LAG Hamm, Urteil vom 29.11.2012 – 15 Sa 1008/12

Juli 4, 2020

LAG Hamm, Urteil vom 29.11.2012 – 15 Sa 1008/12

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 20.04.2012 – 2 Ca 3832/11 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers auf Entgeltfortzahlung, Annahmeverzugsentgelt sowie leidensgerechte Beschäftigung in dem zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnis.

Der 1957 geborene Kläger ist bei der Beklagten, die u. a. Unternehmungen im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs betreibt, seit 1981 beschäftigt, zuletzt zu einem monatlichen Bruttoentgelt von etwa 2.900,00 €. Der Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50.

Der Kläger war zunächst in der Zeit von 1981 bis 1992 als Straßenbahnfahrer tätig, konnte jedoch aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen diese Tätigkeit nicht mehr ausüben. Er war anschließend mit den Aufgaben eines Materialausgebers betraut und wechselte von September 1993 an auf seinen Wunsch in den Bereich der Automatenbetreuung. Nach Wegfall dieses Arbeitsplatzes war der Kläger ab Oktober 2001 aushilfsweise für Reinigungstätigkeiten in Stadtbahnfahrzeugen und in der Gleisbettreinigung eingesetzt. Ab Juni 2002 arbeitete der Kläger nacheinander als Fahrer im Behindertenfahrdienst bei einer Tochtergesellschaft der Beklagten (D2), als Aushilfe im Zählbüro, als Aushilfe in der Kfz-Werkstatt, für die Tochtergesellschaft der Beklagten D3 im Bereich Kundenbetreuung, als Mieterbetreuer bei der weiteren Tochtergesellschaft der Beklagten D4, im Bereich Dateneingabe sowie seit 2009 als Servicekraft im Bereich Service und Sicherheit (BMS). Arbeitsplätze im Bereich Service und Sicherheit hält die Beklagte als Mischarbeitsplätze für gesundheitlich eingeschränkte und leistungsgeminderte Arbeitnehmer vor. Die Tätigkeit als Servicekraft besteht zu etwa 4/6 aus der Fahrausweisprüfung, zu 1/6 aus Servicearbeiten (z. B. Strecken- und Sicherungsposten) und zu 1/6 aus Pförtnertätigkeiten.

Seit 2009 wies der Kläger folgende Arbeitsunfähigkeitszeiträume auf:

18.08.2009 bis 25.08.2009,

01.09.2009 bis 16.10.2009,

15.04.2010 bis 21.05.2010 sowie

21.05.2010 bis 11.06.2011.

Der Kläger war spätestens ab dem 24.06.2011 erneut arbeitsunfähig. Nach seinen Angaben stand diese Erkrankung, so die Auskunft der Krankenkasse, im Zusammenhang mit den Arbeitsunfähigkeitszeiten ab dem 18.08.2009 (vgl. Schreiben der BIG direkt gesund vom 27.07.2011, Bl. 5 d. A.).

Mit Schreiben vom 01.06.2011 wandte sich der Kläger an das Vorstandsmitglied L1 der Beklagten, dem er mitteilte, der von ihm selbst angeregte Versuch eines Einsatzes auf dem Mischarbeitsplatz Fahrausweisprüfung und Pförtner sei aufgrund aufgetretener schwerer Schmerzen gescheitert, trotz verschiedener Maßnahmen zur Schmerzlinderung sei bei der bei ihm diagnostizierten Krankheit Morbus Forestier keine Besserung festzustellen gewesen. Er könne nicht an seinen bisherigen Arbeitsplatz zurückkehren, da er diese Arbeit auf keinen Fall mehr auszuüben in der Lage sei. Wegen des Inhalts des Schreibens vom 01.06.2011 wird für die Einzelheiten auf die Gerichtsakte (Bl. 72 f. d. A.) verwiesen.

Der Kläger bot am 14.06.2011 seine Arbeitskraft der Beklagten persönlich an. Hierbei erklärte er, zwar wieder arbeitsfähig zu sein, jedoch auf seinen Arbeitsplatz nicht zurückkehren zu können, da bei der Arbeit zu große Schmerzen entstehen würden. Unter Hinweis auf den Gesundheitszustand des Klägers nahm die Beklagte die angebotene Arbeitsleistung des Klägers nicht an.

Es erfolgte am 20.06.2011 eine arbeitsmedizinische Untersuchung des Klägers, aufgrund derer die untersuchende Ärztin u. a. folgendes bescheinigte:

“Bei Herrn B1 bestehen weiterhin Einschränkungen hinsichtlich schwereren Hebens und Tragens von Lasten sowie Arbeiten in Wirbelsäulenzwangshaltungen.

Außerdem sind Tätigkeiten mit dauerndem Stehen oder dauerndem Gehen nicht möglich. Ein Haltungswechsel ist notwendig.

Aus heutiger Sicht werden die Einschränkungen langfristig ggf. auch auf Dauer bestehen bleiben.

Ein Einsatz bei BMS ist also nur in sehr kleinen Teilbereichen ohne Gehen oder Stehen über ca. 30 Minuten am Stück möglich.”

Für die weiteren Inhalte der Bescheinigung sowie des erstellten Leistungsprofils wird verwiesen auf Bl. 86 f. d. A..

Der Kläger bot sodann am 22.08.2011 seine Arbeitskraft erneut persönlich an, begleitet von anwaltlichem Schreiben vom 24.08.2011. Die Beklagte nahm die Arbeitsleistung wiederum unter Hinweis auf die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers nicht an.

Unter dem 10.10.2011 bescheinigte (s. Bl. 97 d. A.) die den Kläger behandelnde Ärztin Dr. M1 folgendes:

“Herr B1 […] kann unter Berücksichtigung seiner Erkrankung ganzschichtige Tätigkeiten ausüben, die abwechselnd sitzend, gehend und stehend verrichtet werden, wobei der Zeitraum der gehenden oder stehenden Tätigkeit begrenzt ist. Er ist einsetzbar für Büro- und leichtere Lagerarbeiten, als Fahrer allgemein, z.B. PKW. Auch Schichtdienste wie z.B. Pförtnertätigkeiten stellen keine Probleme dar. Unter diesen Voraussetzungen ist der Patient ab dem 20.08.2011 arbeitsfähig.”

Die Beklagte leistete an den Kläger in den o. g. Arbeitsunfähigkeitszeiträumen Entgeltfortzahlung und Krankengeldzuschüsse nach tariflicher Regelung. Für die Einzelheiten der Zahlungen in den verschiedenen Zeiträumen und die Höhe der finanziellen Leistungen wird verwiesen auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils, dort S. 6 (Bl. 225 d. A.).

Mit seiner am 08.09.2011 eingereichten, der Beklagten am 15.09.2011 zugestellten, und sodann mehrfach erweiterten Klage begehrt der Kläger von der Beklagten Entgeltfortzahlung für den Zeitraum 24.06.2011 bis 04.08.2011 sowie ab dem 24.08.2011 bis einschließlich Dezember 2011 Zahlung seines monatlichen Entgelts unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs. Zudem begehrt der Kläger seine Beschäftigung auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz.

Der Kläger hat gemeint, der Entgeltfortzahlungsanspruch ergebe sich aus der Bescheinigung seiner Krankenversicherung vom 27.07.2011. Ab dem 24.08.2011 befinde sich die Beklagte mit der Annahme seiner Arbeitsleistung in Verzug und sei daher zur Zahlung des geschuldeten Entgelts verpflichtet.

Der Kläger behauptet, er sei unter besonderen Voraussetzungen arbeitsfähig. Die Beklagte sei verpflichtet alles zu unternehmen, um ihm die Möglichkeit einzuräumen, sein Recht auf Arbeit wahrzunehmen. Als Pförtner könne er ohne weiteres tätig sein. Auch könne er als Zugbegleiter eingesetzt werden. Hier setze die Beklagte Mitarbeiter zu Kundenbefragungen ein; diese würden überwiegend sitzend arbeiten. Im Kammertermin vom 20.04.2012 hat der Kläger erklärt, dass er sich schon nach einer halben oder dreiviertel Stunde aufgrund von Schmerzen hinsetzen und eine Pause einlegen müsse. Für die Fahrausweisprüfung könne er eingesetzt werden, wenn diese nur auf einem Wagen der Stadtbahnen stattfinden und er somit nicht die Fahrzeuge wechseln müsste.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Zeitraum vom 24.06.2011 bis 04.08.2011 Entgeltfortzahlung zu leisten, und zwar in Höhe von 4.494,15 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 05.08.2011,

2. die Beklagte zu verurteilen, zusätzlich zu der geltend gemachten Entgeltfortzahlung an den Kläger einen weiteren Bruttobetrag in Höhe von 3.795,06 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 798,96 € seit dem 01.09.2011 und von 2.996,10 € seit dem 01.10.2011 zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Monat Oktober 2011 Vergütung in Höhe von 2.996,10 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.11.2011 zu zahlen,

4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.992,20 € brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz von jeweils 2.996,10 € seit dem 01.12.2011 und dem 01.01.2012.

Ferner hat der Kläger beantragt,

5. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz entsprechend der ärztlichen Bescheinigung der Frau Dr. M1 vom 10.10.2011 mit Tätigkeiten zu beschäftigen, die abwechselnd sitzend, gehend und stehend verrichtet werden bei Aufrechterhaltung seiner bisherigen Vergütung,

und hilfsweise hierzu,

6. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger mit sofortiger Wirkung auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz nach dem bisherigen Arbeitsbeendigungen zu beschäftigen, im Fahrausweis Prüfungsbereich und im Servicebereich, mit Ausnahme bei Veranstaltungen und als Streckenposten bei Störungen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Widerklagend hat die Beklagte beantragt,

den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 5.073,02 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass ab dem 24.06.2011 keine erneute Arbeitsunfähigkeit des Klägers wegen derselben Vorerkrankung bestanden habe. Vielmehr sei von einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit ab dem 21.05.2010 auszugehen gewesen. Zudem sei der Kläger zu keinem Zeitpunkt nach dem 21.05.2010 gesundheitlich in der Lage gewesen, die ihm übertragenen Tätigkeiten auf dem Mischarbeitsplatz im Bereich Service und Sicherheit auszuführen. Weder habe der Kläger deswegen einen erneuten Anspruch auf Entgeltfortzahlung noch befinde oder noch habe sie sich in Annahmeverzug befunden, denn der Kläger sei nicht arbeitsfähig gewesen. Dies ergebe sich bereits aus dem Vorbringen des Klägers selbst, seinem Schreiben an den Vorstand, seinen außergerichtlichen Äußerungen sowie insbesondere aus der ärztlichen Untersuchung vom 20.06.2011. Ein leidensgerechter Arbeitsplatz, den sie suche, sei nicht vorhanden und auch seit August 2011 nicht vorhanden gewesen. Als Zugbegleiter setze sie keine Arbeitnehmer ein, sondern Langzeitarbeitslose in sozialrechtlichen Maßnahmen; zukünftig werde dieser Bereich durch die so genannte Bürgerarbeit abgelöst. Unter Berücksichtigung des ärztlich erstellten Leistungsprofils des Klägers ständen Arbeitsplätze nicht zur Verfügung. Es sei stets geprüft worden, ob insbesondere ab dem 20.08.2011 freie Arbeitsplätze mit dem Kläger hätten besetzt werden können.

Die Beklagte behauptet, ein formelles Verfahren zum betrieblichen Wiedereingliederungsmanagement (BEM) durchgeführt zu haben.

Die Beklagte hat zudem die Höhe der geforderten Entgeltfortzahlung bestritten und näher dargelegt, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch lediglich sich auf 3.894,76 € beliefe (vgl. Bl. 18. d. A.). Zudem hat sie unter näherer Darlegung die Höhe der geltend gemachten monatlichen Vergütung bestritten.

Das Arbeitsgericht Dortmund hat mit Urteil vom 20.04.2012 die Klage als teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet abgewiesen, der Widerklage hat es stattgegeben. Das erstinstanzliche Gericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Antrag auf Beschäftigung auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz entsprechend der ärztlichen Bescheinigung der Ärztin Dr. M1 mit Tätigkeiten, die abwechselnd sitzend, gehend und stehend verrichtet werden, sei unzulässig. Der Antrag sei zu unbestimmt. Der Arbeitnehmer habe die eingeforderte Beschäftigung auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz konkret zu bezeichnen. Unzulässig sei auch der hilfsweise gestellte Beschäftigungsantrag. Auch ihm sei nicht hinreichend bestimmt entnehmbar, welche konkreten Tätigkeiten bei der angestrebten Beschäftigung im Fahrausweisprüfungs- und Servicebereich gemeint seien. Der Hilfsantrag sei zudem auch unbegründet. Bereits nach seinem eigenen Vorbringen sei der Kläger gesundheitlich nicht mehr in der Lage, im Bereich der Fahrausweisprüfung uneingeschränkt tätig zu werden.

Der Kläger könne für den geltend gemachten Zeitraum keine Entgeltfortzahlung von der Beklagten verlangen. Zwar sei er in dem relevanten Zeitraum unstreitig arbeitsunfähig gewesen. Auf diese Erkrankung seien die Vorerkrankungen seit 2009 jedoch anzurechnen gewesen. Ab dem 24.06.2011 sei ein neuer Anspruch nicht entstanden.

Mangels Annahmeverzugs der Beklagten stehe dem Kläger auch kein Anspruch auf Entgeltzahlung ab dem 24.08.2011 zu. Der Kläger sei in dem streitigen Klagezeitraum aus in seiner Person liegenden Gründen nicht in der Lage gewesen, die zuletzt geschuldeten Tätigkeiten auf dem Mischarbeitsplatz vollständig zu erbringen. Das Arbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger bei der Beklagten als gewerblicher Mitarbeiter ohne konkretere Tätigkeitsbeschreibung beschäftigt wird. Dem Arbeitgeber obliege es daher nach § 106 S. 1 GewO, den Inhalt der zu leistenden Arbeit näher zu bestimmen. Erst die durch die wirksame Ausübung des Direktionsrechts näher bestimmte Tätigkeit sei die im Sinne von § 294 BGB zu bewirkende Arbeitsleistung. Könne der Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts nach § 106 S. 1 GewO wirksam näher bestimmte Tätigkeit aus in seiner Person liegenden Gründen nicht mehr ausüben, aber eine andere, im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarung liegende Tätigkeit verrichten, sei das Angebot einer leidensgerechten Arbeit ohne Belang, solange der Arbeitgeber nicht durch eine Neuausübung seines Direktionsrechts diese zu der im Sinne von § 294 BGB zu bewirkenden Arbeitsleistung bestimmt habe. Verlange der Arbeitgeber eine bestimmte Arbeit in rechtlich einwandfreier Art und Weise, komme er nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer diese Arbeit ablehne und stattdessen eine andere, ebenfalls vertragsgemäße Arbeit anbiete. Mit der Ausübung des Direktionsrechts werde die vertraglich geschuldete Tätigkeit näher bestimmt und sei ab diesem Zeitpunkt bis zur wirksamen Neuausübung des Direktionsrechts die konkret geschuldete Leistung. Die Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers stehe dem Annahmeverzug des Arbeitgebers jedoch dann nicht entgegen, wenn dieser die ihm mögliche und zumutbare Zuweisung leidensgerechter und vertragsgemäßer Arbeit unterlasse. Der Beklagten sei es nicht möglich gewesen, dem Kläger eine zumutbare leidensgerechte und vertragsgemäße Arbeit zuzuweisen. Insbesondere sei es der Beklagten nicht möglich gewesen, den Mischarbeitsplatz so umzugestalten, dass der Kläger etwa nur noch mit den von ihm zu erbringenden Teilaufgaben beschäftigt wird. Der Kläger habe auch nicht konkret dargelegt, dass die Beklagte außerhalb des Mischarbeitsplatzes andere geeignete Einsatzmöglichkeiten für ihn habe. Unter Berücksichtigung des ärztlich erstellten Leistungsprofils sei ein Einsatz im Lager, Gebäudemanagement und Postservice nicht in Betracht gekommen, obgleich diese Stellen ab dem 20.08.2011 frei gewesen seien.

Der Anspruch der Beklagten gegen den Kläger auf Rückzahlung zu viel gezahlter Entgeltfortzahlung und Krankengeldzuschüsse sei begründet.

Gegen das ihm am 20.06.2012 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit Schriftsatz vom 17.07.2012 Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20.09.2012 – mit am 19.09.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger trägt, sein erstinstanzliches Vorbringen vertiefend, vor, bis zum 13.06.2011 arbeitsunfähig erkrankt gewesen zu sein. Danach sei er nach Auffassung seiner Hausärztin mit Einschränkungen wieder arbeitsfähig gewesen. Am 13.06.2011 sei er persönlich bei der Beklagten erschienen, um seine Arbeitskraft anzubieten. Eine Tätigkeit habe die Beklagte abgelehnt unter Hinweis darauf, dass er nicht arbeitsfähig sei. Der Kläger weist darauf hin, dass er der Abteilung PWWZ/PWFZ zugeordnet sei. Hier befänden sich die Mitarbeiter in einem Pool, aus denen sie für bestimmte Tätigkeiten angefordert werden können, sowohl von der Beklagten wie auch von den Tochtergesellschaften. Bei der Beklagten und bei den Tochtergesellschaften arbeiteten etwa 3800 Menschen.

Der Kläger bestreitet ausdrücklich, dass bezogen auf ihn ein ordnungsgemäßes BEM-Verfahren durchgeführt worden sei. Er verweist zudem auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.05.2010 (5 AZR 162/09), die festlege, dass der Arbeitgeber sein Direktionsrecht neu ausüben müsse, wenn der Arbeitnehmer dies verlange, weil er aus persönlichen Gründen die bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben könne. Auch ist der Kläger der Ansicht, dass der Hilfsantrag bestimmt genug sei. Er beziehe sich auf den Fahrausweisprüfer- und Servicebereich mit Ausnahme von Veranstaltungen sowie auf den Streckenposten bei Störungen des Zugverkehrs.

Bei den Mitarbeitern in den Zügen handele es sich nicht um 1-Euro-Kräfte. Vielmehr seien dort fünf Mitarbeiter beschäftigt, u. a. die Mitarbeiter B3, N1, R1 und I2. Bei der Kasse in B4, zuständig für die Automatenabrechnung, würden ständig Mitarbeiter benötigt. Er habe hier auch bereits gearbeitet.

Unstreitig habe die Beklagte ihm am 23.04.2011 eine Arbeit bei der D2 angeboten, die er auch angenommen habe. Diese Tätigkeit sei ihm vier Tage vor dem erstinstanzlichen Kammertermin angeboten worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 20.04.2012 – 2 Ca 3832/11 – teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 19.674,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszins in Höhe von 1.697,79 € seit dem 02.07.2011 und von jeweils 2.996,10 € seit dem 02.08., 02.09., 02.10., 02.11., 02.12. 2011 und 02.01.2012 zu zahlen sowie nach den Anträgen zu Ziffer 5) hilfsweise zu Ziffer 6) zugunsten des Klägers zu entscheiden.

Im Termin vom 29.11.2012 hat der Kläger die Hauptsache hinsichtlich des Beschäftigungsanspruchs und des hilfsweise gestellten Beschäftigungsanspruchs für erledigt erklärt.

Die Beklagte beantragt,

die gegnerische Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie hält sowohl den Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz entsprechend der ärztlichen Bescheinigung der Ärztin Dr. M1 vom 10.10.2011 wie auch den hilfsweise gestellten Beschäftigungsantrag des Klägers für unzulässig, den Hilfsantrag zudem für unbegründet. Unbegründet sei der Beschäftigungsanspruch schon deshalb, weil der Kläger ab dem 23.04.2012 eine Arbeit bei D2, Betrieb Zinkhütte, vorbehaltlos angenommen habe. Dies sei auch unstreitig.

Wenn der Kläger nunmehr erstmalig vortrage, dass er bis zum 13.06.2011 arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei, sei darauf hinzuweisen, dass Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Klägers vom 24.06. bis zum 20.08.2011 vorlägen. Zudem bescheinige die Krankenkasse mit Schreiben vom 09.07.2012 dem Kläger Arbeitsunfähigkeit bis zum 19.08.2011 und stelle darüber hinaus fest, dass die Entgeltfortzahlung wegen Vorerkrankung entfalle. Der Vortrag des Klägers, er sei seit dem 13.06.2011 wieder arbeitsfähig, sei nicht nachvollziehbar, zumindest widersprüchlich und werde bestritten. Auch unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs stehe dem Kläger Entgelt nicht zu. Der zuletzt als Fahrausweisprüfer/Servicekraft im Bereich Service und Sicherheit beschäftigte Kläger schulde 4/6 der arbeitsvertraglichen Tätigkeit als Fahrausweisprüfer/Servicekraft in Form von Fahrausweisprüfung. Diese Tätigkeit könne der Kläger nach seinem eigenen Vortrag nicht mehr ausführen. Auch die zu 1/6 der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeiten der Servicearbeiten könne der Kläger nach seinem Vortrag nicht mehr ausführen, da diese zumindest längeres Stehen erforderten (etwa als Streckenposten). Mit Schriftsatz vom 01.06.2011 und am 14.06.2011 persönlich gegenüber seinem Führungsverantwortlichen, gegenüber der Personalabteilung und gegenüber dem Betriebsrat im Beisein der Vertrauensperson für schwerbehinderte Menschen habe der Kläger zwar erklärt, dass er wieder arbeitsfähig sei. Gleichzeitig habe er betont, dass eine Rückkehr auf seinen Arbeitsplatz ausgeschlossen sei, er erwarte daher die Zuweisung einer anderen Tätigkeit. Daraus werde ersichtlich, dass eine Arbeitsfähigkeit zu keinem Zeitpunkt seit dem 21.05.2010 vorgelegen habe. In einem Gespräch mit dem damaligen Leiter Personalwirtschaft vom 09.06.2011 sei dem Kläger mitgeteilt worden, dass ein anderer Arbeitsplatz derzeit nicht zur Verfügung stehe; wenn er aus gesundheitlichen Gründen als Fahrausweisprüfer nicht tätig sein können, sei er arbeitsunfähig.

Die namentlich von dem Kläger benannten Mitarbeiter seien keine Fahrzeugbegleiter, sondern wie der Kläger Fahrausweisprüfer/Servicekräfte. Diese Mitarbeiter würden körperlich wesentlich beansprucht und müssten insbesondere Hilfe leisten, z. B. bei Fahrgästen mit Kinderwagen, bei mobilitätseingeschränkten Menschen und beim Tragen von Gepäck. Eine Beschäftigung des Klägers sei in diesem Bereich im Hinblick auf die von dem Kläger selbst vorgetragenen gesundheitlichen Einschränkungen nicht angezeigt. Wenn der Kläger mit Schriftsatz vom 28.03.2012 klarstelle, dass er nach einer halben oder dreiviertel Stunde wegen der Schmerzen eine Erholungspause und eine Regenerationsphase von 10 bis 15 Minuten benötige, würde dies wohl bedeuten, dass der Kläger etwa 2 Stunden täglich bezahlte Pause mache. Dies sei für sie völlig unzumutbar.

Die ursprüngliche Mitarbeitergruppe der sog. Automatenbetreuer sei bereits 1993 durch Umorganisation aufgelöst worden. Seitdem verrichteten diese Tätigkeiten nur ausgebildete Techniker. Die Mitarbeiter in der Kasse in B4 seien schon lange Jahre dort beschäftigt; kein Arbeitsplatz sei dort neu besetzt worden.

Die Beklagte bestreitet den von dem Kläger geltend gemachten Betrag in Höhe von 19.674,39 € und weist darauf hin, dass der Kläger eine “Verdienstsicherung” in Höhe von 2.852,42 € erhalte. Darüber hinaus seien die Leistungen der Agentur für Arbeit von der Höhe der Klageforderung abzuziehen. Die Höhe dieser Leistungen habe der Kläger bisher nicht nachgewiesen.

Wegen des Weiteren tatsächlichen Vorbringens der Parteien wird verwiesen auf deren wechselseitige Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der öffentlichen Sitzungen, die insgesamt Gegenstand der letzten mündlichen Verhandlung waren.
Gründe

I.

Die gegen das am 20.06.2012 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am 17.07.2012 und damit innerhalb der Frist der §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung des Klägers ist zulässig.

II.

Die Berufung ist hingegen nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Das Berufungsgericht folgt den Gründen der angefochtenen Entscheidung, § 69 Abs. 2 ArbGG. Die Berufung gibt Anlass zur folgenden ergänzenden Ausführungen:

1. Da der Kläger im Berufungsverhandlungstermin vom 29.11.2012 die Hauptsache hinsichtlich des Beschäftigungsanspruchs sowie des hilfsweise gestellten Beschäftigungsanspruchs (Ziffer 5 und 6 der erstinstanzlichen Anträge) wegen des seit dem 23.04.2012 von ihm besetzten Arbeitsplatzes in dem sog. Tochterunternehmen der Beklagten D2, Werk Zinkhütte, für erledigt erklärt hat, war hierüber nicht mehr zu entscheiden.

2. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von insgesamt 19.674,39 € (brutto), da sich die Beklagte in der Zeit vom 13.06.2011 bis zum 31.12.2011 nicht in Annahmeverzug befand.

Im Einzelnen gilt folgendes:

a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Annahmeverzugsentgelt gemäß § 615 S. 1 i. V. m. § 611 Abs. 1 BGB für den Zeitraum 13.06. bis 23.06.2011.

aa) Hinsichtlich des für diesen Zeitraum geforderten Teilbetrags hat der Kläger seine Klage zweitinstanzlich erweitert. Es handelt sich insoweit zwar um einen gemäß § 263 ZPO zulässigen Fall nachträglicher Klagehäufung, der auch noch in der Berufungsbegründung vorgenommen werden kann (Zoeller/Greger, 29. Aufl., § 263 Rn. 2, 11b m. w. N.). Die Beklagte hat in diese Klageänderung auch durch rügelose Einlassung (§ 267 ZPO) eingewilligt.

bb) Gleichwohl scheitert ein Anspruch des Klägers bereits daran, dass er nach eigenem Vorbringen in dem Zeitraum 13. bis 23.06.2011 nicht in der Lage war, der Beklagten seine Arbeitskraft ordnungsgemäß anzubieten mit der Folge, dass Annahmeverzug nicht eintreten konnte. Der Kläger war nämlich aufgrund Arbeitsunfähigkeit in diesem Zeitraum nicht leistungsfähig (vgl. BAG, 24.09.2003 – 5 AZR 591/02, NZA 2003, 1387).

Gemäß § 297 BGB kommt der Gläubiger nicht in Verzug, wenn der Schuldner zurzeit des Angebots oder in Falle des § 296 BGB zur der für die Handlung des Gläubigers bestimmten Zeit außerstande ist, die Leistung zu bewirken. So liegt der Fall hier. Es ist nicht nur zur berücksichtigen, dass es in der Bescheinigung der Ärztin Dr. M1 vom 10.10.2011 heißt, der Kläger sei unter bestimmten dort formulierten Voraussetzungen ab dem 20.08.2011 wieder arbeitsfähig und dass der Kläger durch Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 24.08.2011 mitteilen lässt, er sei ab dem 22.08.2011 wieder arbeitsfähig. Zudem hat der Kläger mit Schreiben vom 05.08.2011 (Bl. 5 bis 7 d. A.) die Beklagte aufgefordert, an ihn Entgeltfortzahlung vom 12.06. bis zum 04.08.2011 zu zahlen. Damit weist der Kläger auf in seiner Person bestehende Arbeitsunfähigkeit für den genannten Zeitraum hin, die seine Leistungsfähigkeit im Sinne des Annahmeverzugsrechts ausschließt. Auch am 14.06.2011 war der Kläger bereits nach seinem Vortrag nicht im Stande, die Leistung zu bewirken.

b) Annahmeverzugsentgelt kann der Kläger nicht verlangen für den Zeitraum 24.06. bis 04.08.2011.

Auch in diesem Zeitraum war der Kläger wegen bestehender Arbeitsunfähigkeit nicht fähig, die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung der Beklagten ordnungsgemäß anzubieten. Dies belegt zum einen der klägerische Vortrag selbst, wie ausgeführt. Der Kläger hatte die Beklagte insoweit mit Schreiben vom 05.08.2011 aufgefordert, an ihn bis zum 04.08.2011 Entgeltfortzahlung zu leisten. Zudem folgt die fehlende Leistungsfähigkeit des Klägers auch aus den Schreiben der Krankenkasse BIG direkt gesund vom 26.07.2011 (Bl. 21 d. A.) und 09.07.2012 (Bl. 288 d. A.), in denen eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom 24.06.2011 bis 04.08.2011 bzw. – in den Schreiben der Krankenkasse aus 2012 – 24.06. bis 19.08.2011 bescheinigt wird.

c) Aus den genannten Gründen hat der Kläger mangels Leistungsfähigkeit ebenso wenig einen Anspruch gegen die Beklagte aus § 615 S. 1 BGB i. V. m. § 611 Abs. 1 BGB für den Zeitraum 05.08. bis 19.08.2011.

d) Der Kläger kann schließlich auch für den Zeitraum vom 20.08. (Samstag) bzw. 22.08.2011 bis zum 31.12.2011 erfolgreich Annahmeverzugsentgelt nicht beanspruchen. Die Beklagte befand sich während dieses Zeitraums nicht in Annahmeverzug.

Mit dem Arbeitsgericht geht auch die Berufungskammer davon aus, dass der Kläger während dieses streitigen Zeitraums aus Gründen, die in seiner Person lagen, nicht in der Lage war, die zuletzt geschuldeten Tätigkeiten auf dem Mischarbeitsplatz als Servicekraft im Bereich Service und Sicherheit vollständig zu erbringen.

aa) Ausgangspunkt dieser Überlegungen war für die Berufungskammer die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.05.2010 (5 AZR 162/09, NZA 2010, 1119).

Das Angebot des Klägers vom 22.08.2011, das sich im Zweifel auf die Erbringung der vor seiner Arbeitsunfähigkeit ausgeübten Tätigkeiten auf dem Mischarbeitsplatz als Servicekraft bezog, konnte die Beklagte nicht in Annahmeverzug versetzen, § 297 BGB. Nach dieser Bestimmung kommt der Gläubiger nicht in Verzug, wenn der Schuldner zurzeit des Angebots nicht in der Lage ist, die Leistung zu erbringen. Dies war vorliegend der Fall. Der Kläger war krankheitsbedingt außerstande, die Tätigkeiten auf dem Mischarbeitsplatz vollständig zu erfüllen.

bb) Der Annahmeverzug des Arbeitgebers setzt voraus, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung so anbietet, wie sie zu bewirken ist. Die gemäß § 294 BGB zu bewirkende Arbeitsleistung ist die im Arbeitsvertrag konkret bestimmte. Im Arbeitsvertrag vom 01.04.1981 (Bl. 142 d. A.) hatten die Parteien eine Anstellung des Klägers zunächst als Fahrer-Anwärter, nach Ausbildungsende als Fahrer von Einmannwagen vereinbart. In den Folgejahren verrichtete der Kläger – zumeist aus gesundheitlichen Gründen – unterschiedlichste Tätigkeiten, zuletzt solche auf dem Mischarbeitsplatz als Servicekraft im Bereich Service und Sicherheit. Durch die Zuweisung entsprechender Tätigkeiten in diesem Bereich hat die Beklagte den Inhalt der Arbeitsleistung näher bestimmt gemäß § 106 S. 1 GewO.

Da der Kläger aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen die durch Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitgebers näher bestimmte Tätigkeit – wie vorliegend ausgeführt – nicht mehr ausüben, aber eine andere im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarung liegende Tätigkeit verrichten kann, ist – so das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 19.05.2010 ausdrücklich (vgl. dort Rn. 16) – das Angebot einer “leidensgerechten Arbeit” ohne Belang, so lange der Arbeitgeber nicht durch eine Neuausübung seines Direktionsrechts diese zu der im Sinne von § 294 BGB zu bewirkenden Arbeitsleistung bestimmt hat. Andererseits vermag das arbeitnehmerseitige Angebot einer anderen als der vom Arbeitgeber nach § 106 S. 1 GewO näher bestimmten Leistung den Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug zu versetzen.

cc) Unter Berücksichtigung dieser durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gesetzten Prämissen, denen das Berufungsgericht folgt, hatte die Beklagte zu prüfen, ob sie dem Kläger eine mögliche und zumutbare vertragsgemäße und zugleich leidensgerechte Arbeit zuweisen konnte. Dabei ist zu sehen, dass der Arbeitgeber über den Gesundheitszustand im Annahmeverzugszeitraum regelmäßig keine näheren Kenntnisse besitzt. Es sind somit an sein Vorbringen zum Leistungsvermögen keine hohen Anforderungen zu stellen. Ein entsprechender Indizienvortrag darf als hinreichend angesehen werden.

Da sich der arbeitsvertragliche Leistungsinhalt für den Kläger auf den Mischarbeitsplatz als Servicekraft durch arbeitgeberseitige Ausübung des Direktionsrechts konkretisiert hatte, ist der Beklagten darin zu folgen, dass sie nicht in der Lage war, dem Kläger im streitigen Zeitraum einen möglichen, zumutbaren leidens- und vertragsgerechten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen.

(1) Ein Einsatz des Klägers auf dem Mischarbeitsplatz war bereits nach dessen Vorbringen allenfalls als Pförtner (1/6 des Mischarbeitsplatzes) und eingeschränkt im Servicebereich (ausgenommen Einsätze bei Veranstaltungen und als Streckposten bei Störungen, insgesamt weniger als 1/6 des Mischarbeitsplatzes) möglich. Eine Umgestaltung des Mischarbeitsplatzes allein mit diesen restlichen dem Kläger möglichen Tätigkeiten (vgl. hierzu LAG Schleswig-Holstein, 19.06.2012 – 1 Sa 225e/11, juris) war der Beklagten nach ihren vom Kläger nicht bestrittenen Darlegungen nicht möglich. Die Beklagte traf keine Verpflichtung, einen zusätzlichen Arbeitsplatz einzurichten (BAG, 14.03.2006 – 9 AZR 411/05, NZA 2006, 1214).

(2) Tätigkeiten außerhalb des Mischarbeitsplatzes, die der Kläger unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen hätte ausüben können, hat dieser nicht konkret dargelegt – insoweit kann auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen werden -.

Das Berufungsvorbringen des Klägers kann zu keiner anderen Beurteilung führen.

(aa) Zwar weist der Kläger darauf hin, dass die Beklagte, nämlich “die D1 (ist) ein Multikonzern, mit verschiedenen Tochterunternehmen, wie etwa D2, D3 oder D4” ist. Bei ca. 3.800 Mitarbeitern – die Beklagte nennt zum Stichtag 31.12.2011 eine Gesamtbeschäftigtenzahl von 1.952 – könne man sich nicht vorstellen, dass für ihn kein Arbeitsplatz zur finden sei; er sei zudem der “Pool”-Abteilung PWSZ zugeordnet, aus der Mitarbeiter für bestimmte Tätigkeiten von der Beklagten und deren Tochtergesellschaften angefordert werden könnten.

Dieser Vortrag ist in seiner Pauschalität schon nicht geeignet, eine leidensgerechte Einsatzmöglichkeit für den Kläger erkennen zu lassen.

(bb) Auch eine Tätigkeit des Klägers als Mitarbeiter in Zügen auf einer Strecke scheidet aus. Die von dem Kläger genannten Mitarbeiter B3, N1, R1 und I2 werden von der Beklagten nicht als “Fahrzeugbegleiter”, sondern ebenso wie der Kläger vor seiner Arbeitsunfähigkeit als Fahrausweisprüfer/Servicekräfte eingesetzt. Diese Tätigkeiten aber kann der Kläger entgegen seiner Behauptung aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr erbringen.

(cc) Auch ein Einsatz an der Kasse in B4, etwa für die Automatenabrechnung, ist nicht möglich, da die Beklagte die dort ursprünglich tätige Mitarbeitergruppe der sog. Automatenbetreuer bereits 1993 durch Umorganisation aufgelöst hat. Die Erwiderung des Klägers hierzu ist unsubstantiiert geblieben.

(dd) Nach den Darlegungen der Beklagten stand ein dem Leistungsprofil des Klägers entsprechender Arbeitsplatz im streitigen Zeitraum insgesamt nicht zur Verfügung, wie auch die Auflistung der Personalbewegungen bei der Beklagten für die Zeit von April 2010 bis Mitte Februar 2012 (Bl. 380 bis 382 d. A.) zeigt.

3. Die Gesamtforderung des Klägers ist schließlich nicht schlüssig.

Der Kläger hat zumindest für eine bestimmte Anzahl von Tagen in dem streitigen Zeitraum Krankengeld bezogen (vgl. auch Bl. 288 d. A.). Ebenso dürfte er Leistungen der Agentur für Arbeit bezogen haben. In seinem Schriftsatz vom 23.11.2012 hat er denn auch die Vorlage entsprechender Unterlagen “soweit vorhanden” angekündigt und mit weiterem Schriftsatz vom 26.11.2012 Zahlungen der Agentur in der Zeit ab dem 27.12.2011 aufgelistet. Diese betreffen jedoch lediglich eine Zeitspanne von 4 Tagen, bezogen auf den Zeitraum der Klageforderungen.

Zudem hat der Kläger die von der Beklagten dargelegte Zahlung einer Verdienstsicherung in Höhe von 2.852,42 € monatlich (Schriftsätze der Beklagten vom 15.11.2012 und 25.10.2011) bei seiner Berechnung vollständig unberücksichtigt gelassen.

III.

1. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der mit dem Rechtsmittel unterlegene Kläger zu tragen.

2. Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG waren nicht gegeben.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

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Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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