LG Bielefeld, Teilurteil vom 16. Januar 2019 – 3 O 138/18

Dezember 1, 2019

LG Bielefeld, Teilurteil vom 16. Januar 2019 – 3 O 138/18
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses des am 04.07.2016 verstorbenen M. T. mit letzten gewöhnlichen Aufenthalt in C., und zwar durch Vorlage eines im Beisein der Klägerin aufgenommenen notariellen Verzeichnisses, welches folgende Punkte umfasst:
– alle beim Erbfall vorhandenen Aktiva,
– alle beim Erbfall vorhandenen Nachlassverbindlichkeiten sowie Erblasser- und Erbfallschulden (Passiva),
– unter Angabe des Zuwendungszeitpunkts und ohne zeitliche Begrenzung sämtliche Zuwendungen des Erblassers, im Hinblick auf welche eine Ausgleichungspflicht unter Abkömmlingen in Betracht kommt,
– unter Angabe des Zuwendungszeitpunkts und ohne zeitliche Begrenzung sämtliche Zuwendungen des Erblassers, soweit der Erblasser sich Nutzungsrechte vorbehalten, Rückübertragungs- oder Widerrufsrechte vereinbart oder Zuwendungen an die Beklagte getätigt hat,
– unter Angabe des Zuwendungszeitpunkts sämtliche sonstigen unentgeltlichen Zuwendungen des Erblassers, also insbesondere Schenkungen, gemischte Schenkungen und im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erfolgte Zuwendungen, innerhalb von zehn Jahren vor dem Erbfall.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 2.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen die Beklagte im Wege der Stufenklage Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend.
Die Klägerin ist die Tochter und die Beklagte die Ehefrau des am 04.07.2016 verstorbenen M. T.. Die Eheleute T. lebten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Neben den Parteien des Rechtsstreits hinterließ der Erblasser noch eine weitere Tochter, L. T. N..
Am 14.04.2016 hatte der Erblasser zusammen mit der Beklagten ein notarielles Testament beurkunden lassen (Nr. 265 der Urkundenrolle 2016 des Notars O. D., C., Anl. K1, Bl. 12 ff. d.A.). Damit setzten die Eheleute sich gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmten zur Erbin des Letztversterbenden ihre Tochter L. T. N.. Zum Ersatzerben bestimmten sie ihren Enkel T. N..
Auf die vorgerichtliche Aufforderung der Klägerin, Auskunft über den Bestand des Nachlasses zu erteilen, überreichte die Beklagte zunächst eine Bestandsauflistung des Nachlasses (Schreiben vom 29.08.2016, Anl. K3, Bl. 16 d.A.). Auf weitere Aufforderungen der Klägerin ergänzte die Beklagte ihre Auskünfte mit Schreiben vom 11.01.2017 (Anl. K5, Bl. 19 ff. d.A.), 03.04.2017 (Anl. K 7, Bl. 23 ff. d.A.) und 05.04.2017 (Anl. K8, Bl. 36 ff. d.A.).
Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.05.2017 berechnete die Beklagte einen vorläufigen Gesamtanspruch der Klägerin. Daraufhin teilte der damalige Rechtsanwalt der Klägerin mit E-Mail vom 06.06.17 mit: “Die vorgenommene Abrechnung wird grundsätzlich akzeptiert (…) die Festlegung des Abschlagbetrages erfolgt ohne jedwedes Präjudiz (…)”. Wegen des weiteren Inhalts der E-Mail wird auf die Anl. B4, Bl. 115 d.A. verwiesen.
Auf weitere Aufforderungen der Klägerin zur Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses und zur Zahlung eines Pflichtteils i.H.v. mindestens 51.277, 63 EUR, reagierte die Beklagte unter anderem mit Schreiben vom 10.08.2017 (Anl. K 14, Bl. 50 ff. d.A.). Mit diesem Schreiben errechnete die Beklagte einen Pflichtteilsanspruch von 21.995,19 EUR sowie einen Pflichtteilsergänzungsanspruch von 4.206,38 EUR; also einen Gesamtanspruch von 26.201,57 EUR. Am 14.08.2017 leistete die Beklagte eine entsprechende Zahlung von 26.201,57 EUR an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin.
Schließlich legte die Beklagte ein notarielles Nachlassverzeichnis des Notars I. vom 18.08.2017 vor. Wegen des Inhaltes dieses Nachlassverzeichnisses wird auf die Urkunde Nr. 232 der Urkundenrolle 2017 des Notars O. I., C. (Anl. K 15, Bl. 56 ff. d.A.) verwiesen.
Am 15.11.2017 zahlte die Beklagte einen weiteren Betrag von 6.843,75 EUR zu Händen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin.
Auf die Aufforderung der Klägerin, das Nachlassverzeichnis zu ergänzen, überreichte die Beklagte ein als “Eigenurkunde” des Notars I. bezeichnetes Schriftstück vom 22.11.2017. Wegen dessen Inhalts wird auf das Schreiben des Notars I. vom 22.11.2017, Anl. K 19, Bl. 81 ff. d.A. verwiesen.
Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe weiterhin ein Anspruch auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu, weil das bereits vorgelegte Verzeichnis auch unter Berücksichtigung der “Eigenurkunde” des Notars I. keine Erfüllung ihres Auskunftsanspruches darstelle.
Die Klägerin beantragt,
1. Die Beklagte zu verurteilen, ihr Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses des am 04.07.2016 verstorbenen M. T. mit letzten gewöhnlichen Aufenthalt in C., und zwar durch Vorlage eines im Beisein der Klägerin aufgenommenen notariellen Verzeichnisses, welches folgende Punkte umfasst:
– alle beim Erbfall vorhandenen Aktiva,
– alle beim Erbfall vorhandenen Nachlassverbindlichkeiten sowie Erblasser- und Erbfallschulden (Passiva),
– unter Angabe des Zuwendungszeitpunkts und ohne zeitliche Begrenzung sämtliche Zuwendungen des Erblassers, im Hinblick auf welche eine Ausgleichungspflicht unter Abkömmlingen in Betracht kommt,
– unter Angabe des Zuwendungszeitpunkts und ohne zeitliche Begrenzung sämtliche Zuwendungen des Erblassers, soweit der Erblasser sich Nutzungsrechte vorbehalten, Rückübertragungs- oder Widerrufsrechte vereinbart oder Zuwendungen an die Beklagte getätigt hat,
– unter Angabe des Zuwendungszeitpunkts sämtliche sonstigen unentgeltlichen Zuwendungen des Erblassers, also insbesondere Schenkungen, gemischte Schenkungen und im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erfolgte Zuwendungen, innerhalb von zehn Jahren vor dem Erbfall.
2. die Beklagte zu verurteilen, den Wert der nach Erteilung der Auskünfte gem. Klageantrag zu 1. noch zu benennenden Gegenstände des Nachlasses zu ermitteln sowie Belege zu den nach Erteilung der Auskünfte gemäß Klageantrag zu 1. noch zu benennenden Gegenstände vorzulegen.
3. Für den Fall, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt sein sollte, die Beklagte weiterhin zu verurteilen, zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass sie den Bestand des Nachlasses und die darin enthaltenen Auskünfte nach bestem Wissen so vollständig angegeben hat, als sie dazu imstande ist.
4. Die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, einen Betrag in nach Auskunftserteilung und Wertermittlung zu bestimmender Höhe nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen, und zwar aus einem Betrag von 51.277,63 Euro seit dem 27.05.2017 und im Übrigen seit Rechtshängigkeit.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, das vorgelegte Nachlassverzeichnis stelle ein erfüllungstaugliches, den Anforderungen des § 2314 BGB genügendes Nachlassverzeichnis dar. Aufgrund der E-Mail vom 06.06.2017 habe sie davon ausgehen dürfen, dass letztlich kein notarielles Nachlassverzeichnis mehr benötigt werde. Die verlangte weitere Auskunftserteilung falle in den Bereich der Schikane.
Mit Schriftsatz vom 28.08.2018 hat die Klägerin im gerichtlichen Verfahren vorsorglich die Anfechtung der in den als Anlagen B 4 und B 5 vorgelegten E-Mails enthaltenen Erklärungen erklärt.
Entscheidungsgründe
I. Die zulässige Klage ist auf der 1. Stufe, also im Hinblick auf die mit dem Klageantrag zu 1) begehrte Auskunft vollumfänglich begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses nach § 2314 Abs. 1 BGB.
1.
Die Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs nach § 3214 Abs. 1 BGB liegen vor. Die Klägerin ist als Tochter des Erblassers Pflichtteilsberechtigte nach § 2303 BGB. Sie ist auch nicht Erbin. Testamentarische Alleinerbin ist die Beklagte als Anspruchsgegnerin, wie § 2314 Abs. 1 BGB es voraussetzt.
2.
Der Auskunftsanspruch der Klägerin ist nicht durch Erfüllung gem. § 362 Abs. 1 BGB erloschen.
a) Er ist nicht durch Vorlage des privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses erloschen. Auch nach Erstellung eines privatschriftlichen Verzeichnisses hat der Pflichtteilsberechtigte weiter Anspruch auf Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses (Palandt/Weidlich, BGB, 78. Aufl. 2019, § 2314, Rn.7 m.w.Nw.).
b) Der Auskunftsanspruch ist auch nicht durch Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses des Notars I. unter Berücksichtigung der “Eigenurkunde” erloschen.
Das notarielle Nachlassverzeichnis des Notars I. ist auch unter Berücksichtigung der in der “Eigenurkunde” erteilten ergänzenden Auskünfte nicht erfüllungstauglich.
Der Auskunftsanspruch kann zwar nicht bei jeder Unvollständigkeit des notariellen Nachlassverzeichnisses als unerfüllt angesehen werden. Allerdings besteht ein Anspruch auf Ergänzung der Auskunft, wenn der Schuldner in Folge Irrtums einen Teil des Bestands weggelassen hat, wenn in der Aufstellung bestimmte sachliche oder zeitliche Teile völlig fehlen, wenn die Angaben erkennbar unvollständig sind oder wenn das Verzeichnis aufgrund gefälschter Unterlagen aufgestellt worden ist (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 28. 1. 2011 – 5 W 312/10, ZEV 2011, 373, beck-online). Erfüllung tritt nur dann ein, wenn der Erbe eine abschließende Auskunft erteilt hat. Er muss klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die erteilten Auskünfte nach seinem Kenntnisstand vollständig sind, nachdem er sich Kenntnisse, soweit zumutbar, verschafft hat (Burandt/Rojahn/Horn, 3. Aufl. 2019, BGB § 2314 Rn. Randnummer 32).
Nach den vorgenannten Maßstäben ist das vorgelegte Nachlassverzeichnis des Notars I. im Hinblick auf die Auskünfte über Hausrat und Inventar, im Hinblick auf die Auskunft über Anstandsschenkungen, über das Erbbaurecht, über ehebedingte Zuwendungen und über die der Tochter L. T. N. überlassene Steuererstattung nicht erfüllungstauglich.
aa) Es ist im Hinblick auf die Auskünfte über Inventar und Hausrat erkennbar unvollständig. Nachlassgegenstände sind grundsätzlich einzeln zu bezeichnen; unzulässig ist eine Saldierung. Ausnahmen sind aber jedenfalls nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht bei geringwertigen Gegenständen (zB Hausrat) zu machen (Hk-PflichtteilsR/Markus Würdinger, 2. Aufl. 2016, BGB § 2314 Rn. 16-19). Daraus kann indes nicht gefolgert werden, dass, wie hier geschehen, der gesamte Hausrat, ohne Angabe eines einzigen Gegenstandes oder Gruppen von Gegenständen mit einem hälftigen Wert von 1.000,00 EUR frei geschätzt werden kann. Diese Vorgehensweise versetzt den Pflichtteilsberechtigten nicht in die Lage seinen Pflichtteilsanspruch zu beziffern. Der Umfang des Auskunftsanspruchs wird aber gerade durch dessen Zweck bestimmt, nämlich die Offenlegung der Berechnungsfaktoren. Wenn der Hausrat insgesamt nur mit einem geschätzten Wert angegeben wird, dann werden damit gerade nicht die Berechnungsfaktoren für die Bestimmung von dessen Wert offengelegt.
bb) Auch im Hinblick auf die Anstandsschenkungen ist das Nachlassverzeichnis erkennbar unvollständig. Mit der Ergänzung des Nachlassverzeichnisses wird der Klägerin mitgeteilt, es habe lediglich geringfügige Anstandsschenkungen anlässlich von Geburtstagen gegeben. Es wird keine Auskunft über Zeit, Empfänger und Gegenstand erteilt. Der Zweck des Auskunftsanspruchs, dem Pflichtteilsberechtigten die zur Berechnung seines Pflichtteilsanspruchs nötigen Tatsachenkenntnisse zu verschaffen, fordert jedoch die Bejahung der Auskunftspflicht auch für Pflicht- und Anstandsschenkungen im Sinn von § 2330 BGB, da andernfalls die Beurteilung, ob eine Schenkung diesen Charakter habe, praktisch dem Ermessen des Pflichtteilsschuldners überlassen und der Auskunftsanspruch dadurch weitgehend entwertet wäre (BGH, NJW 1962, 245, beck-online). Genau dieser Fall, dass die Beurteilung, ob es sich um Anstandsschenkungen handele, von der Beklagten als Pflichtteilschuldnerin vorweggenommen wird, liegt hier vor.
cc) Weiterhin ist die Auskunft im Hinblick auf das Erbbaurecht erkennbar unvollständig. Der Auskunftsanspruch soll den Pflichtteilsberechtigten in die Lage versetzen, die Höhe seines Anspruchs über den Wert der Nachlassgegenstände zu ermitteln. Dies ist ohne Kenntnis der dem Erbbaurecht zu Grunde liegenden vertraglichen Vereinbarungen nicht möglich (zur Wertermittlung: Schlitt/N., PflichtteilsR, § 4 Rn. 1-248, beck-online).
dd) Zudem sind die Angaben der Beklagten im Zusammenhang mit den auf Seite 3 der Urkunde vom 22.11.2017 (Anlage K 19) erwähnten, der Tochter L. T. N. überlassenen Steuererstattungen ungenügend für die Zwecke des § 2314 BGB. Denn möglicherweise ist diese Zuwendung teilweise als unentgeltliche Zuwendung zu bewerten. Um der Klägerin eine eigene Beurteilung zu erlauben, müsste zumindest die Höhe der Zuwendung bekannt gegeben werden.
3.
Schließlich steht dem Auskunftsbegehren der Klägerin nicht der Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens, der Verwirkung (§ 242 BGB) oder der Schikane (§ 226 BGB) entgegen.
Die Grenze eines unerlaubten schikanösen Verhaltens i.S.v. § 226 BGB erreicht das Auskunftsbegehren der Klägerin ganz eindeutig nicht. Denn jedes objektiv erkennbare Interesse an der Rechtsausübung, dem die Berechtigung nicht abgesprochen werden kann, schließt den Schikaneeinwand aus (MüKoBGB/Grothe, 8. Aufl. 2018, BGB § 226 Rn. 4). Ein solches objektiv erkennbares Interesse an der Auskunftserteilung kann der Klägerin schon deswegen nicht abgesprochen werden, weil von der Auskunft die Höhe ihres Pflichtteilsanspruchs abhängt. Dass die Klägerin allein aus Schädigungsabsicht handeln würde, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Soweit die Beklagte sich darauf beruft, sie habe aufgrund der E-Mail des damaligen Rechtsanwalts der Klägerin vom 06.06.2017 davon ausgehen dürfen, ein notarielles Nachlassverzeichnis würde nicht mehr benötigt, kann sie damit nicht durchdringen. Dieses Verhalten der Klägerin begründet nicht den Einwand unzulässiger Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens, insbesondere auch nicht in Form der Verwirkung. Ein Recht ist erst dann verwirkt, wenn der Berechtigte es über einen längeren Zeitraum nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und einrichten durfte, dass der Berechtigte es auch in Zukunft nicht geltend machen werde (Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl. 2019, § 242, Rn. 87 m.w.Nw. Es fehlt bereits an einem widersprüchlichen Verhalten der Klägerin. Mit der in Rede stehenden E-Mail hat der damalige Rechtsanwalt der Klägerin bereits deutlich gemacht, dass die Festlegung der Abschlagszahlung ohne jedwedes Präjudiz erfolge. Es handelte sich aus Sicht eines objektiven Empfängers ganz offensichtlich um den Versuch einer gütlichen Einigung und nicht um eine in irgendeiner Form rechtlich bindende Erklärung. Darüber hinaus kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte tatsächlich darauf vertraut hat, die Klägerin werde ihren Auskunftsanspruch nicht mehr weiterverfolgen. Bereits mit anwaltlichem Schreiben vom 19.07.2017 (Anl. K 12 Bl. 45 ff. d.A.) hat die Klägerin ihre Aufforderung zur Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses wiederholt, worauf die Beklagte im Ergebnis auch eingegangen ist. Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, die Beklagte habe überhaupt irgendein Vertrauen auf der Grundlage der vorgenannten E-Mail erworben, ganz gleich ob schutzwürdig oder nicht.
4.
Die von der Klägerin begehrte Auskunft geht auch nicht über die von § 2314 BGB vorgesehenen Rechtsfolgen hinaus. Danach kann der Auskunft begehrende Pflichtteilsberechtigte insbesondere verlangen, dass er bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses hinzugezogen wird und dass das Verzeichnis durch einen Notar aufgenommen wird. Die Klägerin hat ihr Recht, bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses hinzugezogen zu werden, auch nicht gem. § 242 BGB verwirkt, weil sie bei der Erstellung des vorgelegten notariellen Verzeichnisses von diesem Recht keinen Gebrauch gemacht hat. Da das zuvor vorgelegte Verzeichnis erkennbar unvollständig ist und die Klägerin mangels Erfüllung ihres Auskunftsanspruchs weiterhin Anspruch auf Erstellung eines vollständigen notariellen Nachlassverzeichnisses hat, steht ihr auch weiterhin das Recht auf ihre eigene Hinzuziehung zu. Auch wenn die Klägerin bei der Erstellung des bereits vorgelegten Verzeichnisses nicht auf ihrer Hinzuziehung bestanden hat, begründet dies kein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten.
Schließlich hat der Pflichtteilsschuldner Auskunft auch über den sog fiktiven Nachlass, also die ausgleichungspflichtigen Zuwendungen des Erblassers iSv §§ 2316, 2052, 2055 und die pflichtteilsergänzungspflichtigen Schenkungen iSv § 2325 zu erteilen. Letzteres umfasst konkret die Angabe der in den letzten zehn Jahren vor dem Tod erfolgten Schenkungen des Erblassers sowie (zeitlich unbegrenzt; vgl. § 2325 Abs. 3 S. 3) der Schenkungen und unbenannten Zuwendungen zugunsten des überlebenden Ehegatten und auch auf solche Schenkungen, die außerhalb der Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 erfolgt sind, sofern die Frist infolge (fristschädlichem) Vorbehalt eines Nutzungsrechts oder infolge Eigenschaft als Ehegattenzuwendung nicht angelaufen ist (BeckOK BGB/N.-Engels, 49. Ed. 1.2.2019, BGB § 2314 Rn. 12). Im Hinblick auf ausgleichungspflichtige Zuwendungen §§ 2316, 2050 BGB keine zeitliche Grenze vor, so dass insoweit ohne Rücksicht auf eine zeitliche Grenze Auskunft zu erteilen ist. Eben diese teilweise gegebenen zeitlichen Grenzen berücksichtigt der Klageantrag zu 1) umfassend, so dass ihm vollumfänglich stattzugeben war.
II.
Über die weiteren Klageanträge, insbesondere über den Klageantrag zu 2), mit dem der selbständig neben dem Auskunftsanspruch stehende Wertermittlungsanspruch geltend gemacht wird, war durch Teilurteil auf der 1. Stufe noch nicht zu entscheiden. Der Klageantrag zu 2) ist im Hinblick auf die noch zu erteilenden Auskünfte noch unbestimmt und wird von der Klägerin im Zuge einer 2. Stufe geltend gemacht.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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