Landgericht Dortmund, 3 O 79/11

November 2, 2018

Landgericht Dortmund, 3 O 79/11

 

Der Beklagte wird verurteilt, den Klägerinnen zu 1. bis 3. Auskunft zu erteilen, über den Bestand des beweglichen Nachlasses der am 00.00.2010 verstorbenen C zum Stichtag 00.00.2010 und den Verbleib der beweglichen Nachlassgegenstände.

Der Beklagte wird weiter verurteilt, den Klägerinnen zu 1. bis 3. sowie T und T2 Auskunft zu erteilen über den Bestand des unbeweglichen Nachlasses der am 00.00.2010 verstorbenen C zum Stichtag 00.00.2010.

Im Übrigen wird der Klageantrag zu 1. abgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorgehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerinnen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 500,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

 

T a t b e s t a n d

Am 00.00.2010 verstarb C, (nachfolgend Erblasserin), die Ehefrau des Beklagten und Mutter der Klägerinnen zu 1. bis 3. sowie T und T2. Der letzte Wohnsitz der Erblasserin war in Brecht in Belgien und der letzte inländische Wohnsitz in L. Die Erblasserin war deutsche Staatsangehörige.

Unter dem 27.11.2006 errichtete sie in H ein handgeschriebenes Testament (Einzelheiten Blatt 6 + 7 der Akten), in dem sie die Klägerinnen zu 1. bis 3. zu ihren Erbinnen einsetzte und ihre Söhne von ihrem Erbe ausschloss.

Mit der vorliegenden Klage begehren die Klägerinnen Auskunft und Herausgabe des Nachlasses, den der Beklagte in Belgien in Besitz nahm.

Die Klägerinnen beantragen,

  1. den Beklagten zu verurteilen, ihnen Auskunft zu erteilen,

a)

über dem Bestand des Nachlasses der am 00.00.2010 verstorbenen Frau C zum Stichtag 00.00.2010 durch Erstellung eines Verzeichnisses, das insbesondere ausweist:

–          sämtlich bebaute Grundstücke und unbebaute Grundstücke,

–          die beweglichen Sachen wie Wohnungseinrichtung, Fahrzeuge, Sammlungen, Schmuck, Bargeld oder Wertpapiere,

–          sämtliche Forderungen wie Bankguthaben, Guthaben auf Bausparkonten, Darlehensforderungen, Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sowie sonstige Forderungen wie Sterbegeld, Lebensversicherungen,

–          Surrogate und Nutzung,

b)

Den Verbleib der Nachlassgegenstände,

–          insbesondere Angabe von Veränderungen im Nachlassbestand seit dem Todesfall am 25.10.2010 in Form von Abgängen oder Zugängen.

2 .Für den Fall, dass die Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erteilt worden sein sollte, den Beklagten zu verurteilen, zu Protokoll an Eides Statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen die Angaben so vollständig gemacht hat, wie er dazu imstande ist.

  1. Den Beklagten weiter zu verurteilen, an die Klägerinnen zu 1. bis 3. sämtliche Nachlassgegenstände des Nachlasses in Ziffer 1. bezeichneten Erblassers, deren nähere Bezeichnung nach Auskunft Erteilung durch den Beklagten erfolgen wird, herauszugeben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat ein schriftliches und mündliches Rechtsgutachten des Sachverständigen N eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 21.01.2013 und das Protokoll vom 26.04.2013 verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Stufenklage ist gemäß §§ 27, 254 ZPO zulässig.

Der Klageantrag zu 1. ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

  1. Beweglicher Nachlass

Der Auskunftsanspruch der Klägerinnen zu 1.bis 3. ergibt sich aus § 2027 BGB. Die Klägerinnen sind auf Grund des unstreitigen Testamentes vom 27.11.2006 Erbinnen ihrer am 00.00.2010 verstorbenen Mutter C. Der Beklagte hat den beweglichen Nachlass unstreitig in Besitz genommen.

Die Formwirksamkeit des handschriftlichen Testamentes der Erblasserin vom 27.11.2006 richtet sich nach deutschem Recht (Artikel 26 EGBGB, Artikel 1 a Haager Testamentsformübereinkommen, Seite 15 des Gutachtens), mithin nach § 2247, 2231 Abs. 2 BGB. Zweifel an der Wirksamkeit des Testamentes sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

Auf den gesamten beweglichen Nachlass der Erblasserin ist deutsches Recht anzuwenden. Gemäß Art. 25 Abs. 1 EGBGB unterliegt die Rechtsnachfolge von Todeswegen grundsätzlich dem Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte, vorliegend damit deutsches Recht. Eine Ausnahme davon macht Artikel 3 a Abs. 2 EGBGB für Gegenstände, die sich nicht in Deutschland befinden, wenn sie nach dem Recht des Staates in dem sie sich befinden, besonderen Vorschriften unterliegen.

In Artikel 78 – § 1 des belgischen Privatrechts (Blatt 45 der Akten) ist zwar geregelt, dass die Erbfolge von beweglichem Gut dem Recht des Staates, auf dessen Gebiet der Verstorbene zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, unterliegt, vorliegend also belgisches Recht, weil die Erblasserin in C in Belgien ihren letzten Wohnsitz hatte. Bei der Regelung in Artikel 78 – § 1 des belgischen Privatrechtes handelt es sich aber nicht um eine besondere, sondern um eine allgemeine Vorschrift im Sinne des Artikels 3 a Abs. 2 EGBGB (Bamberger/Roth, Art. 3 a EGBGB, Rn. 9, Münchener Kommentar, Art. 3 a EGBGB Rn. 12 a.E., Staudinger, Art. 25 EGBGB, Rn. 572, BayObLG, 1Z BR 71/02, Beschluss vom 18.03.2003 und 1a Z 70/89, Beschluss vom 03.04.1990 = NJW-RR 1990, 1033; anderer Ansicht: Palandt, Art. 3 a EGBGB, Rn. 6 Art. 25 EGBGB Rn. 2 und OLG München, NJW-RR 2009, 1019). Artikel 3 a Abs. 2 EGBGB ist nicht anzuwenden, wenn ein Teil des Nachlasses ohne Rücksicht auf seine Belegenheit einem eigenen Erbstatut unterstellt wird (BayObLG, 1Z BR 71/02), wie dies Art. 78 – § 1 des belgischen Privatrechts für das gesamte Nachlassvermögen mit Ausnahme des unbeweglichen Vermögens anordnet. Abweichende Anknüpfungen eines ausländischen Kollisionsrechts werden im Rahmen des Art. 3 Abs. 2 EGBGB nur dann berücksichtigt, wenn sie das eigene Recht deshalb berufen, weil ein bestimmter Gegenstand innerhalb dieses Staates belegen ist. Verweist die ausländische Kollisionsnorm hingegen auf das eigene materielle Recht, weil es eine vom deutschen Recht abweichende Anknüpfung verwendet, die nicht auf den Lageort abstellt, so ist dies im Rahmen von Art. 3 Abs. 2 EGBGB unbeachtlich (BayObLG,. 1Z BR 71/02). Ordnet ein fremdes Recht Nachlassspaltung an, in dem es die Erbfolge in das unbewegliche Vermögen der lex rei sitae und das übrige Vermögen dem Wohnsitzrecht unterwirft, bezieht sich Art. 3 a Abs. 2 EGBGB dementsprechend nicht auf die Wohnsitzanknüpfung (Gesamtstatut), sondern nur auf die davon abweichende besondere Anknüpfung des Immobiliarvermögens. Die an den Wohnsitz anknüpfende Kollisionsregel Art. 78 § 1 des belgischen Privatrechts kann sich daher nicht über Art. 3 a Abs. 2 EGBGB gegenüber dem Gesamtstatut des Art. 25 Abs. 1 EGBGB durchsetzen. Die unterschiedliche Anknüpfung im Recht der Bundesrepublik Deutschland und im belgischen Recht, nämlich der Staatsangehörigkeit einerseits und Wohnsitz andererseits führt zu einem Nachlasskonflikt: Während der deutsche Nachlassrichter Deutsches Recht anwendet, kommt es in Belgien zur Anwendung des belgischen Rechts (BayObLG, 1Z BR 71/02).

Eine nähere Umschreibung der Auskunftspflicht im Tenor des Urteils ist nicht erforderlich und deshalb unterblieben, da sich die Art und der Umfang der Auskunft aus dem Gesetz ergibt (Palandt, § 2314, Rn. 19).

  1. Unbeweglicher Nachlass

Auf den unbeweglichen Nachlass der Erblasserin ist nach Art. 3 Abs. 2 EGBGB i. V. m. Art. 78 – § 2 des belgischen Privatrechts belgisches Rechts anzuwenden. Bei der Regelung in Art. 78 – § 2 des belgischen Privatrechts handelt es sich nach dem oben Gesagten um eine besondere Regelung im Sinne des Art. 3 a Abs. 2 EGBGB.

Der Auskunftsanspruch der Klägerinnen ergibt sich aus Artikel 1177 Abs. 2 CC, der kollisionsrechtlich anzupassen ist. Die Klägerinnen sind auf Grund des unstreitigen Testamentes der Erblasserin vom 27.11.2006 „Vermächtnisnehmerinnen“ und haben einen Anspruch auf Errichtung eines Inventars. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird insoweit auf das nachvollziehbare und überzeugende Gutachten des Sachverständigen N verwiesen, dem keine Partei entgegengetreten ist.

Die Klägerinnen können aber nur die Leistung an alle Miterben verlangen. Miterben sind nach dem für den unbeweglichen Nachlass maßgebenden belgischen Rechts auch die Brüder der Klägerinnen, denen ein Noterbrecht zusteht.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11, 709 ZPO.

 

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