KG Berlin 21 U 126/21

Juli 7, 2022

KG Berlin 21 U 126/21 – Ist bei einem veranstaltungsbezogenen Miet- oder Werkvertrag die Geschäftsgrundlage gestört

Zusammenfassung RA Krau:

In dem Urteil KG Berlin 21 U 126/21 ging es um einen Vertrag zur Vermietung von Veranstaltungsflächen und Bewirtung für eine Hochzeit.

Aufgrund der COVID-19-Pandemie wurde die Veranstaltung untersagt.

Die Klägerin verlangte dennoch die vereinbarte Vergütung und berief sich auf eine Ausfallzahlungsregelung.

Das Gericht entschied, dass aufgrund der Pandemie die Geschäftsgrundlage des Vertrags gestört war.

Die Klägerin hätte den Beklagten eine Verlegung der Veranstaltung zu fairen Bedingungen anbieten müssen, was nicht der Fall war.

Daher hatten die Beklagten das Recht zur Kündigung des Vertrags gemäß § 313 Abs. 3 BGB.

Die Klage wurde abgewiesen, und die Klägerin wurde zur Zahlung der Kosten des Berufungsverfahrens verurteilt.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

Zum Urteilstext:

Ist bei einem veranstaltungsbezogenen Miet- oder Werkvertrag die Geschäftsgrundlage gestört, kann dem Leistungsempfänger die Verlegung des Termins nicht zugemutet werden, wenn die Gegenseite sie nur zu Konditionen anbietet, die in der Gesamtbewertung nicht zu einer fairen Risikoaufteilung führen.

Der Leistungsempfänger ist dann gemäß § 313 Abs. 3 S. 2 BGB zur Kündigung des Vertrages berechtigt.

vorgehend LG Berlin, 26. August 2021, 90a O 6/21, Urteil

Tenor KG Berlin 21 U 126/21

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts vom 26. August 2021 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe KG Berlin 21 U 126/21

I.

Randnummer1
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung der Miete für Veranstaltungsflächen in Anspruch.

Die Klägerin vermietet das für Veranstaltungen genutzte Objekt G in Berlin.

Die Beklagten wollten dort am 7. November 2020 ihre Hochzeit feiern.

Am 24. Januar 2020 unterbreitete die Klägerin den Beklagten ein Angebot über die Nutzung des Objekts an jenem Tag gegen ein Entgelt von 7.200,00 € (einschließlich Umsatzsteuer).

Das Angebot umfasste außerdem die Bewirtung der Gäste mit Getränken gegen ein Entgelt von weiteren 5.640,00 € (einschließlich Umsatzsteuer).

Der Gesamtbetrag war zwei Tage vor der Veranstaltung zu zahlen.

Unter „Ausfallzahlungen“ bestimmte das Vertragsangebot, das bei Ausfall der Veranstaltung ab Bestätigung des Termins 50 % des Nutzungsentgelts von 7.200,00 € zu zahlen seien, ab sechs Monaten vor Veranstaltungstag 100 %.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 verwiesen.

Die Beklagten nahmen das Angebot an, indem sie der Klägerin ein ausgedrucktes und unterzeichnetes Exemplar zurückgaben.

Nachdem in Berlin staatliche Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie in Kraft getreten waren, erkundigten sich die Beklagten Ende Mai / Anfang Juni 2020 bei der Beklagten telefonisch, zu welchen Bedingungen die Verlegung oder Stornierung ihrer Feier im G möglich wäre.

KG Berlin 21 U 126/21

Der Mitarbeiter L der Klägerin teilte den Beklagten darauf per Mail mit (Anlage K 2):

Randnummer7
„(…) Ihr seid Mieter und Veranstalter. (…)

Sollten am Tag eurer geplanten Veranstaltung keine gesetzlichen Hinderungsgründe bestehen, steht ihr selbstverständlich in den Verpflichtungen aus eurem Vertrag.

Sollte eine Verschiebung gewünscht sein, gibt es zwei Möglichkeiten:

A) Verschiebung bis 31. März 2021: Wir bieten als Sonderregelung eine Verschiebung auf verfügbare Termine bis 31. März 2021 an. Eine Verschiebung in diesem Rahmen ist frei von Mehrkosten.

B) Verschiebung nach 31. März 2021: Für eine Verschiebung auf verfügbare Termine ab dem 1. April 2021 ist eine Stornierung des bestehenden Vertrages notwendig.

Es greift die Ausfallzahlungsregelung aus unserem Vertrag, welche wir in Zusammenhang mit einem Vertrag für einen neuen Termin auf 5.000,00 € reduzieren.“

Am 15. Juli 2020 führten die Beklagten mit Herrn L ein Gespräch über die Aufrechterhaltung ihrer Buchung.

Am 17. Juli 2020 teilte Herr L den Beklagten per Mail mit, ihre „Stornierung am 15. Juli 2020 notiert“ zu haben.

Zugleich unterbreitete er den Beklagten erneut die Möglichkeiten A) und B) aus seiner Mail vom 2. Juni 2020 und ergänzte sie wie folgt (vgl. Anlage K 3):

„Ergänzend zu B): Um in den Genuss der reduzierten Ausfallzahlung in Höhe von 5.000,00 € zu kommen, muss der Vertrag für den neuen Termin vor dem 6. November 2020 geschlossen sein. Das heißt, Ihr müsst bis Anfang November 2020 einen alternativen Termin fixieren.

C) Stornierung: Es greift die Ausfallzahlungsregelung aus unserem Vertrag.“

Am 23. Juli 2020 widersprachen die Beklagten gegenüber Herrn L telefonisch, den Vertrag storniert zu haben und wiederholten dies am 26. Juli 2020 per Mail (Anlage B 2).

Die Klägerin reagierte zunächst nicht, stellte den Beklagten aber am 26. September 2020 die Ausfallzahlung über 7.200,00 € in Rechnung (Anlage K 4), worauf die Beklagten per Mail erwiderten, noch nicht storniert zu haben (Anlage B 3).

Nachdem im Verlauf des Jahres 2020 Veranstaltungsverbote vorübergehend gelockert worden waren, trat am 7. Oktober 2020 die Siebente Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung des Berliner Senats (7. SARS-CoV-2-InfSchÄndV) in Kraft.

Nach deren § 6 Abs. 4 S. 2 waren private Veranstaltungen und private Zusammenkünfte in geschlossenen Räumen mit mehr als zehn zeitgleich Anwesenden verboten

Unter Hinweis auf dieses Verbot erklärten die Beklagten der Klägerin am 22. Oktober 2020 per Mail, dass die Veranstaltung nun „objektiv unmöglich“ geworden sei und deshalb ein wichtiger Kündigungsgrund bestehe. Ein „möglicher Ausweichtermin“ sei „unter den gegebenen Umständen nicht planbar“.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage B 4 verwiesen.

Die Klägerin forderte die Beklagten nunmehr durch ihren Prozessbevollmächtigten zur Zahlung der 7.200,00 € auf, was die Beklagten anwaltlich zurückwiesen.

Die Klägerin hat vor dem Landgericht Berlin Klage gegen die Beklagten auf Zahlung von 7.200,00 € zuzüglich Nebenforderungen erhoben.

Zur Begründung bezieht sich die Klägerin auf die vereinbarte Ausfallzahlung und behauptet, die Beklagten hätten den Vertrag am 15. Juli 2020 storniert. Die Beklagten bestreiten dies und treten der Klage entgegen.

Mit Urteil vom 26. August 2021 hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Der Klägerin stehe der Anspruch auf die Ausfallzahlung nicht zu, da ihr jedenfalls die Erfüllung der dienstvertraglichen Elemente des Vertrags durch das Veranstaltungsverbot unmöglich geworden sei und sie ihre Vergütungsansprüche deshalb insgesamt verloren habe.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie beantragt,

das Urteil des Landgerichts dahin abzuändern, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt werden, an die Klägerin 7.200,00 € und weitere 445,44 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4. Dezember 2020 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch über 7.200,00 € nicht, auch nicht teilweise zu.

KG Berlin 21 U 126/21

1. Der Klageanspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 535 Abs. 2 BGB oder der Regelung des Vertrags über die Ausfallzahlung.

Sämtliche Ansprüche der Klägerin, die auf Erfüllung des streitgegenständlichen Vertrags gerichtet sind oder die das Erfüllungsinteresse der Klägerin abgelten, sind gemäß § 313 Abs. 3 S. 2 BGB erloschen.

a) Wie der gemischttypische Vertrag zwischen den Parteien rechtlich einzuordnen ist, kann offenbleiben. Die Klägerin hat sich zur Überlassung ihrer Räumlichkeiten für eine Feierlichkeit sowie zur Bewirtung der Gäste mit Getränken verpflichtet.

Damit enthält die Vereinbarung eine miet- und eine werkvertragliche Komponente

(zum Mietvertrag über Veranstaltungsräume vgl. insb. BGH, Urteil vom 2. März 2022, XII ZR 36/21;

zum Werkvertrag über Bewirtungsleistungen vgl. KG, Beschluss vom 6. August 2021, 21 U 19/21

und Urteil vom 21. Juni 2022, 21 U 122/21).

Die Beurteilung der miet- und der werkvertraglichen Komponente der Vereinbarung weist im vorliegenden Fall keine Unterschiede auf:

Aufgrund des Veranstaltungsverbots, das am 7. November 2020, dem Tag der geplanten Hochzeitsfeier in Berlin galt, war der Klägerin weder die Erfüllung der mietvertraglichen noch die der werkvertraglichen Leistungen unmöglich geworden (§ 275 Abs. 1 BGB, § 645 BGB).

Zudem litten die vermieteten Räumlichkeiten weder gemäß § 536 Abs. 1 an einem Mangel oder waren die Beklagten zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 bzw. 648a Abs. 1 BGB berechtigt

(vgl. BGH, Urteil vom 2. März 2022, XII ZR 36/21

und KG, Urteil vom 21. Juni 2022, 21 U 122/21, insoweit mit Klarstellung gegenüber dem Beschluss vom 6. August 2021, 21 U 19/21).

b) Allerdings war aufgrund dieses Veranstaltungsverbots jedenfalls am 22. Oktober 2020 die Geschäftsgrundlage der miet- und der werkvertraglichen Verpflichtungen und somit des streitgegenständlichen Vertrages insgesamt gemäß § 313 Abs. 1 BGB gestört

(BGH, Urteil vom 2. März 2022, XII ZR 36/21; KG, Urteil vom 21. Juni 2022, 21 U 122/21;

Beschluss vom 6. August 2021, 21 U 19/21).

aa) Vor dem 8. März 2020 gehörte es in aller Regel – und so auch hier – zur Geschäftsgrundlage eines Vertrags über Räumlichkeiten bzw. über die Bewirtung für eine Veranstaltung, dass deren Durchführung nicht durch Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie verboten wird.

Denn vor diesem Datum rechnete die Bevölkerung in Deutschland noch nicht mit den enormen Auswirkungen, die die Pandemie haben würde.

Die staatlichen Maßnahmen, zu denen es im weiteren Verlauf des Jahres noch kommen würde, wurden noch nicht für möglich gehalten, ebensowenig wurde daran gedacht, welch tiefgreifende Folgen diese Maßnahmen für das gesellschaftliche Leben, den Staat und die Wirtschaft in Deutschland haben würden

(KG, Urteil vom 21. Juni 2022, 21 U 122/21; Beschluss vom 6. August 2021, 21 U 19/21).

KG Berlin 21 U 126/21

bb) Kann sodann die Veranstaltung, auf die sich ein Miet- oder Bewirtungsvertrag bezieht, aufgrund von hoheitlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie nicht stattfinden, ist die Geschäftsgrundlage des Vertrags im Sinne von § 313 Abs. 1 BGB gestört.

In diesem Fall realisiert sich mit dem Veranstaltungsverbot ein außergewöhnliches Risiko, das über das übliche Verwendungsrisiko eines Mieters bzw. eines Bestellers von Bewirtungsleistungen hinausgeht.

Es ist deshalb anzunehmen, dass die Vertragsparteien, wenn sie die tiefgreifenden Auswirkungen der Corona-Pandemie bei Vertragsschluss bedacht hätten, eine Regelung getroffen hätten, die dieses Risiko nicht ausschließlich einer Vertragspartei zuweist

(BGH, Urteil vom 2. März 2022, XII ZR 36/21, Rn. 30 ff;

Urteil vom 12. Januar 2022, XII ZR 8/21;

KG, Urteil vom 21. Juni 2022, 21 U 122/21;

Beschluss vom 6. August 2021, 21 U 19/21).

Das coronabedingte Verbot einer Veranstaltung führt nicht erst an dem Tag, an dem diese Veranstaltung geplant ist, zur Störung der Geschäftsgrundlage eines hierauf bezogenen Vertrags, sondern bereits zuvor, nämlich von dem Zeitpunkt an, an dem mit hinreichender Sicherheit absehbar ist, dass die Durchführung der Veranstaltung an dem Verbot scheitern wird (KG, Urteil vom 21. Juni 2022, 21 U 122/21; Beschluss vom 6. August 2021, 21 U 19/21).

cc) Dieser Zeitpunkt, der vor dem geplanten Datum der Hochzeitsfeier liegt, war jedenfalls am 22. Oktober 2020 erreicht. An jenem Tag war mit hinreichender Sicherheit erkennbar, dass das Fest der Beklagten am 7. November 2020 nicht würde stattfinden können.

Denn mit Wirkung vom 7. Oktober 2020 war die 7. SARS-CoV-2-InfSchÄndV in Kraft getreten, die in § 6 Abs. 4 S. 2 ein Verbot für Veranstaltungen in geschlossenen Räumen mit mehr als zehn zeitgleich Anwesenden vorsah, das bis zum 7. November 2020 gelten würde.

dd) Dass am 15. Juli 2020 die Geschäftsgrundlage des Vertrags noch nicht in diesem Sinne gestört gewesen sein dürfte, ist für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich. Dies hätte nur dann Relevanz, wenn die Beklagten den Vertrag bereits an diesem Tag abschließend gekündigt hätten.

Das ist nicht der Fall. Denn selbst wenn die bestrittene Behauptung der Klägerin zutreffen sollte, wonach die Beklagten bei ihrem Gespräch mit Herrn L die Veranstaltung „storniert“ haben sollten, verstanden beide Parteien dies offenkundig nicht im Sinne einer bereits an jenem Tag rechtsverbindlich erklärten Kündigung.

Die Klägerin hatte schon deshalb keinen Anlass zu einem solchen Verständnis, weil sie den Beklagten bei Nichtstattfinden der Feier keine Befreiung von der Ausfallzahlung, sondern nur einen Terminwechsel zu den Bedingungen ihrer Mail vom 2. Juni 2020 (Anlage K 2) zubilligen wollte. Die Beklagten hatten am 15. Juli 2020 aber unstreitig keinen Ausweichtermin festgelegt.

Somit hätte die von der Klägerin behauptete unbedingte Stornierung an jenem Tag allein die Folge gehabt, dass die Beklagten ihre Möglichkeit zum vergünstigten Terminwechsel verloren hätten, ohne irgendeinen Vorteil aus dieser vorgezogenen Entscheidung ziehen zu können.

Ein solches Verhalten ergab für die Beklagten erkennbar keinen Sinn. In ihrer Situation war es vernünftig, die weiteren Entwicklungen abzuwarten und den gebuchten Termin zunächst stehen zu lassen.

Die Möglichkeit zur Stornierung gegen eine Ausfallzahlung in maximaler Höhe konnte ihnen ohnehin nicht genommen werden, zudem wäre deren Fälligkeit bei einem weiteren Abwarten erst später eingetreten.

Der für die Klägerin verhandelnde Herr L hatte diese Interessenlage auch zutreffend erkannt, indem er in seiner Mail vom 17. Juli 2020 zwar zunächst mitteilte, die Stornierung der Beklagten „am 15. Juli 2020 notiert“ zu haben, sie zugleich aber erneut – und in Details modifiziert gegenüber der Mail vom 2. Juni 2020 – auf die Möglichkeit der Terminverschiebung zu vergünstigten Konditionen sowie die Möglichkeit zur unbedingten Stornierung hinwies (Anlage K 3). Offenbar ging also die Klägerin selbst nicht davon aus, dass der Vertrag bereits abschließend gekündigt war, und wenn doch wollte sie die Beklagten daran jedenfalls nicht festhalten.

Schließlich kommt hinzu, dass die Beklagten einige Tage nach Erhalt der Mail vom 17. Juli 2020 unstreitig die Klägerin anriefen und ihr mitteilten, die dort im ersten Satz wiedergegebene Annahme, sie hätten am 15. Juli 2020 storniert, sei ein Missverständnis. Die Klägerin widersprach dem offenbar bis zum 26. September 2020 nicht.

Folglich waren sich die Parteien jedenfalls ab der Mail der Klägerin vom 17. Juli 2020 (Anlage K 3) darin einig, dass die Beklagten nach wie vor über die dort aufgezeigten Optionen verfügte, der Vertrag somit noch nicht verbindlich als gekündigt oder „storniert“ anzusehen war.

Da das Gespräch vom 15. Juli 2020 somit ohnehin durch diese Mail überholt war, muss über seinen streitigen Inhalt nicht Beweis erhoben werden.

c) Die Beklagten waren am 22. Oktober 2020 gemäß § 313 Abs. 3 S. 2 BGB zur Kündigung berechtigt, da ihnen ein Festhalten an dem Vertrag mit der Klägerin nicht zumutbar war.

Ist die Geschäftsgrundlage eines veranstaltungsbezogenen Miet- oder Bewirtungsvertrags durch ein coronabedingtes Veranstaltungsverbot gestört, kann die Vertragspartei, zu deren Nachteil sich die Störung nach der Vereinbarung auswirkte, im Grundsatz nur die Anpassung des Vertrages beanspruchen, § 313 Abs. 1 BGB (BGH, Urteil vom 2. März 2022, XII ZR 36/21; KG, Urteil vom 21. Juni 2022, 21 U 122/21; KG, Beschluss vom 6. August 2021, 21 U 19/21).

Die von der Störung betroffene Vertragspartei ist aber dann ausnahmsweise zur Kündigung berechtigt, wenn ihr eine Anpassung nicht zumutbar ist, § 313 Abs. 3 S. 2 BGB (BGH, Urteil vom 2. März 2022, XII ZR 36/21, Rn. 39 ff). Diese Voraussetzungen waren hier am 22. Oktober 2020 zugunsten der Beklagten erfüllt.

aa) Im vorliegenden Fall steht allein eine Vertragsanpassung durch Verlegung der Veranstaltung im Raum, was auch im Fall einer Hochzeitsfeier grundsätzlich zumutbar sein kann (BGH, Urteil vom 2. März 2022, XII ZR 36/21, Rn. 42).

Diese Verlegung der Veranstaltung muss dem Kunden nicht zwangsläufig ohne Aufpreis angeboten werden, denn sie kann beim Leistungserbringer zu Mehrkosten und, wenn aufgrund des neuen Termins ein anderer Auftrag nicht angenommen werden kann, zu Umsatzverlust führen (KG, Urteil vom 21. Juni 2022, 21 U 122/21).

Allerdings muss sich die ggf. gegen Aufpreis angebotene Verlegung aus Sicht einer objektiven Vertragspartei noch als Entgegenkommen und faire Risikoteilung darstellen. Ein eventueller Aufpreis muss für den Kunden deshalb deutlich geringer sein als die Vergütung, die ihm durch den Abschluss eines neuen Vertrags entstünde.

bb) Ausweislich ihrer Mails vom 2. Juni und 17. Juli 2020 zeigte die Klägerin ein solches Entgegenkommen gegenüber den Beklagten nicht. Sie bot ihnen die Verschiebung der Festlichkeit nur bis zum 31. März 2021 kostenfrei an, danach hätten die Beklagte für den weggefallenen Termin eine nur um rund 30 %, von 7.200,00 € auf 5.000,00 € reduzierte Ausfallzahlung leisten müssen.

Dieses Angebot der Klägerin ist zu unvorteilhaft für die Beklagten und stellt keine faire Risikoaufteilung im Sinne von § 313 Abs. 1 BGB dar.

KG Berlin 21 U 126/21

Die kostenfreie Verlegung in den Zeitraum bis zum 31. März 2021 war kein planbarer Ausweg für die Beklagten.

Im Oktober 2020 galt ein der Hochzeitsfeier entgegenstehendes Veranstaltungsverbot, das bis zum 31. Dezember 2020 in Kraft bleiben sollte, vgl. §§ 6 Abs. 4, 13 Abs. 1 der 7. SARS-CoV-2-InfSchÄndV. Aufgrund der stärkeren Ausbreitung des Coronavirus im Winterhalbjahr war eine weitere Verlängerung dieses Verbots mindestens bis zum 31. März 2021 wahrscheinlich.

Folglich mussten die Beklagten damit rechnen, dass bei der Verschiebung ihrer Feier innerhalb des kostenfreien Zeitraums eine erneute Verlegung notwendig würde, die dann nicht mehr zu vergünstigten Bedingungen möglich gewesen wäre. Die Ausfallzahlung wäre dann in voller Höhe angefallen.

Vor dieser Folge waren sie nur bei Verlegung der Feier in den Zeitraum nach dem 31. März 2021 hinreichend geschützt.

Dazu hätten die Beklagten aber zusätzlich zur Miete für den neuen Termin eine nur um 30 % reduzierte Ausfallzahlung zahlen müssen. Zudem hatte die Klägerin wie schon in ihrer Rechnung vom 26. September 2020 wohl auch die Vorstellung, die Senkung der Umsatzsteuer von 19 auf 16 % im zweiten Halbjahr 2020 nicht an die Beklagten weitergeben zu müssen (vgl. Anlage K 4).

Das Anpassungsangebot der Klägerin bestand in seinem Kern somit darin, die Feier nur gegen einen Aufschlag von rund 70 % auf die Miete in einen einigermaßen ausfallsicheren Zeitraum zu verlegen.

Dies ist stellt sich in der Gesamtschau aus den genannten Gründen nicht als faire Risikoteilung dar.

Der Sachverhalt liegt im vorliegenden Fall anders als im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 2. März 2022 (XII ZR 36/21), wo der Vermieter offenbar zur kostenfreien Verlegung der Veranstaltung bereit war. Auch bei dem Bewirtungsvertrag im Urteil des Senats vom 21. Juni 2022 (21 U 122/21) verhält es sich abweichend.

Dort war der Leistungserbringer zwar auch nur gegen Aufpreis zur Verlegung bereit, dieser betrug aber nicht 70, sondern nur 44 % der vereinbarten Vergütung, zudem war der Leistungserbringer dort bereit, dem Kunden den gewünschten neuen Termin in einem stark frequentierten Monat, also unter Inkaufnahme einer Umsatzeinbuße einzuräumen, was im vorliegenden Fall nicht feststeht.

cc) Die Beklagten hätten keinen neuen Versuch unternehmen müssen, andere Bedingungen für die Verschiebung der Veranstaltung auszuhandeln.

Die Klägerin hatte ihnen die geschilderten Bedingungen bereits am 2. Juni 2020 angeboten (Anlage K 2). Am 15. Juli 2020 hatten die Beklagten bereits versucht, die Klägerin zu einem günstigeren Angebot zu bewegen (Schriftsatz der Beklagten vom 1. Juli 2021, S 4). Ausweislich der Mail der Klägerin vom 17. Juli 2020 war dies nicht erfolgreich.

Nachdem ihnen die Klägerin im September unzutreffender Weise sogar die ungeminderte Ausfallzahlung in Rechnung gestellt hatte (außerdem unter Missachtung der Umsatzsteuersenkung), durften die Beklagten annehmen, dass weitere Verhandlungsversuche mit der Klägerin keinen Erfolg haben würden.

Da ihnen das vorliegende Angebot unzumutbar war, durften sie die Vertragsanpassung ablehnen und den Vertrag gemäß § 313 Abs. 3 S. 2 BGB kündigen mit dem Ergebnis, dass die Erfüllungsansprüche der Klägerin hieraus erloschen sind.

2. Die mit der Klage verfolgten Nebenforderungen der Klägerin (§§ 280, 286 BGB) sind folglich ebenfalls unbegründet.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

4. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.

KG Berlin 21 U 126/21

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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