OLG Celle, Beschluss vom 15. Januar 1998 – 22 W 115/97 Pflichtteilsrecht der Eltern: Ausschluß bei Zuwendungen des Erblassers an Pflichtteilsberechtigten

August 26, 2019

OLG Celle, Beschluss vom 15. Januar 1998 – 22 W 115/97
Pflichtteilsrecht der Eltern: Ausschluß bei Zuwendungen des Erblassers an Pflichtteilsberechtigten
Auch lebzeitige Zuwendungen, welche der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten für dessen Erb- und Pflichtteilsverzicht gemacht hat, sind als diesem hinterlassen im Sinne von BGB § 2309 Alt 2 anzusehen.

Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
Das Rechtsmittel ist unbegründet.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
1. Die Antragstellerin als überlebender Elternteil des Erblassers hat gegen die Antragsgegnerin, dessen Witwe und testamentarische Alleinerbin, trotz Gütertrennung zwischen ihr und diesem nicht den von ihr – der Antragstellerin – geltend gemachten Pflichtteilsanspruch in Höhe eines Viertels des Nachlaßwertes. Dieser Anspruch ist dadurch ausgeschlossen, daß die beiden Töchter des Erblassers aus dessen früherer Ehe, …, dessen einzige Abkömmlinge, das ihnen Hinterlassene angenommen haben (§ 2309 Fall 2 BGB), indem sie sich für den von ihnen erklärten Verzicht auf Erb- und Pflichtteil nach dem Erblasser von diesem je 50.000 DM und je einen hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundstück in … und an dem Wohnungseigentum in Seeheim schenkweise haben übertragen lassen. Dem Zweck der genannten Vorschrift, die Vervielfältigung der Pflichtteilslast zu verhindern und allen Pflichtteilsberechtigten zusammen höchstens die Hälfte dessen zukommen zu lassen, was ihnen bei gesetzlicher Erbfolge zufiele (vgl. Palandt-Edenhofer, BGB, 57. Aufl., § 2309 Rdnr. 1), entspricht es, auch lebzeitige Zuwendungen, welche der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten für dessen Erb- und Pflichtteilsverzicht gemacht hat, als diesem hinterlassen anzusehen (vgl. auch: RGRK-Johannsen, BGB, 12. Aufl., § 2315 Rdnr. 23; Soergel-Dieckmann, BGB, § 2309 Rdnr. 24). Erhielte in einem solchen Falle der nachrückende Pflichtteilsberechtigte den vollen Pflichtteil, wäre aus dem Vermögen des Erblassers im Ergebnis, um die Pflichtteilslast abzutragen, mehr aufgebracht als nur die Hälfte dessen, was bei gesetzlicher Erbfolge auf die Pflichtteilsberechtigten zusammen entfiele, nämlich eben diese zuzüglich der lebzeitigen Zuwendung an den Verzichtenden. Außerdem ist nicht einsichtig, daß der Erblasser, der Pflichtteilsansprüche seiner Eltern schon zu seinen Lebzeiten abwenden kann, indem er seinen Abkömmlingen, was zur Deckung deren Pflichtteils ausreicht, mit der Bestimmung zuwendet, sie müßten sich jenes auf diesen anrechnen lassen (§ 2315 Abs. 1 BGB), oder ihnen, falls sie die Zuwendung ablehnen, von Todes wegen nicht mehr als den Pflichtteil überläßt, diese Möglichkeit nicht haben soll, wenn er die lebzeitige Zuwendung statt mit einer Anrechnungsbestimmung mit einem Erb- und Pflichtteilsverzicht der Abkömmlinge verknüpft.
2. Demnach besteht der Anspruch der Antragstellerin allenfalls, soweit die Zuwendungen an die Töchter des Erblassers deren Pflichtteile nicht gedeckt haben sollten, wofür bisher, abgesehen davon, daß der für die zweite Stufe der Klage angekündigte Antrag diesem Umstand nicht Rechnung trägt, keine hinreichenden Anhaltspunkte hervorgetreten sind. Dies gilt um so mehr, als bei der Berechnung, ob die Töchter genug erhalten haben, welche der Regel des § 2315 Abs. 2 BGB zu folgen hat, der Wert der Geschenke, die sie bereits im Januar 1988 erhalten haben, unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes auf den Zeitpunkt des Erbfalls (März 1996) hochzurechnen ist (s. Palandt a. a. O. § 2315 Rdnr. 5).

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