Oberlandesgericht Düsseldorf, I-7 U 230/14

Mai 28, 2018

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-7 U 230/14

Die Berufung der Klägerin gegen das am 30.10.2014 verkündete Schlussurteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg zum Az. 8 O 332/06 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn der Beklagte vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

G r ü n d e:

I.

Die Klägerin macht gegen ihren Bruder einen Pflichtteilsergänzungsanspruch, im Hinblick auf die behauptete Schenkung von Unternehmensanteilen sowie eines Kapitalkontos durch die Mutter geltend.

Die Parteien sind die einzigen Kinder der am 20.04.2004 verstorbenen Erblasserin D.F. und ihres am 11.06.1996 vorverstorbenen Ehemanns Dr. K.F. Beide widerriefen in notariellen Urkunden das in den Jahren 1978 und 1982 gemeinschaftlich errichtete Testament und trafen – nunmehr getrenntlebend – jeweils durch Erbvertrag neue Verfügungen von Todes wegen. Die Erblasserin setzte am 11.03.1983 die Parteien des Rechtsstreits zu je ½ als Miterben ein.

Der Vater der Parteien hatte die N GmbH & Co. KG gegründet und aufgebaut, deren Gesellschafter die Erblasserin und der Beklagte waren. Mit notariellem Vertrag vom 30.09.1996 übertrug die Erblasserin ihre Gesellschaftsanteile an der N Beteiligungsgesellschaft mbH, ihre Kommanditbeteiligung an der N Gesellschaft für Hüttenwerkstechnik mbH & Co. KG – Nominalwert 7.000.000,00 DM – sowie ihr Sonderkapitalkonto an den Beklagten, der als Gegenleistung monatlich 10.000,00 DM an die Erblasserin zu zahlen hatte. Zum Nachlass der Erblasserin gehörte ein hälftiger Miteigentumsanteil an dem Hausgrundstück I in N, das nach dem Erbfall für 440.000,00 EUR verkauft wurde, dessen Inventar sowie ein Geldvermögen von 4.898,00 EUR.

Von April 2004 bis Mai 2005 korrespondierten die Parteien über wechselseitige Ansprüche nach dem Erbfall vom 20.04.2004. Am 29.08.2005 telefonierten die Prozessbevollmächtigten der Parteien miteinander.

Mit der Klageschrift vom 22.08.2006 hat die Klägerin die Vorlage eines Bestandsverzeichnisses und eidesstattliche Versicherung begehrt. Sie hat – da sie zunächst von der Wirksamkeit des gemeinsamen Testaments ausging – behauptet, ihr stehe ein Zahlungsanspruch gemäß §§ 2287, 2288 BGB zu, für dessen Durchsetzung sie die von dem Beklagten begehrten Informationen benötige. Die Übertragung vom 30.09.1996 sei eine Schenkung, jedenfalls aber eine gemischte Schenkung gewesen.

Die Klägerin hat nach Erweiterung der Klage am 04.12.2006 um den Klageantrag zu 3. beantragt,

  1.                  den Beklagten zu verurteilen, an sie durch Vorlage eines geordneten Bestandsverzeichnisses Auskunft darüber zu erteilen, welche Nutzungen er aus den ihm am 30.09.1996 durch Frau D.F. übertragenen Anteilen an der N Gesellschaft für Hüttenwerkstechnik GmbH & Co. KG seit dem 20.04.2004 gezogen hat,
  2.                  die Richtigkeit der von ihm erteilten Auskunft gegebenenfalls eidesstattlich zu versichern,
  3.                  den Beklagten zu verurteilen, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens auf ihre Kosten den Wert des Unternehmens der N Gesellschaft für Hüttenwerkstechnik GmbH & Co. KG zum 01.01.1996 und zum 20.04.2004 ermitteln zu lassen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat im Wesentlichen vorgetragen, die Übertragung vom 30.09.1996 sei keine Schenkung gewesen. Er habe monatliche Zahlungen i.H.v. 10.000,00 DM an die Erblasserin erbracht und darüber hinaus von ihr persönliche Steuerverpflichtungen übernommen. Die Erblasserin habe sich nicht mit den Einzelheiten der Geschäftstätigkeit befassen, sondern ihren Lebensabend finanziell gesichert verbringen wollen. Sie habe ihn zudem für ihre persönliche Versorgung weiter an sich binden wollen.

Mit dem Urteil vom 08.03.2007 (vgl. Bl. 151 ff. GA / Band II) verurteilte das Landgericht Duisburg den Beklagten, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens auf Kosten der Klägerin den Wert des Unternehmens der N Gesellschaft für Hüttentechnik GmbH & Co. KG zum 01.01.1996 und zum 20.04.2004 ermitteln zu lassen, und wies die Klage im Übrigen ab.

In dem im Anschluss – nunmehr in Kenntnis des wirksamen Widerrufs des gemeinsamen Testaments der Erblasserin und des Vaters – geführten Berufungsverfahren zum Aktenzeichen I-7 U 61/07 des Senats hat die Klägerin mit dem am 18.04.2007 eingegangenen Schriftsatz vorgetragen, sie erweitere die Klage zur Hemmung der Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs, da der Beklagte einen Verjährungsverzicht nicht erklärt habe.

Sie benötige die Auskünfte und die Wertermittlung zur Bezifferung ihres Pflichtteilsergänzungsanspruchs. Der Nachlasswert habe sich lediglich auf etwa 225.000,00 EUR belaufen, während der Beklagte durch den Übertragungsvertrag vom 30.09.1996 die Kommanditbeteiligung im Nominalwert von 7.000.000,00 DM zuzüglich des Kapitalkontos mit einem Guthaben von 2.351.021,50 DM erhalten habe. Da der Nachlass zur Befriedigung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nicht ausreiche, könne sie den Beklagten in entsprechender Anwendung des § 2329 Abs. 1 S. 2 BGB als Beschenkten in Anspruch nehmen.

Die Klägerin hat beantragt, das erstinstanzliche Urteil teilweise abzuändern und über den zuerkannten Wertermittlungsanspruch hinaus den Beklagten zu verurteilen,

  1.                  a. an sie durch Vorlage eines geordneten Bestandsverzeichnisses Auskunft darüber zu erteilen, welche Nutzungen er aus den ihm am 30.09.1996 durch Frau D.F. übertragenen Anteilen an der N Gesellschaft für Hüttenwerkstechnik GmbH & Co. KG seit dem 20.04.2004 gezogen hat;
  2. die Richtigkeit der von ihm erteilten Auskunft gegebenenfalls eidesstattlich zu versichern.

Zur Stufenklage erweiternd hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 18.04.2007 beantragt, den Beklagten zu verurteilen,

  1.                  nach Erteilung der Auskunft und Durchführung der Wertermittlung einen nach deren Ergebnissen zu bestimmenden Betrag nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
  2.                  nach Erteilung der Auskunft und Durchführung der Wertermittlung die Zwangsvollstreckung in seinen Kommanditanteil an der N Gesellschaft für Hüttenwerkstechnik GmbH & Co. KG in Höhe eines nach den Ergebnissen der Auskunft und Wertermittlung zu beziffernden Betrages zu dulden

und hilfsweise für den Fall, dass das Gericht zu der Auffassung gelangen sollte, die Stellung der Anträge zu 2. und 3. genüge den Anforderungen an eine wirksame Geltendmachung der Ansprüche im Prozess nicht,

  1.                  festzustellen, dass ihr gegen den Beklagten ein Anspruch auf Pflichtteilsergänzung nach den §§ 2325, 2329 BGB zustehe.

Der Beklagte hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen sowie unter Abänderung des am 08.03.2007 verkündeten Urteils des Landgerichts Duisburg zum Az.: 8 O 332/06 die Klage abzuweisen.

Er hat im Wesentlichen vorgetragen, er habe durch den Vertrag vom 30.09.1996 nicht mehr erhalten, als die Erblasserin in der Verfügung aus dem Erbvertrag für ihn vorgesehen habe, ihm also auch ohne den Vertrag mit dem Tod der Erblasserin zugefallen wäre. Angesichts der Gegenleistungen liege eine gemischte Schenkung nicht vor. Der tatsächliche Wert der Kommanditbeteiligung und des Kapitalkontos habe 450.000,00 DM betragen.

Ein Wertermittlungsanspruch laufe auf Ausforschung hinaus. Es sei zudem zu berücksichtigen, dass die Klägerin ganz erhebliche Vorempfänge durch Schenkungen (vgl. zu den Einzelheiten Bl. 229 f. GA / Band II) und mit dem Inventar des Hauses wertvolle Kunstgegenstände erhalten habe. Der Nachlasswert habe bereits nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin 379.330,00 EUR betragen.

Zudem hat der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.

Der Senat hat mit Urteil vom 05.12.2008 zum Aktenzeichen I-7 U 61/07 die Berufungen der Parteien gegen das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 08.03.2007 zurückgewiesen, den Tenor des Wertermittlungsanspruchs klarstellend neu gefasst und den Rechtsstreit im Übrigen unter Aufhebung der Kostenentscheidung zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Unter dem 11.03.2009 hat die Klägerin gemäß § 887 ZPO beantragt, sie zu ermächtigen, einen Sachverständigen gemäß dem Tenor des Urteils des Senats zu beauftragen. Der Antrag wurde mit Beschluss vom 22.04.2009 zurückgewiesen, nachdem der Beklagte am 16.03.2009 einen Sachverständigen beauftragt hatte. Am 01.02.2010 erhielt die Klägerin das Wertgutachten der C Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (im Folgenden: C), dem Kopien der dem Sachverständigen überlassenen Unterlagen nicht beigefügt waren und das sich nicht zu dem Aspekt äußerte, dass der Beklagte alleiniger Eigentümer der Kommanditgesellschaft geworden war. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hat der Senat mit Beschluss vom 21.07.2011 (vgl. Bl. 548 ff. GA / Band III), dem Beklagten am 01.08.2011 zugestellt, gemäß § 888 ZPO ein Zwangsgeld von 1.000,00 EUR gegen den Beklagten festgesetzt, weil das Gutachten auf den Aspekt des Alleineigentums nicht einging; wegen des Fehlens von Unterlagen hat der Senat die Zurückweisung des Zwangsgeldantrags bestätigt, weil der Tenor des Urteils vom 05.12.2008 eine entsprechende Verpflichtung nicht enthalte.

Am 12.09.2011 erhielt die Klägerin die zweite Fassung des Wertgutachtens der C, die sie im Folgenden in dem Verfahren 18 O 102/11 des Landgerichts Essen / OLG Hamm auf Zahlung des Honorars in Anspruch nahm. Die Klägerin verweigerte die Zahlung,    weil ihr die Unterlagen nicht zur Verfügung gestellt worden waren. Die C berief sich darauf, der Beklagte habe sich damit nicht einverstanden erklärt. Nachdem die Klägerin dem Beklagten in der Berufungsinstanz den Streit verkündet hatte, endete der Rechtstreit mit einem Vergleich.

Mit Schriftsatz vom 13.11.2013, Eingang bei dem Landgericht am 18.11.2013 (vgl. Bl. 557 ff. GA / Band III), hat die Klägerin die dritte Stufe des Verfahrens aufgerufen und Wertersatz gemäß § 818 Abs. 2 BGB geltend gemacht, nachdem der Beklagte zwischenzeitlich alle Geschäftsanteile an die D Group plc veräußert hat.

Die Klägerin hat vorgetragen, der Kaufpreis für die N mbH und die N GmbH & Co. KG habe 31,68 Mio. EUR betragen, was für den Unternehmensanteil von 45,9% einen Kaufpreisanteil von 14,5 Mio. EUR ergebe, woraus sich ein Wert von 10,9 Mio. EUR ergebe. Es sei von einem Reinnachlass von 319.303,66 EUR auszugehen; der Wert der Schenkungen an den Beklagten habe mindestens 11.954.000,00 EUR betragen. Die Summe der anzurechnenden Eigengeschenke betrage 549.224,62 EUR, so dass der fiktive Nachlass einen Wert von 12.822.528,28 EUR gehabt habe und sich bei der Pflichtteilsquote von ¼ ein Pflichtteil von 3.205.632,07 EUR ergebe, von dem nach Abzug der Eigengeschenke ein Betrag von 2.656.407,45 EUR verbleibe.

Die Einrede der Verjährung gehe ins Leere, weil zwischen den Parteien seit dem 29.04.2004 Verhandlungen auch über den Pflichtteilsergänzungsanspruch geführt worden seien. Der Beklagte habe aufgrund des Schreibens vom 29.04.2004 davon ausgehen müssen, dass sie mit ihren Verhandlungsbemühungen auch den Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend mache und Verhandlungen führen wolle. Aus dem Schreiben vom 30.05.2005 ergebe sich eindeutig die Forderung, einen Ausgleich für den übertragenen Unternehmensanteil zu erhalten oder Anteile an der Gesellschaft zu übertragen. Bis zur Zustellung des Zwangsgeldbeschlusses am 01.08.2011 sei die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB durchgehend gehemmt gewesen, so dass sie bei Einreichung des Schriftsatzes vom 13.11.2013 noch nicht abgelaufen gewesen sei. Die Hemmung der Verjährung ende bei der Stufenklage erst, wenn der Zahlungsanspruch nach Erfüllung der seiner Vorbereitung dienenden Hilfsansprüche nicht beziffert werde. Zudem habe ein triftiger prozesswirtschaftlich vernünftiger Grund für ihr Abwarten nach Erfüllung vorgelegen, der die Anwendung des § 204 Abs. 2 BGB ausschließe, denn sie habe versucht, die für die Wertermittlung erforderlichen Unterlagen zu erhalten. Zudem sei die Erhebung der Verjährungseinrede rechtsmissbräuchlich und mit dem Gebot von Treu und Glauben unvereinbar, denn der Beklagte habe durch seine Weigerung, die zur Überprüfung des Wertermittlungsgutachtens erforderlichen Unterlagen herauszugeben, verhindert, dass sie ihren Pflichtteilsergänzungsanspruch ordentlich beziffern könne.

Die Klägerin hat den ursprünglich auf Duldung der Zwangsvollstreckung gerichteten Antrag einseitig für erledigt erklärt und beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.517.466,62 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.01.2014 zu zahlen,

hilfsweise festzustellen, dass ihr gegen den Beklagten ein Anspruch auf Pflichtteilsergänzung nach den §§ 2325, 2129 BGB zusteht.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Einrede der Verjährung erhoben und Verwirkung eingewendet. Zudem sei von den Eltern der Parteien ausdrücklich kein Wertausgleich gewollt gewesen. Nach dem Niederstwertprinzip sei von einem Wert des Kommanditanteils am 20.04.2004 von 5.842.00,00 EUR auszugehen, der Wert des Anteils an der Komplementär-GmbH habe sich auf 27.000,00 EUR und der des Kapitalkontos auf den Nominalbetrag von 1.202.000,00 EUR belaufen. Es sei mithin von insgesamt 7.071.000,00 EUR auszugehen und von Zahlungen an die Erblasserin von 1.030.000,00 EUR. Zudem habe er steuerliche Verpflichtungen der Erblasserin übernommen und 287.278,00 EUR Schenkungssteuer bezahlt. Die Klägerin habe erhebliche Werte aus dem Nachlass und umfangreiche Schenkungen erhalten.

Das Landgericht hat die Klage mit dem am 03.11.2014 zugestellten Urteil vom 30.10.2014 abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die Klägerin gegen den Beklagten wegen der Übertragung des Gesellschaftsanteils an der N Beteiligungsgesellschaft mbH und von Kommanditanteilen an der N Gesellschaft für Hüttenwerkstechnik mbH & Co. KG im Jahr 1996 einen auf Wertersatz gerichteten Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß §§ 2329 Abs. 1 S. 1, 818 Abs. 2 BGB habe, denn ein solcher Anspruch sei jedenfalls gemäß § 214 Abs. 1 BGB nicht mehr durchsetzbar, nachdem sich der Beklagte auf die Einrede der Verjährung berufen habe. Die Verjährung habe am 21.04.2004 zu laufen begonnen und sei erstmals am 18.04.2007 gehemmt worden. Diese Hemmung habe jedenfalls am 12.09.2012 geendet, ohne dass es zu einer erneuten Hemmung gekommen sei, so dass der Anspruch seit dem 16.09.2012 verjährt sei, denn der Anspruch verjähre kenntnisunabhängig in drei Jahren von dem Eintritt des Erbfalls. Die Klage vom 20.08.2006 sei nicht auf Leistung oder Feststellung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs gerichtet gewesen und habe einen solchen auch nicht vorbereiten sollen, sondern eine Klage wegen einer ein angebliches Vermächtnis beeinträchtigenden Schenkung. Ebenso habe die Klageerweiterung vom 04.12.2006 keinen Pflichtteilsergänzungsanspruch zum Gegenstand gehabt. Eine Hemmung sei auch nicht durch Verhandlungen der Parteien im Sinn von § 203 BGB eingetreten.

Die durch die Erhebung der Stufenklage bewirkte Hemmung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs habe spätestens ein Jahr nach der letzten im Zuge der Zwangsvollstreckung der Klägerin von dem Beklagten erteilten Auskunft geendet. Gemäß § 204 Abs. 2 S. 1 BGB komme es im Rahmen der Stufenklage zu einem von dem Kläger zu vertretenden Stillstand des Verfahrens so lange nicht, wie er die zur Bezifferung seines Leistungsanspruchs erforderlichen Hilfsansprüche in der Vollstreckung durchsetze. Dabei komme es nur auf das Betreiben der Zwangsvollstreckung und nicht darauf an, ob der Beklagte den Hilfsanspruch erfülle. Selbst bei Zugrundelegung einer überlangen Frist von sechs Monaten zur Prüfung und Auswertung der Ergebnisse der Vollstreckung sei das Verfahren mit Ablauf des 12.03.2012 in Stillstand geraten, so dass die Hemmung der Verjährung sechs Monate später, also mit Ablauf des 12.09.2012 gemäß § 204 Abs. 2 S. 2, S. 1 BGB geendet habe.

Die Klägerin habe den Stillstand des Verfahrens auch zu vertreten, denn weder habe das Gericht selbst Anlass dafür gegeben, dass das Verfahren nicht weiterbetrieben worden sei, noch liege ein nach außen und für den anderen Teil erkennbarer triftiger Grund für den Nichtbetrieb vor.

Die Vollstreckung des Wertermittlungsanspruchs habe nur zu einem Neubeginn der Verjährung dieses Anspruchs, nicht aber zu einem Neubeginn der Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs geführt.

Soweit die Klägerin aufgrund der einseitigen Teilerledigungserklärung die Feststellung begehre, dass ihre bis dahin zulässige und begründete Klage durch die Veräußerung der Unternehmen nach Rechtshängigkeit unbegründet geworden sei, sei die Feststellungsklage mangels durchsetzbaren Pflichtteilsergänzungsanspruchs ebenfalls unbegründet.

Hiergegen richtet sich die am 28.11.2014 eingelegte und mit dem Schriftsatz vom 05.02.2015 begründete Berufung der Klägerin.

Sie trägt im Wesentlichen vor, das Landgericht habe zu Unrecht Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs angenommen. Dieses Ergebnis laufe sämtlichen Zwecken des Rechtsinstituts der Verjährung zuwider, zumal sie seit Jahren unausgesetzt auf verschiedenen ihr zur Verfügung stehenden Wegen gerichtlich und außergerichtlich versucht habe, ihre Ansprüche durchzusetzen, wobei der Beklagte davon durchgängig Kenntnis gehabt habe.

Die Verjährung sei bis zur Erhebung der Stufenklage durch Verhandlungen der Parteien im Sinne des § 203 BGB gehemmt gewesen. Dies zeige sich bei verständiger Würdigung des Schreibens vom 29.04.2004 (Anlage K 42, Bl. 728 GA/ Band III), denn die Formulierung „rechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem Nachlass“ umfasse gerade auch den sogenannten fiktiven Nachlass, von dem im Hinblick auf lebzeitige Schenkungen gesprochen werde. Mit diesem Schreiben seien folglich Verhandlungen zwischen den Parteien über die gesamte Bandbreite der Ansprüche, insbesondere also auch über den Pflichtteilsergänzungsanspruch begonnen worden. Aus dem Briefwechsel sei für den Beklagten erkennbar gewesen, dass sie Verhandlungen über den Pflichtteilsanspruch habe führen wollen. Aus dem Schreiben vom 30.05.2005 ergebe sich eindeutig die Forderung, einen Ausgleich für den übertragenen Unternehmensanteil zu erhalten oder Anteile an der Gesellschaft zu übertragen. Der Beklagte habe sich an den Verhandlungen durch seine Korrespondenz mit ihr und das Telefonat zwischen den Rechtsanwälten auch beteiligt. Aus dem internen Abstimmungsschreiben vom 30.08.2005 und der dort festgehaltenen Frage des Prozessbevollmächtigten des Beklagten, ob sich nicht die „neue“ Sache mit dem vorliegenden „Rechtsstreit verbinden ließe“ ergebe sich, dass Verhandlungsbereitschaft über den Gesamtkomplex bestanden habe. Jedenfalls habe der Rechtsbeistand des Beklagten es nicht kategorisch ausgeschlossen, Verhandlungen zu führen, und damit bei ihr berechtigtes Vertrauen begründet. Diese Verhandlungen seien weder abgebrochen noch beendet worden, so dass die Hemmung der Verjährung jedenfalls bis zur Erhebung der Auskunftsklage von April 2004 bis August 2006 für 28 Monate und 23 Tage angedauert habe.

Die Hemmung der Verjährung habe mangels Erfüllung der Informationsansprüche durch den Beklagten nicht geendet, denn diese sei Voraussetzung für eine Verjährung des Hauptanspruchs. Eine Ausnahme sei hiervon nicht zu machen, da sie nicht untätig geblieben sei. Zudem habe ein triftiger Grund vorgelegen, zwischenzeitlich keine weiteren Verfahrenshandlungen vorzunehmen, der zum einen in den Bezifferungsschwierigkeiten und zum anderen in der Vergütungsklage vor dem Landgericht Essen gelegen habe. Zwar sei der Beklagte formal an diesem Rechtstreit nicht beteiligt gewesen, habe ihn jedoch letztlich durch sein Verhalten verursacht, da er die C angewiesen habe, die Herausgabe der Unterlagen zu verweigern. Einvernehmen über den Stillstand sei zwischen den Parteien nicht erforderlich, um einen triftigen Grund im Sinne des § 204 Abs. 2 BGB anzunehmen.

Zudem sei es auch unbillig und widerspreche dem Zweck der Verjährungsvorschriften, die Klägerin auf eine Zwischenfeststellungsklage zu verweisen, denn dies widerspreche dem Zweck der Stufenklage, die gerade der Prozessökonomie dienen solle.

Letztlich sei die Verjährung auch durch Vollstreckungshandlungen unterbrochen worden. Der Beschluss des Senats vom 21.07.2011, mit dem gegen den Beklagten ein Zwangsgeld i.H.v. 1.000,00 EUR festgesetzt wurde, sei eine Vollstreckungshandlung im Sinne von § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB, nach der die Verjährungsfrist neu beginne. Es sei von einer verjährungsrechtlichen Unselbständigkeit der in der Stufenklage verbundenen Informations- und Leistungsansprüche auszugehen; dies entspreche gerade dem Sinn der Modernisierung des Verjährungsrechts.

Hinzu komme, dass der Beklagte gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoße, indem er sich auf Verjährung berufe, da er die Geltendmachung ihrer Ansprüche an jeder Stelle des Verfahrens hintertrieben habe. Dabei sei eine Gesamtwürdigung der Umstände und des Verhaltens des Beklagten erforderlich. Verwirkung des Anspruchs komme nicht in Betracht, denn der Beklagte habe keinerlei Anlass gehabt, sich darauf einzurichten, sie werde keine Ansprüche mehr geltend machen.

Die Klägerin beantragt,

das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.517.466,62 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

hilfsweise festzustellen, dass ihr gegen den Beklagten ein Anspruch auf Pflichtteilsergänzung nach §§ 2325, 2329 BGB zusteht.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Der geltend gemachte Anspruch sei verjährt, denn die Verjährungsfrist sei am 20.04.2007 abgelaufen. Die Klageerweiterung mit dem Leistungsantrag vom 18.04.2007 sei ihm erst am 23.04.2007 und damit nicht mehr rechtzeitig zugestellt worden. Der darin enthaltene Antrag sei im Übrigen unzureichend, um in der Stufenklage den Zahlungsanspruch zu begründen. Jedenfalls sei mit Ablauf des 06.12.2011 Verjährung eingetreten, denn die Klägerin habe das Verfahren ab dem Urteil des Senats vom 05.12.2008 nicht weiterbetrieben. Spätestens mit Ablauf des 21.01.2012 habe die Hemmung der Verjährung geendet, wenn man auf den Beschluss des Senats vom 21.07.2011 abstelle. Zudem sei ein Zahlungsanspruch der Klägerin verwirkt, denn er habe mit Vorlage des Gutachtens vom 01.02.2010 davon ausgehen können, dass allenfalls unverzüglich noch Ansprüche geltend gemacht würden, dies habe die Klägerin aber für die Dauer von fast vier Jahren nicht getan. Verhandlungen habe es nicht gegeben; er habe lediglich die von der Klägerin zu Unrecht geltend gemachten Ansprüche zurückgewiesen. Soweit die Klägerin vortrage, sie sei seinerzeit nicht davon ausgegangen, dass ein Pflichtteilsanspruch bestehe, sei damit endgültig erwiesen, dass sie einen derartigen Anspruch nicht geltend gemacht habe und keine Verhandlungen hierüber geführt worden seien. Den Streit mit dem Gutachter habe die Klägerin offensichtlich aufgenommen, um sich der Zahlungspflicht zu entziehen. Ein prozesswirtschaftlich vernünftiger Grund für das Zuwarten habe nicht bestanden, zumal sich nach dem Vorliegen der Wertermittlung bis zur erfolgten Bezifferung keine neuen Erkenntnisse ergeben hätten. Zudem sei der Anspruch auf Wertermittlung mit der Vorlage des Gutachtens vom 01.02.2010 erfüllt gewesen.

Überdies bestehe ein Pflichtteilsergänzungs- oder sonstiger Anspruch dem Grunde nach nicht, denn die Klägerin versuche einen Wertausgleich durchzusetzen, der von den Erblassern ausdrücklich ausgeschlossen worden sei. Die Übertragung der Beteiligungen sei keine Schenkung gewesen, sondern er habe sich mit der Erblasserin im Vertrag vom 30.09.1996 auf ein ausgeglichenes Verhältnis von Leistung und Gegenleistung geeinigt. Die Klägerin habe Vermächtnisse in erheblichem Wert erhalten. Zudem sei die Beteiligung der Erblasserin an der Firma B auf die Klägerin übergegangen. In Anbetracht der erheblichen und den Wert des übertragenen Kommanditanteils, des Anteils an der Komplementär-GmbH und des variablen Kapitalkontos übersteigenden Vorempfänge der Klägerin sei ein Anspruch gegen ihn- selbst bei einem Wertausgleich – nicht gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen. Die Akten 10 O 217/99 Landgericht Duisburg lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Es liegt kein Berufungsgrund im Sinne des § 513 ZPO vor, denn weder beruht die Entscheidung des Landgerichts auf einer Rechtsverletzung nach § 546 ZPO noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung.

1.

Der Klägerin steht der begehrte Zahlungsanspruch gegen den Beklagten auf keiner rechtlichen Grundlage zu. Insbesondere hat sie keinen durchsetzbaren Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß §§ 2329 Abs. 1 S. 1, 818 Abs. 2 BGB, denn der Anspruch ist verjährt.

Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben, so dass der Anspruch gemäß § 214 Abs. 1 BGB nicht mehr durchsetzbar ist.

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2329 Abs. 1 BGB verjährt gemäß § 2332 Abs. 2 BGB in der vom 01.01.2002 bis 31.12.2009 geltenden Fassung (a.F.) ebenso wie gemäß § 2332 Abs. 1 BGB in der seitdem geltenden Fassung kenntnisunabhängig binnen drei Jahren von dem Erbfall an, so dass die Verjährung hier am 20.04.2004 mit dem Tod der Erblasserin begann. Dies gilt auch, wenn der Beschenkte gleichzeitig Miterbe ist (BGH NJW 1986, 1610; Damrau/Tanck-Lenz-Brendel, Praxiskommentar Erbrecht, 3. Auflage, 2014, § 2332, Rn. 3; a.A. Staudinger/Wolfgang Olshausen (2015) BGB § 2329, Rn. 40).

Die am 20.04.2004 angelaufene Verjährungsfrist hätte mithin ohne Hemmung oder Neubeginn mit Ablauf des 20.04.2007 geendet.

a.

Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass eine Hemmung der Verjährung durch Verhandlungen gemäß § 203 S. 1 BGB nicht eingetreten ist.

Der Begriff der Verhandlungen ist grundsätzlich weit zu verstehen. Verhandlungen zwischen den Parteien oder ihren mit Verhandlungsvollmacht ausgestatteten Vertretern schweben bei jedem Meinungsaustausch über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, auf Grund dessen der Gläubiger davon ausgehen kann, dass sein Begehren von der Gegenseite noch nicht endgültig abgelehnt wird, ohne dass es erforderlich ist, dass der Verhandlungspartner seine Vergleichsbereitschaft geäußert hat (vgl. BGH, Urteil vom 30.01.2014 – III ZR 84/13, juris-Rn. 8;Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Auflage, 2016, § 203, Rn. 2; MüKoBGB/Grothe BGB, 7. Auflage, 2015, § 203 Rn. 5 m.w.N.).

Die von der Hemmung gemäß § 203 BGB erfassten Ansprüche werden durch den Gegenstand der Verhandlungen bestimmt. Der Anspruchsbegriff des § 203 ist deshalb regelmäßig nicht im Sinne einer materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage zu verstehen, sondern erstreckt sich im Zweifel auf alle Ansprüche, die jener Lebenssachverhalt hervorbringt, der den Verhandlungen zugrunde liegt, wenn und soweit diese Ansprüche auf ein vergleichbares Gläubigerinteresse gerichtet sind (vgl. Schmidt-Räntsch in: Erman BGB, Kommentar, 14. Auflage, 2014, § 203, Rn. 7; MüKoBGB/Grothe BGB, 7. Auflage, 2015, § 203 Rn. 7 m.w.N.). Dabei ist, wenn über die Regulierung eines Erbfalls verhandelt wird, grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen (vgl. Senat ZEV 2011, 323; zustimmend: Staudinger-Löhnig, BGB, 2016, § 2039 Rn. 26; Palandt/Weidlich, BGB, 75. Auflage, 2016, § 203, Rn. 3).

Im Zweifel muss durch Auslegung des Vorbringens ermittelt werden, ob nur ein abgrenzbarer Teil von Ansprüchen geltend gemacht wird oder alle aus dem Lebenssachverhalt in Betracht kommenden Ansprüche. Vorliegend kann dahin stehen, ob dies angesichts des erheblichen Unterschiedes zwischen Ansprüchen wegen Beeinträchtigung eines testamentarischen Vermächtnisses und Pflichtteilsergänzungsansprüchen, die die Klägerin erstmals vorsorglich mit Schriftsatz vom 04.12.2006 angesprochen hat, nachdem der Beklagte sich darauf berufen hatte, er habe nun (2006) erfahren, dass die Testamente wirksam widerrufen worden seien, ebenfalls gilt.

Die Parteien haben nämlich zu keinem Zeitpunkt verhandelt.

 

Auf das Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin an den Beklagten vom 29.04.2004 (Anlage K 42, Bl. 728 GA / Band III), durch das diese anzeigten, mit der „Klärung der rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit dem Nachlass Ihrer verstorbenen Mutter“ beauftragt zu sein, und „vorrangig“ Auskunft gemäß § 2018 BGB und Schlüsselherausgabe begehrten, folgten lediglich die Schreiben des Rechtsanwalts und Notars Eumann vom 05.05.2004 (Anlage K43, Bl. 730 GA / Band III) und 03.06.2004 (Bl. 852 GA / Band IV), der mitteilte, den Beklagten nicht zu vertreten, weil er davon ausgehe, Testamentsvollstrecker zu werden. Demgemäß hat die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom 14.10.2014 (Bl. 732 GA / Band III) zutreffend mitgeteilt, das Schreiben vom 29.04.2004 sei nicht erledigt.

Die Reaktion des Beklagten bestand darin, dass er mit Anwaltsschreiben vom 11.11.2004 (Anlage K43, Bl. 734 f. GA / Band III) seinerseits Auskunftsansprüche geltend machte, woraufhin die Klägerin mit Schreiben vom 23.11.2004 (Bl. 737 GA / Band III) und vom 30.05.2005 (Bl. 739 / Band III) ihre Forderungen wiederholte und im letztgenannten Schreiben – unter dem Aspekt des § 2287 BGB – auch auf die Übertragung der Gesellschaftsanteile einging. Die Feststellung des Landgerichts, dass der Beklagte auf dieses Schreiben aber nicht reagiert habe, hat die Klägerin mit der Berufung nicht angegriffen. Aus dem gesamten Akteninhalt ergibt sich auch keine dokumentierte Reaktion des Beklagten auf dieses Schreiben. Das Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten an die Klägerin vom 30.08.2005 stellt auf S. 2 (Bl. 743 GA / Band III) klar, dass eine Reaktion nicht erfolgt ist.

Am 29.08.2005 fand ein Telefongespräch der Prozessbevollmächtigten statt, in dessen Verlauf nach dem Vortrag der Klägerin, der sich auf das Anwaltsschreiben ihrer Prozessbevollmächtigten an sie vom 30.08.2005 (Bl. 742 GA) bezieht, der Prozessbevollmächtigte des Beklagten fragte, „ob sich nicht die neue Auseinandersetzung (Nachlass Mutter) mit dem vorliegenden Rechtsstreit verbinden ließe“ (der die Pflichtteilsergänzungsansprüche nach dem Vater betraf), worauf ihr Prozessbevollmächtigter erklärt hat, die eine Sache sei von der anderen zu trennen.

Folglich wurde auch an diesem Tag nicht über die Ansprüche nach der Mutter verhandelt; ein – von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin nach dem Inhalt seines Schreibens für nicht ausgeschlossen gehaltenes – Gesamtangebot ist in der Folgezeit gerade nicht unterbreitet worden.

Über das wechselseitige Geltendmachen von Forderungen sind die Parteien zu keiner Zeit hinaus gekommen, weshalb die Klägerin 2006 auch Klage erhoben und diese 2007 ausdrücklich zur Verjährungshemmung erweitert hat.

b.

Zutreffend hat das Landgericht eine Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB durch die Rechtshängigkeit der Erweiterung vom 18.04.2007 (Bl. 202 GA / Band II) der auf Wertermittlung gerichteten Klage um einen unbezifferten Zahlungsantrag angenommen. Gemäß § 167 ZPO wirkt die Hemmung auf die Einreichung der Klageerweiterung bei Gericht zurück. Bei der Stufenklage im Sinne des § 254 ZPO erfasst die Hemmung der Verjährung auch den geltend gemachten unbezifferten Leistungsantrag (BGH, NJW 2012, 2180, Rn. 11).

Die ursprünglich lediglich auf Vorlage eines Bestandsverzeichnisses und Versicherung an Eides statt gerichtete Klage vom 20.08.2006 war nicht geeignet, hinsichtlich eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs der Klägerin eine Hemmung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu begründen, denn zwar tritt die Hemmungswirkung bei der Stufenklage auch bereits für die Leistungsstufe mit Anhängigkeit der Stufenklage ein, dazu muss aber der – unbezifferte – Leistungsanspruch mit den vorbereitenden Ansprüchen zusammengefasst werden. Allein die Klage auf Auskunft hemmt die Verjährung des Leistungsanspruchs nicht (vgl. MüKoBGB/Grothe BGB, 7. Auflage, 2015, § 204 Rn. 4, 11 m.w.N.; BGH, NJW 2012, 2180, Rn. 16). Auch die Klageerweiterung vom 04.12.2006 hatte einen Pflichtteilsergänzungsanspruch der Klägerin nicht zum Gegenstand.

c.

Die Hemmung hat gemäß § 204 Abs. 2 S. 2 BGB dadurch geendet, dass die Klägerin das Verfahren nicht betrieben hat.

aa.

Allerdings tritt nach der rechtskräftigen Entscheidung über die vorbereitenden Ansprüche während der Vollstreckung dieser Ansprüche – also der weiteren gerichtlichen Durchsetzung – ein Stillstand des Verfahrens im Sinne des § 204 Abs. 2 S. 2 BGB nicht ein (vgl. BGH NJW 2012, 2180, Rn. 26; BGH NJW-RR 2006, 948, Rn. 14; BGH NJW 1992, 2563, 2564).

Nach dem Senatsurteil vom 05.12.2008 hat die Klägerin die Zwangsvollstreckung mit dem Antrag gemäß § 887 ZPO vom 11.03.2009 (Bl. 403 GA / Band II) betrieben.

Der zurückweisende Beschluss der Kammer wurde der Klägerin am 06.05.2009 zugestellt (Bl. 819 GA / Band IV). Dass sie danach bis zu ihrem Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung vom 16.07.2010 (Anlage K65, Bl. 838 GA / Band IV) und dem dann folgenden Antrag gemäß § 888 ZPO vom 12.10.2010 keine weiteren Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen hat, hatte einen offenkundigen triftigen Grund. Denn der Beklagte hatte das Wertermittlungsgutachten in Auftrag gegeben, das gerade dazu dienen sollte, ihr die Bezifferung zu ermöglichen.

Das Gutachten der C lag der Klägerin unstreitig am 01.02.2010 als PDF vor und der Klägerin ist eine angemessene Prüfungsfrist zum Ergebnis der Wertermittlung einzuräumen (vgl. BGH NJW 1992, 2563, 2564), so dass die Hemmung gemäß § 204 Abs. 2 BGB nach Ablauf einer angemessenen Frist zur Überprüfung und Auswertung der erlangten Ergebnisse geendet hätte. Ob der Zeitraum vom 01.02.2010 bis zum Antrag gemäß § 888 ZPO vom 20.10.2010 nicht zu lang war, kann dahin stehen, weil die Zwangsvollstreckung jedenfalls beendet war, als die Klägerin mit Schreiben vom 12.09.2011 das aufgrund des Beschlusses des Senats vom 21.07.2011 erstellte Ergänzungsgutachten vom 24.08.2011 erhielt.

bb.

Nach Erhalt des Ergänzungsgutachtens hätte die Klägerin innerhalb einer angemessenen Überlegungsfrist Schritte zur Durchsetzung des Leistungsanspruchs einleiten können und müssen. Ob die Frist zur Prüfung mit der 6-Monats-Frist des § 204 Abs. 2 ZPO zusammenfällt (vgl. Krug-Horn/Fleischer, Pflichtteilsprozess, § 17 Rn. 91; Erman-Schmidt-Räntsch, BGB, 14. Auflage, § 205 Rn. 53) oder sich wie im angefochtenen Urteil ausgeführt noch daran anschließt, kann vorliegend angesichts des Zeitablaufs dahinstehen.

Als Weiterbetreiben der Stufenklage in Betracht kam zum Einen die – am 18.11.2013 schließlich auch erfolgte – Bezifferung des Leistungsantrags aufgrund einer Plausibilitätsuntersuchung durch die von der Klägerin eingeschalteten Gutachter. Sollte die Plausibilitätsprüfung, wie die Klägerin behauptet, erst Anfang 2013 aufgrund nach dem Verkauf des Unternehmens veröffentlichter Zahlen möglich geworden sein, hätte die Klägerin ihren Anspruch auf Vorlage von Geschäftsunterlagen durch einen – nach dem Beschluss des Senats vom 21.07.2011 wenig aussichtsreichen – weiteren Antrag gemäߠ § 888 ZPO oder durch die Erweiterung der Klage um einen Antrag, den Beklagten zur Vorlage der Unterlagen zu verurteilen, verfolgen können.

Nicht ausreichend für ein Betreiben des Verfahrens war es jedenfalls, dass die Klägerin in einem anderen Rechtsstreit mit dem Gutachter vor dem Landgericht Essen über dessen Honorar gestritten hat – auch wenn sie dort eingewandt hat, es fehlten Unterlagen, und der Beklagte dies wusste – und mit dem Gutachter u.a. mit Schreiben vom 12.10.2011 über die Vorlage von Unterlagen verhandelt hat.

cc.

Es lag auch kein „triftiger Grund“ vor, das Verfahren über die Stufenklage nicht weiter zu betreiben.

Dies ist im Interesse der Rechtssicherheit nur bei für den anderen Teil nach außen erkennbar werdenden Umständen des Verfahrensstillstandes im Verantwortungsbereich der Parteien der Fall, aus denen der erforderliche „triftige Grund“ hervorgehen muss (BGH NJW 1999, 3774, 3775 m.w.N.).

Das bloße Zuwarten auf den Ausgang des Vergütungsprozesses der C gegen die Klägerin über 2 Jahre und 2 Monate nach Vorliegen des Ergänzungsgutachtens bis zur Bezifferung des Leistungsantrags lässt nach außen keinen „triftigen Grund“ für den Nichtbetrieb des Verfahrens gegen den Beklagten erkennen. Dies folgt zum einen aus dem formalen Punkt, dass der Beklagte an diesem Verfahren, in dem die Klägerin selbst Beklagte war, nicht beteiligt war bzw. ihm erst in der Berufungsinstanz der Streit verkündet worden ist. Überdies hat die Klägerin die C keineswegs aktiv auf die Aushändigung der Unterlagen in Anspruch genommen, sondern lediglich gegen den Vergütungsanspruch eingewandt, ihr lägen die Unterlagen nicht vor. Jedenfalls nachdem die Prozessbevollmächtigten der C sich darauf berufen hatten, der Beklagte habe unter Androhung straf- und berufsrechtlicher Konsequenzen die Herausgabe der Unterlagen untersagt, drängte es sich auf, dass aktive Schritte der Rechtsverfolgung gegen den Beklagten erforderlich waren, zumal die Klägerin aufgrund des Beschlusses des Senats vom 21.07.2011 seit dem 01.08.2011 wusste, dass ein Anspruch auf die Herausgabe der begehrten Unterlagen nicht tenoriert war.

Für den Beklagten erkennbar war allenfalls, dass die Klägerin die Herausgabe der Unterlagen,  die sie im hiesigen Verfahren nicht durchsetzen konnte, nunmehr gegenüber der C begehrte und sich damit gegen die Zahlungsverpflichtung für das Gutachten zur Wehr setzte. Dass sie – 2 Jahre und 2 Monate nach Vorlage des Ergänzungsgutachtens – die Stufenklage gegen ihn weiterbetreiben würde, war aus dem Verhalten der Klägerin in dem Prozess der C gegen sie für den Beklagten nicht hinreichend deutlich erkennbar.

Diese Konstellation ist nicht mit den von der Rechtsprechung für prozesswirtschaftlich vernünftig gehaltenen Fällen vergleichbar (vgl. zu den Fallgruppen: BeckOK BGB/Henrich BGB, Stand: 01.11.2015, § 204 Rn. 76 m.w.N.).

dd.

Die Hemmung endete mithin 6 Monate oder spätestens 12 Monate nach Eingang des mit Schreiben vom 12.09.2011 übersandten Ergänzungsgutachtens. Danach standen noch 3 Tage der ursprünglichen Verjährungsfrist zur Verfügung. Als am 18.11.2013 der bezifferte Antrag einging (Bl. 557 GA / Band III), war die Verjährung mithin längst eingetreten.

d.

Die Verjährung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs der Klägerin hat auch nicht gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB aufgrund von Vollstreckungshandlungen der Klägerin neu begonnen.

Soweit die Klägerin hierzu vorträgt, es liege bei der Stufenklage eine verjährungsrechtliche Unselbständigkeit der Ansprüche vor, ist eine gesetzliche Grundlage hierfür nicht gegeben. Jeder der geltend gemachten Ansprüche verjährt selbstständig. Die Besonderheit der Stufenklage besteht lediglich darin, dass sie zur Hemmung der Verjährung der in späteren Stufen geltend zu machenden Ansprüche führen kann. Ein Neubeginn gemäß § 212 BGB kann aber nur für die Forderung eintreten, wegen derer die Vollstreckung betrieben wird (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Auflage, 2016, § 212, Rn. 9; Staudinger/Peters/Jacoby (2014) BGB § 212, Rn. 46; MüKoBGB/Grothe BGB, 7. Auflage, 2015, § 212 Rn. 21  m.w.N.).

e.

Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass es dem Beklagten wegen eines Verstoßes gegen die Grundsätze von Treu und Glauben nach § 242 BGB oder aus anderen Rechtsgründen verwehrt sei, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen. Er hat die Klägerin nicht davon abgehalten, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Senats vom 05.12.2008 weiter zu betreiben oder andere Maßnahmen gegenüber dem Beklagten und dem Gericht zu ergreifen, um das Verfahren der Stufenklage nicht in Stillstand geraten zu lassen. Insbesondere hat er zu keiner Zeit den Eindruck erweckt, zur Erfüllung der erhobenen Ansprüche bereit zu sein (vgl. zu dieser Fallgruppe BGH NJW 2002, 3110, 3111). Die Klägerin hat das Drohen der Verjährungseinrede auch erkannt; sie hat im Schriftsatz vom 18.04.2007 ausdrücklich vorgetragen, der Leistungsantrag werde zum Zweck der Verjährungshemmung gestellt, nachdem der Beklagte sich geweigert habe, einen Verjährungsverzicht zu erklären.

3.

Angesichts der Verjährung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs der Klägerin hat das Landgericht zutreffend keine Entscheidung über den Feststellungsantrag getroffen, der unter der Bedingung gestellt war, dass der Hauptantrag unzulässig wäre. Diese Feststellungen des Landgerichts greift die Klägerin mit der Berufung nicht an.

Gleiches gilt hinsichtlich der einseitigen Teilerledigungserklärung.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

 

Gründe gemäß § 543 Abs. 2 ZPO, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Streitwert II. Instanz: 2.517.466,62 EUR.

 

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