OLG Düsseldorf, 01.07.2015 – I-3 Wx 193/14

Oktober 6, 2018

OLG Düsseldorf, 01.07.2015 – I-3 Wx 193/14

Amtlicher Leitsatz:

BGB §§ 133, 2084, 2265, 2353

Haben Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament einander gegenseitig zu Erben eingesetzt, ohne einen Schlusserben zu bestimmen, was regelmäßig dafür spricht, dass der Überlebende über das Gesamtvermögen auch von Todes wegen frei sollte verfügen können, so kann die Anordnung “Sollten wir beide durch einen Unfall zu gleicher Zeit sterben, so erbt…” auch den Fall erfassen, dass der Überlebende wegen zeitnahen Nachversterbens zu einer letztwilligen Verfügung nicht mehr in der Lage ist (hier wurden die Eheleute in ihrer Wohnung gemeinsam tot aufgefunden und ist die an Demenz leidende Ehefrau wenige Tage nach ihrem Ehemann verstorben, weil sie sich nicht selbst versorgen konnte).

In der Nachlasssache

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oberhausen vom 26. Mai 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht G. und der Richter am Oberlandesgericht D. und v. W.
beschlossen:

Tenor:

Auf das Rechtsmittel der Beteiligten zu 2 wird der angefochtene Beschluss geändert.

Die Erbscheinsanträge der verstorbenen, vom Beteiligten zu 1 beerbten, Antragstellerin E. G. vom 01. Juli 2013 werden zurückgewiesen.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 84.000 Euro.

Gründe

I.

Die zwischen dem 27. Juni und 4. Juli 2012 verstorbenen Erblasser wurden am 04. Juli 2012 in ihrer gemeinsamen Wohnung tot aufgefunden.

Nach den Ermittlungen der Polizei und den Angaben des Dr. B. ist der Erblasser kurze Zeit vor seiner Ehefrau gestorben.

Die zwischenzeitlich verstorbene Antragstellerin E. G., die von ihrem Ehemann, dem Beteiligten zu 1, beerbt worden ist, sowie der Beteiligte zu 3 sind leibliche Abkömmlinge der Erblasserin; die Beteiligte zu 2 ist die Tochter des Erblassers.

Die Erblasser haben am 18. Januar 1983 ein eigenhändiges Ehegattentestament errichtet, das von der Stadtsparkasse Oberhausen am 07. Mai 2013 bei dem Nachlassgericht zur Eröffnung eingereicht wurde und wie folgt lautet:

“Oberhausen, den 18.1.1983

Testament!

Für den Fall, dass ich vor meiner Frau sterbe, vererbe ich ihr meinen gesamten Nachlass.

Für den Fall, dass meine Frau vor mir stirbt, erbe ich ihren gesamten Nachlaß.

Sollten wir beide durch einen Unfall zu gleicher Zeit sterben, so erbt das auf meinem Sparkonto befindliche Geld meine Tochter H. T.

Das auf dem Konto meiner Frau befindliche Geld, sollen die Kinder meiner Frau E. G. und A. M. zu gleichen Teilen bekommen.

Allen anderen in der Wohnung befindlichen Nachlaß, einschließlich Auto, Garage und Keller soll zu gleichen Teilen an die aufgeführten Erben gehen.

Die Kosten der Bestattung hat der bezw. die jeweiligen Erben zu tragen.

Dieses Testament wurde in beiderseitigem Einverständnis gemacht!

F.K.

S.K.”

Der Beteiligte zu 3 hatte die Erbschaft nach seiner Mutter durch notarielle Urkunde vom 23. August 2012 ausgeschlagen. Diese Ausschlagung hat er am 10. Juli 2013 vor dem Rechtspfleger des Amtsgerichts Geldern angefochten und trägt dazu vor, seine Ausschlagung sei wegen des später aufgefundenen Testaments vom 18. Januar 1983 gegenstandslos. Überdies habe ihm seine Schwester E. G. bewusst wahrheitswidrig vorgespiegelt, dass der Nachlass überschuldet sei. Er sei von ihr dazu gedrängt worden, noch am Tage der Beerdigung den von ihr organisierten Notartermin zur Abgabe seiner Erklärung wahrzunehmen. Über die Bedeutung und Reichweite seiner Erklärung habe ihn der Notarvertreter H. nicht belehrt. Erst später habe er von dem Testament seiner Mutter Kenntnis erlangt; bei Kenntnis dieses Umstandes hätte er die Erbschaft niemals ausgeschlagen.

Der Beteiligte zu 1 hat als Ehemann und Erbe der verstorbenen Antragstellerin die Ausstellung zweier Erbscheine beantragt, die zum einen die Erblasserin als alleinige Erbin des zuerst verstorbenen Erblassers sowie seine verstorbene Ehefrau als Alleinerbin der nachverstorbenen Erblasserin ausweisen.

Der Beteiligte zu 3 ist dem entgegen getreten und hat geltend gemacht, er habe nach Anfechtung seiner Ausschlagungserklärung die nachverstorbene Erblasserin gemeinsam mit seiner zwischenzeitlich verstorbenen Schwester E. G. beerbt. Die Beteiligte zu 2 hat sich ebenfalls gegen den Antrag gewandt und geltend gemacht, sie habe ihren Vater, den Erblasser, allein beerbt, da infolge des gleichzeitigen Versterbens der Ehegatten die gesetzliche Erbfolge eingetreten sei.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 26. Mai 2014 die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags der zwischenzeitlich verstorbenen Antragstellerin E. G. erforderlich sind, für festgestellt erachtet und im Wesentlichen ausgeführt: Nach dem eigenhändigen Ehegattentestament vom 18. Januar 1983 sei der zuerst verstorbene Erblasser von seiner Ehefrau allein beerbt worden. Obwohl die Sterbeurkunden beider Erblasser denselben Todeszeitraum ausweisen, seien sie nicht gleichzeitig verstorben, so dass – entgegen der Meinung der Beteiligten zu 2 – nach dem Ehemann nicht die gesetzliche Erbfolge eingetreten sei. Von einem gleichzeitigen Tod könne in erbrechtlicher Hinsicht nur dann die Rede sein, wenn die untereinander erbberechtigten Personen im gleichen Bruchteil einer Sekunde, also zur selben Zeit den Tod gefunden haben. Nach den eindeutigen und widerspruchsfreien Feststellungen der ermittelnden Polizeibeamten wiesen die Auffindesituation und der Zustand der Verstorbenen auch nach Auffassung des Gerichts zweifelsfrei darauf hin, dass der Ehemann zunächst verstorben und die Ehefrau in einem Abstand von einem bis mehreren Tagen infolge Unterversorgung ebenfalls zu Tode gekommen sei.

Die nachverstorbene Erblasserin sei nach gesetzlicher Erbfolge von der mittlerweile verstorbenen Antragstellerin allein beerbt worden, so dass der beantragte Erbschein zu erteilen sei. Die sog. Unfallklausel (“Sollten wir beide durch einen Unfall zu gleicher Zeit sterben..”) finde hier keine Anwendung. Gehe man davon aus, dass die Ehegatten nicht zu demselben Zeitpunkt, sondern im Abstand von einem bis mehreren Tagen hintereinander verstorben sind, so komme hinzu, dass diese auch nicht infolge eines Unfalls, also nicht aufgrund desselben plötzlichen Ereignisses, also gleichsam aus gleicher Ursache, verstorben sind, wie es z.B. bei einer Naturkatastrophe oder einem Verkehrsunfall der Fall wäre. In Ermangelung weiterer tatsächlicher Anhaltspunkte zum beiderseitigen Willen der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung ihrer letztwilligen Verfügung lege das Gericht die entsprechende Klausel eng aus. Die Erblasser hätten keine gemeinsamen Abkömmlinge, so dass es durchaus ihrem übereinstimmenden Willen entsprochen haben könne, dass der überlebende Ehegatte frei über sein Vermögen solle verfügen können oder anderenfalls die gesetzliche Erbfolge eintreten solle. Nur vor diesem Hintergrund mache es auch Sinn, dass die Ehegatten für den – unwahrscheinlichen – Fall des echten gleichzeitigen Versterbens alle beiderseitigen Abkömmlinge gleichermaßen bedenken wollten.

Die mittlerweile verstorbene Antragstellerin habe die Erblasserin nach gesetzlicher Erbfolge allein beerbt, da die weiteren gesetzlichen Erben – so auch der Beteiligte zu 3 – die Erbschaft nach der Erblasserin wirksam ausgeschlagen hätten. Die am 10. Juli 2013 erklärte Anfechtung seiner notariellen Ausschlagungserklärung vom 23. August 2012 greife im Ergebnis nicht durch.

Hiergegen beschwert sich die Beteiligte zu 2, beantragt, den angefochtenen Beschluss zu ändern und den Erbscheinsantrag zurückzuweisen und macht geltend, das Amtsgericht habe zu Unrecht die Erteilung der beantragten Erbscheine zugunsten des Beteiligten zu 1 bewilligt.

Zunächst stehe nicht fest, dass ihr Vater vor seiner Ehefrau verstorben ist. Ausweislich der erteilten Sterbeurkunden seien die Eheleute K. zwischen dem 27. Juni und 04. Juli 2012 verstorben. Aus den Feststellungen der ermittelnden Polizeibeamten ergebe sich auch nicht mit der hier erforderlichen Sicherheit, dass ihr Vater vor seiner Ehefrau verstorben ist. Auch die ärztliche Stellungnahme des Dr. B. vom Gesundheitsamt der Stadt Oberhausen vom 25. März 2013 könne den exakten Todeszeitpunkt nicht angeben und beziehe sich nur auf die Beschreibung des Leichenzustandes und des Fundortes der Leichen. Stehe hiernach der Todeszeitpunkt der verstorbenen Eheleute K. nicht exakt fest, so komme die weitere Regelung (Unfallklausel) des gemeinschaftlichen Testaments vom 18. Januar 1983 zum Tragen, die auf Grund der besonderen Konstellation hier anwendbar sei. Die Erblasser hätten erkennbar eine Regelung für den Fall treffen wollen, dass der/die Überlebende eine weitere, eigene letztwillige Verfügung nicht mehr treffen konnte, dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass beide Erblasser in zweiter Ehe verheiratet waren und jeweils Nachkommen hatten. Da sich von dem Gesamtnachlass von 86.000 Euro ein Betrag von 81.000 Euro auf dem Konto des verstorbenen Erblassers befinden, sei sie, die Beteiligte zu 2, zumindest in Höhe dieses Betrages Erbin geworden und bestehe für eine Alleinerbenstellung der verstorbenen Frau E. G. bzw. deren Erben hiernach kein Anhalt. Den Ausführungen des Amtsgerichts zur unwirksamen Anfechtung der Ausschlagungserklärung des Beteiligten zu 3 schließe sie, die Beteiligte zu 2, sich an.

Das Amtsgericht hat mit weiterem Beschluss vom 12. August 2014 der Beschwerde nicht abgeholfen und ausgeführt, es sei nach wie vor aufgrund der seinerzeit vor Ort getroffenen umfangreichen Feststellungen der Polizei zur Auffindesituation und zum Zustand der Leichen der Überzeugung, dass der Ehemann deutlich vor der Ehefrau verstorben sei. Auch spreche die gesamte Auffindesituation dafür, dass der Ehemann aufgrund seiner Vorerkrankungen im Bett verstorben, während die demente Ehefrau aufgrund mangelnder Versorgung durch den Ehemann zu Tode gekommen sei. Die Ausführungen zur “Unfallklausel” orientierten sich am Wortlaut der letztwilligen Verfügung und an den bekannten Umständen.

Der Beteiligte zu 1, der um Zurückweisung der Beschwerde bittet, verteidigt die Auffassung des Amtsgerichts. Der zeitliche Ablauf des Versterbens der Erblasser ergebe sich aus umfangreichen Untersuchungen der Polizei. Die im Testament getroffene Unfallklausel sei nicht anzuwenden, da hier nicht ein Versterben innerhalb einer gemeinsamen Gefahr, wie z. B. aufgrund eines Autounfalls, eines Flugzeugabsturzes oder einer anderen Katastrophe vorgelegen habe.

Der Beteiligte zu 3 führt aus, zur Reihenfolge des Versterbens der Erblasser teile er die auf polizeiliche Ermittlungen gestützte Ansicht des Amtsgerichts ebenso wie hinsichtlich der Auslegung des Testaments. Zur Alleinerbenstellung der ursprünglichen Antragstellerin des Erbscheinsverfahrens sei er anderer Auffassung, verzichte jedoch auf eine eigene Beschwerde und möchte die Angelegenheit als für ihn abgeschlossen betrachten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1.

Das gemäß §§ 38, 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2; 352 Abs. 1 FamFG als Beschwerde zulässige Rechtsmittel der Beteiligten zu 2 ist nach der vom Nachlassgericht ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FamFG dem Senat zur Entscheidung angefallen.

2.

Das Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.

a)

Das Nachlassgericht hat dem Erben auf Antrag ein Zeugnis über sein Erbrecht zu erteilen, § 2353 BGB. Der Erbschein bezeugt demnach das Erbrecht zur Zeit des Erbfalles (Palandt-Weidlich, BGB 73. Auflage 2014, § 2353 Rdz. 2). Der Erbschein ist nur zu erteilen, wenn das Nachlassgericht die zur Begründung des Antrags erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet, § 2359 BGB.

b)

Mit Erfolg wendet sich die Beteiligte zu 2 gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts, die zur Begründung der Erbscheinsanträge der zwischenzeitlich verstorbenen Antragstellerin E. G. vom 01. Juli 2013 auf der Basis des gemeinschaftlichen Testaments der Erblasser vom 18. Januar 1983 erforderlichen Tatsachen für festgestellt zu erachten (§ 352 Abs. 1 FamFG).

aa)

Die Ihrerseits verstorbene, von dem Beteiligten zu 1 allein beerbte, Antragstellerin ist aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments der verstorbenen Erblasser – auch bei als wirksam unterstellter Ausschlagung der Erbschaft von Seiten ihres Bruders, des Beteiligten zu 3 – nicht Alleinerbin nach ihrer Mutter geworden.

Das gemeinschaftliche Testament erweist sich insoweit als nicht eindeutig und daher auslegungsbedürftig (§ 2084 BGB), als nicht klar ist, ob die Ehegatten allein eine Erbeinsetzung bei ihrem zeitgleichen Ableben (durch Unfall) treffen wollten – ein solch enges Begriffsverständnis zugrunde gelegt, wird indes nur ein sehr seltenes Ereignis beschreiben, das praktisch kaum je vorkommt (OLG Thüringen, ErbR 2015, 249) – oder sie damit auch den Fall geregelt haben, dass sie in geringem zeitlichen Abstand von jedenfalls wenigen Tagen nacheinander versterben. Diese Überlegung rechtfertigt es, dem Sinngehalt der Formulierung näher nachzugehen (OLG Thüringen, a.a. O.).

(a)

Es ist daher im Wege der (erläuternden) Testamentsauslegung der wirkliche Wille der Ehegatten zu erforschen. Diese soll klären, was ein Erblasser mit seinen Worten sagen wollte und nicht etwa einen von der Erklärung losgelösten Willen ermitteln. Grundsätzlich ist bei nicht eindeutigem und daher auslegungsbedürftigem Testamentswortlaut gemäß §§ 133, 2084 BGB nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Vielmehr ist der Wortsinn der vom Erblasser benutzten Ausdrücke zu hinterfragen, um festzustellen, was er mit seinen Worten sagen wollte und ob er mit ihnen genau das unmissverständlich wiedergab, was er zum Ausdruck bringen wollte (BGHZ 86, 45; NJW 1993, 256 [BGH 07.10.1992 – IV ZR 160/91]). Ein Abweichen vom Wortsinn setzt allerdings voraus, dass Umstände vorliegen, aus denen geschlossen werden kann, dass der Erklärende mit seinem Worten einen anderen Sinn verbunden hat, als es dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht (BGHZ 80, 246; BayObLG FamRZ 1986, FamRZ 1986, 835). Bei gemeinsamen Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament ist für jede zu prüfen, ob ein nach dem Verhalten des einen Testierenden mögliches Auslegungsergebnis auch dem Willen des anderen entsprochen hat, wobei der übereinstimmende Wille zur Zeit der Testamentserrichtung maßgebend ist (BGHZ 112, 229,233).

(b)

Die Formulierungen “bei gleichzeitigem Ableben” oder “bei gleichzeitigem Versterbens” werden in der neueren Rechtsprechung nahezu einhellig (OLG Thüringen, a.a. O.). über den strengen Wortsinn hinaus, nach dem nur der Fall geregelt wäre, in dem die untereinander erbberechtigten Personen im gleichen Bruchteil einer Sekunde den Tod finden, so ausgelegt, dass sie auch noch Fallgestaltungen betreffen, in denen sie innerhalb eines kurzen Zeitraumes nacheinander versterben und der Überlebende zu neuerlicher Testamentserrichtung nicht in der Lage ist (OLG Thüringen, a.a. O.). Wenn auch hier von einem “gleichzeitigen Tod” nur im weiteren Sinne die Rede sein kann, so besteht in diesen Situationen aber im Hinblick auf den Sinn einer derartigen Regelung praktisch kein Unterschied zum gleichzeitigen Tod der Ehegatten im engeren Sinne (OLG München FGPrax 2014, 33, 34 [OLG München 24.10.2013 – 31 Wx 139/13]).

Ehegatten, die sich gegenseitig zu Erben einsetzen, ohne diese Regelung mit einer Erbeinsetzung für den Tod des Längerlebenden von ihnen (Schlusserbeinsetzung) zu verbinden, bezwecken damit, dass dem Überlebenden der Nachlass des Erstversterbenden zufällt und dass er über das Gesamtvermögen auch von Todes wegen frei verfügen kann. Ein zusätzlicher Regelungsbedarf besteht dann für den Fall des “gleichzeitigen Todes”, in dem es nicht zu einer Beerbung des einen Ehegatten durch den anderen und zu einer weiteren Verfügung von Todes wegen des überlebenden Ehegatten kommt. Dieser Regelungsbedarf besteht nicht nur für den Fall des in engerem Sinn gleichzeitigen Todes, sondern auch in Fällen, in denen die Ehegatten innerhalb eines kürzeren Zeitraums nacheinander sterben, sei es aufgrund ein und derselben Ursache, z. B. eines Unfalls, sei es aufgrund verschiedener Ursachen, wenn der Überlebende nach dem Tod des Erstversterbenden praktisch keine Möglichkeit mehr hat, ein Testament zu errichten. In diesem Fall des Versterbens kurz nacheinander würde zwar die gegenseitige Erbeinsetzung greifen, doch hinge es vom Zufall der Reihenfolge des Versterbens ab, ob, wenn keine entsprechende letztwillige Verfügung getroffen wurde den gesetzlichen Erben des Ehemannes oder den gesetzlichen Erben der Ehefrau das gesamte Vermögen beider Eheleute zufließt. Es ist daher sinnvoll und naheliegend, wenn die Ehegatten die gegenseitige Beerbung anordnen und im Übrigen dem Überlebenden freie Hand lassen wollen, eine zusätzliche Regelung jedenfalls für den Fall zu treffen, dass keiner den anderen überlebt oder der Überlebende wegen zeitnahen Nachversterbens zu einer letztwilligen Verfügung nicht mehr in der Lage ist. Auf diese Fallgestaltung wollen Ehegatten mit der Verwendung von Formulierungen wie “bei gleichzeitigem Ableben” die Erbeinsetzung des Drittbedachten regelmäßig beschränken und so dem Überlebenden von ihnen die Bestimmung überlassen, wer ihn beerben soll (OLG München, a.a.O. S. 34 f. mit Nachw.; dem folgend auch OLG Nürnberg, ZErb 2015, 130).

bb)

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der Senat der Auffassung, dass dem gemeinschaftlichen Testament Umstände entnommen werden können, die darauf hindeuten, dass die Ehegatten durch die Formulierung “Sollten wir beide durch einen Unfall zu gleicher Zeit sterben ” den Fall, dass sie unvorhergesehen nacheinander in geringem zeitlichen Abstand versterben, geregelt haben.

(a)

Das gemeinschaftliche Testaments der Erblasser vom 18. Januar 1983 enthält von seinem Wortlaut her in der ersten Alternative (Vorversterben eines der Ehegatten) eine durchaus nachvollziehbare und sinngebende Erbregelung dahin, dass der Überlebende den gesamten Nachlass erben und darüber in Ermangelung einer bestimmten Einschränkung soll uneingeschränkt verfügen, also auch frei testieren, können. Dies setzt aber voraus, dass der Letztversterbende nach dem Tode des Erstversterbenden noch in der Lage ist, Verfügungen unter Lebenden zu treffen bzw. zu testieren. Dies wiederum ist nur der Fall, wenn die Eheleute nicht zeitnah gemeinsam versterben, was deshalb der Regelung bedurfte. Die Eheleute haben dies in der zweiten Alternative des Testaments (“für den Fall, dass wir beide durch einen Unfall zu gleicher Zeit sterben”) dahin geregelt, dass in einem solchen Fall ihre jeweiligen Kinder erben sollten, und zwar das auf dem Konto des Erblassers befindliche Geld dessen Tochter, die Beteiligte zu 2, und das auf dem Konto der Erblasserin befindliche Geld deren Kinder, nämlich die Tochter E. (verstorbene Antragstellerin) und der Sohn A. (Beteiligter zu 3).

(b)

Dafür, dass diese Regelung nach dem maßgeblichen Willen der Erblasser nur zum Zuge kommen sollte, wenn der Tod bei einem Unfall (im Wortsinn) und zudem sekundengenau gleichzeitig eintreten würde (etwa denkbar bei einem Flugzeugabsturz), spricht nichts. Die in der Regelung zum Ausdruck gebrachte Interessen läge der Erblasser spricht vielmehr in der vom Wortlaut gedeckten Auslegung dafür, dass mit “beide durch einen Unfall zu gleicher Zeit sterben”die Erbregelung zugunsten der dem jeweiligen Erblasser zuzuordnenden Kinder nach dem Willen der Testierenden eintreten sollte, wenn einer von ihnen verstirbt und der Andere – unabhängig von einer gemeinsamen Ursache im physikalischen Sinne – im Zusammenhang mit dem Tod des Erstversterbenden so zeitnah ebenfalls verstirbt, dass er nicht mehr die Möglichkeit hat, unter Lebenden zu verfügen, geschweige denn seinerseits zu testieren. Eine solche Sinngebung erscheint nicht nur interessengerecht, sondern es liegt vielmehr auch nahe, dass sie den Willen der Erblasser abbildet (vgl. Senat vom 23.08.2001 – I-3 Wx 193/11 und vom 20.01.2004 – I-3 Wx 367/03; OLG München ZEV 2011, 31 [OLG München 14.10.2010 – 31 Wx 84/10]), wohingegen das allein wortgetreue Verständnis im Sinne einer Beschränkung der Regelung ausschließlich auf den exakt zeitgleichen gemeinsamen Unfalltod als interessenwidrig, kaum praktisch vorkommend (OLG Thüringen, a.a.O.) und damit als fem liegend erscheint. Dies gilt umso mehr als ein Streit unter den Erben über die Reihenfolge ihres Versterbens und über das Vorliegen der Voraussetzungen eines Unfalls als gemeinsame Todesursache nicht dem Willen der Erblasser entsprochen haben kann. Deshalb spricht alles dafür, dass sie mit dem Tode durch Unfall zur gleichen Zeit nicht mehr als ein Beispiel für ihrer beider zeitnahes Versterben nennen wollten.

cc)

Das Amtsgericht – Nachlassgericht – hat nach alledem die zur Begründung des (Allein-) Erbscheinsantrages der – inzwischen verstorbenen – erforderlichen Tatsachen zu Unrecht für festgestellt erachtet, weshalb auf das Rechtsmittel der Beteiligten zu 2 hin der angefochtene Beschluss zu ändern und der Erbscheinsantrag zurückzuweisen war.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Die Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 40 Abs. 1 Nr. 2 GNotKG.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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