LAG Hamm, Urteil vom 16.02.2012 – 15 Sa 1360/11

Juli 6, 2020

LAG Hamm, Urteil vom 16.02.2012 – 15 Sa 1360/11
Tenor
Die Hauptsache ist erledigt.
Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die vertragsgemäße Beschäftigung der Klägerin und nachfolgend darüber, ob die Hauptsache zwischenzeitlich erledigt ist.
Die Klägerin steht seit 1989 in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin. Sie ist als Maschinenbedienerin tätig zu einem durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelt von 2.000,00 EUR.
Grundlage des Arbeitsverhältnisses der Parteien ist der schriftliche Arbeitsvertrag vom 12.07.2001, dessen § 2 den nachstehenden Wortlaut hat:
Das Urteil hat hier eine Auflistung die aus technischen Gründen nicht eingesetzt werden kann.
Das Urteil kann in vollständiger Form für 12,50 Euro beim Landesarbeitsgericht angefordert werden.
Seit Beginn ihres Beschäftigungsverhältnisses war die Klägerin im 3-Schicht-System eingesetzt.
Die Beklagte gehört dem gemeinsamen Betrieb der sogenannten S1-Gruppe an, für den ein Betriebsrat gebildet ist. Unter dem 15.03.2011 schlossen u.a. die Beklagte und der Betriebsrat des gemeinsamen Betriebs eine “Betriebsvereinbarung über die Einführung eines 4-Schicht-Systems in den Produktionsbereichen Flasche” (für die Einzelheiten s. Bl. 28 ff. d.A.). Diese Betriebsvereinbarung regelt die Einteilung der Arbeitnehmer in 4-Schicht-Gruppen bei insgesamt 9 Schichtblöcken je Arbeitswoche. Arbeitstage sind auch Samstage, Sonntage und Feiertage. Die Arbeitszeiten für gewerbliche Mitarbeiter liegen nach dem Inhalt der Betriebsvereinbarung zwischen 6.00 Uhr und 14.00 Uhr in der Frühschicht, zwischen 14.00 Uhr und 23.00 Uhr in der Spätschicht und zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr in der Nachtschicht, jeweils abzüglich einer 30 minütigen Pause.
Die Betriebsvereinbarung ist vereinbart für den Zeitraum 01.04.2011 – 23.12.2011; eine Nachwirkung ist ausgeschlossen.
Das 4-Schicht-Modell der Anlage 1 (Bl. 33 d.A.) der Betriebsvereinbarung vom 15.03.2011 zeigt, dass die Klägerin und die weiteren von der Schichtumstellung erfassten Mitarbeiter an drei von vier Wochenenden ihre Arbeitsleistung zu erbringen haben und die einzelnen Schichten bereits nach zwei bis drei Tagen wechseln.
Mit ihrer am 23.05.2011 eingereichten Klage hat sich die Klägerin gegen die Beschäftigung im 4-Schicht-System gewehrt. Gleichzeitig leitete sie zum selben Streitgegenstand ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ein, in welchem das Arbeitsgericht am 27.05.2011 (3 Ga 13/11) ein stattgebendes Urteil erließ.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei aufgrund der eindeutigen Regelungen in ihrem Arbeitsvertrag nicht verpflichtet, im 4-Schicht-System zu arbeiten. Regelmäßige Wochenendarbeit belastete sie wegen ihres Lebensalters und der Familiensituation extrem. Sie habe an den Wochenenden keine gemeinsame Freizeit mehr mit ihrem Ehepartner.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, die Klägerin in dem von ihr aufgrund der Betriebsvereinbarung vom 15.03.2011 eingeführten 4-Schicht-System zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, die Klägerin sei verpflichtet, im befristet eingeführten 4-Schicht-System zu arbeiten. Die Betriebsvereinbarung gelte unmittelbar und zwingend. Insbesondere schreibe der Arbeitsvertrag die Arbeitszeiten nicht fest.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 19.08.2011 der Klage stattgegeben und seine Entscheidung wesentlich so begründet:
Die Klägerin könne von der Beklagten verlangen, es zu unterlassen, sie gemäß der Betriebsvereinbarung vom 15.03.2011 in einem 4-Schicht-System zu beschäftigen, denn in ihrem Arbeitsvertrag sei hinsichtlich der Arbeitseinteilung eindeutig vereinbart, dass sie in einem 1-, 2- oder 3-Schicht-System zu beschäftigen sei. Diese vertragliche Vereinbarung stelle auch nicht lediglich einen Verweis auf die zu dem Zeitpunkt betrieblich geltende Arbeitszeitregelung dar. Selbst bei Annahme von Zweifeln bei der Auslegung der Vertragsregelung gingen diese gemäß § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten.
Der vertragliche Anspruch der Klägerin habe nicht durch die Betriebsvereinbarung vom 15.03.2011 geändert werden können; die einzelvertragliche Regelung habe nach dem Günstigkeitsprinzip Vorrang. Die Vereinbarung im Arbeitsvertrag sei mangels dortiger Regelung nicht “betriebsvereinbarungsoffen”.
Gegen das ihr am 29.08.2011 zugestellte erstinstanzliche Urteil hat die Beklagte am 31.08.2011 beim Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und diese mit am 30.11.2011 eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem zuvor die Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.11.2011 verlängert worden war.
Die Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, dass die Klägerin gemäß der Betriebsvereinbarung vom 15.03.2011 verpflichtet sei, im 4-Schicht-System tätig zu werden. Die einzelvertragliche Vereinbarung habe lediglich der seinerzeit üblichen betrieblichen Regelung hinsichtlich der Arbeitszeitverteilung entsprochen. Das Bundesarbeitsgericht gehe davon aus, dass die Arbeitsvertragsparteien regelmäßig im Arbeitsvertrag nur die Arbeitszeiten beschreiben, die betrieblich bei Vertragsschluss gelten. Der von ihr gewünschten Flexibilität trage die Bestimmung des § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrags Rechnung. Auch sei zu sehen, dass das in der Betriebsvereinbarung festgelegte 4-Schicht-System tatsächlich nur im Zeitraum 13.05. bis 24.06.2011 gefahren worden sei.
Auf § 305 c Abs. 2 BGB sei nicht zurückzugreifen, da bereits der erforderliche nicht behebbare Zweifel bei der Vertragsgestaltung nicht vorliege.
Schließlich seien die von der Klägerin angeführten Gründe, die ihrem Einsatz im 4-Schicht-System entgegenstehen sollen, unsubstantiiert.
Und es komme hinzu, dass angesichts der allgemein geänderten Schichtregelung ohnehin eine Anpassung der Arbeitszeiten nach § 13 Abs. 6 des Arbeitsvertrages erforderlich sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 19.08.2011 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat zunächst beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat das erstinstanzliche Urteil als zutreffend verteidigt.
Nachdem im Termin zur Berufungsverhandlung der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten erklärt hatte, die im Tenor des erstinstanzlichen Urteils in Bezug genommene Betriebsvereinbarung vom 15.03.2011 sei zum 23.12.2011 ausgelaufen und wirke nicht nach, hat die Klägerin ihren Berufungsantrag abgeändert und beantragt nun
festzustellen, dass die Hauptsache erledigt sei.
Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.
Wegen des weiteren tatsächlichen Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle verwiesen.
Gründe
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 19.08.2011 ist gem. §§ 64 Abs. 2 Buchst. b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt und ist an sich statthaft.
Für die Zulässigkeit der Berufung ist nur die Beschwer im Zeitpunkt der Berufungseinlegung maßgeblich, die nachträgliche Minderung ist für die Zulässigkeit des eingelegten Rechtsmittels unschädlich (LAG Hamm vom 22.11.2007 – 17 Sa 1119/07, juris).
II
Die Berufung ist unbegründet. Die Hauptsache ist erledigt.
1) Der auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits gerichtete Antrag der Klägerin ist zulässig.
Erklärt die klagende Partei allein die Hauptsache für erledigt, während die beklagte Partei weiterhin die Klageabweisung verfolgt, so endet die Rechtshängigkeit der Hauptsache nicht. Der klägerische Antrag ist vielmehr einzuschränken auf die Feststellung der Erledigung (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO,, 29. Aufl., § 91 a Rdnr. 34). Er stellt eine auch in der Berufungsinstanz stets zulässige Antragsbeschränkung im Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO dar (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.0., § 91 a Rdnr. 34 m.w.N.).
2) Der Antrag ist begründet.
Der in § 91 a ZPO geregelte Fall, dass die Parteien übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären, liegt nicht vor. Allein die Klägerin hat die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte hat dem widersprochen und weiterhin ihren Berufungsantrag gestellt.
Die einseitige Erledigungserklärung zwingt das Gericht zu prüfen, ob der Rechtsstreit tatsächlich erledigt ist.
Voraussetzung für eine Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache ist, dass die Klage zulässig und begründet war, aber durch ein nach Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis gegenstandslos, d.h. unzulässig oder unbegründet geworden ist (vgl. BAG vom 05.09.1995 – 9 AZR 718/93, BAGE 80, 382). Abzustellen ist auf den Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses; in diesem Moment muss die Klage noch zulässig und begründet gewesen sein (vgl. BGH vom 27.02.1992 – I ZR 35/90, NJW 1992, 2235; BAG vom 17.04.1984 – 3 AZR 97/82, BAGE 45, 325).
a) Erledigendes Ereignis ist die Beendigung der Betriebsvereinbarung vom 15.03.2011 mit Ablauf des 23.12.2011, da diese Betriebsvereinbarung lediglich mit einer Laufzeit vom 01.04.2011 bis zum 23.12.2011 ausgestattet war und unstreitig auch keine Nachwirkung entfaltete. Seit dem 24.12.2011 ist es der Beklagten rechtlich nicht mehr möglich, die Klägerin in dem durch die Betriebsvereinbarung eingeführten 4-Schicht-System zu beschäftigen.
b) Die ursprünglich auf die Unterlassung der Beschäftigung der Klägerin in dem von der Beklagten durch Betriebsvereinbarung vom 15.03.2011 eingeführten 4-Schicht-System gerichtete Klage war zulässig. Der Klageantrag war hinreichend bestimmt gem. § 253 Abs. 2 ZPO. Der Unterlassungsantrag weist auch einen vollstreckungsfähigen Inhalt auf, da es der Beklagten untersagt werden sollte, die Klägerin in dem mit der Betriebsvereinbarung eingeführten 4-Schicht-System zu beschäftigen.
c) Die Klage war bis zu dem Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses auch begründet.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das erstinstanzliche Gericht befunden, dass einer Beschäftigung der Klägerin in dem 4-Schicht-System, wie es die Betriebsvereinbarung vom 15.03.2011 vorsah, die Regelungen im Arbeitsvertrag der Klägerin vom 12.07.2001 entgegenstehen.
Das Berufungsgericht folgt den Gründen der angefochtenen Entscheidung, § 69 Abs. 2 ArbGG. Die Berufung gibt Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen:
aa) Zwar ist durch die Betriebsvereinbarung vom 15.03.2011 für einen befristeten Zeitraum die Möglichkeit eines 4-Schicht-Systems unter Einteilung der Arbeitnehmer in 4-Schicht-Gruppen bei insgesamt 9 Schichtblöcken in der Arbeitswoche, einschließlich Samstage, Sonn- und Feiertage, zwischen den Betriebsparteien verabredet worden.
Gegen die rechtliche Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung vom 15.03.2011 bestehen keine Bedenken. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mit zu bestimmen über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie über die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Diese Festlegung ist durch die Verteilung der Arbeitszeit in den in der Betriebsvereinbarung unter Ziffer 2 genannten Betriebsbereichen erfolgt.
Die Betriebsvereinbarung wirkt nach § 77 Abs. 4 BetrVG normativ und zwingend für die Arbeitsverhältnisse der unter den persönlichen Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung fallenden Arbeitnehmer.
bb) Allerdings gehen günstigere einzelarbeitsvertragliche Regelungen einer Betriebsvereinbarung stets vor, auch wenn sie bereits vor Inkrafttreten der Betriebsvereinbarung begründet wurden (BAG vom 16.09.1986 – GS 1/82, AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972; LAG Hamm vom 06.02.2001 – 11 Sa 1434/00, NZA 2002, 283). Für das Verhältnis von Betriebsvereinbarung und Arbeitsvertrag gilt grundsätzlich das Günstigkeitsprinzip als Schutzprinzip und als Ausdruck der Privatautonomie (BAG vom 16.09.1986, a.a.0., m.w.N.) bzw. allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 2 GG.
Der Vorrang günstigerer arbeitsvertraglicher Vereinbarungen gilt auch bei Betriebsvereinbarungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zur Lage der Arbeitszeit, mit denen etwa die Einführung eines bestimmten Schichtsystems vereinbart wird. Die arbeitsvertraglichen Abmachungen gehen vor und können allein mit Hilfe des dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden individualrechtlichen Instrumentariums (ändernde Vereinbarung, Änderungskündigung) angepasst werden (vgl. etwa LAG Düsseldorf vom 22.05.1991 – 4 (2) Sa 290/91, DB 1991, 2247), es sei denn, die einzelvertraglichen Vereinbarungen sind “betriebsvereinbarungsoffen” begründet, d.h. unter dem Vorbehalt ihrer Änderung durch eine Betriebsvereinbarung gestaltet worden (vgl. hierzu etwas BAG vom 05.08.2009 – 10 AZR 483/08, NZA 2009, 1105).
(1) § 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrages der Klägerin vom 12.07.2001 enthält eine individualvertragliche Regelung, die dem Inhalt der Betriebsvereinbarung vom 15.03.2011 vorgeht.
In § 2 Abs. 1 ihres Arbeitsvertrages haben die Parteien vereinbart, dass die Beschäftigung der Klägerin “entsprechend den Betriebserfordernissen im 1- oder im 2- oder im 3-Schicht-System” erfolgt.
Gemäß § 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrages ist die Klägerin verpflichtet, ihre “Arbeitsleistung bei entsprechendem Bedarf und auf ausdrückliche Weisung hin auch an Samstagen zu erbringen”.
In § 2 Abs. 4 des Arbeitsvertrages heißt es: “Die Arbeitszeit wird im 1- oder 2- oder 3-Schicht-System zunächst wie folgt geregelt:”. Es schließt sich an die konkrete zeitliche Abbildung der möglichen drei Schichten.
(2) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist in dieser arbeitsvertraglichen Vereinbarung nicht lediglich ein Verweis auf die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltende betriebliche Arbeitszeit zu verstehen.
Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 23.06.1992 (1 AZR 57/92, NZA 1992, NZA 1993, 89) darin keine individuelle Arbeitszeitvereinbarung gesehen, dass die Arbeitsvertragsparteien bei Abschluss des Arbeitsvertrages die zu diesem Zeitpunkt im Betrieb geltende Regelung über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage vereinbaren.
Dass § 2 Abs. 1 lediglich die betriebliche Arbeitszeitregelung bei Abschluss des Arbeitsvertrages abbilden wollte, ist der Vertragsbestimmung nicht entnehmbar. So beinhaltet § 1 Abs. 1 nicht nur die Vereinbarung eines bestimmten Arbeitsverteilungsmodells, etwa Schichtarbeit, um auf diese Weise das Direktionsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Gew0 zu eröffnen. Vielmehr sieht die vertragliche Regelung die Beschäftigung der Klägerin explizit im 1- oder 2- oder 3-Schicht-System vor, und innerhalb dieses Systems “entsprechend den jeweiligen Betriebserfordernissen”. Die Formulierung “entsprechend den jeweiligen Betriebserfordernissen” berechtigt die Beklagte, aufgrund ihres Weisungsrechts die Arbeitszeit bezogen auf die drei Schichtmodelle näher zu bestimmen. Eine Beschäftigung in einem 4-Schicht-System oder einem anderen als vertraglich vereinbarten Arbeitszeitverteilungsmodell ist nach der eindeutigen Absprache nicht geschuldet.
Insbesondere folgt etwas anderes auch nicht aus dem Wort “zunächst” in § 2 Abs. 4 S. 1 des Arbeitsvertrages. Denn die dort formulierte “Zunächst-Regelung” bezieht sich unzweideutig auf die Arbeitszeit bezogen auf das 1-, 2- und 3-Schicht-System. Das ergibt sich darüber hinaus aus der sich an den Satz 1 anschließenden konkreten Darstellung der Schichtmodelle. Hätten die Arbeitsvertragsparteien (lediglich) ein 1-, 2- oder 3-Schicht-System regeln wollen, hätten sie das Wort “zunächst” der Formulierung “im 1- oder 2- oder 3-Schicht-System” voranstellen und/oder das Wort “zunächst” in § 1 Abs. 1 des Arbeitsvertrags hinzufügen müssen.
Wirtschaftliche und technische Gründe können tatsächlich eine Änderung der Lage der Arbeitszeit erforderlich machen (vgl. BAG vom 23.03.1992, a.a.0.). Das ist auch allgemein bekannt und hat im Arbeitsvertrag der Parteien folglich seinen Niederschlag in der Formulierung in § 2 Abs. 1 gefunden, wonach die Beschäftigung unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse in einem der drei vereinbarten Schichtsysteme erfolgen kann, sowie in § 2 Abs. 2, der Samstagsarbeit unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtend vorsieht, sowie in § 2 Abs. 4 S. 1, der vorläufig geltende Arbeitszeiten bezogen auf deren Beginn und Ende, aber auch deren Lage regelt.
(3) Die Parteien haben in ihrem Vertrag vom 12.07.2001 eine ausdrückliche Regelung getroffen und nicht die Arbeitszeitverteilung nur in Teilen erwähnt (vgl. BAG vom 15.09.2009 – 9 AZR 757/08, DB 2009, 2551). Sie haben sich nicht darauf beschränkt, ein bestimmtes Arbeitszeitverteilungsmodell wie Schichtarbeit im Arbeitsvertrag anzusprechen. Vielmehr haben sie ein 4-Schicht-Modell ausgeschlossen. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus der expliziten Vereinbarung von Schichtarbeit im 1-, 2- oder 3-Schicht-System. Zutreffend weist auch bereits die erstinstanzliche Entscheidung darauf hin, dass der Arbeitsvertrag sich nicht mit einer beschreibenden Regelung der Arbeitszeitverteilung in Form von Schichtarbeit begnüge und deren nähere Festlegung dem Direktionsrecht der Beklagten überlasse.
Die Beklagte ist somit an die arbeitsvertragliche konkrete Regelung der Arbeitszeit gebunden.
(4) Die Anwendung des Günstigkeitsprinzips scheitert nicht daran, dass der Arbeitsvertrag der Parteien “betriebsvereinbarungsoffene” Regelungen enthält. Weder § 2 noch anderen Bestimmungen ist entnehmbar, dass die vertraglichen Arbeitszeitregelungen durch Betriebsvereinbarung abänderbar sein sollen.
cc) Nach Auffassung der Berufungskammer lässt die Auslegung der arbeitsvertraglichen Arbeitszeitregelungen keine Zweifel zu.
III
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben. Keine der entscheidungserheblichen Rechtsfragen hat grundsätzliche Bedeutung. Die Rechtsfragen berühren auch nicht wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit. Ferner lagen keine Gründe vor, die die Zulassung wegen einer Abweichung von der Rechtsprechung eines der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG angesprochenen Gerichte rechtfertigen würde.

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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