OLG Düsseldorf I-3 Wx 91/16 Erbscheinserteilungsverfahren: Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments hinsichtlich einer Schlusserbeneinsetzung

Dezember 10, 2017

 

OLG Düsseldorf I-3 Wx 91/16

Erbscheinserteilungsverfahren: Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments hinsichtlich einer Schlusserbeneinsetzung

 

Leitsatz

Die Verfügung in einem handschriftlichen Testament

“…Hiermit setzen wir uns im Todesfall gegenseitig als Alleinerben ein: … Jeder von uns kann als Überlebender seinen letzten Willen ändern. … Sollten wir gleichzeitig sterben oder einer von uns beiden hilflos oder handlungsunfähig werden, setzen wir als Alleinerben für Alles Frau E, … und ihren Ehemann F, … ein. … Dazu folgende Verfügung: jeder für sich oder beide verpflichten sich, für jeden von uns in jeder Hinsicht wie Wohnung, Essen, Wäsche, leibliche Betreuung u.s.w. bis zu unserem Tode kostenlos auf das Beste zu sorgen.“,

 

 

kann – obwohl die Erbeinsetzung für den Fall des „gleichzeitigen Versterbens“ getroffen ist – als Schlusserbeneinsetzung auch dann ausgelegt werden, wenn zwischen dem Tod der Ehefrau und dem des Erblassers ein größerer zeitlicher Abstand (hier mehr als fünf Jahre) liegen und der länger lebende Erblasser vor seinem Tod weder hilflos noch handlungsunfähig war.

Dies setzt allerdings voraus, dass sich aufgrund besonderer Umstände (hier u.a. Erklärung des Erblassers im Verfahren der Erbscheinerteilung nach dem Tod seiner Ehefrau und zuvor auf der Rückseite des Testaments vermerkter aktueller Anschrift der dort bezeichneten Erben) feststellen lässt, dass die Testierenden den Begriff entgegen seinem Wortsinn dahin gehend verstanden haben und sich hierfür eine Grundlage in der vorliegenden Verfügung von Todes wegen findet (hier Andeutung in Gestalt der Pflegeerwartung unter Hinzutreten weiterer externer Anhaltspunkte).(Rn.12)

 

vorgehend AG Kleve, 17. November 2015, Az: 17 VI 61/15

Tenor

Der Beschluss des Amtsgerichts Kleve vom 17. November 2015 – Az. 17 VI 61/15 – wird geändert:

 

Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 3 vom 5. März 2015 – notarielle Urkunde UR-​Nr. 151 für 2015 der Notarin A… in B… – wird zurückgewiesen.

 

Das Nachlassgericht wird angewiesen, auf den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 und 2 vom 15. Januar 2015 – notarielle Urkunde UR-​Nr. 48 für 2015 des Notars Dr. C… in D… – den beantragten Erbschein zu erteilen.

 

Die Beteiligten zu 1 und 2 haben die für die Erteilung des von ihnen beantragten Erbscheins anfallenden Gerichtskosten zu tragen. Die übrigen Gerichtskosten des Verfahrens – beide Rechtszüge – werden den Beteiligten zu 1 und 2 einerseits und der Beteiligten zu 3 andererseits zu je ½ auferlegt. Außergerichtliche Kosten werden für keinen Rechtszug erstattet.

 

Beschwerdewert: 210.000,00 €

 

Gründe

I.

 

1              Der am 26. Nov. 2014 gestorbene Erblasser war verheiratet mit D…, geb. …, die vorverstorben ist. Die Beteiligte zu 3 ist die Tochter des Erblassers aus erster Ehe. Die Beteiligte zu 1 ist mit dem Erblasser verwandt. Ihr Großvater und die Mutter des Erblassers waren Geschwister. Am 11. September 1996 errichteten die Eheleute ein handschriftliches Testament, in dem es heißt:

 

2              „…Hiermit setzen wir uns im Todesfall gegenseitig als Alleinerben ein: … Jeder von uns kann als Überlebender seinen letzten Willen ändern. … Sollten wir gleichzeitig sterben oder einer von uns beiden hilflos oder handlungsunfähig werden, setzen wir als Alleinerben für Alles Frau E, … und ihren Ehemann F, … ein. … Dazu folgende Verfügung: jeder für sich oder beide verpflichten sich, für jeden von uns in jeder Hinsicht wie Wohnung, Essen, Wäsche, leibliche Betreuung u.s.w. bis zu unserem Tode kostenlos auf das Beste zu sorgen.“

 

3              Am 10. Juni 2009 (nach dem Tod seiner Ehefrau) fügte der Erblasser auf der Rückseite des Testaments die aktuelle Anschrift der Beteiligten zu 1 und 2 hinzu.

 

4              Mit notariell beurkundeter Erklärung vom 15. Januar 2015 haben die Beteiligten zu 1 und 2 einen Erbschein beantragt, der sie als Erben zu je ½ Anteil ausweist. Die Beteiligte zu 3 ist dem entgegengetreten und hat mit notariell beurkundeter Erklärung vom 5. März 2015 einen sie als Alleinerbin ausweisenden Erbschein beantragt. Sie hat geltend gemacht, die Beteiligten zu 1 und 2 seien nicht zu Schlusserben eingesetzt worden. Vielmehr hätten sie nur dann Erben werden sollen, wenn beide Testierende gleichzeitig verstorben wären oder einer von ihnen hilflos oder handlungsunfähig geworden wäre. Beide Fälle seien jedoch nicht eingetreten. Zwischen dem Erblasser und den Beteiligten zu 1 und 2 habe kein enger Kontakt bestanden. Die Beteiligten zu 1 und 2 hätten weder den Erblasser noch dessen vorverstorbene Ehefrau gepflegt oder versorgt, zumal sie von der Pflegeerwartung der Testierenden erst nach dem Tod des Erblassers erfahren hätten.

 

5              Mit Beschluss vom 17. November 2015 hat das Nachlassgericht die zur Begründung des Antrags der Beteiligten zu 3 erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet und den Antrag der Beteiligten zu 1 und 2 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Eheleute hätten sich gegenseitig als Alleinerben und für den Fall, dass ein Ehegatte hilflos oder handlungsunfähig würde, die Beteiligten zu 1 und 2 als Alleinerben eingesetzt mit der Verfügung, dass diese dann den Hilflosen versorgten. Der Erblasser sei weder zum Zeitpunkt des Erbfalles noch vorher hilflos oder handlungsunfähig gewesen. Damit seien die Fälle gewillkürter Erbfolge nicht eingetreten. Dass die Eheleute über die ausdrücklich geregelten Konstellationen hinaus eine Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 und 2 gewollt hätten, lasse sich dem Testament nicht entnehmen. Insoweit sei beiden Eheleuten gestattet gewesen, nach dem Ableben eines Ehegatten neu zu testieren. In der Aktualisierung der Adresse auf der Rückseite im Jahr 2009 sei kein neues Testament des Erblassers zu sehen. Hierdurch sei nur deutlich geworden, dass es bei dem im Testament niedergelegten Willen habe bleiben sollen. Auch die Regelung, dass die Beteiligten zu 1 und 2 erben sollten, wenn einer der Ehegatten hilflos oder handlungsunfähig werde, spreche gegen die Annahme, dass sie in jedem Fall Erben nach dem Letztversterbenden hätten werde sollen. Denn dann hätte es dieses Zusatzes nicht bedurft. Vielmehr habe sich die Erbeinsetzung in diesem Fall auf die Erwartung von Pflegeleistungen gegründet, so dass davon auszugehen sei, dass die Erbeinsetzung auch nur für diesen Fall gelten sollte, wenn kein gleichzeitiges Versterben vorliege. Da testamentarisch der Erbfall des Letztversterbenden ohne Hilflosigkeit oder Handlungsunfähigkeit eines Ehegatten nicht geregelt sei und auch durch eine ergänzende Testamentsauslegung ein solcher Wille nicht erkennbar werde, sei gesetzliche Erbfolge eingetreten.

 

6              Gegen diesen ihnen am 25. November 2015 zugestellten Beschluss wenden sich die Beteiligten zu 1 und 2 mit ihrer am 1. Dezember 2015 bei Gericht eingegangenen Beschwerde. Sie machen geltend, es sei der Wille des Erblassers gewesen, sie zu Schlusserben einzusetzen. Der Erblasser habe dies damit begründet, dass die Beteiligte zu 3 nicht seine leibliche Tochter sei und er zu ihr seit Jahrzehnten keinen Kontakt mehr habe. Die Beteiligten zu 1 und 2 seien für den Erblasser wichtig gewesen, weil er über sie Kontakt zu seiner Ursprungsfamilie in G… habe aufnehmen können. Er habe stets geäußert, die Beteiligten zu 1 und 2 seien seine einzigen Verwandten und für ihn wie seine Kinder. Es habe nach dem Tod der Ehefrau des Erblassers sogar konkrete Überlegungen gegeben, dass der Erblasser die Beteiligte zu 1 adoptiere und nach D… umziehe. Hierzu sei es nicht gekommen, weil der Erblasser die Wohnung, in der er mit seiner Ehefrau gelebt habe, doch nicht habe verlassen wollen, und die Beteiligten zu 1 und 2 einen Rechtsstreit mit der Beteiligten zu 3 befürchtet hätten. Dennoch habe sich der Erblasser nach dem Tod seiner Ehefrau in der Regel drei Tage pro Woche in der Wohnung der Beteiligten zu 1 und 2 in D… aufgehalten, bis dies im Januar 2010 aufgrund einer beruflichen Veränderung der Beteiligten zu 1 nicht mehr möglich gewesen sei. Der Beteiligte zu 2 habe den Erblasser aufgrund einer chronischen Erkrankung nicht versorgen können. Das Testament sei so zu verstehen, dass die Beteiligten zu 1 und 2 auch dann Erben werden sollten, wenn die Eheleute – wie geschehen – nacheinander verstarben. Bei dem Erblasser und seiner Ehefrau habe es sich um einfache Leute mit geringer schulischer Bildung gehandelt, so dass das Testament nicht nach dem Maßstab eines gebildeten oder gar juristisch versierten Menschen beurteilt werden dürfe. Das Testament sei am Tag des Geburtstages der Ehefrau des Erblassers verfasst worden. Anlässlich des Geburtstagskaffeetrinkens hätten die Eheleute mitgeteilt, dass die Beteiligten zu 1 und 2 Schlusserben werden sollten. Der Erblasser habe diesen Willen bestätigt, indem er im Juni 2009 dem Nachlassgericht die neue Adresse der Beteiligten zu 1 und 2 mitgeteilt habe. Für einen entsprechenden Willen des Erblassers spreche auch, dass dieser kurz vor seinem Tod ein weiteres Testament habe aufsetzen wollen. Darin hätte unzweifelhaft festgelegt werden sollen, dass die Beteiligten zu 1 und 2 seine alleinigen Erben werden sollten. Die Beteiligte zu 3 hätte enterbt werden sollen. Hierzu sei es aber nicht mehr gekommen. Nach dem Tod des Erblassers habe im Zusammenhang mit seiner Körperspende in der Universität Düsseldorf eine Gedenkfeier stattgefunden. Hierzu seien nur die Beteiligten zu 1 und 2 eingeladen worden, weil nur sie bei der Universität Düsseldorf als Angehörige registriert gewesen seien.

 

7              Das Nachlassgericht hat sodann Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen H…, I… und J… . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 10. Februar 2016.

 

8              Im Anschluss hat das Nachlassgericht der Beschwerde mit weiterem Beschluss vom 21. März 2016 nicht abgeholfen. Es hat ausgeführt, auch nach der Beweisaufnahme stehe nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beteiligten zu 1 und 2 in jedem Fall Schlusserben hätten werden sollen. Die Aussage des Zeugen J… sei unergiebig, da er keine Angaben zu einem Testament des Erblassers habe machen können. Die Zeugin E… habe zur Intention der Eheleute keine Angaben machen können, da sie ausgesagt habe, bei Errichtung des Testaments habe niemand mit ihr darüber gesprochen. Soweit sie ausgesagt habe, der Erblasser habe einmal erwähnt, die Beteiligten zu 1 und 2 sollten erben, lasse dies keinen sicheren Rückschluss darauf zu, dass dies der gemeinsame Wille der Eheleute bei Testamentserrichtung gewesen sei. Soweit sie ausgesagt habe, deswegen habe eine Adoption im Raum gestanden, spreche dies vielmehr dafür, dass der Erblasser bis zu diesem Zeitpunkt der Ansicht gewesen sei, dass ein Erbrecht bisher nicht bestünde. Das Gericht sei nicht von der Richtigkeit der Aussage des Zeugen I… überzeugt, weil diese in wesentlichen Punkten dem unstreitigen Akteninhalt widerspreche, insbesondere soweit der Zeuge bekundet habe, die Beteiligten zu 1 und 2 sollten noch zu Lebzeiten des Erblassers etwas vom Erbe seiner Ehefrau bekommen. Dass der Erblasser die Beteiligte zu 1 habe adoptieren wollen und dass er ein neues Testament habe verfassen wollen, um das Erbrecht zu sichern, spreche dafür, dass er davon ausgegangen sei, dass nach dem bestehenden Testament noch Regelungsbedarf im Hinblick auf das Erbrecht der Eheleute E… bestanden habe.

 

9              Das Nachlassgericht hat die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt.

 

10            Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Nachlassakte sowie der Testamentsakten Amtsgericht Kleve, Az. 17 IV 709/09 Bezug genommen.

 

II.

 

11            Die gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 2, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 ist nach der vom Nachlassgericht ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. FamFG dem Senat zur Entscheidung angefallen.

 

12            In der Sache hat die Beschwerde ebenfalls Erfolg. Die Beteiligten zu 1 und 2 haben den Erblasser aufgrund des gemeinsamen Testaments der Eheleute vom 11. September 1996 beerbt. Dies gilt auch angesichts des Wortlauts des Testaments, nach dem die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 und 2 unter der Voraussetzung steht, dass die Eheleute gleichzeitig versterben sollten oder einer von ihnen (gemeint ist wohl: der Längerlebende) hilflos oder handlungsunfähig werden sollte. Zwar sind die Eheleute nicht gleichzeitig, sondern in zeitlichem Abstand von mehr als fünf Jahren verstorben und es ist nicht vorgetragen und bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der längerlebende Erblasser vor seinem Tod hilflos oder handlungsunfähig gewesen wäre. Allerdings erweist sich das gemeinsame Testament im Hinblick auf diese Regelung als nicht eindeutig und deshalb auslegungsbedürftig, § 2084 BGB. Denn ein im Wortsinn gleichzeitiges Versterben dürfte nur äußerst selten vorkommen und zudem erheblichen Beweisschwierigkeiten unterliegen, so dass die Regelung nach ihrem Wortlaut kaum jemals zum Tragen kommen würde, was die Testierenden sicherlich nicht beabsichtigt hatten. (vgl. Senat FamRZ 2016, 408; OLG Thüringen ErbR 2015, 249; OLG Hamm, ZEV 2011, 427; OLGR Frankfurt 1998, 164).

 

13            Formulierungen wie die hier vorliegende werden deshalb von der Rechtsprechung regelmäßig dahingehend ausgelegt, dass nach dem Willen der Testierenden jedenfalls auch der Fall erfasst ist, dass die Eheleute in kurzem zeitlichem Abstand versterben und der Überlebende zu einer neuerlichen Testamentserrichtung nicht in der Lage ist. Anders ist es, wenn die Eheleute – wie hier – in größerem zeitlichem Abstand versterben. Auf einen solchen Fall ist eine für den Fall des „gleichzeitigen Versterbens“ getroffene Erbeinsetzung nur dann anzuwenden, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls festgestellt werden kann, dass die Testierenden den Begriff entgegen seinem Wortsinn dahin verstanden haben, dass er auch das Versterben in erheblichem zeitlichem Abstand umfassen sollte, und wenn sich darüber hinaus eine Grundlage in der vorliegenden Verfügung von Todes wegen findet (vgl. Senat a.a.O.; OLG Thüringen a.a.O.; OLG Hamm a.a.O.; OLG München MDR 2013, 1407; FamRZ 2008, 921; NJW-​RR 2011, 444; OLG Frankfurt a.a.O.).

 

14            Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Für ein entsprechendes Verständnis der Testierenden spricht insbesondere die Erklärung, die der Erblasser selbst nach dem Tod seiner Ehefrau im Rahmen seines Antrags auf Erteilung eines Erbscheins vom 25. September 2009 (AG Kleve 17 IV 709/2009, Bl. 1) abgegeben hat. Der Erblasser, der das Testament gemeinsam mit seiner Ehefrau aufgesetzt hat, hat angegeben, die Formulierung „Sollte … einer von uns beiden hilflos oder handlungsunfähig werden …“ sei so zu verstehen, dass die Beteiligten zu 1 und 2 Erben des Letzversterbenden sein sollten. Darauf deutet auch der Umstand hin, dass er bereits zuvor, am 10. Juni 2009, auf der Rückseite des Testaments die aktuelle Anschrift der Beteiligten zu 1 und 2 vermerkt hatte.

 

15            Der vom Erblasser mitgeteilte Wille der Testierenden findet auch im Text der letztwilligen Verfügung eine Grundlage. Insbesondere ergibt der Satz „Jeder von uns kann als Überlebender seinen letzten Willen ändern“ nur dann einen Sinn, wenn für den Fall des Überlebens eines Ehegatten überhaupt schon eine Verfügung getroffen ist. Wenn hingegen die Schlusserbeneinsetzung nur für den Fall des gleichzeitigen Versterbens, bzw. des Versterbens in kurzem zeitlichem Abstand, hätte gelten sollen, gäbe es für den Fall des Überlebens eines Ehegatten keine Verfügung, die von diesem hätte geändert werden können. Ferner lässt sich aus der an die Beteiligten zu 1 und 2 gerichteten Pflegeerwartung ableiten, dass diese in jedem Fall Schlusserben werden sollten. Die Aufzählung der erwarteten Pflegeleistungen („Wohnung, Essen, Wäsche, leibliche Betreuung usw. …“) spricht dafür, dass diese nicht nur im Falle der Hilflosigkeit oder Handlungsunfähigkeit des überlebenden Ehegatten zum Tragen kommen sollten. Da die Pflege offensichtlich eine Gegenleistung zur Erbeinsetzung darstellen sollte, lässt dies darauf schließen, dass die Beteiligten zu 1 und 2 auch im Falle des Überlebens eines Ehegatten Erben werden sollten.

 

16            Darüber hinaus hat auch die Beweisaufnahme ausreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Testierenden die Beteiligten zu 1 und 2 in jedem Fall, also auch bei einem Versterben in größerem zeitlichem Abstand, zu Erben einsetzen wollten. Zwar ist die Aussage des Zeugen J… insoweit unergiebig. Sowohl die Zeugin E… als auch der Zeuge I… haben aber bekundet, der Erblasser habe kurz nach dem Tod seiner Ehefrau gesagt, dass die Beteiligten zu 1 und 2 etwas erben sollten. Für einen entsprechenden Willen der Ehefrau des Erblassers spricht, dass sich diese nach Angaben des Zeugen I… erfreut gezeigt haben soll, mit den Beteiligten zu 1 und 2 Erben gefunden zu haben. Beide Aussagen sprechen außerdem dafür, dass die Beteiligte zu 3 nach dem Willen der Eheleute nicht Erbin werden sollte. Die Zeugen E… hat berichtet, der Erblasser habe ihr gesagt, dass die Beteiligte zu 3 nichts erben solle. Der Zeuge I… hat sogar berichtet, der Erblasser habe erklärt, er habe keine Kinder. Dass es doch eine Tochter gebe, habe sich erst im Zusammenhang mit der beabsichtigten Adoption der Beteiligten zu 1 und 2 herausgestellt. Insbesondere die Aussage des Zeugen I… ist anschaulich und detailreich. Soweit der Zeuge berichtet hat, die Beteiligten zu 1 und 2 hätten noch zu dessen Lebzeiten etwas vom Erbe seiner Ehefrau erhalten sollen, spricht dies nicht gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage. Vielmehr scheinen noch zu Lebzeiten des Erblassers verschiedene Möglichkeiten der Übertragung des Erbes auf die Beteiligten zu 1 und 2 diskutiert worden zu sein, etwa eine Erwachsenenadoption, die Errichtung eines weiteren Testaments oder eben die Erbfolge aufgrund des vorliegenden Testaments. Es erscheint danach nicht ausgeschlossen, dass auch eine Zuwendung noch zu Lebzeiten des Erblassers im Gespräch gewesen ist.

 

17            Dass der Erblasser möglicherweise vorhatte, die Beteiligten zu 1 und 2 in einem weiteren Testament zu Erben einzusetzen, und dass zeitweise wohl auch eine Adoption der Beteiligten zu 1 und 2 im Gespräch gewesen ist, spricht nicht gegen deren Schlusserbeneinsetzung im vorliegenden Testament. Zwar können diese Umstände darauf hindeuten, dass der Erblasser das vorliegende Testament nicht für ausreichend erachtete, um die gewünschte Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 und 2 zu verfügen. Andererseits deuten diese Vorgänge aber auch darauf hin, dass es der Wunsch des Erblassers war, dass ihn die Beteiligten zu 1 und 2 auf jeden Fall beerben sollten. Wenn der Erblasser durch eine Erwachsenenadoption bzw. ein weiteres Testament hinsichtlich der Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 und 2 sichergehen wollte, lässt sich hieraus nicht ableiten, dass die Eheleute nicht schon bei Abfassung des gemeinsamen Testaments entsprechend verfügen wollten.

 

18            Dass sich der Erblasser nur den Beteiligten zu 1 und 2, nicht aber der Beteiligten zu 3, verwandtschaftlich verbunden fühlte, zeigt schließlich der Umstand, dass er nur die Beteiligten zu 1 und 2 im Zusammenhang mit seiner Körperspende bei der Uniklinik Düsseldorf als Angehörige angegeben hatte.

 

19            Die Erbenstellung der Beteiligten zu 1 und 2 wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass sie weder den Erblasser noch seine vorverstorbene Ehefrau gepflegt haben. Unstreitig sind die Eheleute vor ihrem Tod nicht pflegebedürftig gewesen. Dass die Erbschaft nur für den Fall der Erbringung von Pflegeleistungen an die Beteiligten zu 1 und 2 fallen sollen, lässt sich dem Testament nicht entnehmen.

 

III.

 

20            Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG und entspricht so billigem Ermessen. Bei dieser Ermessensausübung sind sämtliche Umstände des Einzelfalles heranzuziehen; berücksichtigt werden kann in diesem Rahmen auch das Obsiegen und Unterliegen, jedoch ohne Anwendung eines Regel-​Ausnahme-​Verhältnisses (BGH NJW-​RR 2016, 200 ff.). Hier sind die Beteiligten zu 1 und 2 mit ihrem Erbscheinsantrag erfolgreich, wohingegen die Beteiligte zu 3 unterlegen ist. Die Verwirklichung eines Regelbeispiels i.S.d. § 81 Abs. 2 FamFG muss sie sich jedoch nicht entgegenhalten lassen. Darüber hinaus war die Beteiligte zu 3 in erster Instanz erfolgreich. Angesichts des auslegungsbedürftigen Wortlauts des Testaments erscheint die Verfahrensführung der Beteiligten zu 3 auch nicht vorwerfbar. Dies lässt es geboten erscheinen, die Gerichtskosten (mit Ausnahme der Kosten für die Erteilung des Erbscheins, die von den Beteiligten zu 1 und 2 zu tragen sind) zwischen den Beteiligten zu 1 und 2 einerseits und der Beteiligten zu 3 andererseits hälftig zu teilen und die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst tragen zu lassen.

 

21            Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 S. 1 FamFG liegen nicht vor. Die entscheidungstragenden Erwägungen des Senats beruhen einzig auf einer Würdigung des gegebenen Einzelfalles, und nach dieser kommt es alsdann auf Rechtsfragen, soweit sie in Einzelheiten von Rechtsprechung und Schrifttum uneinheitlich beantwortet werden, nicht an.

 

22            Die Wertfestsetzung stützt sich auf §§ 40 Abs. 1 Nr. 2, 61 GNotKG. Bei der Bemessung des Nachlassreinwerts hat der Senat die Angaben der Beteiligten zu 1 und 2 im Schriftsatz vom 23. November 2015 zugrunde gelegt, denen die Beteiligte zu 3 nicht substantiiert entgegen getreten ist.

 

 

 

 

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

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