OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.03.2015 – I-3 Wx 197/14
Umfassende Sachzuwendungen als Alleinerbeneinsetzung, Testamentsauslegung
Gründe:
Das gem. §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 2, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG als befristete Beschwerde zulässige Rechtsmittel der Beteiligten zu 1., das nach der vom Nachlassgericht ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung angefallen ist (§ 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. FamFG), hat auch in der Sache Erfolg. Dies führt in einem Fall unterbleibender Zulassung der Rechtsbeschwerde – wie hier – zur unmittelbaren Anweisung zur Erteilung eines dem Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1. entsprechenden Erbscheins an das Nachlassgericht (vgl. Keidel-FamFG/Zimmermann, 18. Aufl. 2014, § 352 Rn. 157).
„Testament
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich vermache sämtliche Sachgüter in dieser Wohnung K. U. H.. Mein gesamtes Bargeld ebenso. Sie weiß, wo dieses zu finden ist. Die Summe beläuft sich auf 49.000,00 €.”
Das bedarf für das Wohnungsinventar und das Bargeld im engen, effektiven Sinne keiner weiteren Begründung. Sodann spricht angesichts des Mietvertrages wie auch des Umstandes, dass es um einen bloßen Garagenstellplatz – nicht um ein selbständiges Garagengebäude – ging, nichts dafür, dass der Erblasser zwischen Wohnung und Unterbringungsmöglichkeit für den PKW unterschied und den Begriff „Wohnung” nicht, wie umgangssprachlich weithin üblich, als gleichbedeutend mit dem Ort des Lebensmittelpunktes verstand; dann umfasste die Zuwendung an die Beteiligte zu 1. auch den PKW.
Vor allem ist der Begriff „Bargeld” im Testament des Erblassers zu verstehen als Geld oder Geldanlagen, mithin nach betriebswirtschaftlicher Sichtweise im Sinne liquider Vermögenswerte. Zwar handelte es sich bei dem Erblasser um einen Studenten der Informatik, der nach der Rechtsmittelbegründung nur über eine geringe Lebenserfahrung im Allgemeinen verfügte.
Die Erörterungen und Ermittlungen im Senatstermin haben indes ergeben, dass er speziell beim Umgang mit Geld und Finanzwerten eine deutliche Gewandtheit zeigte und in einem auf den Namen seiner Großmutter lautenden Depot neben Anteilen an einem offenen Immobilienfonds auch ein Finanzprodukt für eher erfahrene Anleger hielt. Darüber hinaus musste dem Erblasser bei Abfassung seiner letztwilligen Verfügung, die dem Freitod unmittelbar vorausging, klar sein, dass zwischen der von ihm ausdrücklich angegebenen Summe und dem tatsächlich vorhandenen Bargeld im engeren Sinne ein eklatanter Widerspruch bestanden hätte.
Dem Umstand schließlich, dass sich nach den Ermittlungen des Senats das Geldvermögen des Erblassers – auf eigenen und auf fremden Namen lautend – eher auf 27.000,00 € als auf 49.000,00 € belaufen haben dürfte, kommt keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Zum einen bleibt nach den Erkenntnissen zum Hintergrund des Freitodes des Erblassers die Möglichkeit offen, dass er über weitere Geldwerte auf im Senatstermin nicht behandelten Konten oder Depots auf eigenen Namen verfügte.
Zum anderen und vor allem muss davon ausgegangen werden, dass, wenn der Erblasser der Beteiligten zu 1. Geldwerte von knapp 50.000,00 € zuwenden wollte, er dies bezüglich einer Summe von unter 30.000,00 € „erst recht” wollte; zweifelhaft wäre lediglich der – nicht gegebene – Fall, dass die Ermittlungen zutage gefördert hätten, der Erblasser sei Inhaber von Geldwerten deutlich über 49.000,00 € gewesen.
Erstinstanzlich sind Gerichtskosten allein wegen der Beantragung eines Erbscheins entstanden, und diese hätte die Beteiligte zu 1. selbst dann zu tragen, wenn ihrem Antrag niemand entgegengetreten wäre. Für das Verfahren über die erfolgreiche Beschwerde fallen Gerichtskosten nach den Vorschriften der hier noch anwendbaren Kostenordnung nicht an.
Nach Auffassung des Senats entspricht es nicht billigem Ermessen (vgl. § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG), den Beteiligten zu 3. mit einer Anordnung der Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1. zu belasten. Von den Sachverhaltsgestaltungen des § 81 Abs. 2 FamFG ist der vorliegende Fall deutlich entfernt. Hinzu treten die besonderen Umstände des Todes des Erblassers.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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