LAG Hamm, Urteil vom 22.03.2012 – 11 Sa 1634/10

Juli 5, 2020

LAG Hamm, Urteil vom 22.03.2012 – 11 Sa 1634/10
Tenor
Das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 28.07.2010 – 1 Ca 1892/10 – wird auf die Berufung der Beklagten abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Berechnung des nach einem Gesamtsozialplan geschuldeten betrieblichen Zuschusses zum Anpassungsgeld. Es besteht Streit, ob in die Berechnung des maßgeblichen Garantieeinkommens Zahlungen einzubeziehen sind, die der Kläger anlässlich seiner Teilnahme an Übungen der Grubenwehr erhalten hat.
Der am 26.02.1958 geborene Kläger wurde von der Beklagten mit Wirkung vom 01.01.1977 als Hauer eingestellt. Seit dem 13.06.1985 war er daneben freiwilliges Mitglied der Grubenwehr. Diese Mitgliedschaft währte bis zur Abkehr des Klägers zum 30.11.2007. Ab dem 01.01.1992 arbeitete der Kläger als hauptamtlicher Mitarbeiter als Hauptgerätewart der Grubenwehr des Bergwerks G3 B1. Mit Wirkung ab dem 01.11.1998 wurde er in das Angestelltenverhältnis als technischer Angestellter über Tage übernommen (Arbeitsvertrag, Anlage B 4, Bl. 236 GA). Mit Bestellungsurkunde vom 01.01.1999 wurde er zum Hauptgerätewart, Bereich Grubenwesen, auf dem Bergwerk B1 / H4 bestellt (Bl. 14 u. 638 GA). Ab dem 01.08.2001 wurde er im Rahmen von Verbundmaßnahmen Hauptgerätewart des Bergwerks A1 V1 / B1. Dort war Herr U1 S1 bis zu seiner Abberufung Ende November 2006 neben dem Kläger als Hauptgerätewart bestellt (vormals A1 V1 / Abberufung Bl. 1106 GA). Der Kläger war als technischer Angestellter über Tage zuletzt in der Gehaltsgruppe 14 Stufe 6 der Anlage 5 zum Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des rheinischwestfälischen Steinkohlenbergbaus eingruppiert. Das monatliche Grundgehalt betrug zuletzt 2.618,57 Euro (Anlage B 1, Bl. 231 GA).
Nachdem der Kläger zunächst vom 01.12.2007 bis zum 29.02.2008 an Kurzarbeit gemäß § 216 b SGB III teilgenommen hatte, schied er im Anschluss daran – nach einer betrieblichen Beratung am 09.01.2008 (s.u.) – kraft Vereinbarung in den vorgezogenen Ruhestand aus. Ab dem 01.03.2008 bezieht der Kläger Anpassungsgeld, welches vom Bundesamt für Außenwirtschaft gezahlt wird. Grundlage für die Gewährung von Anpassungsgeld ist die Richtlinie über die Gewährung von Anpassungsgeld an Arbeitnehmer des Steinkohlenbergbaus in der Fassung vom 25.10.2005 und seit dem 01.01.2009 in der Fassung vom 12.12.2008. Insoweit wird auf die von der Beklagten vorgelegten Anlagen B 18 und B 19 Bezug genommen (Anlagenkonvolut, gesondert geheftet). Neben dem Anpassungsgeld erhält der Kläger von der Beklagten einen Zuschuss zum Anpassungsgeld. Über dessen Höhe streiten die Parteien.
Wegen des von der Beklagten dargestellten historischen Hintergrundes zu Anpassungsgeld und Sozialplan wird auf die Ausführungen auf S. 5 – 9 der Berufungsbegründung (Bl. 562 – 566 GA) und auf die hierzu vorgelegten Unterlagen Bezug genommen:
B 21 Gesamtsozialplan im Dienstblatt der Bundesanstalt für Arbeit 1972, S. 188 ff;
B 22 Neufassung der MUV-Richtlinien aus 1966;
B 23 Schreiben des Landesarbeitsamtes an die Beklagte vom 09.11.1982;
B 24 Änderung der MUV-Richtlinien vom 27.12.2000 mit Wirkung ab 01.04.1998
(Anlagenkonvolut B 21 – B 24, gesondert geheftet).
Zum Anpassungsprogramm der D1 S2 AG besteht bei der Beklagten ein Gesamtsozialplan vom 25.06.2003. Der Gesamtsozialplan ist abgeschlossen zwischen dem Vorstand der D1 S2 AG – im Namen und für Rechnung der Beklagten – und dem Gesamtbetriebsrat der D1 S2 AG. Nach § 2 S.1 u. 2 des Gesamtsozialplans erhalten Arbeitnehmer, die aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden und Anspruch auf die Gewährung von Anpassungsgeld nach den jeweils gültigen APG-Richtlinien haben, unter Anderem einen Zuschuss zum Anpassungsgeld. § 2 Ziffer 7 der vorgenannten Regelung des Gesamtsozialplans hat unter Anderem folgenden Inhalt:
(1) DSK leistet einen Zuschuss zum Anpassungsgeld, wenn das Anpassungsgeld ohne Abzug der in Ziff.4.1.2 der APG-Richtlinien genannten Leistungen das Garantieeinkommen nicht erreicht.
(…)
(3) Das Garantieeinkommen beträgt 60 % des Brutto-Monatseinkommens, jedoch höchstens 60 % der im Zeitpunkt der Entlassung für Monatsbezüge in der knappschaftlichen Rentenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze.
Für die Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens wird das Entgelt der letzten 12 abgerechneten Monate vor dem Ausscheiden zugrunde gelegt. Einmalzahlungen und Mehrarbeitsgrundvergütungen bleiben bei der Ermittlung außer Betracht. Weiterhin bleiben Lohn- bzw. Gehaltsbestandteile, die nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen, bei der Ermittlung außer Betracht. Der so ermittelte Betrag wird durch die Anzahl der im 12-Monatszeitraum angefallenen Versicherungstage dividiert und mit dem Faktor 30 multipliziert.
Bei der Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens wird das im Jahr des Ausscheidens jeweils gültige Weihnachtsgeld mit einem monatlichen Anteil von 1/12 berücksichtigt.
(…)
(8) Der betriebliche Zuschuss wird für die Dauer des Bezuges von Anpassungsgeld – ausgenommen Zeiten des Bezuges gemäß Ziff.5.7 der APG-Richtlinien – gewährt. Jede Erhöhung des Anpassungsgeldes während des Bezugszeitraums wird auf den betrieblichen Zuschuss zu 50 % angerechnet.
Wegen des weiteren Inhalts der Regelungen des Gesamtsozialplanes wird auf die von dem Kläger mit der Klageschrift eingereichte Kopie Bezug genommen (Anlage K 2, Bl.17-30 GA, außerdem Anlage B 20 – Anlagenkonvolut, gesondert geheftet -).
Die Berücksichtigung des Mehrarbeitszuschlags nicht aber der Mehrarbeitsgrundvergütung bei der Berechnung des Garantieeinkommens ist das Ergebnis eines bei den seinerzeitigen Verhandlungen zum Gesamtsozialplan erzielten Kompromisses zwischen der Position des Arbeitgebers (“keine Berücksichtigung von Mehrarbeit”) und der Position des Betriebsrats (“[vollständige] Berücksichtigung der im Referenzzeitraum angefallenen Mehrarbeit”).
Bei der Beklagten wird aufgrund gesetzlicher Vorschrift eine Grubenwehr vorgehalten. Der Kläger nahm zahlreich an Übungen der Grubenwehr teil, die außerhalb der regulären Schichtzeiten seiner Tätigkeit als technischer Angestellter über Tage stattfanden (Normalarbeitszeit 6.00 Uhr – 14.00 Uhr). An die teilnehmenden Arbeitnehmer der Grubenwehr leistet die Beklagte unabhängig von deren sonstigem Arbeitsentgelt Zahlungen nach der als Anlage B 3 vorgelegten Vorstandsrichtlinie DSK VR 02/07. Bezahlt werden die in der Vorstandsrichtlinie festgelegten Pauschalen und Stundensätze, die sich unabhängig von den individuellen Stundenlöhnen der Grubenwehrmitglieder errechnen. Wegen der Einzelheiten der DSK VR 02/07 wird auf die Anlage B 3 Bezug genommen (Bl. 233 – 235 GA / auch: Bl. 640 – 642 GA). Der Kläger erhielt nach den Vorgaben der Richtlinie DSK VR 02/07 – neben seinem Tarifgehalt – unter der Lohn- und Gehaltsart “1015 Grubenwehr-Übung außerhalb” weitere monatliche Bruttozahlungen für Übungen der Grubenwehr, die außerhalb der regulären Schichtzeit des Klägers stattfanden. Diese Zahlungen wurden aus abrechnungstechnischen Gründen jeweils rückwirkend für den Vormonat geleistet. Sie machten monatlich eine Größenordnung von ca. 30 % – 40 % der gesamten Bruttobezüge des Klägers aus.
Der Hauptgerätewart ist ein hauptamtlicher fest angestellter Mitarbeiter der Grubenwehr. Die anderen ca. 130 Mitglieder der Grubenwehr sind freiwillige Mitglieder, die sich aus der Arbeitnehmerschaft der Beklagten rekrutieren. Die freiwilligen Mitglieder müssen 5 Rettungsübungen pro Jahr absolvieren. Regelmäßig 2 – 3-mal wöchentlich finden jeweils am Nachmittag Übungen der Grubenwehr mit Kleingruppen von 8 – 10 Teilnehmern statt. Auf den von der Beklagten vorgelegten “Plan für das Grubenrettungswesen” wird Bezug genommen (Anlage B 23, Bl. 657 – 680 GA). Der Kläger organisierte diese Übungen, nahm an ihnen teil und bescheinigte den Mitgliedern jeweils die Teilnahme an der Übung (Anlage K 3 “Übungs-Vergütungen für Grubenwehrmitglieder”, Bl. 31 – 161 GA).
Zur Tätigkeit der Hauptgerätewarte und deren Bezahlung verhält sich ein Vermerk der Innenrevision der Beklagten vom 23.11.1994 (Anlage K 5, Bl. 163, 164 GA):
“Wir stellen fest, daß Hauptgerätewarte zusätzlich zu ihrem Lohn weitere Bezahlungen nach den Sätzen für Mitglieder der freiwilligen Grubenwehren bezogen, z.B. für die Durchführung der Nachschulungen der Gerätewarte sowie für Gerätewartungen im Rahmen von Übungen innerhalb und außerhalb der Arbeitszeit. Dies ist u.E. nicht gerechtfertigt. Tätigkeiten innerhalb der Arbeitszeit sind mit der Entlohnung abgegolten. Nehmen Hauptgerätewarte ihre Aufgaben auch außerhalb der regulären Arbeitszeit wahr, so sind hierauf die üblichen tarifvertraglichen Regelungen (z.B. Freizeitausgleich) anzuwenden.”
Hierzu vertraten die Hauptabteilungen Z AS und AS im Schlußgespräch die Auffassung, dass eine zusätzliche Bezahlung der Hauptgerätewarte durch die “Grundsätze für die Bezahlung der Mitglieder der Grubenwehren” abgedeckt ist.
Wegen der vom Kläger während des Referenzzeitraums im Einzelnen bezogenen Zahlungen wird auf die schriftsätzliche Darstellung des Klägers vom 10.02.2010 und die in Kopie vorgelegten Entgeltabrechnungen für den Zeitraum Dezember 2006 – November 2007 Bezug genommen (Bl. 408 – 410 GA u. Anlagen K 1 – K 17, Bl. 415-431 GA). Ferner wird auf die weiteren für die Zeit ab 1993 vorgelegten Entgeltabrechnungen Bezug genommen (Abrechnungen Januar 1993 bis Dezember 2006, Anlagen K 1 – K 168, Bl. 800 – 1080 GA / nebst zusätzlichen Aufstellungen zu den monatlichen prozentualen Anteilen der Grubenwehrbezüge an den Gesamtbezügen für den Zeitraum 1993 – 2007, Bl. 1081 – 1093 GA / auch: Anlage K 4, Bl. 162 GA).
Bevor der Kläger in die Anpassung ging, wurde er bei der Beklagten durch deren Mitarbeiter T1 beraten. Das Gespräch fand am 09.01.2008 statt. Dazu verhält sich der ausgefüllte “Beratungsbogen für Sozialplan-Abkehrer” nebst ausgefülltem Formular “Abkehr mit Anpassungsgeld unter Anwendung Gesamtsozialplan” (Anlage B 12, Bl. 246, 247/248 GA). In dem Formular “Abkehr mit Anpassungsgeld unter Anwendung Gesamtsozialplan”, das von dem Kläger und Herrn T1 unterschriebenen worden ist, sind u.a. die nachstehenden Zahlenwerte ausgewiesen:
…..
Ermittlung der Höhe des voraussichtlichen Anpassungsgeldes
……
Voraussichtliche monatliche Höhe des Anpassungsgeldes ab 03/2008 Euro 1.622,47
…..
Ermittlung der betrieblichen Leistungen
Bemessungsgrundlage Sozialplan Euro 2.768,05
…..
a) 60 % des durchschn. Bruttoeinkommens der letzten 12 Monate vor
Abkehr / Kurzarbeit ca. Euro 1.760,83
b) voraussichtliches Anpassungsgeld ….. ca. Euro 1.435,81
c) Betrieblicher Zuschuss zum Anpassungsgeld ca. Euro 138,36
d) verbleibendes Einkommen nach der Abkehr ….. ca. Euro 1.574,17
Bei Gelegenheit der Beratung wandte sich der Kläger gegenüber Herrn T1 dagegen, dass die Grubenwehrzulage keine Berücksichtigung finde. Die Frage wurde kontrovers diskutiert. Der Kläger äußerte, dass “darüber das letzte Wort noch nicht gesprochen sei”.
Der Kläger erhielt von der Beklagten ab dem Monat März 2008 einen Zuschuss zum Anpassungsgeld ausgehend von einem mit 1.778,54 Euro errechneten Garantieeinkommen. Die Zahlung des Zuschusses von 127,09 Euro brutto erfolgt für den laufenden Monat und zwar jeweils etwa um den 21. des Monats.
Die Klageschrift, mit der der Kläger ursprünglich einen monatlichen Differenzbetrag in Höhe von 1.502,99 Euro ab dem Monat Dezember 2008 verlangt hatte, ist am 24.06.2009 bei dem Arbeitsgericht eingegangen. Der Beklagten ist die Klage am 30.06.2009 zugestellt worden.
Mit Datum vom 27.05.2010 verabschiedeten der Vorstand der Beklagten und der Gesamtbetriebsrat als Vertragsparteien des Gesamtsozialplanes die “Protokollnotiz VII zum Gesamtsozialplan zum Anpassungsprogramm vom 25.06.2003” (Bl.477 – 481 GA). Dort heißt es auszugsweise:
Die Vertragsparteien stimmen überein, dass bei der Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens gemäß
● § 2 Ziffer 7 (“Zuschuss zum Anpassungsgeld”) Absatz 3 des Gesamtsozialplans,





die in der Anlage zu dieser Protokollnotiz aufgeführten Lohn – und Gehaltsarten nicht zu berücksichtigen sind.
Weiterhin stellen die Vertragsparteien klar, dass dieses gemeinsame Verständnis der Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens i.S.d. genannten Vorschriften des Gesamtsozialplans bereits bei Abschluss des Gesamtsozialplans am 25.06.2003 vorhanden war und dem Abschluss des Gesamtsozialplans zugrunde lag.
Herne, den 25.07.2010
(Unterschriften)
Anlage zur Protokollnotiz VII zum Gesamtsozialplan zum Anpassungsprogramm vom 25.06.2003
/425 PKW-Wert gw. Vorteil
/426 PKW-KM gw. Vorteil
/5 BO AG-Aufwand lfd. Netto
….. (es folgen 55 weitere Lohn- und Gehaltsarten und dann:)
1015 Grubenwehr-Übung ausserh.
1016 Einsatzzulage Wehren
1100 Mehrarbeit-Grundvergütung
….. (es folgen deutlich mehr als 100 weitere Lohn- und Gehaltsarten).
Zu den Einzelheiten der Berechnung des Zuschusses hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 12.03.2010 eine “Einkommensermittlung des Garantieeinkommens für Anpassungsgeldempfänger” vorgelegt, die eine Berechnung ohne und mit Berücksichtigung der Grubenzulage enthält. Auf die von der Beklagten vorgelegten Anlage B 14 wird verwiesen (Bl. 456, 457 GA). Dort heißt es in der Schlusszeile:
Garantieeinkommen (brutto) = 1.778,54 (60 % der Bemessungsgrundlage)
Nicht berücksichtigende [sic] Vergütung für Grubenwehr = 25.305,24 Euro: 360 x 30 = 2.108,77 Euro x 60 % = 1.265,26 Euro mtl.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das ihm zu zahlende Anpassungsgeld schließe alle Vergütungsteile ein, die er für seine Tätigkeit als Hauptgerätewart erhalten habe. Die Übungen am Nachmittag hätten nur für die freiwilligen Mitglieder der Grubenwehr als Mehrarbeit gegolten. Für seine – des Klägers – Tätigkeit von täglich 12 – 16 Stunden habe die Beklagte nie einen Mehrarbeitsantrag beim Betriebsrat gestellt. Für ihn, den Kläger, habe die Beklagte diese Arbeitszeit als nicht genehmigungspflichtig behandelt. Seine 12-Stunden-Schichten seien als Normalarbeitszeit geführt worden, für die man auch keinen Antrag beim zuständigen Gewerbeaufsichtsamt gestellt habe. Die Tätigkeit als Hauptgerätewart sei Bestandteil der betriebsüblichen Arbeitszeit in seinem Betriebsteil. Betriebsvereinbarungen seien normativ auszulegen. Aus dem eindeutigen Wortlaut des Gesamtsozialplanes sowie der von der Beklagten selbst verabschiedeten Richtlinie DSK VR 2/07 ergäbe sich, dass die Grubenwehr- und Gasschutzwehrzulage bei der Berechnung des Anpassungsgeldes nicht auszuschließen und damit einzubeziehen sei. Die Regelung des § 2 Ziffer 3 des Gesamtsozialplanes folge dem Enumerationsprinzip. Was nicht ausdrücklich als von der Berechnung auszunehmen benannt sei, werde einbezogen. Bei der Zulage handele es sich nicht um Mehrarbeit im Sinne der § 2 Ziff.7 (3) der Gesamtbetriebsvereinbarung. So werde in Ziffer 1 der Vorstandsrichtlinie DSK VR 2/07 schon festgelegt, dass es sich um eine tarifdynamische Zulage handele. Ebenfalls werde festgelegt, dass es sich bei der Zulage nicht um eine Mehrarbeitsvergütung im Sinne des Arbeitsvertrages handele. Die Argumentation der Beklagten zur getroffenen unternehmerischen Entscheidung im Zusammenhang mit dem Abschluss des Gesamtsozialplanes sei juristisch nicht tragfähig. Im Rahmen der normativen Auslegung könne nur der Wille berücksichtigt werden, der nach außen hin hinreichenden Ausdruck gefunden habe.
Darüber hinaus habe die Beklagte selbst ausdrücklich entschieden, die Grubenwehr- und Gasschutzwehrzulage in das Anpassungsgeld einzubeziehen. Diese Entscheidung sei von Herrn H3 S3, seinerzeit Betriebsdirektor für Personal- und Sozialfragen des Bergwerkes G3 B1, im September 1992 bei der Verabschiedung seines Vorgängers, des Hauptgerätewartes Herrn M1, bekannt gegeben worden. Diesem habe Herr S3 wörtlich gesagt, dass die Grubenwehrbezüge in die Bezüge nach dem Ausscheiden einberechnet blieben. Bei der Berechnung der Leistungen der Hauptgerätewarte nach dem Ausscheiden werde die Grubenwehr- und Gasschutzzulage einbezogen. Das Anpassungsgeld des Herrn M1 sei unter Einbeziehung der Grubenwehr- und Gasschutzwehrzulage gebildet und bezahlt worden. Diese Zusicherung habe die Beklagte auch ihm gegenüber nochmals bestätigt. Bei der Aushändigung des neuen Arbeitsvertrages als technischer Angestellter am 27.10.1998 habe ihm Herr B3 – unstreitig seinerzeit stellvertretender Betriebsratsvorsitzender und jetzt Betriebsdirektor für Personal- und Sozialfragen – mitgeteilt: “Jetzt bekommst Du einen weißen Helm. Und wenn Du später ausscheidest, läuft das Geld für die Grubenwehr weiter.”
Die Tätigkeit als Hauptgerätewart sei außerdem betriebsübliche Arbeitszeit in seinem Betriebsteil. Die Beklagte habe diese, so der Kläger unter ausführlicher Schilderung der von ihm in diesem Zusammenhang wahrzunehmenden Aufgaben, mit einer 12-16-Stundenschicht organisiert. Er habe an dem Wochenarbeitstag Montag eine regelmäßige betriebliche Arbeitszeit von 06.00 Uhr bis 22.00 Uhr und an den anderen Wochenarbeitstagen bis 18.00 Uhr gehabt. Die Verfallfrist des § 20 des Tarifvertrages über die allgemeinbetrieblichen Arbeitsbedingungen in der nordrheinwestfälischen Steinkohleindustrie (im Nachfolgenden: TV ABA) seien nicht anzuwenden. Die Beklagte habe ihm zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt, welche Lohnarten sie zur Berechnung des Bruttoeinkommens und nachfolgend des Garantieeinkommens heranziehe und wie sie diese abrechne. Der Prognosebogen, den er erhalten habe, sei vorläufig. Die einbezogenen Lohnarten seien nicht benannt worden. Aber auch bei Eingreifen der tarifvertraglichen Verfallfrist aus § 20 TV ABA ergebe sich ein Zahlungsanspruch in gleicher Höhe. Insoweit stehe ihm ein Schadenersatzanspruch zu, weil die Beklagte die ihr obliegende Aufklärungspflicht verletzt habe. Diese habe die unrichtige Berechnung seines Bruttomonatseinkommens im Referenzzeitraum an das BAFA übermittelt. Diese habe dann das Anpassungsgeld auf der Grundlage dieser Daten falsch ermittelt und festgesetzt.
Nachdem der Kläger in seinen Klageanträgen zunächst von monatlich 1.502,99 Euro bzw. 1.592,97 Euro ausgegangen war, hat sich der Kläger mit Schriftsatz vom 08.06.2010 das Zahlenwerk der Beklagten zu Eigen gemacht (s.o.) und auf dieser Grundlage den rückwirkend ab dem 01.03.2008 kapitalisierten Betrag von 37.957,80 Euro und ab dem Monat August 2010 einen weiteren Zuschuss von monatlich 1.265,26 Euro über die gezahlten 127,98 Euro hinaus eingefordert.
Zuletzt hat der Kläger unter teilweiser Rücknahme der Klage beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
an ihn 37.957,80 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 1.256,26 Euro ab dem 01. Kalendertag des Folgemonats, erstmals ab dem 01.04.2008 zu zahlen.
außerdem ihm beginnend ab dem Monat August 2010 über den bereits gewährten Zuschuss zum Anpassungsgeld in Höhe von 127,98 Euro brutto einen weiteren Zuschuss in Höhe von 1.265,26 Euro zu zahlen
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat den Standpunkt vertreten, sie habe das Garantieeinkommen und auf dessen Grundlage den Zuschuss zum Anpassungsgeld ordnungsgemäß berechnet. Der Kläger könne nicht beanspruchen, dass bei der Berechnung des Garantieeinkommens alle Vergütungsbestandteile berücksichtigt würden, die er vorher erhalten habe. Zwar habe es sich bei den Bezügen, die er für seine Tätigkeit als Hauptgerätewart der Grubenwehr außerhalb der Schichtzeit erhalten habe, um sozialversicherungspflichtige Zahlungen gehandelt. Derartige Bezüge für Tätigkeiten, welche keine Mehrarbeit im Sinne der tarifvertraglichen Regelungen darstellten, seien aber bereits in der Vergangenheit und in Kenntnis und im Konsens der Mitbestimmung als Bezüge klassifiziert worden, die nicht zu berücksichtigen seien und zwar in Anlehnung an die grundsätzlich sozialversicherungspflichtige Mehrarbeitsgrundvergütung, welche ja nach dem Gesamtsozialplan ausdrücklich von der Einbeziehung in die Berechnung des Garantieeinkommens ausgenommen sei. Die Grubenwehrzulage sei außerdem aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung im Zusammenhang mit dem Abschluss des Gesamtsozialplanes nicht bei der Berechnung des Garantieeinkommens einzubeziehen. Im Vorfeld des Abschlusses dieses Sozialplanes sei seitens des Unternehmens festgelegt und darüber entschieden worden, welche bei ihr gewährten Gehalts- und Lohnarten in die Berechnung des Garantieeinkommens einzubeziehen seien. Bei Abschluss des Sozialplans zum 26.06.2003 habe zwischen den Betriebsparteien Einigkeit bestanden, dass Zulagen für Tätigkeiten der Grubenwehr außerhalb der Schichtzeiten nicht in die Berechnung des Garantieeinkommens einzubeziehen seien. In der von den Vertragsparteien des Gesamtsozialplanes verfassten Protokollnotiz vom 27.05.2010 sei dies noch ein weiteres Mal ausdrücklich klargestellt worden. Bereits beim Abschluss von Einzelsozialplänen und vorherigen Gesamtsozialplänen habe in der Vergangenheit einhelliger Konsens der Betriebsparteien darüber bestanden, dass Vergütungen für Grubenwehrtätigkeiten außerhalb der Schichtzeit nicht in das Garantieeinkommen einzubeziehen seien. Im Rahmen der vorgenannten Beschlüsse sei festgelegt worden, dass die Lohnart 1015 zu den Lohn- bzw. Gehaltsarten gehöre, die bei der Berechnung des Garantieeinkommens keine Berücksichtigung fänden. Dass bereits in der Vergangenheit Entgeltbestandteile für die Grubenwehrtätigkeit nicht mit in die Berechnung des Garantieeinkommens einbezogen worden seien, zeige auch ein Schreiben der Hauptabteilung Sozialwesen B 2.1 der damaligen Betriebsführungsgesellschaft R1 W1 AG an die Personal- und Sozialabteilung des Bergwerks B1/H4 vom 12.11.1992 im Falle des Herrn M1 (Anlage B 13, Bl.402 GA: ” Berechnung des Garantieeinkommens …Nach den bestehenden Richtlinien werden Übungsgelder bzw. Entgelte für Heimbereitschaft etc. nicht in die Berechnungen einbezogen. …”). Es sei den Betriebspartnern möglich, weitere Detail- und Auslegungsfragen bezüglicher einzelner Regelungen des Sozialplanes zusätzlich und unabhängig vom konkreten Wortlaut des Sozialplanes zu bestimmen. Es sei schlicht nicht möglich, sämtliche Entgeltarten, welche eben berücksichtigt oder nicht berücksichtigt werden sollten, im Einzelnen im Sozialplan auszuführen.
Die Ausführungen des Klägers zu seiner Funktion als Hauptgerätewart gingen fehl. Entgegen seinem Vorbringen gäbe es bei ihr keinen “Betrieb Grubenwehr”. Die Grubenwehr sei auch nicht Arbeitgeber des Klägers gewesen. An den Übungen der Grubenwehr außerhalb der Schichtzeit habe der Kläger als freiwilliges Mitglied der Grubenwehr teilgenommen. Er könne nicht beanspruchen, für diese Tätigkeit anders vergütet zu werden als die anderen freiwilligen Mitglieder. Der Kläger habe in der Vergangenheit auch nicht geltend gemacht, dass es sich nicht um eine Vergütung außerhalb der Schichtzeit gehandelt habe sondern um eine Zahlung innerhalb seiner nunmehr mit einer Dauer von insgesamt 12 bis 16 Stunden behaupteten Schichtzeiten. Dies hätte der Kläger innerhalb der Ausschlussfrist von 6 Monaten nach § 20 Abs.1 und 2 des TV ABA geltend machen müssen.
In dem Beratungsgespräch am 09.01.2008 sei der Kläger von dem Mitarbeiter T1 im Detail über sein verbleibendes Einkommen nach der Abkehr aufgeklärt worden. In diesem Gespräch habe der Kläger sich darüber echauffiert, dass die Grubenwehrzulage bei der Berechnung des Garantieeinkommens keine Berücksichtigung finden würde und habe dem Mitarbeiter T1 zu verstehen gegeben, dass darüber noch nicht das letzte Wort gesprochen worden sei. Der vorläufigen Berechnung lasse sich unzweifelhaft entnehmen, dass dem Kläger nach der Abkehr ein Einkommen in Höhe von zum damaligen Zeitpunkt 1.574,17 Euro brutto verbleiben werde. Dem Kläger sei demnach bewusst gewesen, dass der Bezug für die Grubenwehrtätigkeit außerhalb der Schichtzeit entsprechend der Entscheidung des Unternehmens nicht in die Berechnung des Garantieeinkommens einfließe. Darüber hinaus habe er auch bereits ab dem 01.03.2008 aufgrund der tatsächlichen Auszahlung erkennen können, dass ihm nicht 60 % seines [Gesamt-]Bruttomonatseinkommens der letzten 12 abgerechneten Monate vor Eintritt in die Transferkurzarbeit gezahlt würden. Die Ausführungen des Klägers zu einem etwaigen Schadensersatzanspruch gingen fehl. Die Berechnung des Anpassungsgeldes richte sich nach seinem Versicherungsverlauf in der allgemeinen und knappschaftlichen Rentenversicherung, in welcher auch die Grubenwehrzulagen als sozialversicherungspflichtige Bezüge ihre Berücksichtigung gefunden hätten. Davon unabhängig sei die Berechnung des Garantieeinkommens und des Zuschusses zum Anpassungsgeld zu sehen.
Der Kläger hätte seine Tagschicht durchaus später als von 6.00 Uhr – 14.00 Uhr absolvieren können mit der Folge, dass die Übungen dann auch innerhalb seiner Schichtzeit gelegen hätten und dann mit dem tariflichen Stundenlohn von 15,05 Euro anstelle der Stundensätze zwischen 20,93 Euro und 39,08 Euro nach der Vorstandsrichtlinie DSK VR 02/07 bezahlt worden wären.
Die Beklagte hat sich auch gegenüber der Klageforderung als solcher ausdrücklich auf die Verfallfristen des § 20 TV ABA berufen (Anlage B 10, 244, 245 GA).
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 28.07.2010 verurteilt, 36.692,54 Euro nebst Zinsen für den Zeitraum März 2008 bis Juli 2010 nachzuzahlen sowie ab dem Monat August 2010 über den bereits gewährten Zuschuss zum Anpassungsgeld in Höhe von 127,98 Euro hinaus einen weiteren Zuschussbetrag von monatlich 1.265,62 Euro brutto zu zahlen. Wegen einer Zuvielforderung für den Monat Juni 2009 in Höhe von 1.265,26 Euro hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Die ausgeurteilten Beträge schulde die Beklagte nach § 2 Satz 1, 2 Ziffer 7 des Gesamtsozialplanes vom 25.06.2003. Ausgehend von der Regelung im Gesamtsozialplan zählten zu dem zu berücksichtigenden Monatseinkommen auch die dem Kläger in den letzten 12 Monate gezahlten Grubenwehrzulagen. Es handele sich insoweit nicht um eine Einmalzahlung. Die Grubenwehrzulage werde als sozialversicherungspflichtiges Entgelt gezahlt. Es handele sich nicht um eine Mehrarbeitsgrundvergütung. Die Protokollnotiz stehe dem Erfolg der Klage nicht entgegen. Unstreitig sei die Protokollnotiz erst nahezu sieben Jahre später verfasst worden als die Regelung im Gesamtsozialplan. Auch für die Zukunft entfalte die Protokollnotiz keine für den Kläger ungünstige Wirkung. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könnten die Betriebspartner durch Betriebsvereinbarung Rechte und Pflichten derjenigen Mitarbeiter nicht begründen oder modifizieren, die bereits aus dem aktiven Arbeitsverhältnis ausgeschieden und in den Ruhestand eingetreten seien. Darauf, ob die Tätigkeit des Klägers als Hauptgerätewart außerhalb der Schichtzeit erbracht worden sei oder Teil der regelmäßigen Arbeitszeit des Klägers dargestellt habe, komme es nicht entscheidungserheblich an. Ein derartiges Kriterium finde sich in dem maßgeblichen Gesamtsozialplan vom 25.06.2003 nicht. Darüber, dass bei Einbeziehung der streitgegenständlichen Grubenwehrzulage ein weiterer monatlicher Betrag in Höhe von 1.265,26 Euro brutto geschuldet werde, bestehe zwischen den Parteien kein Streit. Unbegründet sei die Klage insoweit, als der Kläger in den eingeforderten Gesamtbetrag den Betrag für den Monat Juni 2009 doppelt einbezogen habe. Die Ansprüche seien nicht gemäß § 20 ABA verfallen. Der eingeforderte Zuschuss zum Anpassungsgeld sei keine Lohn- und Gehaltsforderung und unterfalle damit nicht der tariflichen Vorschrift. Für die Zukunft könne der Kläger monatlich weitere 1.265,26 Euro brutto beanspruchen. Der zukunftsbezogene Klageantrag sei nach § 257 ZPO zulässig. Er sei auch begründet.
Das Urteil ist der Beklagten am 17.08.2010 zugestellt worden. Die Beklagte hat am 16.09.2010 Berufung eingelegt und die Berufung nach Verlängerung der Frist bis zum 29.11.2010 am 29.11.2010 begründet.
Die Beklagte wendet ein, zu Unrecht habe das Arbeitsgericht entschieden, dass die Zahlungen für die Teilnahme an den Grubenwehrübungen unter der Lohnart 1015 bei der Berechnung des Garantieeinkommens nach dem Gesamtsozialplan einzubeziehen seien. Entgegen der Entscheidung des Arbeitsgerichts sei der Klageantrag zu 2) bereits unzulässig. Ein Anspruch auf Zuschuss zum Anpassungsgeld bestehe nur befristet, was sich im Klageantrag zu 2) auf zukünftige Leistungen nicht wiederfinde. Anspruch und Höhe des Anpassungsgeldes seien nicht gleichbleibend sondern zukünftigen Änderungen unterworfen (weitere Einzelheiten zu dieser Argumentation: S. 11 der Berufungsbegründung, Bl. 568 GA). In jedem Fall seien beide Anträge unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die eingeforderte Nachzahlung und keinen Anspruch auf anschließende monatliche Zahlungen von 1.265,26 Euro ab August 2010. Das Arbeitsgericht habe den Gesamtsozialplan unzutreffend ausgelegt. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei der Wortlaut des Gesamtsozialplans nicht im Sinne des Klägers eindeutig. Eine ausdrückliche Festlegung zur Lohnart 1015 “Grubenwehr-Übung außerhalb” enthalte der Sozialplan nicht. Das BAG habe in seinem Urteil vom 02.03.2004 (AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 13) zu einem Sozialplan der Beklagten entschieden, dass bei der dort zu prüfenden Betriebsvereinbarung die – ebenfalls nicht genannten – Lohnbeihilfen bei der Zuschussregelung für Kurzarbeit nicht zu berücksichtigen seien. Da der Wortlaut nicht eindeutig sei, sei der wirkliche Wille der Betriebsparteien zu berücksichtigen, soweit und sofern er im Regelungswerk Niederschlag gefunden habe. Der Sozialplan nehme aus der Berechnung Einmalzahlungen, Mehrarbeitsgrundvergütungen und nicht sozialversicherungspflichtige Entgeltbestandteile aus. Es habe gerade nicht der bisherige aktuelle Lebensstandard erhalten werden sollen. Bei Mitbetrachtung der wechselseitig mit dem Sozialplan verknüpften Richtlinien zur Gewährung des Anpassungsgeldes ergebe sich, dass letztlich ein abstrakt generalisierend berechneter Mindeststandard abgesichert werden solle und gerade keine individualisierte Einzelbetrachtung erfolgen solle. Mit Blick auf die angestrebte Mindestsicherung sei es absurd, wenn ein Verdienstbestandteil, der bereits im Rahmen des Anpassungsgeldes erhöhend berücksichtigt werde, zusätzlich noch einmal im Rahmen der von ihr, der Beklagten, zu erbringenden Zuschüsse Berücksichtigung erfahre und damit dann doppelt berücksichtigt werde. Unzutreffend habe das Arbeitsgericht auf Unterschiede zum früheren Sozialplan abgestellt, der der Entscheidung des ArbG Essen vom 09.12.2004 zugrunde gelegen habe (ArbG Essen 09.12.2004 – 13 Sa [sic] 1310/03 – / Weglassen der Worte “regelmäßige Arbeitszeit” und Ersetzen von “Bruttoarbeitseinkommen” durch “Bruttomonatseinkommen”). Die Abweichungen im Wortlaut könnten nicht im Sinne einer Abkehr von einer jahrzehntelangen einverständlichen tatsächlichen Handhabung interpretiert werden. Unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs und des Sinns und Zwecks der Regelungen und ausweislich der Protokollnotiz zum Gesamtsozialplan sei der Wortlaut eindeutig dahingehend zu verstehen, dass nur das reguläre geschuldete Arbeitseinkommen im Sinne des regelmäßigen Grundentgelts als Bemessungsentgelt für die Berechnung des Zuschusses heranzuziehen sei. Zu keiner Zeit habe sie Entschädigungen für Grubenwehrübungen außerhalb der Schichtzeiten zur Berechnung des Zuschusses zum Anpassungsgeld herangezogen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei die Protokollnotiz keineswegs unerheblich. Protokollnotizen zu Betriebsvereinbarungen entfalteten unmittelbare und zwingende Wirkung als authentische Interpretation oder als eigenständige Regelung. Mit der Protokollnotiz sei der Begriff des Bruttomonatseinkommens konstitutiv festgelegt mit dem rechtlichen Status einer Betriebsvereinbarung. Eine unzulässige Rückwirkung liege nicht vor. Die Protokollnotiz greife nicht unzulässig in bestehende Ansprüche ein. Ein etwaiges Bestandsschutzinteresse des Klägers überwiege das berechtigte Interesse der Betriebsparteien nicht. Bei der Beratung sei dem Kläger klar gewesen, dass sie, die Beklagte, die Entschädigungen für die Grubenwehrübungen nicht einbeziehe. Gleichwohl habe er sich für die Anpassung entschieden. Da es sich um eine Sozialplanregelung handele, stehe der Berücksichtigung der Protokollnotiz nicht entgegen, dass der Kläger im Zeitpunkt der Protokollnotiz aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden gewesen sei (BAG 21.07.1998 – 1 AZR 60/98 -; BAG 10.08.1994 – 10 ABR 61/93 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 86). Mit der Protokollnotiz hätten die Betriebsparteien zulässig von ihrer Kompetenz Gebrauch gemacht.
Der Überlegung der Kammer im Vergleichsvorschlag vom 16.06.2011, die hier streitigen Zulagen der Mehrarbeit gleichzustellen, sei nicht zu folgen (begründeter gerichtlicher Vergleichsvorschlag der Kammer vom 16.06.2011, Bl. 710 – 712 GA). Bei der Aufstellung von Sozialplänen bestehe für die Betriebsparteien ein weiter Spielraum. Es sei nicht zu beanstanden, wenn in die Berechnung nach dem Sozialplan der Ausgleich für eine freiwillige Zusatzbelastung außerhalb der vertraglichen Arbeitszeit nicht einbezogen werde. Der Ausgleich für eine freiwillig übernommene zusätzliche Belastung außerhalb der vertraglichen Verpflichtung sei nicht mit vertraglich geschuldeter und arbeitgeberseitig angeordneter Mehrarbeit vergleichbar – zumal die freiwilligen Belastungen mit dem Eintritt in den Ruhestand entfielen und es deshalb eines Ausgleichs für die Zukunft nicht bedürfe. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Betriebsparteien sich auf den Besitzstand beschränkt hätten, der aus arbeitsvertraglicher Verpflichtung entstandenen sei. Damit werde in rechtlich zulässiger Weise “Ungleiches” ungleich behandelt.
Nicht zutreffend sei die Darstellung des Klägers, er habe “rund um die Uhr” im Einsatz sein müssen. Seine Hauptaufgabe habe der Einsatzbereitschaft der notwendigen Gerätschaften gegolten. Er habe keineswegs bei allen Einsätzen persönlich vor Ort sein müssen. Neben dem Hauptgerätewart habe es zusätzliche Gerätewarte gegeben, die ebenfalls regelmäßig eingesetzt worden seien. Bei den Übungen hätten neben dem Kläger eine Vielzahl anderer Mitglieder der Grubenwehr bereit gestanden, die auch die Aufgaben des Gerätewarts hätten wahrnehmen können (Namen: Bl. 652 GA / auch Anlage B 26 “Übungs-Vergütungen für Grubenwehrmitglieder” Bl. 681 – 706). Nicht richtig sei der Hinweis des Klägers, sie habe es abgelehnt, einen zweiten Hauptgerätewart einzustellen. Wie ausgeführt hätten genügend ausgebildete Gerätewarte zur Verfügung gestanden.
Mit dem Vorgänger des Klägers M1 habe es tatsächlich eine von der einheitlichen jahrzehntelangen Übung abweichende Sondervereinbarung gegeben. Herr M1 sei seinerzeit nicht bereit gewesen, ohne eine Einbeziehung der Grubenwehrzulage in die Anpassung zu gehen. Aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen sei es dann – nach Einschaltung der Hauptabteilung Sozialwesen – zu der Ausnahme gekommen, dass ein Pauschalbetrag von 1.100,00 DM vereinbart worden sei. Die Sachbearbeiterin B5 habe dazu seinerzeit in einer Aktennotiz ausdrücklich festgehalten: “Generell gilt aber, daß die Übungsgelder nicht einbezogen werden.” (handschriftlicher Vermerk “Gesprächskreis zum Fall M1 am 30.03.1993” vom 30.03.1993, Anlage B 27, 707 GA). Der Kläger hingegen sei freiwillig in die Anpassung gegangen, nachdem ihm bei der Beratung am 09.01.2008 mitgeteilt worden sei, dass die Grubenwehrzulage nicht einberechnet werde. Soweit es nachvollziehbar sei, sei für den vom Kläger angeführten Mitarbeiter B4 keine Ausnahme gemacht worden. Nicht richtig sei die Darstellung des Klägers, Herr S3 habe ihm eine Zusicherung gemacht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des ArbG Herne vom 28.07.2010 – 1 Ca 1892/09 – abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Entgegen der Argumentation der Beklagten sei der Wortlaut des Gesamtsozialplans eindeutig. Die Begriffe Entgelt und Bruttoarbeitseinkommen seien vom Sozialplan eindeutig definiert. Das im Sozialplan in Bezug genommene Entgelt der letzten 12 abgerechneten Monate werde dokumentiert durch die entsprechenden Entgeltabrechnungen. Aus diesen Entgeltabrechnungen werde das laufende RV-pflichtige Entgelt mit Ausnahme der Mehrarbeitsgrundvergütung als Entgelt i.S.d. Sozialplans verstanden / verwendet. Die enumerative Aufzählung der nicht zum Bruttomonatseinkommen zählenden Bezüge sei auf die Mehrarbeitsgrundvergütung beschränkt, die Grubenwehr- und Gasschutzwehrzulagen seien nicht aufgenommen. Die Zugrundelegung dieses Entgeltbegriffs sei systematisch und nach Sinn und Zweck der Betriebsvereinbarung richtig. Die Argumentation der Beklagten zu einer “absurden” Doppelberücksichtigung der Zahlungen für die Grubenwehrübungen sei unzutreffend. Nur die Doppelberücksichtigung der gleichen Entgeltbestandteile bei Anpassungsgeld und betrieblichem Zuschuss führe zu einer Synchronität, die erst das Garantieeinkommen errechenbar mache. Die unstreitige Einbeziehung der Grubenwehrzulage bei der Berechnung des Anpassungsgeldes spreche gerade dafür, diese synchron auch bei der Berechnung des betrieblichen Zuschusses einzubeziehen. Bei systematischer Auslegung des § 2 Nr. 7 Abs. 3 Gesamtsozialplan sei kein Grund ersichtlich, die Grubenwehrzulagen – welche Gefahren, Erschwernisse und Bereitschaftsdienste abgölten – anders zu behandeln als Schichtzulagen.
Zur historisch ausgerichteten Argumentation der Beklagten sei darauf hinzuweisen, dass es im Sozialplan von 1995 geheißen habe “…Das Garantieeinkommen beträgt 60 % seines monatlichen Bruttoarbeitseinkommens bei regelmäßiger Arbeitszeit im Durchschnitt der der Entlassung vorausgegangenen 3 Monate, höchstens jedoch ….”. (Kopie des Textes des Jahres 1995: Bl. 643, 644 GA). Mithin sei der Sozialplan 2003 gerade zu der hier streitgegenständlichen Systematik grundlegend verändert worden. Der Sozialplan von 1995 unterscheide sich nach Systematik und Begrifflichkeit vollständig vom Sozialplan des Jahres 2003.
Entgegen den Ausführungen des Gerichts im Beschluss vom 16.06.2011 (= begründeter Vergleichsvorschlag, Bl. 710 ff GA / s.o.) könne die Grubenwehrzulage nicht wie die Mehrarbeitsvergütung behandelt werden. Die Vorstandsrichtlinie DSK VR 02/07 hebe ausdrücklich hervor, dass es sich bei den dort vorgesehenen Zulagen nicht um eine Mehrarbeitsvergütung im Sinne des Arbeitsvertrags handele. Auch habe die Beklagte für seine Tätigkeiten, die außerhalb bzw. nach dem Ende der Tagschicht gelegen hätten, niemals einen Antrag auf Genehmigung von Mehrarbeit gestellt. Anträge auf Mehrarbeit hätte der Betriebsrat angesichts der Gegebenheiten aus arbeitszeitrechtlichen Gründen regelmäßig ablehnen müssen (weitere Einzelheiten Bl. 724 GA). Die Beklagte sei davon ausgegangen, dass die von ihm verrichtete Übungs- und Schulungstätigkeit keine Mehrarbeit sei sondern Teil der ihm nach Ziffer 4 des Planes für das Grubenrettungswesens – insb. 4.4.1 bis 4.4.2 – zugewiesenen Aufgaben. Er hätte die entsprechenden Zeiten nicht durch die Stempeluhr erfassen lassen können. Dort wäre dann “rot” für eine unzulässige Arbeitszeit bzw. eine unzulässige Einbuchung gezeigt worden. Zu berücksichtigen sei auch, dass nach der langjährigen und tarifvertraglich abgesicherten Praxis Mehrarbeit grundsätzlich durch Freizeitgewährung abzugelten sei. Nahezu nie werde die Grenze von 3 Schichten je Monat überschritten. Mehrarbeit werde im laufenden Monat oder im sechsmonatigen Ausgleichszeitraum ausgeglichen. Die Mehrarbeitsgrundvergütung finde deshalb – von seltenen Ausnahmen abgesehen – wegen des Freizeitausgleichs regelmäßig keine Aufnahme in das Bruttomonatseinkommen. Regelmäßig finde sich jedoch der Mehrarbeitszuschlag von 25 %, 50 % oder 100 % in der Abrechnung wieder. Ebenso wie die Mehrarbeitszuschläge für die Flexibilität träten auch die Vergütungen für die Tätigkeiten in der Grubenwehr, für die kein Freizeitausgleich vorgesehen sei, als besondere Belastung zu den Schichtarbeitszeiten des Arbeitnehmers hinzu.
Die Beklagte habe seine Arbeitsleistung als Hauptgerätewart in einem Zeitkorridor von 6.00 Uhr – 22.00 Uhr abgerufen und mitunter bei nächtlichen Alarmübungen. Er habe sich diese Einsatzzeiten nicht selbst zugewiesen. Auf die praktizierte Weise habe die Beklagte die Stelle eines zweiten Hauptgerätewartes nicht einrichten müssen. Für die Beklagte sei das Vorhalten nur eines Hauptgerätewartes und die Zahlung nur eines Tarifgehaltes finanziell günstiger gewesen. Die Auffassung der Beklagten, die Vorstandsrichtlinie zur Zahlung der Grubenwehrzulagen stehe außerhalb des Synallagmas, sei systematisch unzutreffend. Die Bezugsgröße der Grubenwehr- und Gasschutzwehrzulagen unterliege der tariflichen Dynamisierung.
Durch das Beratungsgespräch habe er seinen Anspruch auf Vertrauensschutz nicht verloren.
Bei der Verabschiedung seines Vorgängers M1 habe der Leiter Personal- und Sozialwesen S3 ihm die Zusage gegeben, die Grubenwehrzulage werde bei der Berechnung seines Bruttomonatsentgeltes einbezogen. Sowohl bei seinem Vorgänger M1 wie auch im Fall des G1 B4 sei die Grubenvergütung bei Errechnung des betrieblichen Zuschusses einbezogen worden. Schon aus diesem Grund habe er annehmen dürfen, gleich behandelt zu werden.
Zu berücksichtigen sei, dass die Beklagte weitere Lohnarten für Tätigkeiten außerhalb der Schicht (z.B. Vergütung für Rufbereitschaften und Vergütung für Betriebsratssitzungen außerhalb der Schicht) in die Berechnung des Garantieeinkommens einbeziehe.
Zu berücksichtigen sei, dass er von 1993 bis 2006 in den 14 Jahren vor dem Referenzzeitraum durchschnittlich 31,25 % seines gesamten Monatsverdienstes durch Grubenwehrvergütungen / Zulagen erzielt habe und im Referenzzeitraum von Dezember 2006 bis November 2007 durchschnittlich 43 % (Gehaltsabrechnungen Januar 1993 bis Dezember 2006, Anlagen K 1 – K 168, Bl. 800 – 1080 GA nebst Aufstellungen zu den monatlichen prozentualen Anteilen der Grubenwehrbezüge, Bl. 1081 – 1093 GA).
Entgegen der Berufungsbegründung sei der Klageantrag zu 2) zulässig. Die zu erwartende Verminderung des Zuschusses beschränke sich auf voraussichtlich 0,5 % pro Jahr (Einzelheiten S. 10 Berufungserwiderung, Bl. 635 GA).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Tatsachenvorbringens der Parteien und wegen weiterer Einzelheiten ihrer rechtlichen Argumentation wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Gründe
Die Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 b) ArbGG. Die Berufung ist form- und fristgerecht entsprechend den Anforderungen der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.
Die Berufung ist in der Sache begründet. Entgegen der Entscheidung des Arbeitsgerichts ist die zulässige Klage unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Nachzahlung betrieblicher Zuschüsse zum Anpassungsgeld. Der Klageforderung steht die von den Betriebsparteien am 27.05.2010 niedergelegte Protokollnotiz entgegen (II 1). Die Protokollnotiz ist weder wegen des Wortlauts des Gesamtsozialplans vom 25.06.2003 (II 2) noch wegen einer etwaig unzulässigen Rückwirkung (II 3) rechtlich unbeachtlich. Die Klageforderung ist schließlich nicht aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten begründet (II 4).
I. Die Klage ist insgesamt zulässig. Dies ist für den Klageantrag zu 1) unproblematisch und folgt für den auf zukünftige Leistungen gerichteten Klageantrag zu 2) aus § 258 ZPO. Nach § 258 ZPO kann bei wiederkehrenden Leistungen, die nicht von einer Gegenleistung abhängig sind (BAG NZA 1995, 1109), auch wegen der nach Erlass des Urteils fällig werdenden Leistungen Klage auf zukünftige Entrichtung erhoben werden. Der streitgegenständliche Anspruch auf einen monatlich zu zahlenden betrieblichen Zuschuss zum Anpassungsgeld entspricht diesen gesetzlichen Anforderungen. Für Änderungen im weiteren zeitlichen Verlauf ist die Beklagte auf die Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO oder die Abänderungsklage nach § 323 ZPO verwiesen (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 28. Auflage 2009, § 258 ZPO Rn. 1 b, 3).
II. Die zulässig gestellten Klageanträge sind unbegründet. Ein Anspruch auf Zahlung zusätzlicher betrieblicher Zuschüsse zum Anpassungsgeld besteht nicht.
1. Dies folgt aus dem Gesamtsozialplan vom 25.06.2003 i.V.m. der Protokollnotiz vom 27.05.2010. Nach der Protokollnotiz vom 27.05.2010 sind die Bezüge, die der Kläger für die Teilnahme an Übungen der Grubenwehr außerhalb der Schichtzeit erhalten hat, nicht in das Garantieeinkommen für die Berechnung des Zuschusses zum Anpassungsgeld nach dem Gesamtsozialplan vom 25.06.2003 einzubeziehen. Unstreitig sind dies die Bezüge, aus denen der Kläger seinen Anspruch auf einen höheren Zuschuss zum Anpassungsgeld auf Basis eines höheren Garantieeinkommens herleitet.
Die Protokollnotiz ist vom Vorstand der Beklagten und vom Gesamtbetriebsrat vereinbart und unterschrieben worden. Das sind die Parteien des Gesamtsozialplans vom 25.06.2003. Die Parteien des Gesamtsozialplans vom 25.05.2003 haben mit der Protokollnotiz ihre Übereinstimmung niedergelegt, dass u.a. die Lohn- und Gehaltsart “1015 Grubenwehr-Übung außerhalb” bei der Ermittlung des Zuschusses zum Anpassungsgeld nicht zu berücksichtigen ist und dass dieses gemeinsame Verständnis bei Abschluss des Gesamtsozialplans am 25.06.2003 vorhanden war und dem Abschluss des Gesamtsozialplans zugrunde lag. Es ist anerkannt, dass Protokollnotizen der Betriebsparteien als eigenständige normative Ergänzung zu einer von ihnen abgeschlossenen Betriebsvereinbarung oder als authentische Interpretation der Betriebsvereinbarung Wirkung entfalten können (BAG 02.10.2007 EzA § 77 BetrVG 2001 Nr. 20; Fitting, BetrVG, 25. Aufl. 2010, § 77 BetrVG Rn. 15). Die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform ist eingehalten. Auf die beigefügte Anlage ist im Text der Protokollnotiz Bezug genommen, eine eigenständige Unterschrift unter der Anlage ist entbehrlich (vgl. GK-BetrVG, 9. Aufl. 2010, § 77 BetrVG Rn. 45). Auch der Kläger erhebt insoweit keine Einwände. Der Anwendung der Protokollnotiz steht nicht entgegen, dass der Kläger am 27.05.2010 nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten stand. Die Protokollnotiz betrifft eine Regelung in einem Sozialplan. In einem solchen Kontext können die Betriebsparteien Regelungen auch mit Wirkung für inzwischen ausgeschiedene Arbeitnehmer treffen (BAG 05.10.2000 AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 141 unter II 1 c; BAG 10.08.1994 – 10 ABR 61/93 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 86 unter II 3 c cc; Fitting, BetrVG, 25. Aufl. 2010 § 77 BetrVG Rn. 37). Die Regelung der Protokollnotiz hält sich im inhaltlich zulässigen Rahmen. Die Betriebsparteien haben bei der Aufstellung eines Sozialplans einen weiten Spielraum für die Bestimmung eines angemessenen Ausgleichs. Sie können auch vorsehen, dass bei der Berechnung von Ausgleichszahlungen nur bestimmte Entgeltbestandteile einzubeziehen sind, sofern die vorgegebene Berechnung nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG verstößt (BAG 02.10.2007 EzA § 77 BetrVG 2001 Nr. 20). Der Ausschluss der Bezüge für Grubenwehrübungen außerhalb der Schichtzeit hält sich innerhalb des vorgegebenen Rahmens. Angesichts des Umstandes, dass auch die Mehrarbeitsgrundvergütung bei der Berechnung des Garantieeinkommens unberücksichtigt bleibt, liegt keine unzulässige Ungleichbehandlung vor. Auch bei der Mehrarbeitsgrundvergütung handelt es sich um Entgelt für eine außerhalb der regulären Schichtzeit verrichtete Tätigkeit.
Aus der Protokollnotiz vom 27.05.2010 ergibt sich die Rechtsfolge, dass die Bezüge, die der Kläger für die Teilnahme an Übungen der Grubenwehr außerhalb der Schichtzeit erhalten hat, nicht in das Garantieeinkommen einzubeziehen sind. Dies führt zur Unbegründetheit der Klageforderungen.
2. Der Willenseinigung der Betriebsparteien in der Protokollnotiz vom 27.05.2010 steht der Wortlaut des Gesamtsozialplans vom 25.06.2003 nicht entgegen.
Es ist anerkannt, dass die Betriebsparteien bestehende Unklarheiten und Regelungslücken einer Betriebsvereinbarung durch eine authentische Interpretation auch rückwirkend beseitigen können, wenn dies der Beseitigung einer unklaren Rechtslage dient (BAG 27.03.2007 AP BetrAVG § 2 Nr. 57). Eine solche Situation war hier gegeben. Der Gesamtsozialplan regelt ausdrücklich weder positiv noch negativ, wie Bezüge für Übungen der Grubenwehr bei der Berechnung des Garantieeinkommens zu handhaben sind. Angesichts des komplex ausdifferenzierten Abrechnungssystems der Beklagten mit einer Unterscheidung von deutlich mehr als 150 verschiedenen Arten von Bezügen erscheint zweifelhaft, ob das vom Arbeitsgericht angenommene (strenge) Enumerationsprinzip tatsächlich dem zum Ausdruck gebrachten Willen der Betriebsparteien des Gesamtsozialplans vom 25.06.2003 entspricht. Zweifel ergeben sich auch deshalb, weil die Betriebsparteien die Mehrarbeitsgrundvergütung und damit sozialversicherungspflichtige Bezüge, die ebenfalls für Tätigkeiten “außerhalb der Schichtzeit” gezahlt werden, ausdrücklich aus der Berechnung des Garantieeinkommens ausgenommen haben. Fraglich erscheint, ob eine Ungleichbehandlung von Mehrarbeitsgrundvergütung einerseits und Grubenwehrtätigkeit außerhalb der Schichtzeit andererseits sachlich zu rechtfertigen und gewollt ist oder ob nicht die vom Kläger favorisierte Berechnung des Garantieeinkommens zu einer unzulässigen und mit § 75 BetrVG nicht zu vereinbarenden Ungleichbehandlung führt. Eine weitere Unklarheit resultiert aus dem Umstand, dass die strittigen Grubenwehrbezüge an den Kläger nicht auf der Grundlage seines Arbeitsvertrages und seiner tariflichen Eingruppierung sondern auf der Grundlage der Vorstandsrichtlinie DSK VR 02/07 “Bezahlung der Gruben und Gasschutzwehren” geleistet worden sind, wie dies auch bei den sonstigen Mitgliedern der freiwilligen Grubenwehr geschieht. Die freiwillige Mitgliedschaft in der Grubenwehr basiert auf einer Rechtsbeziehung, die von den Arbeitnehmern außerhalb ihrer arbeitsvertraglichen Bindung zusätzlich freiwillig eingegangen wird. Daraus resultiert die in der mündlichen Verhandlung diskutierte Frage, ob die auf der Grundlage der Vorstandsrichtlinie DSK VR 02/07 geleisteten Zahlungen an die freiwilligen Mitglieder der Grubenwehr überhaupt Bestandteil des “Brutto-Monatseinkommens” im Sinne des § 2 Abs.3 des Gesamtsozialplan sind oder ob sie nicht wegen ihrer außervertraglichen Grundlegung außerhalb des arbeitsvertraglichen Synallagmas stehen und wegen dieses Rechtscharakters keinen Eingang in das Garantieeinkommen finden. Angesichts der aufgezeigten Unklarheiten war der Weg zu einer authentischen Interpretation durch Protokollnotiz eröffnet.
3. Die Festlegungen in der Protokollnotiz vom 27.05.2010 verstoßen nicht gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot.
Bei der Rückwirkung von Rechtsnormen ist zwischen echter und unechter Rückwirkung zu unterscheiden. Echte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Rechtsnorm nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift. Sie ist verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig. Unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Rechtsnorm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet. Sie ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Grenzen der Zulässigkeit ergeben sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip. Sie sind überschritten, wenn die vom Normgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Normzwecks nicht geeignet oder nicht erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe der Neuregelung überwiegen (BAG 02.10.2007 EzA § 77 BetrVG 2001 Nr. 20).
Nach diesen Grundsätzen kommt der Protokollnotiz vom 27.05.2010 keine echte Rückwirkung zu. Sie greift nicht zulasten des Klägers in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand des Ausgleichs wirtschaftlicher Nachteile ein. Der Anspruch auf den betrieblichen Zuschuss zum Anpassungsgeld war zwar im Zeitpunkt der Unterzeichnung der Protokollnotiz schon entstanden, aber noch nicht erfüllt. Die Beklagte hat dem Kläger den Zuschuss zum Anpassungsgeld lediglich in der zwischen den Parteien nicht streitigen (geringen) Höhe ausgezahlt, den von dem Kläger darüber hinaus geforderten Betrag hat sie von Anfang an verweigert. Der nachträglich geregelte Lebenssachverhalt war deshalb am 27.05.2010 noch nicht abgewickelt. Die mit der Protokollnotiz verbundene unechte Rückwirkung verletzt nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Regelungen der Protokollnotiz waren geeignet und erforderlich, um das von den Betriebsparteien erstrebte Ziel zu erreichen. Dieses bestand darin, Bezüge für Tätigkeiten außerhalb der regulären Schichtzeit aus der Berechnung des Garantieeinkommens auszunehmen und die insoweit nach dem Wortlaut des Gesamtsozialplans bestehende Unklarheit im Sinne einer Gleichbehandlung mit der Mehrarbeitsgrundvergütung zu beseitigen. Auch der Grundsatz des Vertrauensschutzes ist nicht verletzt. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers auf einen höheren als den ihm tatsächlich zugeflossenen Zuschussbetrag ist nicht begründet worden. Unstreitig hat die Beklagte dem Kläger im vorgeschalteten Beratungsgespräch am 09.01.2008 deutlich gemacht, dass sie die (beträchtlichen) Bezüge für die Grubenwehrtätigkeit außerhalb der Schichtzeit nicht in Berechnung des Garantieeinkommens einbeziehen werde. Der von dem Kläger unterzeichnete Beratungsbogen weist den vom Kläger zu erwartenden Zuschussbetrag mit “ca. Euro 138,36” in der Größenordnung zutreffend aus. Nach dieser Mitteilung konnte der Kläger nicht darauf vertrauen, dass die Beklagte einen um ein Vielfaches höheren Zuschussbetrag zahlen werde. Erst nach der in diesem Sinne erfolgten Beratung hat sich der Kläger im Jahr 2008 entschieden, in die Anpassung zu gehen. Die Protokollnotiz vom 27.05.2010 verstößt bei dieser Sachlage nicht gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot.
4. Ein Anspruch auf einen höheren betrieblichen Zuschuss zum Anpassungsgeld ergibt sich nicht aus den sonstigen vom Kläger angeführten Umständen. Die von dem Kläger behaupteten Aussagen des Betriebsdirektors S3 aus dem Jahr 1992 können schon deshalb nicht zur Anspruchsbegründung herangezogen werden, weil der hier maßgebliche Gesamtsozialplan erst im Jahr 2003 vereinbart worden ist und die Aussage des Herrn S3 auf der Grundlage einer inzwischen überholten Rechtslage erfolgt ist. Aber auch abgesehen davon liegt in der vom Kläger dargestellten Bemerkung des Herrn S3 keine rechtsbegründende Zusage. Die anlässlich der Verabschiedung des Vorgängers des Klägers getane Äußerung erschöpft sich nach Inhalt und Gesprächssituation in einer Beschreibung der von Herrn S3 angenommenen Rechtslage. Ein Wille, einen über die allgemeinen Regeln des rheinischwestfälischen Steinkohlebergbaus hinausgehenden Anspruch auf betrieblichen Zuschuss zum Anpassungsgeld zu begründen, ist mit der behaupteten Erklärung nicht zum Ausdruck gebracht. Gleiches gilt für die vom Kläger angeführten Äußerungen des Herrn B3 aus dem Jahr 1998. Gegen eine anspruchsbegründende Wirkung sprechen auch hier die bereits soeben für die Äußerung des Herrn S3 aufgezeigten Gesichtspunkte. Hinzu tritt der weitere Umstand, dass Herr B3 seinerzeit (noch) nicht Betriebsdirektor war sondern (lediglich) Mitglied des Betriebsrats und damit keine Position bekleidete, in der er mit Verbindlichkeit für den Arbeitgeber Ansprüche zusagen konnte. Auch der Hinweis des Klägers auf den Fall M1 führt nicht zum Erfolg der Klage. Die Beklagte hat im Einzelnen dargestellt, dass es sich bei Herrn M1 um einen Sonderfall handelte, in dem eine von der allgemeinen Praxis abweichende Individualvereinbarung getroffen worden ist. Dem ist der Kläger nicht mit beachtlichem Sachvortrag entgegen getreten. Weiter hat der insoweit darlegungspflichtige Kläger nicht substantiiert dargelegt, dass die Beklagte in sonstigen Fällen (außer M1) den betrieblichen Zuschuss zum Anpassungsgeld in dem von ihm reklamierten Sinn berechnet hätte. Damit hat der Kläger nicht aufgezeigt, dass es eine generelle Handhabung bei der Beklagten gab, die streitgegenständlichen Grubenwehrbezüge in die Berechnung des Garantieeinkommens für den betrieblichen Zuschuss zum Anpassungsgeld einzubeziehen. Angesichts der abgehandelten Gesamtumstände ergibt sich ein Zahlungsanspruch auch nicht aus dem Gesichtspunkt geschuldeten Schadensersatzes. Der Beklagten ist weder eine unerlaubte Handlung i.S.d. §§ 823 ff BGB anzulasten noch hat sie bei der Abwicklung der Angelegenheit vertragliche Pflichten verletzt (§ 280 BGB).
III. Nach § 91 Abs. 1 ZPO hat der unterlegene Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache hat die Kammer gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

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Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

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