LAG Hamm, Urteil vom 22.05.2013 – 4 Sa 1232/12

Juni 29, 2020

LAG Hamm, Urteil vom 22.05.2013 – 4 Sa 1232/12

1. In einer Betriebsvereinbarung kann jedenfalls dann nicht wirksam bestimmt werden, dass zur Ermittlung der monatlichen Sollarbeitszeit eines Arbeitnehmers ohne Berücksichtigung der anfallenden Wochenfeiertage die Zahl der Kalendertage des betreffenden Monats durch sieben zu teilen und mit der vom Arbeitnehmer geschuldeten Wochenarbeitszeit zu multiplizieren ist, wenn in einer Pflegeeinrichtung die dienstplanmäßige Einteilung der Mitarbeiter unabhängig von einem feststehenden abstrakten Schema erfolgt und an Wochenfeiertagen ein verdünnter Personalbedarf besteht. Eine derartige Regelung verstößt dann gegen § 2 Abs. 1 EFZG und ist daher nach § 12 EFZG i.V.m. § 134 BGB unwirksam.

2. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG eröffnet den Betriebsparteien die Möglichkeit, durch Betriebsvereinbarung Arbeitszeitkonten für die im Betrieb beschäftigten Mitarbeiter einzuführen. Im Rahmen einer derartigen Regelung kann auch bestimmt werden, dass entgegen einer zuvor im Betrieb geübten Praxis Mehrarbeitszuschläge nur noch zu zahlen sind, sofern die Summe der auf dem Arbeitszeitkonto verbuchten Plusstunden einen bestimmten Saldo überschreitet.

3. Wenn ein Formulararbeitsvertrag nicht ausdrücklich eine entgegenstehende Bestimmung enthält, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass er hinsichtlich der Einführung von Arbeitszeitkonten und aller damit im Zusammenhang stehender Regelungen unter dem stillschweigenden Vorbehalt der Ablösung durch eine spätere Betriebsvereinbarung (“Betriebsvereinbarungsoffenheit”) steht. Der Arbeitnehmer kann sich in einem solchen Fall nicht auf das Günstigkeitsprinzip berufen.

4. Die feste Verbindung eines von allen Betriebsratsmitgliedern unterzeichneten Zustimmungsbeschlusses mit der nur vom Arbeitgeber unterschriebenen Ausfertigung einer Betriebsvereinbarung ersetzt nicht die nach § 77 Abs. 2 Satz 2, 1. Halbs. BetrVG erforderliche Unterschrift des Betriebsratsvorsitzenden unter der Betriebsvereinbarung und verstößt deshalb gegen § 126 BGB.

5. Die Betriebsparteien können eine Betriebsvereinbarung grundsätzlich auch rückwirkend in Kraft setzen. Allerdings dürfen sie dadurch den im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern nicht bereits entstandene Ansprüche abschneiden. Eine derartige “echte Rückwirkung” ist regelmäßig unzulässig.

6. Will ein Arbeitgeber wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten eine Sondervergütung kürzen, bedarf es dafür einer normativen oder vertraglichen Kürzungsgrundlage. § 4a EFZG setzt eine derartige Regelung voraus und stellt selbst keine Rechtsgrundlage für die Vornahme einer Kürzung dar.
Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 31.07.2012 abgeändert und klarstellend wie folgt neu tenoriert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Arbeitszeitkonto der Klägerin 11,54 Stunden gutzuschreiben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 32,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.08.2011 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, für Feiertage, an denen die Klägerin dienstplanmäßig nicht zur Arbeit eingeteilt ist, eine Sollarbeitszeit in Ansatz zu bringen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Beklagte wird verurteilt, dem Arbeitszeitkonto der Klägerin weitere 35,32 Stunden gutzuschreiben.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen beide Parteien jeweils die Hälfte.

IV. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche sowie Zeitgutschriften auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin.

Die Klägerin ist seit dem 01.05.1989 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger als Pflegehilfskraft in Teilzeit mit 20 Wochenstunden auf Grundlage eines Arbeitsvertrags vom gleichen Tag beschäftigt. Darin heißt es u.a.:

” . . .

(5) Höhe und Zusammensetzung der Vergütung richten sich nach den Bestimmungen des Krankenpflegetarifs.

Im einzelnen gilt:

Vergütung erfolgt nach Vergütungsgruppe I des Kr.T. (halbtags).

monatlich Grundvergütung DM 796,20

Ortszuschlag Klasse II, Stufe 1 DM 320,31

Tarifliche Zulage DM 33,50

Geriatriezuschlag DM 33,50

Gesamtbruttoverdienst monatlich DM 1.183,51

. . .

(8) Besteht dafür ein dringendes Bedürfnis, so wird der Mitarbeiter auf Anordnung der Heimleitung vorübergehend auch eine andere als die in Ziffer 1 vorgesehene Tätigkeit verrichten. Im übrigen werden Arbeitsplatz, Arbeitszeiten einschließlich Pausen sowie der Arbeitsablauf von der Heimleidung, ggf. im Einvernehmen mit der Mitarbeitervertretung, unabhängig von diesem Vertrag bestimmt. Der Mitarbeiter verpflichtet sich, den dienstlichen Anweisungen ihm vorgesetzter Mitarbeiter und der Heimleitung Folge zu leisten. Ändert sich während des Beschäftigungsverhältnisses mit ausdrücklicher oder stillschweigender Zustimmung des Mitarbeiters ein Teil dieses Vertrages, so wird der übrige Inhalt dadurch nicht berührt.

. . .

(13) Mündliche Nebenabsprachen zu diesem Vertrag wurden nicht vereinbart. Änderungen und Ergänzungen, für die nicht Ziffer 8 zutrifft, bedürfen der Schriftform. Eine Ausfertigung dieses Vertrags habe ich erhalten.

. . . “

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Aktenblatt 7 – 9 Bezug genommen. Zuletzt erzielte die Klägerin eine monatliche Grundvergütung in Höhe von 1.028,38 € brutto. Mehrarbeit wurde bei der Beklagten stets mit einem Zuschlag von 20 % vergütet, wobei die Abrechnung teilweise quartalsweise, nach dem Inkrafttreten einer “Betriebsvereinbarung zur Dienstplangestaltung” vom 20.08.2008 monatlich erfolgte.

Die Beklagte betreibt die Alten- und Pflegeeinrichtung “F1-Haus” in G1. Die Pflegekräfte werden in drei Wohnbereichen im Dreischichtbetrieb rund um die Uhr beschäftigt. Ihr Einsatz erfolgt aufgrund von Dienstplänen. Die Grundsätze für die Aufstellung der monatlichen Dienstpläne richteten sich zuletzt nach der bereits erwähnten “Betriebsvereinbarung zur Dienstplangestaltung” vom 20.08.2008, wegen deren Einzelheiten auf Aktenblatt 15 – 18 verwiesen wird.

Im Frühjahr 2011 verhandelten die Betriebsparteien über den Abschluss einer Nachfolgedienstvereinbarung (BV 2011), die schließlich seitens der Beklagten unter dem Datum vom 31.03.2011 unterzeichnet wurde. Der bei der Beklagten gebildete Betriebsrat fertigte ebenfalls am 31.03.2011 ein Schriftstück mit folgendem Wortlaut:

” . . .

Betr. Betriebsvereinbarung

Die Betriebsvereinbarung wurde vom Betriebsrat beschlossen und einstimmig angenommen.”

Das Schreiben wurde von allen Betriebsratsmitgliedern unterzeichnet. Die Betriebsvereinbarung selbst wurde am 28.07.2011 im Zusammenhang mit einer vom Betriebsrat erfolglos gewünschten Änderung von der Geschäftsführerin der Beklagten und dem Betriebsratsvorsitzenden unterschrieben. Sie enthält u.a. folgende Bestimmungen:

” . . .

§ 3 Dienstplangrundsätze

(1) Dienstpläne dokumentieren jeweils den Zeitraum von einem Monat (Dienstplanperiode). Sie enthalten für jeden Arbeitnehmer die individuelle Schichtfolge und Schichtlänge.

. . .

(4) Bei Diensten an Feiertagen muss dem Arbeitnehmer ein “Feiertagsausgleich” innerhalb eines den Beschäftigungstag einschließenden Zeitraums von acht Wochen gewährt werden. Die Vergütung für Arbeit an Feiertagen beträgt 125 % der für den Arbeitnehmer maßgeblichen regelmäßigen Vergütung.

(5) Bei der Planung der Dienste soll in der Regel möglichst gewährleistet sein, dass jedes zweite Wochenende für die Mitarbeiter frei ist. es müssen mindesten 15 Wochenenden in Kalenderjahr frei sein (Samstag und Sonntag).

Teilzeitkräfte haben entsprechend den Vollzeitkräften den gleichen Anspruch auf diese freien Wochenenden.

(6) Es sind maximal sieben Nachtdienste hintereinander zulässig. Danach folgen ein Ausschlaftag sowie mindestens zwei freie Tage. Es sind maximal zwölf Tagdienste hintereinander zulässig. Danach folgen mindestens zwei freie Tage.

. . .

§ 5 Arbeitszeitkonto

(1) Für jeden Arbeitnehmer wird ein fortlaufendes Arbeitszeitkonto geführt und in den Dienstplänen ausgewiesen. Es dient der Feststellung der geleisteten Arbeitszeit. Bis zur Einrichtung des Arbeitszeitkontos geleistete Überstunden (Plusstunden) werden dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben. Das gleiche gilt für ein noch zu erbringendes Zeitsoll (Minusstunden). In dem Arbeitszeitkonto werden mindestens erfasst:

– die monatliche Sollarbeitszeit für die Dienstplanperiode;

– die tatsächlich geleistete Arbeitszeit;

– die Differenz zwischen Sollarbeitszeit und tatsächlich geleisteter Arbeitszeit;

– der Kontostand am Ende einer jeden Dienstplanperiode.

(2) Die von einem Arbeitnehmer zu erbringende monatliche Sollarbeitszeit für die Dienstplanperiode wird wie folgt berechnet:

Anzahl der Tage des Monats geteilt durch 7 (= tatsächlich Anzahl der Wochen) multipliziert mit der von dem Arbeitnehmer geschuldeten Wochenarbeitszeit.

(3) Arbeitnehmer können aus betrieblichen Gründen mit Plus- und Minusstunden geplant werden.

(4) Überschreitet das Arbeitszeitkonto mehr als 75 Plusstunden über einen Zeitraum von mehr als 2 Dienstplanperioden, so erfolgt eine Rückführung des Arbeitszeitkontos bis zu den vorgenannten Plusstunden durch Auszahlung mit der dann folgenden Gehaltsabrechnung. Ausgezahlte Plusstunden werden mit einem Aufschlag von 20% vergütet. Das Arbeitszeitkonto ist auf grundsätzlich maximal 30 Minusstunden zu beschränken.

. . .

§ 11 Schlussbestimmungen

Diese Betriebsvereinbarung tritt zum 01.04.2011 in Kraft. Sie kann mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

. . . “

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Aktenblatt 10 – 14 Bezug genommen.

Die BV 2011 wurde von der Beklagten nach Bekanntmachung in zwei Betriebsversammlungen am 03. und 04.05.2011 – an denen die Klägerin krankheitsbedingt nicht teilgenommen hat – ab Juni 2011 angewandt. Dies führte für die Beschäftigten u.a. dazu, dass angefallene Mehrarbeitsstunden nicht mehr monatlich abgerechnet wurden und die monatlich zu leistende Sollarbeitszeit nach § 5 Abs. 2 BV 2011 errechnet wurde. Bis dahin war diese stets so ermittelt worden, dass von den Tagen des Monats die Sonn- und (Wochen-)Feiertage abgezogen wurden, das Ergebnis durch sechs geteilt und mit der jeweils geschuldeten Wochenarbeitszeit multipliziert wurde.

Die Soll- und Istarbeitszeiten der Klägerin ab Juli 2011 ergeben sich, soweit vorgetragen und für den Rechtsstreit von Bedeutung, aus folgender Tabelle:

Monat

Ist-Stunden

Soll-Stunden BV 2011

Sollstunden alt

Juli 2011

90,73

88,57

86,58

Aug 2011

88,57

89,91

Sept 2011

85,71

86,58

Okt 2011

96,66

88,57

83,25

Nov 2011

85,71

83,25

Dez 2011

89,00

88,57

86,58

Jan 2012

88,57

86,52

Feb 2012

März 2012

April 2012

85,71

76,59

Mai 2012

88,57

79,92

Juni 2012

85,71

83,25

Juli 2012

Aug 2012

Sept 2012

Okt 2012

88,57

86,58

Nov 2012

85,71

83,25

Dez 2012

88,57

79,92

Jan 2013

88,57

86,58

In der Zeit vom 04.04. bis 23.06.2011 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt und hatte nachfolgend vom 24.-30.06.2011 Urlaub in Anspruch genommen. Im Dienstplan für den Monat Juni 2011 war die von ihr zu leistende Sollarbeitszeit zunächst mit 18,46 Stunden ausgewiesen. Dies wurde später seitens der Beklagten auf 19,98 abgeändert. Im Jahr 2011 hat die Klägerin an den Feiertagen 03.10, 25.12. und 26.12. gearbeitet.

Die Beklagte hat der Klägerin zumindest seit 2005 vorbehaltlos ein Urlaubsgeld in Höhe von 166,18 € gezahlt, das jeweils mit der Vergütung für den Monat Juli abgerechnet wurde. Mit der Abrechnung für Juli 2011 wurden nur 134,00 € brutto ausgezahlt.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte weiterhin verpflichtet ist, Zuschläge für geleistete Mehrarbeitsstunden monatlich abzurechnen und auszuzahlen und die monatliche Sollarbeitszeit nach der bisher verwendeten Formel zu berechnen. Mit Schreiben vom 05.10.2011 hat sie die sich aus ihrer Sicht ergebenden Ansprüche geltend gemacht.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, nachträglich die für sie auf dem Dienstplan für den Monat Juni 2011 ausgewiesenen Sollarbeitsstunden zu ändern. Die Differenz von 1,52 Stunden müsse diese ihrem Zeitkonto gutschreiben. Eine Berichtigung des Dienstplans in Form der nachträglichen Änderung der Sollarbeitszeit dürfe nicht vorgenommen werden. Diesbezüglich genieße sie Vertrauensschutz. Für die Zeit von Juli 2011 bis einschließlich Januar 2012 müsse ihr Arbeitszeitkonto um 11,54 Stunden, der Differenz zwischen alter und neuer Sollstundenberechnung, erhöht werden. Es seien bei den Sollstunden wegen des Anspruchs auf Gewährung eines Ersatzruhetags nach § 11 Abs. 3 ArbZG auch keine Abzüge für an Feiertagen tatsächlich geleistete Arbeit vorzunehmen. Sie habe außerdem für Juni 2011 Anspruch auf Zahlung einer Überstundenzuschlagsvergütung in Höhe von 3,62 € (1.028,38 € : 4,33 : 20 = 11,88 € x 20 % = 2,38€ x 1,52). Für den Juli 2011 stünden ihr für 2,16 Mehrarbeitsstunden weitere 5,14 € zu; für Oktober 2011 für 13,41 Überstunden 31,92 € und für Dezember 2011 für 2,42 Überstunden 5,76 €. Ein Anspruch auf Zahlung von Überstundenzuschlägen ergebe sich schon aus dem Arbeitsvertrag durch den Verweis auf die Bestimmungen des Krankenpflegetarifs und damit auf den BAT-KR, jedenfalls aber aus betrieblicher Übung. Es gelte das Günstigkeitsprinzip.

Die Beklagte dürfe für Mitarbeiter, die an einem Feiertag nicht zur Arbeit eingeteilt seien, für diesen Tag auch keine Sollarbeitszeit in Ansatz bringen. Aufgrund § 5 Abs. 2 BV 2011 flössen aber sämtliche Feiertage in die Sollarbeitszeit ein, so dass diese letztlich vollkommen unberücksichtigt blieben. Dazu sei die Beklagte nach §§ 2 Abs. 1, 12 EFZG nicht berechtigt, denn sie beschäftige an Feiertagen weniger Mitarbeiter als an Werktagen. An Wochenfeiertagen herrsche bei ihr ein verdünnter Personalbedarf. Die Dienstplangestaltung hänge deshalb von den Feiertagen ab. Die Freistellung folge nicht nach einem bestimmten Schema, das von der Feiertagsruhe an bestimmten Tagen unabhängig sei. Die neue Regelung führe dazu, dass kein Mitarbeiter Entgeltfortzahlung erhalte, obwohl an Feiertagen weniger Personal eingesetzt werde und somit Arbeit infolge eines gesetzlichen Feiertages ausfalle. Durch die Berechnungsweise der Beklagten habe sich ihre jährlich zu leistende Arbeitszeit erheblich erhöht. Lege man das Jahr 2010 zugrunde, hätte sie 29,58 Stunden mehr arbeiten müssen. Gleiches gelte für das Jahr 2011. Am 01.11.2011 und am 01.01.2012 sei sie aufgrund der Feiertage nicht zum Dienst eingeteilt worden, denn unmittelbar davor und danach habe sie mit Ausnahme des 31.12.2011 gearbeitet. Im Übrigen ergebe sich ein Anspruch darauf, dass arbeitsfreie Feiertage bei der Ermittlung der Sollarbeitszeit nicht in Ansatz gebracht werden dürften, auch aus den Grundsätzen der betrieblichen Übung.

Die BV 2011 sei erst am 28.07.2011 wirksam unterzeichnet worden. Die Beschlussfassung des Betriebsrats stelle keine Unterzeichnung dar und könne diese auch nicht ersetzen. Im Übrigen werde bestritten, dass die Beklagte tatsächlich am 31.03.2013 die Betriebsvereinbarung unterschrieben habe.

Die Klägerin hat beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, ihrem Arbeitszeitkonto 1,52 Stunden gut zu schreiben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an sie Überstundenzuschläge in Höhe von 8,80 € brutto nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 3,66 € seit dem 01.08.2011 und aus einem Betrag in Höhe von 5,14 € seit dem 01.09.2011 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an sie noch ausstehendes Urlaubsgeld in Höhe von 32,– € brutto nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2011 zu zahlen.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an sie je geleisteter Überstunde einen Überstundenzuschlag in Höhe von 20 % der regelmäßigen Stundenvergütung zu leisten.

5. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, für Feiertage, an denen sie dienstplanmäßig nicht zur Arbeit eingestellt ist, eine Sollarbeitszeit in Ansatz zu bringen.

6. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an sie gem. § 2 Abs. 1 EFZG Entgeltfortzahlungsgesetz für Feiertage zu leisten, an denen sie dienstplanmäßig nicht zur Arbeit eingeteilt ist.

7. Die Beklagte wird verurteilt, an sie weitere 11,54 Stunden gut zu schreiben.

8. Die Beklagte wird verurteilt, an sie weitere Überstundenzuschläge in Höhe von 37,68 € brutto nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 31,92 € brutto seit dem 01.12.2011 und aus einem Betrag in Höhe von 5,76 € brutto seit dem 01.02.2012 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, die BV 2011 sei zum 01.04.2011 vereinbarungsgemäß in Kraft getreten. Die erforderliche Schriftform sei durch Herstellung einer zusammengesetzten Urkunde gewahrt. Der Beschluss des Betriebsrats vom 31.03.2011 sei mit dem übrigen Text der Betriebsvereinbarung zusammengetackert worden. Jedenfalls sei sie aber rückwirkend am 28.07.2011 in Kraft gesetzt worden.

Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche bestünden nicht. Ab Juni 2011 berechne sich die monatliche Sollarbeitszeit nach § 5 Abs. 2 BV 2011. Ob ein Mitarbeiter an einem Feiertag arbeite oder nicht, spiele dafür keine Rolle. Dass die Feiertage bei der Berechnung der Sollarbeitszeit unberücksichtigt blieben, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Für die Klägerin falle keine Arbeitszeit aufgrund eines Feiertages aus. Sie werde an Sonn- und Feiertagen eingesetzt, damit die Versorgung der Bewohner auch an diesen Tagen gewährleistet sei. Vor Erstellung der monatlichen Dienstpläne kraft unternehmerischer Entscheidung könne nicht festgestellt werden, welcher Mitarbeiter an einem bestimmten Feiertag frei habe und welcher nicht. An mehr als 50% der gesetzlichen Feiertage pro Jahr müssten die Mitarbeiter arbeiten. Da für ihre Einrichtung das gesetzliche Arbeitsverbot nicht gelte, könne die Arbeitsleistung der Klägerin auch nicht aufgrund eines Feiertages ausfallen, sondern nur deshalb, weil andere Mitarbeiter zum Dienst eingeteilt seien. Zwar plane sie an Feiertagen jeweils eine Kraft pro Schicht weniger ein, weil viele organisatorische Arbeiten, etwa das Auspacken, Beschriften und Einräumen angelieferter Wäsche, Arztvisiten, Besprechungen mit diesen und Medikamentenbestellungen nicht anfielen, und man sich entschieden habe, auf das Duschen der Bewohner, das Betten beziehen oder das Stellen der Wochendosetten an Feiertagen zu verzichten und man schließlich auf die Wünsche der Mitarbeiter Rücksicht nehme. Weniger Personal an Feiertagen werde aber allein deshalb und nicht wegen des gesetzlichen Beschäftigungsverbots nach § 9 ArbZG eingesetzt. Keineswegs sei es so, dass an einem Feiertag in jeder Schicht und in jedem Wohnbereich mit verdünnter Personaldecke gearbeitet werde. An einem gewöhnlichen Werktag arbeiteten 12 Mitarbeiter im Frühdienst, siebeneinhalb bis neun Mitarbeiter im Spätdienst und zwei Mitarbeiter im Nachtdienst. Die Besetzung im Nachtdienst sei generell immer gleich. Aber auch die Besetzung im Früh- und Spätdienst sei in der Vergangenheit an Feiertagen teilweise bei geringem Krankenstand mit denen an einem Werktag identisch gewesen. Ein generelles System eines verdünnten Personalbedarfs an Feiertagen gebe es nicht. Rechtlich seien ihr nach § 10 Abs. 1 Ziff. 3 ArbZG für den Feiertagseinsatz von Mitarbeitern keine Grenzen gesetzt. Ein unmittelbarer und monokausaler Zusammenhang zwischen Arbeitsausfall und Feiertag bestehe daher nicht. Die Berechnungsgrundlage der monatlichen Sollarbeitszeit sei kollektiver Natur und könne daher auch nicht Gegenstand einer betrieblichen Übung sein. Die Klägerin habe nicht erwarten können, dass sie sich habe individualrechtlich binden wollen. Insgesamt sei die BV 2011 für die Mitarbeiter auch nicht nachteilig. So würden etwa höhere Feiertagszuschläge gezahlt und die Verteilung der Arbeitszeit sei gerechter. In vielen Monaten falle die Sollarbeitszeit sogar geringer aus. Zumindest für die Feiertage, an denen die Klägerin gearbeitet habe, müsse sie die jeweils erbrachten 3,34 Stunden bei der monatlichen Sollarbeitszeit berücksichtigen.

Die Zahlung von Überstundenzuschlägen erfolgten nach § 5 Abs. 4 BV 2011 nunmehr erst dann, wenn das Arbeitszeitkonto über einen Zeitraum von mehr als zwei Dienstplanperioden 75 Plusstunden überschreite. Der Klägerin stehe auch kein Anspruch auf Zahlung eines restlichen Urlaubsgeldes zu. Wegen ihrer Langzeiterkrankung habe sie für 2011 nur ein anteiliges Urlaubsgeld erhalten.

Das Arbeitsgericht Gelsenkirchen hat durch am 31.07.2012 verkündetes Urteil vom 15.05.2012 entschieden:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 37,14 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 32,– € seit dem 01.08.2011 und aus 5,14 € seit dem 01.09.2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Der Streitwert wird auf 1.458,– € festgesetzt.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht angenommen, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gutschrift von 1,52 bzw. 11,54 Stunden auf ihrem Arbeitszeitkonto. Sie sei nach Maßgabe ihres Arbeitsvertrages zu einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden verpflichtet. Die Anzahl ihrer Monatsarbeitssollstunden ergäben sich durch Multiplizierung dieser Wochenarbeitszeit mit der Anzahl der Wochen des jeweiligen Monats. Unter Berücksichtigung von sieben Tagen je Woche werde die richtige Zahl der Wochen eines Monats zutreffend dadurch ermittelt, dass die Kalendertage des Monats durch sieben geteilt würden. Nichts anderes regele die BV 2011, die nur das wiedergebe, was allgemeinen Rechtsgrundsätzen entspreche. Etwas anderes folge auch nicht aus § 2 Abs. 1 EFZG. Sinn und Zweck der Regelung sei es, den durch einen arbeitsfreien Feiertag eintretenden Entgeltausfall zu kompensieren. Entscheidend komme es darauf an, welche Arbeitszeit für den Arbeitnehmer gegolten hätte, wenn der betreffende Tag kein Feiertag gewesen wäre. Falle die Arbeit an einem gesetzlichen Feiertag aus betrieblichen oder persönlichen Gründen oder aufgrund höherer Gewalt aus, bestehe der erforderliche Kausalzusammenhang nicht mehr, sodass die Zahlungspflicht des Arbeitgebers nach § 2 EFZG entfalle. Dies sei insbesondere auch dann anzunehmen, wenn eine dienstplanmäßige Freistellung des Arbeitnehmers an einem Feiertag erfolge. Hinsichtlich des Monats Juni 2011 verkenne die Klägerin, dass im Zeitraum nach ihrer Erkrankung vom 24. bis 30.06.2011 überhaupt kein Feiertag gelegen habe. Auch nach der in der Vergangenheit angewandten Berechnungsmethode hätte sich eine Sollarbeitszeit von 20 Stunden ergeben. Der bloße Rechenfehler der Beklagten sei jederzeit zu berichtigen gewesen. Soweit die Klägerin für die Monate Juli 2011 bis Januar 2012 auf der Grundlage der von ihr für zutreffend erachteten Sollarbeitszeitberechnung gegenüber der von der Beklagten vorgenommenen Berechnung eine Differenz von 11,54 Stunden ermittelt habe, sei ihre Berechnung allein deshalb schon fehlerhaft, weil sie Monate, in denen überhaupt keine gesetzlichen Wochenfeiertage angefallen seien, in die Berechnung einbeziehe. Außerdem sei sie in den Monaten Oktober und Dezember 2011 tatsächlich zu Feiertagsdiensten herangezogen worden. Auch für die Monate November 2011 und Januar 2012 stehe ihr keine Zeitgutschrift in Höhe der sich ergebenden Teilbeträge zu, denn die Arbeitszeit der Klägerin sei am 01.11.2011 und am 01.01.2012 nicht ausschließlich feiertagsbedingt ausgefallen. Die Nichtheranziehung der Klägerin sei als bloß dienstplanbedingt und nicht feiertagsbedingt anzusehen. Soweit an Feiertagen in der Früh- und Spätschicht teilweise mit einem um einen Mitarbeiter reduzierten Personal je Schicht und Wohnbereich gearbeitet werde, habe dies seine Ursachen darin, dass bestimmte Tätigkeiten nicht anfielen, wobei es sich um objektive, außerhalb des Feiertages liegende Umstände handele. Jedenfalls in Bezug auf die Klägerin könne nicht festgestellt werden, dass ihre Nichtheranziehung zum Feiertagsdienst allein durch die Personalreduzierung kausal verursacht gewesen sei. Die Vielgestaltigkeit der Dienstplanerstellung mache es unmöglich, eine alleinige Kausalität anzunehmen. Dies sei aber Voraussetzung für einen Anspruch aus § 2 Abs. 1 EFZG. Ein Anspruch der Klägerin auf eine Zeitgutschrift für den 01.11.2011 und den 01.01.2012 ergebe sich auch nicht aus einer entsprechenden betrieblichen Übung. Ein Anspruch scheide schon deshalb aus, weil die Klägerin die Auffassung vertrete, die Beklagte schulde die geforderte Stundengutschriften auf dem Arbeitszeitkonto wegen ihres Vergütungsanspruchs gemäß § 2 Abs. 1 EFZG. Aus ihrer Sicht stelle sich die Stundengutschrift als ein gesetzlicher Anspruch dar, und in einem solchen Fall werde die Leistungsgewährung nicht als stillschweigendes Angebot auf Begründung einer betrieblichen Übung wahrgenommen, sondern als bloßer Normvollzug. Hinsichtlich der Zahlung von Überstundenzuschlägen sei die Klage nur in Höhe von 5,14 € begründet. Für den Monat Juli 2011 habe die Klägerin für 2,16 Überstunden bei einem Stundenlohn von 11,87 € einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte in dieser Höhe. Unstreitig habe sie bei einer monatlichen Sollarbeitszeit von 88,57 Stunden tatsächlich 90,73 Stunden gearbeitet und könne nach Maßgabe der BV 2008 monatlich fällig werdende Überstundenzuschläge von 20 % beanspruchen. Diese Betriebsvereinbarung habe noch für den gesamten Monat Juli 2011 Bestand gehabt, ohne von den Regelungen der BV 2011 verdrängt worden zu sein. Die BV 2011 sei nicht bereits am 01.04.2011 durch Anheftung des von allen Betriebsratsmitgliedern unterzeichneten Betriebsratsbeschlusses vom 31.03.2011 wirksam geworden. Zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung für das Zustandekommen von Betriebsvereinbarungen sei die Unterzeichnung durch den Arbeitgeber und dem Betriebsrat. Die bloße Anheftung des Betriebsratsbeschlusses an die Betriebsvereinbarung ersetze nicht die Unterschrift des Betriebsratsvorsitzenden auf der Originalurkunde der Betriebsvereinbarung selbst. Mit dem wirksamen Zustandekommen der Betriebsvereinbarung erst am 28.07.2011 habe die BV 2008 bis zu diesem Zeitpunkt die Rechte der Parteien im Hinblick auf Überstundenvergütungen bestimmt. Die von der Klägerin beanspruchten Überstundenzuschläge für die Monate Oktober 2011 und Dezember 2011 seien unbegründet. Zum einen lege sie fehlerhaft die frühere Berechnungsmethode der Sollarbeitsstunden zugrunde. Richtig sei nur von einem Stundenplus von 8,09 Stunden im Oktober 2011 und von 0,43 Stunden im Dezember 2011 auszugehen. Damit erfülle sie aber nicht die Voraussetzungen der Auszahlungsregelung für Überstundenzuschläge nach Maßgabe der BV 2011. Einen Guthabenstand von mehr als 75 Plusstunden habe das Arbeitszeitkonto der Klägerin unstreitig nicht aufgewiesen. Ansprüche aus Betriebsvereinbarungen stünden unter dem Vorbehalt verschlechternder Regelungen in nachfolgenden Betriebsvereinbarungen. Soweit die Klägerin sich zur Begründung ihres Anspruchs auf eine betriebliche Übung berufe, sei ihr Vortrag unschlüssig. Nach eigenem Vorbringen habe es über den gesamten Bestand des Arbeitsverhältnisses die unterschiedlichsten Regelungen zur Auszahlung eines 20%igen Überstundenzuschlags gegeben. In der Vergangenheit habe es dazu mindestens drei unterschiedliche Modelle gegeben. Der Klägerin stehe auch kein arbeitsvertraglicher Anspruch auf Zahlung eines Überstundenzuschlages zu. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthalte keine ausdrückliche Regelung über Überstundenzuschläge. Ein solcher Anspruch könne auch nicht aus der Vergütungsregelung in Ziffer 5 des Arbeitsvertrages entnommen werden. Dort werde allein die Zusammensetzung der Vergütung nach Maßgabe der tariflichen Bestimmungen des öffentlichen Dienstes festgelegt, ohne dass die in den tariflichen Bestimmungen des Tarifvertrags an anderer Stelle geregelten Zeitzuschläge zum Inhalt des Arbeitsvertrags der Parteien gemacht worden wären. Vielmehr sei lediglich bei der Bezeichnung der einzelnen Vergütungsbestandteile an die jeweiligen Bestimmungen des BAT angeknüpft worden. Das gesamte Tarifwerk des öffentlichen Dienstes sei gerade nicht einbezogen worden. Hinsichtlich eines weiteren Betrages von 32,00 € brutto als restlicher Urlaubsgeldanspruch für das Jahr 2011 sei die Klage begründet. Der Anspruch der Klägerin ergebe sich aus einer betrieblichen Übung, da sie mindestens in den letzten drei Jahren vorbehaltslos eine solche Zahlung in Höhe von 166,18 € erhalten habe. Die Beklagte könne den Anspruch auch nicht anteilig wegen der Erkrankung der Klägerin in der Zeit vom 04.04. bis 23.06.2011 kürzen, da irgendwelche dahingehenden Vereinbarungen nicht vorgetragen seien. Die von der Klägerin erhobenen Feststellungsanträge seien alle zulässig aber unbegründet, wie sich aus den vorherigen Ausführungen ergebe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der erstinstanzlichen Entscheidung wird auf Aktenblatt 202 bis 234 verwiesen.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 16.08.2012 zugestellte Urteil mit am 13.09.2012 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16.11.2012 mit am 16.11.2012 eingegangenem Schriftsatz begründet. Die Berufungsbegründung wurde der Beklagten am 23.11.2012 zugestellt. Sie hat mit am 21.12.2012 eingegangenem Schriftsatz Anschlussberufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Die Klägerin trägt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags vor, die Berechnung der Sollarbeitszeit nach § 5 Abs. 2 BV 2011 verstoße gegen § 2 Abs. 1 EFZG und sei daher gemäß § 12 EFZG unwirksam. Ihr stehe daher für die Monate Juli 2011 bis Januar 2012 ein Anspruch auf Gutschrift von 11,54 Stunden auf dem Arbeitszeitkonto zu, die sich aus der Differenz der Berechnung ihrer Sollarbeitszeit nach der BV 2011 mit der bis einschließlich Mai 2011 angewandten Berechnungsmethode ergebe. Das Arbeitsgericht nehme eine isolierte Betrachtung von Monaten mit und ohne Wochenfeiertage vor. Die grundsätzliche Ermittlung der Sollarbeitszeit habe jedoch unabhängig davon zu erfolgen. Unzutreffend sei auch die Annahme, sie habe übersehen, dass sie in den Monaten Oktober und Dezember 2011 tatsächlich zu Feiertagsdiensten herangezogen worden sei. Gemäß § 5 Abs. 4 BV 2011 müsse dem Arbeitnehmer zwar bei Diensten an Feiertagen ein Feiertagsausgleich gewährt werden. Dies bedeute allerdings nicht, dass sie einen zusätzlichen dienstfreien Tag als Feiertagsausgleich erhalten hätte. Vielmehr sei ihr Feiertagsausgleich an einem nach dem Dienstplan ohnehin freien Tag gewährt worden. Auch die Auffassung des Arbeitsgerichts, ihre Nichteinteilung zum Dienst an Feiertagen sei dienstplan- und nicht feiertagsbedingt, gehe fehl. Eine dienstplanmäßige Freistellung sei nur dann anzunehmen, wenn sich die Arbeitsbefreiung aus einem Schema ergebe, welches von der Feiertagsruhe an bestimmten Tagen unabhängig sei. Die Beklagte habe erstinstanzlich selbst zugestanden, dass sie an Feiertagen weniger Mitarbeiter als an normalen Werktagen einsetze. Sie arbeite somit an Feiertagen grundsätzlich mit einem verdünnten Personalbedarf und zwar im Vergleich zu Werktagen mit einem Viertel bzw. einem Drittel weniger Personal. Wenn die Beklagte vortrage, im Juni 2011 seien beispielsweise lediglich zwei Mitarbeiter im Spätdienst eingesetzt gewesen, beruhe die geringe Besetzung ausschließlich darauf, dass in jenem Monat nicht mehr Personal zur Verfügung gestanden habe, weil Mitarbeiter arbeitsunfähig erkrankt gewesen seien bzw. Urlaub gehabt hätten. Tatsächlich sei es so, dass die Beklagte lediglich an einzelnen Feiertagen auf einzelnen Wohnbereichen und in einzelnen Schichten mit gleicher Personalstärke wie an Wochentagen habe arbeiten lassen, aber nicht deshalb, weil an den entsprechenden Feiertagen ebenso viel Arbeit wie an Werktagen angefallen sei, sondern allein deshalb, weil zu diesen Zeiten ein geringer Krankenstand geherrscht habe und die Mitarbeiter dann, wenn die Beklagte entsprechend dem verringerten Arbeitsanfall an Feiertagen mit verringertem Personalbedarf hätte arbeiten lassen, die Arbeitszeitkonten der Mitarbeiter in den Minusbereich geraten wären. Die Beklagte könne nicht einzelne Werktage, an denen urlaubs- oder krankheitsbedingt nicht mit voller Personalstärke gearbeitet worden sei, zur Begründung dafür heranziehen, dass an Feiertagen grundsätzlich nicht mit reduziertem Personal gearbeitet werde. Die von der Beklagten selbst angeführten Tätigkeiten fielen gerade wegen des Feiertags weg, weil eben an Feiertagen zum Beispiel keine Arztvisiten stattfänden oder in der Wäscherei wegen der Feiertagsruhe nicht gearbeitet werde. Dass die Beklagte infolgedessen weniger Personal einsetze, sei somit gerade eine Folge des Feiertags. Da sie nicht stets an bestimmten Wochentagen zur Arbeit herangezogen werde und es auch keine feste Folge von freien Tagen und Diensttagen gebe, sei es ihr nicht möglich, darzulegen, dass sie gerade infolge des Feiertags nicht zur Arbeit eingeteilt worden sei. Somit bestehe eine grundsätzliche Verpflichtung der Beklagten, an sie gemäß § 2 Abs. 1 EFZG Entgeltfortzahlung für Feiertage zu leisten, an denen sie dienstplanmäßig nicht zur Arbeit eingeteilt sei. Das grundsätzliche Beschäftigungsverbot des § 9 Abs. 1 ArbZG gelte sowohl an Sonn- als auch an Feiertagen. Es dürften nur solche Arbeiten erledigt werden, die nicht an Werktagen vorgenommen werden könnten. Daher sei die Beklagte in ihrer Entscheidung darüber, wie viele Mitarbeiter sie an Feiertagen zum Dienst einteile, auch nicht frei. Ihr stehe im Übrigen auch aus betrieblicher Übung ein Anspruch darauf zu, dass die Beklagte Feiertage, an denen sie dienstplanmäßig nicht zur Arbeit eingeteilt sei, nicht mit einer Sollarbeitszeit in Ansatz bringe. So sei die Beklagte, seitdem sie für diese tätig sei, stets verfahren. Unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts liege auch gerade kein bloßer Normvollzug vor, da das Gericht einen Anspruch aus § 2 Abs. 1 EFZG ablehne. Der arbeitsvertragliche Anspruch aus betrieblicher Übung stehe nicht unter dem stillschweigenden Vorbehalt einer ablösenden Betriebsvereinbarung. Vielmehr gelte das Günstigkeitsprinzip. Aus diesem Grund habe sie auch einen Anspruch auf Zahlung von Überstundenzuschlägen in Höhe von 20 % der regelmäßigen Stundenvergütung. Rechtsgrundlage für die Zahlung sei nicht die Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2008 gewesen. Dort sei lediglich der Fälligkeitszeitpunkt geregelt worden. Vor Inkrafttreten der BV 2011 hätten sich die Regelungen in zwei unterschiedlichen Saldierungs- und Auszahlungszeiträumen, nämlich entweder monatlich oder vierteljährlich, erschöpft. Von unterschiedlichsten Regelungen könne daher keine Rede sein. Ihr stehe außerdem ein Anspruch aus dem Arbeitsvertrag auf Zahlung von Überstundenzuschlägen zu, denn nach Ziffer 5 des Arbeitsvertrags richteten sich Höhe und Zusammensetzung der Vergütung nach den Bestimmungen des Krankenpflegetarifs und damit nach dem BAT-KR. Die Vergütung für geleistete Überstunden stelle einen Teil der Vergütung dar und beeinflusse demgemäß deren Höhe. Da die Zahlung eines Überstundenzuschlags tariflich bestimmt sei, stehe ihr auch ein arbeitsvertraglicher Anspruch auf Zahlung von Überstundenzuschlägen in Höhe von 20 % zu.

Da die von der Beklagten gewählte Verfahrensweise rechtsunwirksam sei und gegen § 2 Abs. 1 EFZG verstoße, habe sie einen Anspruch gegen die Beklagte auf Gutschrift von weiteren 35,32 Stunden auf ihrem Arbeitszeitkonto für die von April 2012 bis Januar 2013 aufgelaufenen Differenzstunden.

Die Klägerin beantragt nach teilweiser Rücknahme der Berufung bezüglich der von ihr zunächst geltend gemachten Ansprüche für Juni 2011 (Zeitgutschrift von 1,52 Stunden sowie Überstundenzuschläge in Höhe von 3,66 € nebst Zinsen):

1. Auf die Berufung wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 31.07.2012, Aktenzeichen 4 Ca 1871/11 abgeändert, soweit es die Klage abgewiesen hat.

a) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an sie je geleisteter Überstunde einen Überstundenzuschlag in Höhe von 20 % der regelmäßigen Stundenvergütung zu leisten.

b) Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, für Feiertage, an denen sie dienstplanmäßig nicht zur Arbeit eingeteilt ist, eine Sollarbeitszeit in Ansatz zu bringen,

hilfsweise,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an sie gem. § 2 Abs. 1 EFZG Entgeltfortzahlung für Feiertage zu leisten, an denen sie dienstplanmäßig nicht zur Arbeit eingeteilt ist.

c) Die Beklagte wird verurteilt, ihrem Arbeitszeitkonto weitere 11,54 Stunden gutzuschreiben.

d) die Beklagte wird verurteilt, an sie weitere Überstundenzuschläge in Höhe von 37,68 € brutto nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 31,92 € brutto seit dem 01.12.2011 und aus einem Betrag in Höhe von 5,76 € brutto seit dem 01.02.2012 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, ihrem Arbeitszeitkonto weitere 35,32 Stunden gutzuschreiben.

3. Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte beantragt:

1. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen,

2. Der weitere Antrag aus dem Schriftsatz der Klägerin vom 08.03.2013 wird zurückgewiesen.

und im Wege der Anschlussberufung:

3. Das am 31.07.2012 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen zu dortigem Az.: 4 Ca 1871/11 wird abgeändert; die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

Die Beklagte trägt unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vor: Da die Dienstplangestaltung monatlich erfolge, sei es zur Ermittlung des während der Dienstplanperiode zur Verfügung stehenden und zu verteilenden Arbeitszeitvolumens erforderlich, die in den Arbeitsverträgen vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeiten auf die jeweils monatliche Sollarbeitszeit umzurechnen. Die in § 5 Abs. 2 BV 2011 geregelte Berechnung erfolge feiertagsunabhängig und auch unabhängig davon, wie viele Samstage und Sonntage in einen Kalendermonat fielen. Nicht richtig sei die Annahme der Klägerin, dass bei der Berechnung für einen Feiertag eine Sollarbeitszeit in Ansatz gebracht werde. Es werde weder für einen einzelnen Feiertag noch für einen sonstigen einzelnen Tag eine Sollarbeitszeit berechnet. Bei der Berechnung werde auch nicht danach unterschieden, ob ein Mitarbeiter an einem Kalendertag zum Dienst eingeteilt werde oder nicht. Bereits aus diesem Grund scheitere der von der Klägerin diesbezüglich angekündigte Feststellungsantrag. Die Berechnung der monatlichen Sollarbeitszeit verstoße nicht gegen § 2 Abs. 1 EFZG, der voraussetze, dass der Arbeitsausfall an den gesetzlichen Feiertagen ausschließlich auf dem gesetzlichen Beschäftigungsverbot beruhe. Es müsse ein monokausaler Zusammenhang bestehen. Bei der Dienstplanung müsse sie die vielfältigsten feiertagsunabhängigen Vorgaben beachten und umsetzen. Falsch sei die Annahme der Klägerin, sie wäre ausschließlich aufgrund der jeweiligen Feiertage am 01.11.2011 und am 01.01.2012 nicht zum Dienst eingeteilt worden. Vielmehr wäre für sie am 01.11.2011 ein “Frei” zu planen gewesen, damit sie nicht über ihre Sollarbeitsstunden hinaus eingesetzt werde und ihr Arbeitszeitkonto, das bereits im Plusbereich gestanden habe, abgebaut werde. Am Sonntag, den 01.01.2012 sei ihr ebenfalls freizugeben gewesen, da sie nach § 3 Abs. 5 BV 2011 zu berücksichtigen gehabt habe, dass für die Mitarbeiter nach Möglichkeit jedes zweite Wochenende frei sei. Die Klägerin habe bereits am Wochenende davor Dienst gehabt. Sie entscheide bei der Dienstplangestaltung in jedem konkreten Einzelfall, ob ein Mitarbeiter an einem bestimmten Feiertag zur Arbeit erscheinen solle oder nicht. Wer letztlich zum Einsatz komme, sei unternehmerische Entscheidung. Soweit sie in der Vergangenheit an Feiertagen teilweise mit einem um einen Mitarbeiter reduzierten Personal je Schicht und Wohnbereich gearbeitet habe, sei dies aus außerhalb des Feiertags liegenden Umständen erfolgt. Wie erstinstanzlich ausgeführt, habe sie an Feiertagen im Nachtdienst generell und im Früh- und Spätdienst zumeist mit identischer Personalstärke gearbeitet, wie an sonstigen Werktagen. Bei hohem Krankenstand und damit aus feiertagsunabhängigen Gründen habe sie sich zu einem verdünnten Mitarbeitereinsatz an Feiertagen entschieden. Weitere Ursachen wie der Wegfall bestimmter Nebenleistungen zur Pflege seien vom Arbeitsgericht zutreffend festgestellt. Auch dabei handele es sich um objektive, außerhalb des Feiertags liegende Umstände, wie sich auch aus der an Sonntagen teilweise zahlenmäßig identisch reduzierten Personalplanung ergebe. Bei gleicher Besetzung an Feier- wie an Werktagen werde auch die gleiche Arbeit erledigt. Auch wenn bestimmte Arbeiten an Feiertagen nicht verrichtet würden, führe dies nicht zu einer anderen Besetzung als an vielen sonstigen Werktagen. Entgegen der Angaben der Klägerin würden die Mitarbeiter an Feiertagen genauso oft zum Einsatz kommen, wie an sonstigen Werktagen. Rein praktisch stelle sich die Frage nach einer verringerten Einsatzplanung an Feiertagen nur nach den von ihr benannten Kriterien sowie nach den Wünschen der Mitarbeiter. Unabhängig von einem reduzierten oder nicht reduzierten Personaleinsatz bleibe es in jedem Fall dabei, dass sie aus den ihr zur Verfügung stehenden Mitarbeitern aus dienstplanerischen Gesichtspunkten auswählen müsse, welche Mitarbeiter eingesetzt würden und welche nicht. Wenn die Klägerin an einem Feiertag nicht eingesetzt werde, habe dies also in jedem Fall auch andere als feiertagsbedingte Ursachen. Die Klägerin könne auch keine Ansprüche aus betrieblicher Übung herleiten, da sie in der Vergangenheit Feiertage bei der Berechnung ihrer Sollarbeitszeit nie deshalb berücksichtigt habe, um den Mitarbeitern eine besondere Leistung zu gewähren. Vielmehr seien die Dienstplaner vor dem Inkrafttreten der BV 2011 der Auffassung gewesen, dass die von ihnen verwendete Berechnungsformel die zutreffende und gesetzliche Formel sei. Die Regelung zur Zahlung von Überstundenzuschlägen in Höhe von 20 % sei unstreitig. Deshalb fehle es an einem Feststellungsinteresse. Soweit die Klägerin angebe, über einen Zeitraum von 22 Jahren hinweg je geleisteter Überstunde einen Überstundenzuschlag von 20 % erhalten zu haben, sei dies falsch. Überstundenzuschläge seien zuletzt quartalsweise errechnet und ausgezahlt worden. Dabei sei der Saldo, der in den vorausgegangenen drei Monaten insgesamt erbrachten Arbeitsstunden zugrunde gelegt worden. Eine monatliche Betrachtung habe es nicht gegeben. Auch auf Basis der seit 2008 ausgezahlten Überstundenzuschläge könne keine betriebliche Übung hergeleitet werden. Sie habe die monatliche Abrechnung der Überstundenzuschläge ab 2008 nur deshalb vorgenommen, weil sie sich dazu aus § 5 Abs. 6 der Betriebsvereinbarung 2008 verpflichtet gefühlt habe.

Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts stünden der Klägerin auch keine Überstundenzuschläge in Höhe von 5,14 € brutto für die von ihr im Monat Juli 2011 geleisteten Arbeitsstunden zu. Dies mache sie ihm Rahmen der Anschlussberufung geltend. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass der zuständige Beschluss des Betriebsrats zur BV 2011 mit den Unterschriften aller Betriebsratsmitglieder im Original durch die feste Verbindung mit der Betriebsvereinbarung zum Bestandteil dieser Originalurkunde gemacht und damit die Regelungen zum 01.04.2011 wirksam in Kraft gesetzt worden sei. Jedenfalls aber hätten die Betriebsparteien am 28.07.2011 die Betriebsvereinbarung rückwirkend zum 01.04.2011 in Kraft setzen wollen. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Zahlung eines weiteren Urlaubsgeldes in Höhe von 32,00 €, was ebenfalls im Rahmen der Anschlussberufung geltend gemacht werde. In der Vergangenheit sei die Zahlung des Urlaubsgeldes stets in Abhängigkeit zur tatsächlichen Beschäftigung erfolgt. Da die Klägerin im Jahr 2011 wegen einer langen Erkrankung vom 04.04. bis 23.06.2011 aus der Lohnfortzahlung herausgefallen und nicht mehr beschäftigt worden sei, sei ihr Urlaubsgeld anteilig zu kürzen gewesen. Ein Gleichlauf von Urlaubsgeld und Urlaubsanspruch sei weder vereinbart worden, noch sei dies beabsichtigt gewesen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf ihre zu Protokoll genommenen Erklärungen ergänzend Bezug genommen.
Gründe

I.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

Die Berufung der Klägerin ist aber nur teilweise begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten verlangen, dass diese auf ihrem Arbeitszeitkonto Zeitgutschriften vornimmt. Außerdem war auf ihren Antrag festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, für Feiertage, an denen sie dienstplanmäßig nicht zur Arbeit eingeteilt ist, eine Sollarbeitszeit in Ansatz zu bringen. Soweit die Klägerin die Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen weiterverfolgt, ist die Berufung demgegenüber ebenso wenig erfolgreich wie ihr diesbezüglicher Feststellungsantrag. Im Einzelnen hat die Kammer dazu die nachfolgenden Erwägungen angestellt:

1. Die Beklagte war dazu zu verurteilen, für die Zeit von Juli 2011 bis einschließlich Januar 2012 auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin eine Gutschrift von 11,54 Stunden vorzunehmen. Der Anspruch folgt dem Grunde nach aus § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. § 5 Abs. 1 BV 2011. Der Höhe nach ergibt sich der Anspruch daraus, dass die Beklagte für den vorgenannten Zeitraum in dem streitgegenständlichen Umfang Sollarbeitsstunden auf Grundlage der aus § 5 Abs. 2 BV 2011 ersichtlichen Berechnungsformel verbucht hat, obwohl sie verpflichtet gewesen wäre, die Sollarbeitsstunden nach dem bisher betriebsüblichen Berechnungsmodus zu ermitteln. Die Berechnungsformel des § 5 Abs. 2 BV 2011 verstößt nämlich gegen § 2 Abs. 1 EFZG und ist damit gemäß § 12 EFZG i.V.m. § 134 BGB unwirksam.

a) Nach § 2 Abs. 1 EFZG hat der Arbeitgeber für Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Es gilt das Lohnausfallprinzip. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Arbeitnehmer so zu stellen, wie dieser gestanden hätte, wenn die Arbeit nicht infolge des Feiertags ausgefallen wäre. Die Regelung verfolgt den Zweck, den durch den arbeitsfreien Feiertag eingetretenen Entgeltausfall zu kompensieren (BAG, Urteil vom 16.11.2000 – 6 AZR 338/99 = AP Nr. 44 zu § 15 BAT). Führt der Arbeitgeber Arbeitszeitkonten, so stellt eine Stundengutschrift nur eine andere Form der Vergütung dar. Ein Anspruch auf Stundengutschrift an Feiertagen folgt daher den Regeln der Entgeltfortzahlung an Feiertagen (BAG, Urteil vom 14.08.2002 – 5 AZR 417/01 = DB 2003, 155 f.; LAG Hamm, Urteil vom 01.12.2004 – 18 Sa 481/04 – juris; vgl. auch BAG, Urteil vom 08.12.2010 – 5 AZR 667/09 = NZA 2011, 927 f.).

Der Anspruch auf Feiertagsbezahlung erwächst jedoch nur dann, wenn der Feiertag die alleinige Ursache des Arbeitsausfalls bildet. Dagegen entsteht der gesetzliche Anspruch nicht, wenn der Arbeitsausfall auf anderen Gründen beruht. Zu den Gründen, die einen Anspruch auf Feiertagsvergütung ausschließen, gehört u. U. auch die dienstplanmäßige Freistellung von der Arbeit. Dienstplanmäßige Arbeit liegt vor, wenn nach einem Schema festgelegt wird, an welchen Kalendertagen innerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit zu arbeiten ist. Dienstplanmäßige Freistellung ist danach anzunehmen, wenn nach einem vorausbestimmten Plan an bestimmten Feiertagen unabhängig von etwaigen Wochenfeiertagen Freizeit vorgesehen ist (BAG, Urteil vom 27.09.1983 – 3 AZR 159/81 = DB 1984, 1251; BAG, Urteil vom 09.10.1996 – 5 AZR 345/95 = NZA 1997, 444 f; BAG, Urteil vom 20.09.2000 – 5 AZR 20/99 = NZA 2001, 735 ff.). Für die Feststellung, ob ein feiertagsbedingter Arbeitsausfall vorliegt, kommt es allein darauf an, welche Arbeitszeit für den Arbeitnehmer gegolten hätte, wenn der betreffende Tag kein Feiertag gewesen wäre (BAG, Urteil vom 09.10.1996 a.a.O.). Wäre die Arbeit aus anderen Gründen, zum Beispiel aus betrieblichen oder persönlichen Gründen oder aufgrund höherer Gewalt, ausgefallen, ist der erforderliche Kausalzusammenhang nicht mehr gegeben, sodass die Zahlungspflicht des Arbeitgebers nach § 2 EFZG entfällt (BAG, Urteil vom 16.11.2000 a.a.O.). Eine dienstplanmäßige Freistellung des Arbeitnehmers am Feiertag schließt den Anspruch auf Entgeltfortzahlung für diesen Feiertag aus, wenn sich die Arbeitsbefreiung aus einem Schema ergibt, dass von der Feiertagsruhe an bestimmten Tagen unabhängig ist (BAG, Urteil vom 08.12.2010 a.a.O.; BAG, Urteil vom 09.10.1996 a.a.O.). Wird in einem Betrieb an Wochenfeiertagen eingeschränkt gearbeitet, hängt der Anspruch auf Feiertagsvergütung davon ab, welche Arbeitnehmer wegen dieser feiertagsbedingten Maßnahme befreit waren (BAG, Urteil vom 27.09.1983 a.a.O.). Wird an Feiertagen mit einem verdünnten Personalbedarf gearbeitet, ist die Freistellung der nicht zum Dienst eingeteilten Mitarbeiter nicht ausschließlich auf die Gestaltung des Dienstplans zurückzuführen (vgl. BAG, Urteil vom 16.11.2000 a.a.O.).

Bei der Beklagten erfolgt die dienstplanmäßige Einteilung der Mitarbeiter nicht nach einem Schema, das von der Feiertagsruhe an bestimmten Tagen unabhängig ist. Ein feststehendes abstraktes Schema, an welchen Tagen die bei der Beklagten beschäftigten Pflegedienstmitarbeiter arbeiten müssen und an welchen Tagen sie frei haben, existiert in der Pflegeeinrichtung der Beklagten nicht. Vielmehr werden die Dienstpläne jeden Monat gesondert aufgestellt, wobei zahlreiche gesetzliche Vorgaben und solche aus der Betriebsvereinbarung zur Dienstplangestaltung beachtet werden müssen. Zugleich steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass bei der Beklagten zumindest an manchen Wochenfeiertagen mit “verdünntem Personalbedarf” gearbeitet wird. Nach eigenem Vorbringen der Beklagten fallen an Feiertagen eine Reihe von sonst vom Pflegepersonal zu verrichtenden Tätigkeiten nicht an. Dies wurde zumindest teilweise in der Vergangenheit bei der Erstellung der Dienstpläne dadurch berücksichtigt, dass pro Wohnbereich im Frühdienst und im Spätdienst jeweils ein Mitarbeiter weniger eingeteilt wurde. Dass dies nicht ausnahmslos galt, weil die Beklagte nach ihren Angaben bei geringen Fehlzeiten durch Urlaub und Arbeitsunfähigkeit an Wochenfeiertagen auch in voller Schichtstärke arbeiten ließ und umgekehrt zum Teil bei hohem Krankenstand auch an normalen Werktagen mit verringerter Personalstärke gearbeitet wurde, ändert nichts an der grundsätzlichen Feststellung, dass an Feiertagen bei der Beklagten jedenfalls teilweise weniger Mitarbeiter eingesetzt werden als an normalen Werktagen und dann ein verdünnter Personaleinsatz vorliegt.

Damit steht zugleich fest, dass einzelnen Mitarbeitern, nämlich denen, die nur aufgrund der “verdünnten Personaleinsatzplanung” nicht eingeteilt wurden, Feiertagsvergütung nach § 2 Abs. 1 EFZG zustehen würde. Würde man sich den Feiertag wegdenken, wären weitere Mitarbeiter zum Dienst eingeteilt worden. Dass diese nicht konkret benannt werden können, ist logische Folge des Umstands, dass bei der Beklagten kein abstraktes System zur Dienstplaneinteilung besteht. Dies vermag aber nichts daran zu ändern, dass Dienste an Feiertagen wegfallen und die Beklagte deshalb nach § 2 Abs. 1 EFZG verpflichtet wäre, die ausfallende Arbeitsvergütung zu zahlen. Die Ermittlung der monatlichen Sollarbeitszeit nach § 5 Abs. 2 BV 2011 lässt Sonn- und Feiertage gänzlich unberücksichtigt und führt in praktischer Konsequenz dazu, dass kein den Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung unterworfener Mitarbeiter Feiertagsvergütung nach § 2 Abs. 1 EFZG erhält. § 2 Abs. 1 EFZG erfordert aber, dass für solche Mitarbeiter, deren Arbeitszeit infolge eines Feiertags ausfällt, bei einer gleichmäßigen Sollbuchung auf dem Arbeitszeitkonto für jeden einzelnen Kalendertag im Monat eine Zeitgutschrift in entsprechender Höhe auch ohne tatsächliche Arbeitsleistung erfolgt, oder es muss von vornherein eine Sollbuchung für solche Feiertage unterbleiben. Da § 5 Abs. 2 BV 2011 im Monat anfallende Feiertage gänzlich unberücksichtigt lässt, führt dies mittelbar dazu, dass § 2 Abs. 1 EFZG für alle Beschäftigten leerläuft und letztlich die Beklagte gar keine Feiertagsvergütung gewährt, obwohl sie dazu jedenfalls in gewissem Umfang verpflichtet wäre. Die Berechnungsvorschrift des § 5 Abs. 2 BV 2011 verstößt somit gegen § 2 Abs. 1 EFZG und ist deshalb nach § 12 EFZG i.V.m. § 134 BGB unwirksam.

Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts gibt § 5 Abs. 2 BV 2011 auch nicht nur deklaratorisch das wieder, was ohnehin gelten würde. Unter Beachtung der Bestimmungen der §§ 2 EFZG und 9 ArbZG ist der gesetzliche Regelfall vielmehr, dass pro Woche höchstens sechs Kalendertage als Arbeitstage zu berücksichtigen sind. Zwar dürfen in der Pflegeeinrichtung der Beklagten nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG auch an Sonn- und Feiertagen Arbeitnehmer beschäftigt werden. Die Klägerin weist aber zu Recht darauf hin, dass dadurch das grundsätzliche Verbot der Sonn- und Feiertagsbeschäftigung nicht vollständig aufgehoben ist, sondern vielmehr unter dem Vorbehalt steht, dass die fraglichen Arbeiten nicht an einem Werktag vorgenommen werden können. Die Beklagte ist dadurch nicht völlig frei in ihrer Entscheidung, wie viele Pflegekräfte sie an Sonn- und Feiertagen einsetzt. Vielmehr muss sie sich auf das notwendige Maß beschränken, was bei reduziertem Arbeitsanfall an Feiertagen notwendigerweise dazu führen muss, dass dienstplanmäßig weniger Pflegekräfte einzuplanen sind, wenn die gegenüber normalen Werktagen verminderte Zahl von Beschäftigten die anfallenden Arbeiten erledigen kann, was bei der Beklagten offenbar möglich ist. Dadurch gilt aber auch für die Beschäftigten der Beklagten grundsätzlich eine Sechs-Tage-Woche, woraus folgt, dass die Regelung in § 5 Abs. 2 BV 2011 konstitutiven Charakter hat, aus den vorgenannten Gründen freilich unwirksam ist.

b) Die Unwirksamkeit des § 5 Abs. 2 BV 2011 führt dazu, dass die Beklagte bis auf Weiteres, nämlich der Vereinbarung einer gesetzeskonformen Regelung, weiterhin verpflichtet bleibt, die monatlich anfallende Sollarbeitszeit ihrer Pflegedienstkräfte zu berechnen nach der bisher stets angewandten Formel: Zahl der Kalendertage eines Monats abzüglich der in diesem Monat anfallenden Sonntage und Wochenfeiertage : 6 x vertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit. Ob womöglich andere Berechnungsmodelle ebenfalls oder vielleicht sogar besser in der Lage wären, die gebotene Umrechnung der vertraglich geschuldeten Wochenarbeitszeit auf den Monat abzubilden, kann offen bleiben. Die Kammer ist nicht befugt, eine Ersatzregelung für die unwirksame Bestimmung des § 5 Abs. 2 BV 2011 zu erlassen. Dies hat den Betriebsparteien vorbehalten zu bleiben. Da die Dienstplaneinteilung bei der Beklagten nicht nach einem abstrakten Schema erfolgt, besteht insbesondere nicht die Möglichkeit, unter grundsätzlicher Aufrechterhaltung des Regelungsgehalts des § 5 Abs. 2 BV 2011 Zeitgutschriften auf dem Arbeitszeitkonto nur für solche Feiertage vorzusehen, an denen der fragliche Mitarbeiter zum Dienst eingeteilt worden wäre, wenn anstatt des Feiertags ein regulärer Werktag angefallen wäre. Dies kann im Betrieb der Beklagten gerade nicht festgestellt werden, sodass es dabei zu verbleiben hat, dass bis auf Weiteres die bisherige Ermittlung der Sollarbeitszeit weiter gilt. Grundsätzlich ist der Arbeitgeber zwar verpflichtet, im Fall des Arbeitsausfalls aus Anlass von gesetzlichen Feiertagen dem Arbeitnehmer die Anzahl von Stunden gutzuschreiben, die er schichtplanmäßig ohne den Ausfall gearbeitet hätte (BAG, Urteil vom 14.08.2002 a.a.O.). Da aber im vorliegenden Fall aus Gründen, die in der Sphäre der Beklagten liegen, der Kreis der Begünstigten nicht festgestellt werden kann, hat es dabei zu verbleiben, dass bereits bei der Ermittlung der monatlichen Sollstundenzahl anfallende Feiertage abstrakt zu berücksichtigen sind, und dies kann jedenfalls bis zur Schaffung einer gesetzeskonformen Neuregelung durch die Betriebsparteien nur durch das bisher betriebsüblich verwendete Berechnungsmodell gewährleistet werden.

c) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass für die Zeit von Juli 2011 bis einschließlich Januar 2012 die beiden Berechnungsformeln um 11,54 Stunden zulasten der Klägerin differieren. In Höhe dieser Differenz muss die Beklagte der Klägerin auf ihrem Arbeitszeitkonto eine Stundengutschrift gewähren. Dabei kommt es entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts und der Beklagten nicht darauf an, dass die Klägerin an einzelnen Feiertagen, hier am 03.10. sowie am 25./26.12.2011 gearbeitet hat. Die Berechnung der Sollarbeitszeit ist gerade unabhängig davon, ob an einem bestimmten Tag tatsächlich Arbeit geleistet wird oder nicht. Die Arbeitsleistung selbst wird nicht bei der Berechnung der monatlichen Sollarbeitszeit abgebildet, sondern dadurch berücksichtigt, dass im Umfang der erbrachten Arbeitsleistung entsprechende Gutstunden auf dem Arbeitszeitkonto zu verbuchen sind.

2. Die Berufung der Klägerin hat auch insoweit Erfolg, als sie Feststellung begehrt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, für Feiertage, an denen sie dienstplanmäßig nicht zur Arbeit eingeteilt ist, eine Sollarbeitszeit in Ansatz zu bringen. Hinsichtlich der Zulässigkeit des Antrags verweist die Kammer auf die zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils (§ 69 Abs. 2 ArbGG), denen die Kammer folgt. Zwar ist der Antrag insoweit missverständlich, als sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, dass es auf die Frage, ob die Klägerin dienstplanmäßig an einem Feiertag zur Arbeit eingeteilt ist, für die Bestimmung der monatlichen Sollarbeitszeit gar nicht ankommt. Dadurch wird der Antrag der Klägerin allerdings nicht unbestimmt, sondern erfasst lediglich nicht vollständig die Sachverhalte, über die die Parteien streiten. Dies ändert allerdings nichts daran, dass die Beklagte nach der bis auf Weiteres weiterhin anwendbaren Formel zur Bestimmung der monatlichen Sollarbeitszeit (auch) für Feiertage, an denen die Klägerin dienstplanmäßig nicht zur Arbeit eingeteilt ist, eine Sollarbeitszeit nicht in Ansatz bringen darf. Unter Ziffer I.1 des Urteils wurde begründet, dass die hiervon abweichende Berechnungsformel nach § 5 Abs. 2 BV 2011 unwirksam ist und deshalb nicht angewendet werden kann. Daraus ergibt sich zugleich die Begründetheit des vorliegenden Feststellungsantrags.

Da die Klägerin diesbezüglich mit ihrem Hauptantrag Erfolg hat, fällt der gestellte Hilfsantrag nicht zur Entscheidung an.

3. Soweit die Klägerin von der Beklagten Zahlung von Zuschlägen für geleistete Mehrarbeit im Oktober und Dezember 2011 verlangt, muss die Berufung demgegenüber erfolglos bleiben.

a) Unstreitig erfüllt die Klägerin nicht die Voraussetzungen für einen entsprechenden Zahlungsanspruch aus § 5 Abs. 4 BV 2011. Die diesbezügliche Regelung in der Betriebsvereinbarung ist wirksam und gilt zwischen den Parteien nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG unmittelbar und zwingend. Die nach § 77 Abs. 2 Satz 1 BetrVG vorgeschriebene Schriftform ist jedenfalls durch die Unterschriftsleistung beider Betriebsparteien am 28.07.2011 beachtet, sodass an dieser Stelle dahinstehen kann, ob die Betriebsvereinbarung, wie in § 11 Satz 1 bestimmt, zum 01.04.2011 oder erst mit Unterzeichnung am 28.07.2011 wirksam geworden ist.

Der Umstand, dass die Betriebsvereinbarung in § 5 Abs. 2 BV 2011 unwirksam ist, berührt nicht die Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung im Ganzen. Die Unwirksamkeit einzelner Teilbestimmungen einer Betriebsvereinbarung führt nicht ohne Weiteres zur Unwirksamkeit der übrigen Bestimmungen. Das folgt aus dem Normcharakter der Betriebsvereinbarung, der es ebenso wie bei Gesetzen oder Tarifverträgen gebietet, im Interesse der Kontinuität und der Rechtsbeständigkeit der gesetzten Ordnung diese insoweit aufrecht zu erhalten, als sie auch ohne den unwirksamen Teil ihre ordnende Funktion noch entfalten kann. Die Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung lässt deshalb die Wirksamkeit der übrigen unberührt, wenn der verbleibende Teil auch ohne die unwirksame Bestimmung eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält (st. Rechtspr. des BAG, zuletzt Urteil vom 18.09.2012 – 3 AZR 431/10 – juris; s, auch LAG Hamm, Urteil vom 02.09.2008 – 4 Sa 438/08 = NZA-RR 2009, 215 ff.). Im vorliegenden Fall kommt die Kammer in Anwendung dieser Grundsätze zum Ergebnis, dass die BV 2011 auch ohne die Regelung in § 5 Abs. 2 eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung darstellt, denn ihre Bestimmungen lassen sich zwanglos auch dann anwenden, wenn die Berechnung der monatlichen Sollarbeitszeit der im Pflegedienst beschäftigten Mitarbeiter nach einer anderen als der in § 5 Abs. 2 BV 2011 genannten Formel berechnet wird. Auch die salvatorische Klausel in § 10 BV 2011 geht davon aus, dass die Unwirksamkeit einer Einzelregelung die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen der Betriebsvereinbarung unberührt lässt.

b) Die Klägerin kann den streitgegenständlichen Zahlungsanspruch somit nicht mehr aus der Vorgängerbetriebsvereinbarung vom 20.08.2008 ableiten, denn im Verhältnis mehrerer Betriebsvereinbarungen untereinander gilt nicht das Günstigkeitsprinzip, sondern die sogenannte Zeitkollisionsregel, d.h. die jüngere Norm ersetzt hinsichtlich desselben Regelungsgegenstands die ältere mit Wirkung für die Zukunft und zwar auch dann, wenn die Neuregelung für die betroffenen Arbeitnehmer eine Verschlechterung gegenüber dem bisherigen Zustand darstellt (ErfK/Kania, 13. Auflage 2013, § 77 BetrVG Rn. 64).

c) Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin kann diese auch nicht auf individualrechtlicher Grundlage Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen verlangen. Ein solcher Anspruch folgt weder aus dem zwischen den Parteien am 01.05.1989 geschlossenen Einzelarbeitsvertrag, noch aus den Grundsätzen der betrieblichen Übung.

aa) Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ergibt sich aus dem zwischen den Parteien am 01.05.1989 geschlossenen Arbeitsvertrag kein Anspruch auf Zahlung einer Mehrarbeitsvergütung. Eine ausdrückliche Regelung dazu enthält der Vertrag ohnehin nicht, wie auch die Klägerin nicht verkennt. Es trifft aber auch nicht zu, dass dem Arbeitsvertrag eine Verweisung auf die einschlägigen Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags, namentlich § 35 BAT, entnommen werden könnte. Es fehlt nicht nur eine ausdrückliche Verweisungsbestimmung; aus dem Umstand, dass im Formulararbeitsvertrag das Feld unter Ziffer 14, das eine Verweisungsoption vorsieht, nicht angekreuzt und auch ein konkretes Regelwerk, auf welches sich die Verweisung beziehen würde, nicht eingetragen wurde, lässt sich schließen, dass der Wille der Vertragsparteien gerade nicht darauf gerichtet war, ergänzend auf tarifliche Bestimmungen Bezug zu nehmen. Schließlich ergibt sich nichts anderes aus dem Umstand, dass die Arbeitsvertragsparteien unter Ziffer 5 bestimmt haben, dass sich die Höhe und Zusammensetzung der Vergütung nach den Bestimmungen des “Krankenpflegetarifs” richtet, konkret die Vergütungsgruppe I des “Kr.T.” genannt wird und nachfolgend Grundvergütung, Ortszuschlag, tarifliche Zulage und Geriatrie-Zuschlag beziffert werden. Weder diese Auflistung, noch die allgemeinen Hinweise auf Bemessung der Vergütung sind geeignet, eine Verweisung auch auf die Bestimmungen des BAT über die Zahlung von Überstundenvergütung zu begründen. Die Mitteilung der Vergütungsgruppe I besagt lediglich, dass die nachfolgend genannten Vergütungskomponenten entsprechend der einschlägigen, damals aktuellen Tabellenbeträge zu zahlen waren. Eine Aussage über die etwaige Zahlung einer Mehrarbeitsvergütung wird nicht getroffen. Auch die unter Ziffer 5 einleitend getroffene Aussage, Höhe und Zusammensetzung der Vergütung richteten sich nach den Bestimmungen des Krankenpflegetarifs, geht nicht über das hinaus, was die Parteien nachfolgend konkret durch Angabe der verschiedenen Vergütungskomponenten und der aktuellen Tabellenbeträge näher bestimmt haben. Auch wenn die Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen die Höhe der Vergütung naturgemäß betrifft, lässt sich dem Arbeitsvertrag nicht entnehmen, dass der Wille der Vertragsparteien darauf gerichtet war, eine Regelung über die Zahlung von Zuschlägen u.ä. durch Verweis auf tarifliche Bestimmungen zu treffen. Dies geschieht üblicherweise durch die Bezugnahme auf ein bestimmtes Regelwerk und das fehlt hier, wie bereits ausgeführt.

bb) Dessen ungeachtet kann ohne Verletzung des Günstigkeitsprinzips auch eine arbeitsvertragliche Einheitsregelung wirksam durch eine Betriebsvereinbarung abgelöst werden, sofern die arbeitsvertragliche Regelung betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet ist. Sie steht dann unter dem ausdrücklichen oder stillschweigenden Vorbehalt der Ablösung durch eine spätere Betriebsvereinbarung (BAG, Urteil vom 16.11.2011 – 10 AZR 60/11 = NZA 2012, 349 ff.). Der Änderungsvorbehalt muss in der Vereinbarung bzw. in der Zusage der Leistungsgewährung zum Ausdruck kommen, was gegebenenfalls der Auslegung im Einzelfall bedarf (ErfK/Kania a.a.O. § 77 BetrVG Rn. 80). Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält unter Ziffer 8 ausdrücklich einen Hinweis darauf, dass Arbeitsplatz, Arbeitszeiten einschließlich Pausen sowie der Arbeitsablauf von der Heimleitung ggf. im Einvernehmen mit der Mitarbeitervertretung unabhängig vom Vertrag bestimmt werden können. Damit kommt hinreichend klar zum Ausdruck, dass die Beklagte sich vorbehalten wollte, Regelungen über die Arbeitszeit ggf. durch Betriebsvereinbarung zu regeln. Zu den Regelungen über die Arbeitszeit zählen aber nicht nur Bestimmungen über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Einteilung in den Schichtdienst, sondern auch die Verkürzung und Verlängerung der Arbeitszeit an einzelnen Tagen und damit Regelungen etwa über Gleitzeit oder eben die Schaffung von Arbeitszeitkonten (vgl. ErfK/Kania a.a.O. Rn. 85). Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie über die Verteilung der Arbeitszeit auf einzelne Wochentage. Hinsichtlich der Anordnung von Überstunden hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass sogar das Fehlen jeglicher Regelung im Arbeitsvertrag ausreicht, um eine Betriebsvereinbarungsoffenheit annehmen zu können (BAG, Urteil vom 03.06.2003 – 1 AZR 349/02 = NZA 2003, 1155 ff.). Die Schaffung von Arbeitszeitkonten und von Regelungen zur gleitenden Arbeitszeit unterliegen ebenfalls der betrieblichen Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG (BAG, Beschluss vom 09.11.2010 – 1 ABR 75/09 = NZA-RR 2011, 354 ff.; BAG, Beschluss vom 30.05.2006 – 1 ABR 21/05 = EzA § 4 TVG Chemische Industrie Nr. 9; BAG, Beschluss vom 18.04.1989 – 1 ABR 3/88 = DB 1989, 1978 f). In Anwendung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass auch bezüglich der Schaffung von Arbeitszeitkonten regelmäßig Betriebsvereinbarungsoffenheit angenommen werden kann, solange dem keine ausdrücklichen einzelvertraglichen Absprachen entgegenstehen, was hier nicht der Fall ist. Vielmehr weist Ziffer 8 des Vertrags vom 01.05.1989 sogar ausdrücklich auf spätere betriebliche Regelungen zur Arbeitszeit und damit auch auf die mögliche Schaffung von Arbeitszeitkonten hin. Selbst wenn also dem Arbeitsvertrag vom 01.05.1989 eine Bezugnahme auf die tariflichen Bestimmungen über die Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen entnommen werden könnte, war eine spätere Einführung von Arbeitszeitkonten durch Betriebsvereinbarung wegen der anzunehmenden Betriebsvereinbarungsoffenheit des Arbeitsvertrags in diesem Punkt möglich. Wesentlicher Bestandteil von Regelungen über Arbeitszeitkonten ist, dass etwa anfallende Mehrarbeit nicht bzw. erst zu einem späteren Zeitpunkt vergütet, sondern stattdessen dem Zeitkonto gutgeschrieben wird. Weiteres Wesensmerkmal von Arbeitszeitkonten ist die Saldierung von Plus- und Minusstunden. Schließlich kann die Schaffung von Arbeitszeitkonten auch dazu führen, dass Mehrarbeitszuschläge nur noch unter bestimmten Voraussetzungen zur Auszahlungen gelangen. Auch wenn solche Regelungen aus Sicht der Arbeitnehmer ungünstiger als die arbeitsvertragliche Einheitsregelungen (Formulararbeitsvertrag) sein mögen, gelten sie doch bei Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG unmittelbar und zwingend.

cc) Die Klägerin kann schließlich einen Anspruch auf Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen auch nicht nach den Grundsätzen der Betrieblichen Übung verlangen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, können durch eine regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen durch den Arbeitgeber Ansprüche des Arbeitnehmers begründet werden, wenn die Arbeitnehmer aus diesen Verhaltensweisen schließen können, ihnen solle ein Anspruch auf eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus einem solchen als Vertragsangebot zu wertendem Verhalten des Arbeitgebers, das vom Arbeitnehmer in der Regel stillschweigend angenommen wird, erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen musste und durfte (zuletzt etwa BAG, Urteil vom 29.08.2012 – 10 AZR 571/11 = NJW 2013, 187 f; BAG, Urteil vom 05.08.2009 – 10 AZR 483/08 = NZA 2009, 1105 ff.).

In Anwendung dieser Grundsätze vermag die Kammer, wie schon das Arbeitsgericht, bereits eine regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers nicht zu erkennen. Es ist unstreitig, dass vor Inkrafttreten der Betriebsvereinbarung zur Dienstplangestaltung vom 20.08.2008 die Beklagte schon einmal eine Art Arbeitszeitkonto für ihre Pflegekräfte eingerichtet hatte. Seinerzeit wurden nämlich Mehrarbeitszuschläge quartalsweise ausgezahlt, und dabei wurden bis zum jeweiligen Quartalsende aufgelaufene Mehrarbeitsstunden mit entsprechenden Minusstunden saldiert und nur das zum Stichtag bestehende verbleibende Zeitguthaben wurde mit Zahlung eines Mehrarbeitszuschlags von 20 % vergütet. Ohne dass die Klägerin nähere Einzelheiten vorgetragen hätte, wurde allerdings auch diese Übung nicht durchgängig praktiziert, sondern wiederum davor soll es schon einmal so gewesen sein, dass monatlich aufgelaufene Mehrarbeitsstunden vergütet und mit einem Überstundenzuschlag ausgezahlt wurden. Die Regelung des § 5 Abs. 6 der Betriebsvereinbarung vom 20.08.2008 selbst ist schon deshalb für die Begründung einer Betriebsübung ungeeignet, weil die Beklagte nach § 77 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 BetrVG zu dessen Beachtung normativ verpflichtet war. Nach alledem vermag die Kammer bereits die Begründung einer betrieblichen Übung nicht festzustellen, sodass dahinstehen kann, ob auch eine Betriebsübung betriebsvereinbarungsoffen sein kann (vgl. dazu BAG, Urteil vom 23.06.1992 – 1 AZR 57/92 unter Rn. 32). Nach alledem steht der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zahlung von Mehrarbeitsvergütungszuschlägen zu.

4. Es kann dahinstehen, ob der Berufungsantrag bezüglich der Feststellung der Verpflichtung zur Leistung von Überstundenzuschlägen zulässig ist. Das Bestehen des nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse ist keine Prozessvoraussetzung in dem Sinne, dass ein Sachurteil nicht ergehen könnte. Das Feststellungsinteresse ist vielmehr echte Prozessvoraussetzung nur für stattgebende Urteile (BAG, Urteil vom 24.09.2008 – 6 AZR 76/07 = NZA 2009, 154 ff.; BAG, Urteil vom 10.12.1992 – 8 AZR 134/92 = NZA 1993, 1040). Mit dem Antrag will die Klägerin festgestellt wissen, dass unabhängig vom Zeitkonto jede anfallende Mehrarbeitsstunde mit einem Überstundenzuschlag von 20 % zu vergüten ist und zwar ungeachtet der unter § 5 Abs. 4 BV 2011 geregelten Voraussetzungen. Wie unter Ziffer 3 im Einzelnen dargelegt, besteht ein derartiger Anspruch der Klägerin nicht, sodass ihr hierauf gerichteter Feststellungsantrag jedenfalls unbegründet ist.

II.

Die Klageerweiterung ist zulässig und begründet. Sie ist sachdienlich i.S.v. § 533 Ziff. 1 ZPO, und im Übrigen hat die Beklagte sich hierauf auch eingelassen.

Die Klageerweiterung ist auch begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin für die Zeit von April 2012 bis einschließlich Januar 2013 weitere 35,32 Stunden gutzuschreiben. Es handelt sich dabei um die Differenz zwischen der Sollarbeitszeitberechnung der Beklagten nach § 5 Abs. 2 BV 2011 und der zuvor praktizierten Berechnungsweise. Aus den unter Ziffer I.1 dargelegten Gründen ist die Bestimmung des § 5 Abs. 2 BV 2011 unwirksam, sodass die Beklagte verpflichtet ist, bis auf Weiteres nach dem davor gültigen Berechnungsmodell die Sollarbeitsstunden zu bestimmen. Die Höhe für den fraglichen Zeitraum ist zwischen den Parteien unstreitig und ergibt sich aus der Gegenüberstellung der beiden Berechnungsmethoden.

III.

Die Anschlussberufung der Beklagten ist gemäß § 524 Abs. 1 ZPO statthaft. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

1. Die Anschlussberufung ist aber nur teilweise begründet, nämlich insoweit, als die Beklagte zur Zahlung eines Teilbetrags in Höhe von 5,14 € brutto nebst Verzugszinsen verurteilt wurde. Wie unter Ziffer I.3. ausgeführt, kann die Klägerin nach der BV 2011 keine Zahlung von Überstundenzuschlägen verlangen und auch eine individualarbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage kommt dafür nicht in Betracht. Die BV 2011 entfaltete für Sachverhalte, die den Monat Juli 2011 betreffen, bereits Wirkung.

a) Allerdings teilt die Kammer die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen, dass die BV 2011 nicht dadurch in Kraft getreten ist, dass der von allen Mitgliedern unterzeichnete zustimmenden Beschluss des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats mit der Ausfertigung der BV 2011 “zusammengetackert” wurde. Durch diese Vorgehensweise wurde nicht die nach § 77 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BetrVG erforderliche Schriftform gewahrt. § 77 Abs. 2 Satz 2 BetrVG bestimmt ausdrücklich, dass die Betriebsvereinbarung, wenn sie nicht auf einem Spruch der Einigungsstelle beruht, von beiden Betriebsparteien zu unterzeichnen ist. Die Anforderungen an das Schriftformerfordernis richten sich nach den allgemeinen Regeln des BGB (ErfK/Kania a.a.O. Rn. 19). Nach § 126 Abs. 1 BGB erfordert die gesetzliche Schriftform, dass die Vertragsurkunde eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet wird. Bereits daran fehlt es im vorliegenden Fall. Zu Recht weist das Arbeitsgericht darauf hin, dass der Betriebsrat nicht die Betriebsvereinbarung selbst unterzeichnet hat, sondern nur den von ihm gefassten Beschluss, dieser zuzustimmen. Der zustimmende Beschluss ist zwar Voraussetzung dafür, dass eine Unterzeichnung durch den Betriebsratsvorsitzenden erfolgen kann, er vermag diese aber nicht zu ersetzen.

Dessen ungeachtet erfüllt die gewählte Vorgehensweise auch nicht die Erfordernisse des § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB. Danach muss bei einem Vertrag die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Auch dies ist vorliegend nicht geschehen.

Zu Unrecht beruft sich die Beklagte demgegenüber darauf, die Vertragsparteien hätten eine sogenannte zusammengesetzte Urkunde hergestellt. Dies trifft schon deshalb nicht zu, weil aus den vorgenannten Gründen am 31.03.2011 seitens des Betriebsrats lediglich der zustimmende Beschluss unterzeichnet wurde. Dessen ungeachtet fehlt es auch an den Voraussetzungen für die Erstellung einer Gesamturkunde. Eine Gesamturkunde ist dann gegeben, wenn mehrere Blätter zusammengehören und auch äußerlich erkennbar eine Einheit bilden. Die Einheit der Urkunde kann dadurch hergestellt werden, dass ihre Bestandteile zusammengeheftet sind und einen Sinnzusammenhang erkennen lassen (BAG, Beschluss vom 11.11.1986 – 3 ABR 74/85 = NZA 1987, 449 f). Schließt die Namensunterschrift eine aus mehreren Bestandteilen bestehende Urkunde räumlich ab, erfordert die Schriftform des § 126 BGB nicht einmal die körperliche Verbindung der einzelnen Blätter der Urkunde, wenn sich deren Einheit aus fortlaufender Paginierung, fortlaufender Nummerierung der einzelnen Bestimmungen, einheitlicher graphischer Gestaltung, inhaltlichem Zusammenhang des Textes oder vergleichbaren Merkmalen zweifelsfrei ergibt (BAG, Urteil vom 07.05.1998 – 2 AZR 55/98 = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Namensliste; BGH, Urteil vom 24.09.1997 – XII ZR 234/95 = NJW 1998, 58 ff.).

An den Erfordernissen einer Gesamturkunde fehlt es auch unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze. Der Zustimmungsbeschluss des Betriebsrats schließt weder die Betriebsvereinbarung erkennbar räumlich ab, noch ergibt sich aus ihr eindeutig die Zusammengehörigkeit mit der Betriebsvereinbarung, denn es fehlt an einer einheitlichen graphischen Gestaltung, einer fortlaufenden Nummerierung und auch einem inhaltlichen Zusammenhang. Es ist allgemein anerkannt, dass es bei Verträgen nicht genügt, wenn eine Vertragspartei lediglich das Angebot und die andere die Annahme unterzeichnet, wie dies bei einem Schriftwechsel oftmals der Fall ist. Dies genügt lediglich für die gewillkürte Schriftform nach § 127 Abs. 2 BGB, nicht aber für die gesetzliche Schriftform nach § 126 Abs. 2 BGB (Staudinger/Hertel, Neubearbeitung 2012, § 126 BGB Rn. 152). In einem solchen Fall kann auch nicht dadurch die Schriftform gewahrt werden, dass man den Schriftverkehr mit einer Heftklammer oder auf andere Art und Weise zusammenfügt. Nach alledem vermochte die Anfügung des Zustimmungsbeschlusses des Betriebsrats der Beklagten vom 31.03.2011 die BV 2011 nicht wirksam in Kraft zu setzen.

b) Die BV 2011 wurde aber durch Unterzeichnung der Vertreter beider Betriebsparteien am 28.07.2011 wirksam unterzeichnet und galt daher im Monat Juli 2011 bereits unmittelbar und zwingend im Sinne von § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG. Ausweislich § 11 Satz 1 BV 2011 sollte die Betriebsvereinbarung zum 01.04.2011 in Kraft treten. Bei der Rückwirkung von ablösenden Betriebsvereinbarungen ist zu unterscheiden zwischen der echten Rückwirkung, mit der eine Rechtsnorm nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift. Die echte Rückwirkung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig. Demgegenüber liegt eine unechte Rückwirkung vor, wenn eine Rechtsnorm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet. Sie ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig, wobei sich die Grenzen der Zulässigkeit aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ergeben (BAG, Urteil vom 23.01.2008 – 1 AZR 988/06 = NZA 2008, 709 ff.; BAG, Urteil vom 19.09.1995 – 1 AZR 208/95 = NZA 1996, 386 ff.). Jedenfalls bezüglich der hier streitgegenständlichen Mehrarbeitszuschläge ist es geboten, zu unterscheiden in solche Ansprüche, die vor Juli 2011 bereits entstanden waren und solche, die erst im Laufe des Juli 2011 entstanden sind. Für die vor Juli 2011 entstandenen Ansprüche liegt bezüglich der Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen echte Rückwirkung vor, denn nach § 5 Abs. 6 der Vorgängerbetriebsvereinbarung vom 20.08.2008 waren Überstundenzuschläge monatlich abzurechnen und damit am Monatsende entstanden. Dass aus abrechnungstechnischen Gründen die Auszahlung erst mit dem Gehalt des Folgemonats erfolgen sollte, steht dem nicht entgegen, weil es sich dabei nur um eine Fälligkeitsvorschrift handelt, die unabhängig von der Entstehung des Anspruchs zu betrachten ist. Würde man im vorliegenden Fall annehmen, dass mit der Unterzeichnung der BV 2011 am 28.07.2011 rückwirkend die Geltung des § 5 Abs. 6 der Vorgängerbetriebsvereinbarung beseitigt würde, würde man der Klägerin bereits entstandene Ansprüche abschneiden und dies ist unzulässig, weil insoweit eine echte Rückwirkung vorliegt. Anders verhält es sich bei den erst im Juli 2011 entstandenen Ansprüchen. Insoweit war der Lebenssachverhalt noch nicht abgeschlossen, weil ein Auszahlungsanspruch auch bei Fortgeltung von § 5 Abs. 6 der Betriebsvereinbarung vom 20.08.2008 noch nicht entstanden gewesen wäre. Da erst bezogen auf den Monatsletzten festzustellen war, ob und wie viele Überstunden im laufenden Monat abgeleistet wurden, und nur der monatliche Endsaldo Grundlage für die Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen war, hatte die Klägerin im Juli 2011 hinsichtlich der Überstundenzuschläge noch keine gesicherte Rechtsposition erlangt. Insoweit liegt eine unechte Rückwirkung vor, die im vorliegenden Fall deshalb zulässig ist, weil die Klägerin zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Betriebsvereinbarung am 28.07.2011 noch nicht darauf vertrauen konnte, dass sie überhaupt oder jedenfalls in einer bestimmten Höhe Mehrarbeitszuschläge erhalten werde. Dem Vertrauensschutz steht insbesondere entgegen, dass die ablösende BV 2011 bereits Gegenstand von Betriebsversammlungen war, die im Mai 2011 stattgefunden hatten. Daher muss die Klägerin es sich gefallen lassen, dass jedenfalls ab 01.07.2011 bezüglich der Auszahlung von Überstundenzuschlägen auf die Regelung des § 5 Abs. 4 BV 2011 abzustellen ist, deren Voraussetzungen sie im Monat Juli 2011 nicht erfüllt hatte. Aus diesem Grund durfte das Arbeitsgericht Gelsenkirchen der Zahlungsklage der Klägerin insoweit nicht stattgeben, weshalb die Anschlussberufung in diesem Punkt begründet ist.

2. Soweit die Beklagte außerdem vom Arbeitsgericht Gelsenkirchen verurteilt wurde, an die Klägerin restliches Urlaubsgeld in Höhe von 32,00 € brutto zu zahlen, ist die Anschlussberufung demgegenüber unbegründet. Die Klägerin hat kraft betrieblicher Übung einen Anspruch auf Zahlung eines jährlichen Urlaubsgeldes in Höhe von 166,18 €. Sie hat nachgewiesen, dass ein solcher Betrag ihr seitens der Beklagten jährlich mindestens seit dem Jahr 2005 vorbehaltslos gezahlt wurde. Substantiierte Einwände hiergegen hat die Beklagte nicht erhoben. Da es sich bei dem Urlaubsgeld um eine Gratifikation handelt, genügt für die Begründung einer betrieblichen Übung die dreimalige vorbehaltslose Leistung (vgl. ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 220a m. w. N.).

Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, wegen der krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin in der Zeit vom 04.04. bis 23.06.2011 Abzüge vornehmen zu dürfen. § 4 a EFZG stellt selbst keine Rechtsgrundlage für die vorgenommene Kürzung dar, weil darin eine Vereinbarung über die Kürzung von Leistungen vorausgesetzt wird. Eine derartige Vereinbarung ist aber von der Beklagten weder vorgetragen worden, noch ist eine solche ersichtlich. Will ein Arbeitgeber wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten eine Sondervergütung kürzen, bedarf es dafür einer normativen oder vertraglichen Kürzungsgrundlage in einem Tarifvertrag einer Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag (ErfK/Dörner/Reinhard, § 4 a EFZG Rn. 2). Bei fehlender Kürzungsabrede kann wegen Fehlzeiten nur bei Sondervergütungen mit reinem Entgeltcharakter gekürzt werden. Eine nur an die Arbeitnehmereigenschaft anknüpfende Regelung über Urlaubsgeld kann daher nicht gekürzt werden. Das gilt auch dann, wenn es sich bei der Sondervergütung um eine solche mit “Mischcharakter” handelt, bei der nicht ausschließlich die erbrachte Arbeitsleistung honoriert werden soll. Es ist Aufgabe des Arbeitgebers, durch die Formulierung klarer Anspruchs- und Ausschlusstatbestände Rechtssicherheit zu schaffen (ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 542). In Ermangelung einer Kürzungsabrede war die Beklagte daher nicht berechtigt, das der Klägerin zustehende Urlaubsgeld wegen der krankheitsbedingten Fehlzeiten zu kürzen. Demgemäß ist sie verpflichtet, an die Klägerin ein restliches Urlaubsgeld in Höhe der vorgenommenen Kürzung von 32,00 € nebst Verzugszinsen nach § 288 BGB zu zahlen. Dies hat das Arbeitsgericht Gelsenkirchen zutreffend entschieden, sodass insoweit die Anschlussberufung der Beklagten unbegründet ist.

IV.

Aus Gründen der Übersichtlichkeit hat die Kammer es für geboten gehalten, in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung eine neue Tenorierung vorzunehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat es für geboten gehalten, nach § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG die Revision für beide Parteien zuzulassen.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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