2015 durch das Amtsgericht Potsdam bestellten Nachlasspfleger, die Beklagte auf Herausgabe eines Betrages von 274.196,55 €, hilfsweise auf Schadensersatz in gleicher Höhe in Anspruch nehmen.
Bei dem Geldbetrag handelt es sich um Mittel, die sich die Beklagte nach dem Tod der Erblasserin von deren Girokonto (28.895,85 €), drei Sparkonten (insgesamt 191.774,65 €), einem Wertpapierdepot (30.122,88 €) sowie aus einer Versicherung (23.403,17 €) vor folgendem Hintergrund hat auszahlen lassen.
Die Erblasserin hat bis zu ihrem Tod allein in einer Wohnung in P… gelebt. Am 07.02.2014 erteilte die Erblasserin der Beklagten mit notariell beurkundeter Erklärung eine General- und Vorsorgevollmacht, die u. a. auch die Berechtigung umfasste, von den auf den Namen der Erblasserin lautenden „Konten bei Banken und Sparkassen Geldbeträge abzuheben und Überweisungen vorzunehmen sowie Konten aufzulösen“, wobei Schenkungen nur in dem Rahmen erlaubt sein sollten, der auch einem Betreuer nach §§ 1908 i, 1804 BGB gestattet ist. Die Vollmacht galt über den Tod hinaus, sollte aber von der Erblasserin oder nach ihrem Ableben von ihren Erben widerrufen werden können.
Nachdem die Erblasserin verstorben war, hat die Beklagte im Wesentlichen im Zeitraum zwischen dem 29.07.2014 und dem 14.11.2014 (im Jahr 2015 sind lediglich noch drei kleinere Zahlungen von dem Wertpapierdepot erfolgt) die Konten der Erblasserin bei der … geschlossen und sich die jeweiligen Guthabenbeträge auszahlen lassen.
Die Kläger haben behauptet, die Beklagte habe insbesondere auch die Sparbücher erst nach dem Tod der Erblasserin an sich genommen.
Die Beklagte hat behauptet, sie sei in deren letzten 14 Lebensjahren die einzige Bezugsperson der Erblasserin gewesen. Es habe deren Willen entsprochen, dass sie (die Beklagte) und ihre (der Beklagten) in die Versorgung der Erblasserin einbezogenen Kinder als Dank für die Unterstützung und Pflege letztlich das gesamte Vermögen der Erblasserin erhalten sollten. Die Sparbücher seien ihr von der Erblasserin bereits im Januar 2014 übergeben worden, kurze Zeit später auch die EC-Karte. Dies sei jeweils mit dem Hinweis erfolgt, dass die Beklagte hierüber frei verfügen dürfe.
Das Landgericht hat der Klage mit dem angefochtenen Urteil in vollem Umfang stattgegeben. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil Bezug genommen. Zur Begründung hat es ausgeführt, den Klägern stehe der Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB zu. Die Beklagte habe die Guthaben rechtsgrundlos von den Konten der Erblasserin abgehoben und sich die Lebensversicherungssumme rechtsgrundlos auszahlen lassen. Die Erblasserin habe der Beklagten die Valuten auf den Konten/die Lebensversicherung nicht wirksam geschenkt.
Sähe man die Zuwendungen als Schenkungen von Todes wegen im Sinne des § 2301 BGB, wären sie formunwirksam. Sie hätten aufgrund der der Beklagten erteilten Vollmacht nicht geheilt werden können. Die Guthaben seien mit dem Erbfall in den Nachlass und damit in die Rechtszuständigkeit der Kläger gefallen. Rechtlich habe es sich bei der Zuführung zum Vermögen der Beklagten nicht mehr um eine Vollziehung der Schenkung durch die Erblasserin gehandelt.
Legte man das Erklärungsverhalten der Beklagten und der Erblasserin als Schenkung unter Lebenden im Sinn von § 516 BGB aus, wäre diese gemäß § 125 BGB formnichtig. Die Nichtigkeit wäre nicht nach § 518 Abs. 2 BGB mithilfe der über den Tod hinaus wirkenden Vollmacht geheilt worden, da eine die Beklagte von den vertretungsrechtlichen Beschränkungen eines Insichgeschäfts befreiende Vollmacht nicht erteilt worden sei. Aus § 2084 BGB ergebe sich nichts anderes. Es liege auch kein „Von-Selbst-Erwerb“ der Beklagten als Begünstigte vor.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie ihr Ziel der Klageabweisung weiter verfolgt. Sie macht geltend, sie habe bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass die Erblasserin ihr die Sparbücher bereits im Januar 2014 übergeben habe. Insoweit greife die Vermutungsregelung des § 1006 BGB mit der Folge, dass sich die Kläger infolge der weiteren Vermutungsregel des § 292 ZPO nicht auf ein bloßes Bestreiten beschränken, sondern den Gegenbeweis führen müssten. Vorsorglich stelle die Beklagte ihre Behauptung jedoch durch Zeugnis des D… E… unter Beweis. Der Zeuge könne auch bestätigen, dass die Erblasserin zu Lebzeiten sich ihm und Dritten gegenüber sinngemäß dahin geäußert habe, dass die Sparbücher sich bei der Beklagten in guten Händen befänden und diese hierüber frei verfügen könne, was letztlich auch aus dem Inhalt der eidesstattlichen Versicherung der Frau Dr. A… G… hervorgehe. Die Beklagte ist der Ansicht, der Umstand, dass sich die Sparbücher vor dem Tod der Erblasserin in ihrem (der Beklagten) Besitz befunden hätten, begründe die Vermutung, dass aufgrund der Abtretung der Forderung die Schenkung vollzogen worden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 27.06.2017 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie machen geltend, der Vortrag der Beklagten sei teilweise widersprüchlich, jedenfalls aber in Bezug auf die entscheidenden Tatsachen nach wie vor so unkonkret, dass eine Beweisaufnahme auf eine unzulässige Ausforschung hinausliefe. Der Zeuge sei als Sohn der Beklagten, der darüber hinaus ausweislich des als Anlage K 15 vorgelegten Schreibens 26.000,- € der von der Beklagten vereinnahmten Gelder erhalten habe, befangen und unglaubwürdig.
Der Senat hat die Beklagte persönlich angehört und den Zeugen D… E… vernommen. Wegen des Ergebnisses wird auf das Sitzungsprotokoll vom 14.08.2019 Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist – soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von 82.241,90 € wegen der Vereinnahmung des Guthabens auf dem Girokonto der Erblasserin, der Lebensversicherung und aus dem Wertpapierdepot richtet – unzulässig und im Übrigen unbegründet.
A.
Die Berufung ist hinsichtlich der Verteidigung der Beklagten gegen die Ansprüche der Kläger wegen der Vereinnahmung des Guthabens auf dem Girokonto der Erblasserin, der Auszahlung der Lebensversicherung und aus dem Wertpapierdepot in Höhe von insgesamt 82.421,90 € unzulässig, weil die Berufungsbegründung insoweit nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO entspricht.
Nach Nr. 2 der Vorschrift hat die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände zu enthalten, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Nach Nr. 3 muss sie konkrete Anhaltspunkte bezeichnen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Da die Berufungsbegründung erkennen lassen soll, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält, hat dieser diejenigen Punkte rechtlicher Art darzulegen, die er als unzutreffend ansieht und dazu die Gründe anzugeben, aus denen er die Fehlerhaftigkeit jener Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung herleitet. Zwar werden besondere formale Anforderungen insoweit nicht gestellt und erfordert die Berufungsbegründung insbesondere weder die ausdrückliche Benennung einer bestimmten Norm noch die Schlüssigkeit oder jedenfalls Vertretbarkeit der erhobenen Rügen. Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Sie muss die tragenden Erwägungen des Erstgerichts angreifen und darlegen, warum diese aus Sicht des Berufungsklägers nicht zutreffen; die Begründung muss – ihre Richtigkeit unterstellt – geeignet sein, das gesamte Urteil infrage zu stellen (BGH, Beschluss vom 29.11.2018 – III ZB 19/18, juris; Beschluss vom 04.11.2015 – XII ZB 12/14, juris). Bei einem teilbaren Streitgegenstand oder bei mehreren Streitgegenständen muss sie sich grundsätzlich auf alle Teile des Urteils erstrecken, hinsichtlich derer eine Änderung beantragt wird (BGH, Urteil vom 05.12.2006 – VI ZR 228/05, juris; Zöller/ Heßler, ZPO, 32. Aufl., § 520 Rn. 27 und 37).
Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen. Die eingangs der Berufungsbegründung erfolgende Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als Begründung unzureichend (zuletzt BGH, Beschluss vom 29.11.2017 – XII ZB 414/17, Rn. 11, juris). Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.07.2007 – VII ZR 197/06 – lässt sich entgegen der Ansicht der Beklagten nichts anderes entnehmen. In dem vorgenannten Fall ging es nicht um eine unzulässige Berufung aufgrund mangelnder Berufungsbegründung und auch nicht um eine pauschale Bezugnahme, sondern um eine inzidente Bezugnahme auf erstinstanzlichen Sachvortrag mittels eines konkreten Angriffs gegen Rechtsausführungen in dem angefochtenen Urteil.
Die Berufungsbegründung der Beklagten verhält sich ausschließlich zu Ansprüchen wegen der Vereinnahmung von Guthaben auf den Sparkonten. Der Berufungsangriff wird auch nicht auf einen Rechtsgrund gestützt, der allen Ansprüchen gleichermaßen entgegenstehen würde, sondern ausschließlich damit begründet, das Landgericht habe im Zusammenhang mit der behaupteten Übergabe der Sparbücher die Besonderheiten einer sog. belohnenden Schenkung sowie die Tatsache nicht beachtet, dass damit die Abtretung der Forderungen an die Beklagte verbunden gewesen sei, die nach dem Tod der Erblasserin einen „Von-Selbst-Erwerb“ zur Folge gehabt habe.
Die Beklagte hat zwar mit Schriftsatz vom 01.08.2019 konkreten Sachvortrag zur Verteidigung gegen die Ansprüche betreffend das Girokonto, das Wertpapierdepot und die Lebensversicherung gehalten. Dieser Vortrag ist aber nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erfolgt, denn diese endete nach § 520 Abs. 2 ZPO am 01.11.2017, weil das angefochtene Urteil der Beklagten am 01.08.2017 zugestellt und die Berufungsbegründungsfrist mit Senatsverfügung vom 16.08.2017 bis zum 01.11.2017 verlängert wurde. Nach Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist kann eine unzulängliche Rechtsmittelbegründung nicht mehr geheilt werden (BGH, Beschluss vom 27.1.2015 – VI ZB 40/14, Rn. 15, juris).
B.
Soweit die Berufung wegen der Auszahlungen von Guthaben auf den Sparkonten der Erblasserin zulässig ist, ist sie unbegründet.
Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 191.774,65 € gemäß § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB (Eingriffskondiktion).
1.
Eine Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB kommt auf der Grundlage des Vortrages der Kläger nicht in Betracht, weil diese ihre Klage nicht darauf stützen, dass die Erblasserin das Vermögen der Beklagten bewusst und zweckgerichtet vermehrt habe. Die Kläger bestreiten vielmehr, dass sich die Beklagte bereits vor dem Tode der Erblasserin im Besitz der Sparbücher befunden habe, ebenso bestreiten sie die von der Beklagten behauptete Äußerung der Erblasserin, dass die Beklagte und deren Familie als Dank für ihre Unterstützung und Pflege über die Sparbücher verfügen sollten.
2.
Die Beklagte hat 191.774,65 € in sonstiger Weise ohne rechtlichen Grund auf Kosten der Erblasserin erlangt, weshalb sie zur Herausgabe des Betrages an die Kläger verpflichtet ist.
Die Beklagte hat, indem sie sich nach dem Tod der Erblasserin das auf den Sparkonten befindliche Guthaben auszahlen lassen hat, in den Zuweisungsgehalt einer Dritte ausschließenden Rechtsposition der (unbekannten) Erben der Erblasserin eingegriffen, da diese gemäß § 1922 BGB mit dem Erbfall Gläubiger der entsprechenden Ansprüche der Erblasserin gegen die … geworden sind. Dies ist auch ohne rechtlichen Grund geschehen.
a)
Eine Berechtigung der Beklagten lässt sich nicht allein daraus herleiten, dass sie jedenfalls nach dem Tod der Erblasserin im Besitz der Sparbücher war. Die Vermutung des § 1006 BGB wegen des Besitzes der Sparbücher greift schon deshalb nicht zugunsten der Beklagten, weil das Eigentum an dem Sparbuch gemäß § 952 BGB dem Recht aus dem Sparbuch folgt. Auch wenn dem Sparbuch gemäß § 808 BGB Legitimationswirkung zukommt, so hat dies nur zur Folge, dass das aus dem Sparvertrag verpflichtete Finanzinstitut mit befreiender Wirkung an den jeweiligen Inhaber des Sparbuches leisten kann. Inhaber der in dem Sparbuch verbrieften (Darlehensrückzahlungs-)Ansprüche ist derjenige, der mit dem Finanzierungsinstitut den Sparvertrag geschlossen hat; diesem steht gemäß § 952 BGB auch das Eigentum an dem Sparbuch zu. Die Rechte aus dem Sparbuch werden durch Abtretung übertragen (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 78. Aufl., § 808 Rn. 2).
b)
Die Erblasserin hat der Beklagten die Sparbücher auch nicht unter Abtretung der mit den Sparbüchern verbrieften Darlehensrückzahlungsforderungen unter der aufschiebenden Bedingung des Todes der Erblasserin geschenkt. Eine solche Form der Schenkung hat die Beklagte zwar in ihrer persönlichen Anhörung schlüssig vorgetragen, letztlich aber nicht beweisen können.
aa)
Die Beklagte hat zunächst schriftsätzlich unterschiedliche Angaben dazu gemacht, mit welchen Erklärungen die Erblasserin ihr im Januar 2014 die Sparbücher übergeben haben soll. Zunächst ließ sie mit Schriftsatz vom 25.10.2016 vortragen, die Erblasserin habe sinngemäß erklärt, sie – die Beklagte – könne bereits ab Übergabe frei über die Sparbücher verfügen. Nach den Ausführungen im Schriftsatz vom 04.09.2017 soll die Erblasserin bei der Übergabe geäußert haben, die Sparbücher befänden sich bei der Beklagten in guten Händen. Sie – die Beklagte – habe von ihrer Verfügungsbefugnis jedoch keinen Gebrauch gemacht, da sie die Sparbücher quasi als Versicherung dafür angesehen habe, dass noch kostenträchtige Krankenhausaufenthalte oder sonstiger Finanzbedarf der Erblasserin entstehe. In ihrer persönlichen Anhörung vor dem Senat hat die Beklagte klargestellt, dass die Erblasserin ihr bei Übergabe der Sparbücher gesagt habe: „Die nimmst du mit nach Hause. Du bist die einzige, die sich um mich kümmert. Wenn ich nachher nicht mehr bin, ist ja sowieso alles Euers.“ Sie – die Beklagte – sei gleichwohl davon ausgegangen, dass das Geld zu Lebzeiten der Erblasserin dieser zur Verfügung stehen solle, wenn es einmal schlimmer werde. Die Erblasserin habe sich ihr gegenüber nicht dazu geäußert, was und wieviel nach ihrem Tod ihre – der Beklagten – Kinder bekommen sollten. Dies sei ihr – der Beklagten – überlassen gewesen. Damit hat die Beklagte die Angaben ihres Steuerberaters gegenüber dem Finanzamt unter dem 10.11.2015 korrigiert, wonach es eine Treuhandauflage zugunsten ihrer Kinder seitens der Verstorbenen gegeben habe. Der Senat geht deshalb davon aus, dass die Beklagte behaupten will, ihr seien die Sparbücher unter Abtretung der mit den Sparbüchern verbrieften Darlehensrückzahlungsforderungen unter der aufschiebenden Bedingung des Todes der Erblasserin geschenkt worden.
bb)
Eine Schenkung scheitert auf der Grundlage des so verstandenen Vortrages der Beklagten nicht daran, dass das behauptete Schenkungsversprechen nicht – wie nach § 518 Abs. 1 BGB erforderlich – notariell beurkundet wurde. Denn der Mangel der Form wird nach § 518 Abs. 2 BGB durch die Bewirkung der Leistung geheilt. Bei einer unentgeltlichen Begünstigung kommt im allgemeinen nur eine Schenkung in Betracht. Hierzu bedarf es einer Einigung des Begünstigten mit dem Schenker über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung gemäß § 516 BGB, wobei es ausreicht, wenn diese erst nach dem Tode des Schenkers zustande kommt (§§ 130, 153 BGB). Selbst wenn es sich auf Seiten des Schenkers lediglich um ein Schenkungsversprechen handelt, und sei es auch nur ein durch das Überleben des Beschenkten bedingtes Versprechen, ist dieses nicht schon deshalb unwirksam, weil es gemeinhin weder den Formvorschriften für Verfügungen von Todes wegen (§ 2301 Abs. 1 Satz 1 BGB) noch denjenigen für Schenkungsversprechen (§ 518 Abs. 1 Satz 1 BGB) genügt. Denn die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nimmt in diesen Fällen im Hinblick auf den sogenannten “Von-Selbst-Erwerb” des Begünstigten sowohl Vollziehung im Sinne von § 2301 Abs. 2 BGB als auch Heilung des Formmangels gemäß § 518 Abs. 2 BGB an (BGH, Urteil vom 19.10.1983 – IVa ZR 71/82, Rn. 8, juris).
cc)
Dass die Erblasserin der Beklagten im Januar 2014 die Sparbücher unter Abtretung der mit ihnen verbrieften Forderungen unter der aufschiebenden Bedingung ihres Todes übergeben hat, steht jedoch nicht zur Überzeugung des Senats fest. Die Beklagte hat den Beweis hierfür nicht erbracht.
Die Beklagte hat entgegen ihrer Auffassung nicht nur die Darlegungs-, sondern auch die Beweislast für die behauptete Übergabe der Sparbücher im Januar 2014 und die in diesem Zusammenhang abgegebenen Erklärungen. Die Vermutung des § 1006 BGB wegen des Besitzes der Sparbücher greift schon deshalb nicht zugunsten der Beklagten, weil – wie bereits ausgeführt – das Eigentum an dem Sparbuch gemäß § 952 BGB dem Recht aus dem Sparbuch folgt. Der Beklagten kommt auch nicht zugute, dass bei einem bereicherungsrechtlichen Anspruch auch das Fehlen des Rechtsgrundes von dem Bereicherungsgläubiger zu beweisen ist, während den Bereicherungsschuldner lediglich eine sekundäre Darlegungslast in Bezug auf den von ihm angenommenen Rechtsgrund trifft. Denn soweit sich der Leistungsempfänger gegenüber einem Bereicherungsanspruch mit einem nicht notariell beurkundeten Schenkungsversprechen als Rechtsgrund verteidigt, trifft ihn die Beweislast, dass die zu seinen Gunsten erfolgte Vermögensmehrung auf einer den Formmangel heilenden Leistungserbringung gemäß § 518 Abs. 2 BGB beruht, die Vermögensmehrung also mit einem konkreten Willen des Leistenden an ihn erbracht wurde. Diese zu Lasten des Leistungsempfängers abweichende Beweislastverteilung beruht auf dem Zweck der gemäß § 518 Abs. 1 BGB für einen Schenkungsvertrag erforderlichen notariellen Beurkundung, unter anderem eine sichere Beweisgrundlage für solche ohne Gegenleistung vereinbarten Vertragsbeziehungen sicherzustellen (BGH, Urteil vom 11.03.2014 – X ZR 150/11, Rn. 12 ff., juris). Hinzu kommt, dass bei einer gegenüber einem Anspruch aus Eingriffskondiktion behaupteten schenkweisen Abtretung einer Sparforderung auch die Beweislast für die Abtretung auf Seiten des Bereicherungsschuldners liegt.
dd)
Dass die Verstorbene hier mit der Übergabe der Sparbücher zugleich eine Vermögensverschiebung bewirken wollte, hat die Beklagte nicht bewiesen. Der Zeuge D… E… hat den dahingehenden Vortrag der Beklagten nicht bestätigt. Er war ohnehin nicht bei der behaupteten Übergabe zugegen, sondern konnte nur Angaben zu Äußerungen der Beklagten über die Sparbücher machen. Seine Angaben decken sich aber nicht mit denen der Beklagten.
Die Beklagte hat angegeben, die Sparbücher in einer verschlossenen Kassette verwahrt zu haben, zu der nur sie den Schlüssel besessen habe. Ihr Sohn – der Zeuge E… – habe auf ihre Bitte hin die Kassette verwahrt, wenn sie einmal nicht zu Hause gewesen sei. Sie habe dem Zeugen E… nur einmal den Inhalt der Kassette gezeigt. Über Weiteres habe sie nicht mit ihm gesprochen, das habe ihn auch nicht interessiert. Allerdings hat die Beklagte auf Nachfrage des Klägervertreters im Widerspruch dazu geäußert, ihr Sohn habe sie damals im Zusammenhang mit den Sparbüchern danach gefragt, weshalb sie diese habe. Daraufhin habe sie ihm die an sie gerichteten Worte der Erblasserin wiedergegeben, wonach nachher sowieso alles „Euers“ sei.
Der Zeuge E… hat hingegen bekundet, seine Mutter habe ihm erklärt, ihr seien die Sparbücher übergeben worden, damit sie nicht in der Wohnung der Frau Dr. W… lägen, wenn dieser etwas passiere. Seine Mutter sei die Verantwortliche für die Finanzen der Verstorbenen gewesen und habe sie beispielsweise mit Lebensmitteln versorgt, weshalb sie Zugang zu ihrem Geld gehabt habe. Erst auf Nachfrage hat der Zeuge noch hinzugefügt, es sei öfter zur Sprache gekommen, dass die Verstorbene seiner Mutter etwas habe hinterlassen bzw. vererben wollen. Damit hat der Zeuge den Vortrag der Beklagten nicht bestätigt, wonach dieser die Sparbücher mit den Worten übergeben worden seien, dass nachher sowieso alles „Euers“ sei. Vielmehr hat er nur ausgesagt, dass die Beklagte die Sparbücher habe verwahren sollen, um im Notfall das Guthaben für die Verstorbene einsetzen zu können. Dies entspricht der Zielsetzung der notariellen General- und Vorsorgevollmacht, die die Verstorbene der Beklagten am 07.02.2014 erteilt hat.
Soweit seitens der Beklagten allgemein öfter zur Sprache gekommen sein soll, die Verstorbene habe der Beklagten etwas hinterlassen oder vererben wollen, kann dies nicht als Schenkungsversprechen gedeutet werden. Allein die vagen – weder zeitlich, noch in Bezug auf die Umstände als solche konkretisierten – Äußerungen der Beklagten, die Erblasserin habe gesagt, der Beklagten und ihren Kindern solle nach dem Tod der Erblasserin deren Vermögen zufallen (die sich mit den von der Beklagten eingereichten schriftlichen Erklärungen der Frau Dr. G…, Frau M… und des Herrn P… decken), lassen darauf nicht schließen. Denn es ist gerade nicht auszuschließen, dass die Erblasserin beabsichtigte, die Beklagte im Wege einer letztwilligen Verfügung zu bedenken, diese Absicht jedoch nicht – insbesondere auch nicht in dem Notartermin am 07.02.2014 – umgesetzt hat.
Da der Zeuge E… die hier maßgeblichen Angaben schon nicht bestätigt hat, kommt es auf die weiteren Abweichungen zu den Angaben der Beklagten hinsichtlich der Frage, ob er die Verstorbene persönlich kannte und ob er auch gelegentlich der Verwahrung der verschlossenen Kassette Zugang zu dem Schlüssel hatte, nicht an.
Dem erstinstanzlich von der Beklagten angetretenen Beweis durch Vernehmung der Zeugin P… war nicht nachzugehen. Denn aus der unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptung, wonach die Zeugin die Verstorbene und die Beklagte darauf hingewiesen haben soll, dass die Beklagte auch nach dem Tod der Erblasserin von der Generalvollmacht Gebrauch machen und über Bankguthaben und sonstige Vermögenswerte verfügen könne und die Verstorbene daraufhin gesagt habe, dass sie dagegen keine Bedenken habe, lassen sich keine Rückschlüsse auf die behauptete Abtretung der mit den Sparbüchern verkörperten Forderungen ziehen.
c)
Die Beklagte konnte die von ihr behauptete Schenkung auch nicht mit Hilfe einer trans- oder postmortalen Vollmacht der Verstorbenen noch nach deren Tod bewirken. Dies ist bei einer nicht vor dem Tod des Schenkers vollzogenen Schenkung von Todeswegen nicht möglich, da sich eine solche nach § 2301 Abs. 1 BGB richtet (BGH, Urteil vom 18.05.1988 – IVa ZR 36/87, Rn. 7 ff., juris). Alleine aufgrund der ihr am 07.02.2014 erteilten, über den Tod hinaus wirkenden notariellen Generalvollmacht war sie dazu nicht berechtigt. Fehlt es aber bereits an einem, und sei es auch formunwirksamen, (schuldrechtlichen) Schenkungsversprechen im Sinne des § 516 BGB oder § 2301 BGB, kommt es auf die Frage einer Vollziehung mithilfe der über den Tod hinaus wirkenden Vollmacht nicht mehr an.
Die Beklagte war – dies macht sie auch nicht geltend – aufgrund der Vollmacht auch nicht befugt, selbst ein Schenkungsversprechen abzugeben. Schenkungen waren ihr ausdrücklich nur im Rahmen des § 1804 BGB (Anstandsschenkungen eines Vormunds) gestattet; sie war auch nicht vom Verbot des Selbstkontrahierens gemäß § 181 BGB befreit.
d)
Mangels wirksamer Schenkung ist die Beklagte verpflichtet, die vereinnahmten 274.196,55 € an die Kläger zu zahlen. Einwendungen zur Höhe, insbesondere einen Entreicherungseinwand gemäß § 818 Abs. 3 BGB, hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte (vgl. Palandt/Sprau, a. a. O., § 818 Rn. 55) nicht geltend gemacht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO bestehen nicht.

Schlagworte

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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