OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.01.2018 – I-7 U 75/17 Verjährung von Vermächtnisansprüchen bei Streit um die Wirksamkeit von Testamenten

Oktober 15, 2018

OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.01.2018 – I-7 U 75/17

Verjährung von Vermächtnisansprüchen bei Streit um die Wirksamkeit von Testamenten

  1. 1.

Streiten Erbprätendenten über die Wirksamkeit eines Testaments, durch das frühere Testamente widerrufen worden sind, die u.a. ein Vermächtnis enthalten, hat die durch das Vermächtnis Begünstigte in der Regel keine den Lauf der Verjährungsfrist auslösende Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände und ist auch nicht auf Grund grober Fahrlässigkeit in Unkenntnis, solange die Beweisaufnahme über die Echtheit des späteren Testaments und die Testierfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt seiner Errichtung nicht abgeschlossen ist.

  1. 2.

Erklärt der auf Erfüllung eines Vermächtnisses in Anspruch Genommene, eine Auszahlung werde erst erfolgen können, wenn im Rahmen einer Feststellungsklage abschließend über sein Erbrecht entschieden worden sei, kann es treuwidrig sein, wenn er sich nach Abschluss des Feststellungsprozesses auf die Verjährung des Vermächtnisanspruchs beruft.

(LG Düsseldorf, Urt. v. 23.3.2017 – 1 O 338/16)

Das Urteil ist rechtskräftig.

Aus den Gründen:

Den Klägern steht aus abgetretenem Recht ein Vermächtnisanspruch gegen die Beklagte zu 2. als Erbin aus §§ 2174, 2147, 398 BGB zu. Die Anordnung im Ergänzungstestament aus Februar 1989, H.T. solle 300.000 DM „aus meinem Nachlass erben“ stellt die Anordnung eines Vermächtnisses dar. Eine Miterbenstellung sollte H.T. damit nicht eingeräumt werden. Auch wenn der Erblasser das Wort „erben“ verwendet, wird durch die Formulierung „aus dem Nachlass erben“ deutlich, dass eine Forderung gegen den Nachlass begründet werden soll. Hinsichtlich des Beklagten zu 3. als Rechtsnachfolger der verstorbenen Miterbin F.U. folgt der Anspruch i.V.m. § 1922 BGB. Die mit dem Erbfall verbundene Gesamtrechtsnachfolge erfasst auch die Verbindlichkeiten, mit denen der Erblasser seinerseits durch Verfügung von Todes wegen belastet worden ist. Bezüglich des Beklagten zu 1. als Testamentsvollstrecker folgt der Anspruch i.V.m. § 2213 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Verjährung des Vermächtnisanspruchs ist nicht eingetreten, weil die Verjährungsfrist gem. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB jedenfalls nicht vor Abschluss der Beweisaufnahme in dem Berufungsverfahren I-7 U 225/10 vor dem Senat zu laufen begonnen hat.

Da der am 06.11.1997 entstandene Anspruch, für den sowohl gem. § 195 BGB in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung als auch gem. § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB in der vom 01.01.2002 bis zum 31.12.2009 geltenden Fassung eine 30-jährige Verjährungsfrist galt, am 01.01.2010 nicht verjährt war, war auf ihn gem. Art. 229 § 23 Abs. 1, 2 EGBGB ab 01.01.2010 die regelmäßige Verjährungsfrist der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB anzuwenden, die nicht vor dem 01.01.2010 und nicht vor der Erlangung der Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners begann.

Allerdings ist zweifelhaft, ob entsprechend der Annahme des LG Beginn der Verjährungsfrist gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erst der Zeitpunkt der rechtskräftigen Beendigung des Feststellungsverfahrens zwischen den Erbprätendenten war. Es handelt sich bei dem Feststellungsrechtsstreit zwischen den Erbprätendenten nicht um einen solchen, der im Ergebnis die Erbenstellung der mit dem früheren Testament Bedachten mit Gestaltungswirkung gegenüber jedermann feststellt. Vielmehr erwuchs die Entscheidung gem. § 322 Abs. 1 ZPO nur zwischen den Parteien in Rechtskraft (Zimmermann, ZEV 2010, 457 [458]), eine rechtliche Vorgreiflichkeit besteht nicht.

Die Verjährungsfrist begann nicht vor Abschluss der Beweisaufnahme vor dem Senat zu laufen, weil den Klägern jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt nicht sämtliche anspruchsbegründenden Umstände bekannt waren, ohne dass ihnen wegen dieser Unkenntnis grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen wäre.

Für das Pflichtteilsrecht ist anerkannt, dass Kenntnis von der das Erbrecht beeinträchtigenden Verfügung gem. § 2332 Abs. 1 BGB in der bis 31.12.2009 gültigen Fassung bei Zweifeln an der Wirksamkeit des Testaments nicht vorliegt. So liegt Kenntnis vor gerichtlicher Klärung der Testamentsauslegung nicht vor, wenn der Pflichtteilsberechtigte nach einer vertretbaren Auslegung des Testaments davon ausgehen konnte, dass eine Beeinträchtigung nicht vorliegt (BGH, ZEV 2000, 26); ebenso, wenn dies auf Grund Tatsachenirrtums der Fall ist (BGH, NJW 1995, 1157 [BGH 25.01.1995 – IV ZR 134/95]). Sind Wirksamkeitsbedenken nicht von vornherein von der Hand zu weisen, fehlt beim Berechtigten dasjenige Maß an Kenntnis von der Wirksamkeit der Verfügung, auf Grund dessen ein Handeln von ihm verlangt werden kann (BGH, NJW 1964, 297 [BGH 06.11.1963 – V ZR 191/62]). Insbesondere müssen erhebliche rechtliche Zweifel eine gewisse Klärung gefunden haben, bevor Kenntnis in Betracht kommen kann (Senat, ZEV 2008, 346 [OLG Düsseldorf 25.01.2008 – I-7 U 2/07] [347]). Wegen der vergleichbaren Sachlage kann diese Rechtsprechung auf die Situation des Vermächtnisnehmers übertragen werden, der wegen eines Streits um die Wirksamkeit eines späteren Testaments im Unklaren darüber ist, ob sein Vermächtnisanspruch noch besteht.

Ob der Auffassung zu folgen ist, eine Unklarheit hinsichtlich der Erbfolge könne dem Beginn der Verjährung von Ansprüchen, die sich gegen Erben richten, nicht entgegenstehen, weil in derartigen Fällen ein Nachlasspfleger zu bestellen sei (Staudinger/Otte, BGB, 2013, § 2174 Rn. 44; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, 2014, § 199 Rn. 70; Damrau/Tanck/Linnarz, Erbrecht, 3. Aufl., § 2174 Rn. 45; a.A. LG Köln, Urt. v. 15.07.2014 – 2 0 534/13, juris Rn. 102; jurisPK-BGB/Lakkis, 8. Aufl., § 199 Rn. 114), kann dahinstehen. Zum einen war die Anordnung der Nachlasspflegschaft durch Beschluss des OLG E vom 09.02.2001 aufgehoben worden, woraufhin das Nachlassgericht mit Beschluss vom 13.12.2001 eine auf die Konten des Erblassers bei der E Bank beschränkte Nachlasspflegschaft angeordnet hat. Zum anderen war nicht nur unklar, wer den Erblasser beerbt hatte, sondern auch, ob überhaupt eine wirksame Vermächtnisanordnung zugunsten der Zedentin bestand. Vorliegend sind die Kläger davon ausgegangen, dass im Fall der Wirksamkeit des Testaments von 1997 ein Vermächtnisanspruch gar nicht, also auch nicht gegen T.H. und I.T., besteht. Diese Auslegung des Testaments ist nicht nur vertretbar, sondern liegt nahe, weil diese Personen als einzige Erben bezeichnet sind, während zuvor das Vermächtnis zu Gunsten der H.T. durch eine Formulierung begründet worden ist, wonach sie aus dem Nachlass einen Teil erben solle. Dies legt nahe, dass nach dem Testament von 1997 nicht nur andere Erben eingesetzt werden sollten, sondern auch der Vermächtnisanspruch entfallen sollte.

Ob das Testament vom 14.01.1997 wirksam war, war bis in das Jahr 2014 hinein ungeklärt. Dass es von dem Erblasser stammte, hat zwar das von dem Nachlassgericht eingeholte Schriftsachverständigengutachten mit hinreichender Klarheit ergeben. Die Testierfähigkeit des Erblassers war aber Gegenstand einer außergewöhnlich umfangreichen Beweisaufnahme durch das Nachlassgericht, das LG und den Senat, der sich trotz der Vernehmung von 21 Zeugen und der Einholung von zwei psychiatrischen Sachverständigengutachten nicht zu einer sofortigen Entscheidung über die Berufung in der Lage sah, sondern die Einholung eines weiteren Gutachtens für erforderlich hielt und den Sachverständigen, nachdem er ein schriftliches Ergänzungsgutachten erstattet hatte, am 12.09.2014 mündlich anhörte. Dass die Kläger weitergehende Erkenntnisse hatten oder hätten haben müssen als die mit der Angelegenheit befassten Gerichte, kann nicht angenommen werden.

Wollte man dem nicht folgen und annehmen, die Zweifel hätten durch die Entscheidung des LG vom 23.09.2010 eine hinreichende Klärung erfahren, wäre den Klägern hinsichtlich der Unkenntnis von dieser Entscheidung jedenfalls keine grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen. Für die Kläger, die sich bei dem Nachlassgericht mehrfach nach dem Sachstand erkundigt haben, bestand vor dem Jahr 2010 keine Obliegenheit zum Handeln, insbesondere zur Abklärung des Sachstandes des Erbprätendentenstreits, weil sowohl gem. § 195 BGB in der Fassung bis Ende 2001 als auch gem. § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB in der Fassung bis Ende 2009 für einen Vermächtnisanspruch eine Verjährungsfrist von 30 Jahren beginnend mit dem Erbfall, also dem 06.11.1997, galt. Der dreijährigen Verjährungsfrist gem. §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 2 ZPO in der Fassung ab 01.01.2010 sind die Kläger i.V.m. Art. 229 § 23 Abs. 2 Satz 1 EGBGB erst ab dem 01.01.2010 ausgesetzt. Einer etwaigen Beobachtungspflicht des Rechtsstreits um die Erbenstellung sind die Kläger durch ihr Akteneinsichtsgesuch vom 23.03.2012 nachgekommen. Angesichts der Mitteilung der Präsidentin des OLG, dass Akteneinsicht erst nach Abschluss des Rechtsstreits gewährt werden könne, fällt den Klägern hinsichtlich der Unkenntnis für die Dauer des Berufungsverfahrens keine grobe Fahrlässigkeit zur Last, insbesondere waren die Kläger wegen der damit verbundenen weiteren erheblichen Verzögerung des Erbprätendentenstreits nicht gehalten, den Rechtsweg nach § 23 EGGVG zu beschreiten. Als sie im Jahr 2016 schließlich die Akten einsehen konnten, haben sie unverzüglich den Vermächtnisanspruch geltend gemacht.

Sähe man dies anders und ginge von Verjährung aus, so führt jedenfalls der Inhalt des Schreibens vom 01.02.2005 dazu, dass die Erhebung der Verjährungseinrede gegen die Grundsätze von Treu und Glauben gem. § 242 BGB verstößt. Die Erhebung der Einrede der Verjährung ist als treuwidrig zu betrachten, wenn der Schuldner zuvor deutlich gemacht hat, er werde sich bei der Verteidigung gegen die Forderung auf sachliche Einwendungen beschränken. Für die Annahme von Treuwidrigkeit bedarf es keines vorsätzlichen Handelns des Schuldners dahingehend, den Gläubiger von der Klageerhebung abbringen zu wollen. Es genügt, dass er – möglicherweise unbeabsichtigt – dem Gläubiger nach verständigem Ermessen, also nach objektiven Maßstäben, ausreichenden Anlass gegeben hat, von einer Unterbrechung der Verjährung durch Klageerhebung abzusehen, weil dieser entsprechend dem Verhalten des Schuldners darauf vertrauen durfte, seine Ansprüche würden, wenn nicht befriedigt, so doch nur mit sachlichen Einwendungen bekämpft (BGH, VersR 1977, 617). Hiervon kann dann ausgegangen werden, wenn der Gläubiger erläutert, zur Zahlung erst nach erfolgreichem Abschluss eines Vorprozesses mit einem Dritten bereit zu sein (OLG Düsseldorf, MDR 1984, 843). Die Formulierungen im Schreiben vom 01.02.2005 machen deutlich, dass alleiniger Anlass der Nichtleistung auf die geltend gemachte Forderung der noch offene Erbprätendentenstreit ist. Insbesondere der letzte Absatz ist nach dem Empfängerhorizont dahingehend zu verstehen, dass eine Zahlung der Erbinnen auf das Vermächtnis zu erwarten ist, sobald der Erbprätendentenstreit rechtskräftig zu deren Gunsten entschieden ist. Eine solche Erklärung gab den Klägern nach objektiven Maßstäben hinreichenden Anlass zu einer Erwartungshaltung, dass die Beklagten sich nach Abschluss des Rechtsstreits nicht mit der Einrede der Verjährung gegen ihre Forderung verteidigen werden, soweit diese zeitnah danach geltend gemacht wird.

 

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