OLG Frankfurt am Main, 14.11.2011 – 20 W 25/11

Februar 10, 2019

OLG Frankfurt am Main, 14.11.2011 – 20 W 25/11
Tenor:

Die Beschwerden der Beteiligten zu 1) und 2) werden zurückgewiesen.

Von den Gerichtskosten des Verfahrens der Beschwerde hat der Beteiligte zu 1) 1/3, die Beteiligte zu 2) 2/3 zu tragen.

Von den der Beteiligten zu 3) im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten hat der Beteiligte zu 1) ebenfalls 1/3, die Beteiligte zu 2) 2/3 zu tragen; im Übrigen werden außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet.

Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens: 750.000 €

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
1

Der am … .1919 geborene Erblasser und seine am … .1919 geborene Ehefrau haben am 03.12.2002 einen notariell beurkundeten Erbvertrag geschlossen, in dem sie beide die von ihnen errichtete rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts, die hiesige Beteiligte zu 3), als Alleinerbin eingesetzt und insoweit ein einseitiges Rücktrittsrecht ausgeschlossen haben (Bl.19 ff, Duplo-Testamentsakte). In der notariellen Urkunde vom 23.07.2003 verfügte der Erblasser eine Änderung hinsichtlich der Person des Testamentsvollstreckers und setzte seinen Sohn, den Beteiligten zu 4), als Testamentsvollstrecker ein (Bl. 55 f, Duplo-Testamentsakte). Am 03.12.2005 folgte eine ergänzende notariell beurkundete letztwillige Verfügung, in der beide Eheleute u. a. den Beteiligten zu 4) als Testamentsvollstrecker bestimmten und ersatzweise Anordnungen trafen (Bl. 28 ff, Duplo-Testamentsakte).
2

Am … .2009 ist die Ehefrau des Erblassers verstorben. Wohl am 30.07.2009 (Bl. 840, mit Blattzahlen ohne Zusatz sind auch nachstehend die diesem Verfahren zu Grunde liegenden Akten „Sonderband Nachlasspflegschaft“ gemeint) hat der Erblasser erneut geheiratet und zwar eine am … .1983 geborene … Staatsangehörige, die hiesige Beteiligte zu 2). Am 07.08.2009 hat der Erblasser durch eine handschriftliche letztwillige Verfügung die Beteiligte zu 2) zu seiner Alleinerbin bestimmt (Bl. 120 Duplo-Testamentsakte). In der notariellen Urkunde vom 28.08.2009 des Notars Dr. N1 (Urkundenrolle Nr. … /2009) hat der Erblasser unter vorsorglichem Widerruf aller letztwilligen Verfügungen mit Ausnahme der vom 07.08.2009 die Anfechtung des Erbvertrags erklärt und den Notar um Übermittlung einer Ausfertigung an das zuständige Nachlassgericht gebeten, wobei insoweit ein Zusatz angefügt war, dass dies erst geschehen solle, wenn der Erblasser oder ein hierzu Bevollmächtigter diesbezüglich gesondert schriftlich Mitteilung mache (Bl. 113 ff Duplo-Testamentsakte). Letztlich ist eine Ausfertigung der Anfechtungsurkunde mit Schreiben vom 28.12.2009 dem Nachlassgericht in Frankfurt am Main überreicht worden (Bl. 111 ff Duplo-Testamensakte). Eine beurkundete Anweisung des Erblassers, nunmehr die Anfechtung bei Gericht einzureichen, ist nicht erfolgt.
3

In einer weiteren notariellen Urkunde vom 28.08.2009 hat der Erblasser „zur Wahrung der Interessen“ seiner Ehefrau an Stelle seines Sohnes den Beteiligten zu 1) zum Testamentsvollstrecker bestimmt, wobei der Testamentsvollstreckung der gesamte inländische Nachlass unterworfen sein sollte (Bl. 73 ff Duplo-Testamentsakte). Ebenfalls mit notarieller Urkunde vom 28.08.2009 (Bl. 104 ff, 253 ff) hat der Erblasser dem Beteiligten zu 1) Generalvollmacht erteilt, von der dem Beteiligten zu 1) zwei Ausfertigungen übersandt worden waren. Durch notarielle Verfügung vom 23.11.2009 hat der Erblasser ergänzende letztwillige Verfügungen getroffen, u. a. hat er die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2) an Bedingungen geknüpft, Anordnungen über Ersatzerben und Vermächtnisse getroffen und den Inhalt der Testamentsvollstreckung erweitert, wobei er dem Beteiligten zu 1) auch aufgegeben hat, dafür Sorge zu tragen, dass die Beteiligte zu 2) Mitglied im Vorstand der Stiftung wird und die Beteiligte zu 2) in ihrer Tätigkeit als Mitglied des Vorstandes zu unterstützen (Bl. 89 ff, 94/95 Duplo-Testamentsakte). Die genannten letztwilligen Verfügungen sind auch nach dem Tod des Erblassers eröffnet worden.
4

Am … 2010 ist der Erblasser verstorben. Mit Beschluss vom 11.11.2010 hat das Amtsgericht auf Antrag der Beteiligten zu 3) – ohne vorherige Anhörung der Beteiligten zu 1) und 2) – die Nachlasspflegschaft mit dem Wirkungskreis Sicherung und Verwaltung des Nachlasses angeordnet und Rechtsanwalt RA1 zum Nachlasspfleger bestellt (Bl. 52/53). Dieser erklärte mit Schreiben vom 15.11.2010 den Widerruf der dem Beteiligten zu 1) vom Erblasser mit Urkunde vom 28.08.2009 erteilten Generalvollmacht und verlangte die Herausgabe des in Empfang genommenen sowie Rechenschaft (Bl. 57 ff). Der Beteiligte zu 1) weigerte sich, dem Nachlasspfleger die Ausfertigungen der Vollmachtsurkunde herauszugeben (Bl. 245). Nach Angaben des Nachlasspflegers konnte die Beteiligte zu 2) von den Konten des Erblassers noch Geldbeträge von ca. 260.000 € entnehmen (Bl. 246, 816), der Beteiligte zu 1) hat sich in der Zeit vom 10.09.2009 bis zum 29.10.2009 Honorare von mindestens 678.300.00 € überweisen lassen (Bl. 248).
5

Am 15.11.2010 hat der Beteiligte zu 1) gegenüber dem Nachlassgericht die Annahme des Amtes als Testamentsvollstrecker erklärt und die Auffassung vertreten, dass durch die Annahme des Amtes die dem Nachlasspfleger erteilten Befugnisse gegenstandslos geworden seien (Bl. 60, 101)). Der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 3) wiederum hat den Beteiligten zu 1) mit Schreiben vom 15.11.2010 u. a. aufgefordert, rechtsverbindlich zu versichern, dass er im Rechtsverkehr nicht als Testamentsvollstrecker über den Nachlass auftreten werde (Bl 74/75). Die Beteiligte zu 3) hat die Ansicht vertreten, dass wegen der Bindungswirkung der Erbverträge die von dem Beteiligten zu 1) erklärte Annahme des Amtes gegenstandslos sei. Für die Erbfolge sei der Erbvertrag der Eheleute A maßgeblich (Bl. 86).
6

Gegen die Anordnung der Nachlasspflegschaft richten sich die am 19.11. bzw. 22.11.2010 eingegangenen Beschwerden des Beteiligten zu 1) (Bl. 87 ff) und der Beteiligten zu 2) (Bl. 160 ff). Die Beteiligten zu 1) und 2) sind der Auffassung, es bedürfe keiner Nachlasspflegschaft und beantragen die Aufhebung derselben.
7

Am 19.11.2010 hat der Nachlasspfleger beim Landgericht Frankfurt am Main eine einstweilige Verfügung gegen den Beteiligten zu 1) erwirkt (2-10 O 313/10, Bl. 156 ff). Darin wurde dem Beteiligten zu 1) u. a. untersagt, das Anwesen … zu betreten und zu behaupten, er sei der Testamentsvollstrecker des Erblassers sowie Verfügungen über Nachlasswerte vorzunehmen. Der Antrag des hiesigen Beteiligten zu 1) dem Nachlasspfleger die Verwaltung, Inbesitznahme und Verfügung über den Nachlass mittels einstweiliger Verfügung untersagen zu lassen, wurde vom Landgericht (2/23 O 523/10) ebenfalls mit Beschluss vom 19.11.2010 (Bl. 357 ff) zurückgewiesen.
8

Der Beteiligte zu 4) hat mit Schreiben vom 16.11.2010 dem Nachlassgericht mitgeteilt, er wolle in der Angelegenheit den Erbschein der Beteiligten zu 2) betreffend beteiligt werden, da er erhebliche Bedenken hinsichtlich des Bedingungseintritts habe (Bl. 159).
9

Der Beteiligte zu 1) hat vorgebracht, das Nachlassgericht habe verkannt, dass die staatlichen Gerichte im Hinblick auf die Subsidiarität staatlichen Handelns nur ausnahmsweise für die Sicherung und Erhaltung des Nachlasses zu sorgen hätten. Das gelte auch für den Fall der zerstrittenen Erbprätendenten. Ein Fürsorgebedürfnis habe nicht bestanden, da er das Amt des Testamentsvollstreckers angenommen habe. Die Nachlasspflegschaft würde darüber hinaus unnötige zusätzliche Kosten verursachen (Bl. 364). Die Beteiligte zu 2) sei jedenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit Alleinerbin geworden. Dies ergebe sich auch daraus, dass das Nachlassgericht nach der Anfechtung des Erblassers den erteilten Erbschein betreffend den Nachlass der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers wieder eingezogen habe (Bl. 365).
10

Das Amtsgericht hat den Beschwerden nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht vorgelegt (Nichtabhilfebeschluss vom 03.01.2011, Bl. 526 ff).
11

Die dem Beteiligten zu 1) überlassenen beglaubigten Kopien der Niederschrift vom 15.11.2010 über die Annahme des Amtes als Testamentsvollstrecker hat das Nachlassgericht durch Beschluss vom 01.02.2011 eingezogen und für kraftlos erklärt (Bl. 567-569). Durch Beschluss vom 19.08.2011 hat das Nachlassgericht den vom Beteiligten zu 1) wiederum gestellten Antrag auf Erteilung von 23 Kopien zurückgewiesen (Bl. 827 ff).
12

In der Nachlasssache der vorverstorbenen Ehefrau des Erblasser hat das Nachlassgericht durch Beschluss vom 04.02.2011 (…) ebenfalls Nachlasspflegschaft angeordnet und einen Nachlasspfleger bestellt (Bl. 571 ff).
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Im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat das Landgericht Frankfurt am Main (2-05 O 30/11) durch Urteil vom 29.09.2011 auf eine Klage der hiesigen Beteiligten zu 2) gegenüber der hiesigen Beteiligten zu 3) festgestellt, dass die Beteiligte zu 2) Alleinerbin des Erblassers geworden sei (Bl. 962 ff). Gegen dieses Urteil hat die Beteiligte zu 3) durch eine am 20.Oktober 2011 eingegangene Berufungsschrift Berufung eingelegt (OLG Frankfurt am Main, Az. 7 U 221/11).
14

Die vom Beteiligten zu 1) vor dem Landgericht Frankfurt am Main (2-23 O 141/11) angestrengte Klage auf Feststellung, dass er Testamentsvollstrecker sei, ist ausgesetzt worden, wogegen der Beteiligte zu 1) Beschwerde eingelegt hat (Bl. 1024 ff).
15

Am 27.10.2011 hat der Beteiligte zu 1) vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Az. 3 U 45/11) mit dem Nachlasspfleger einen Vergleich geschlossen (Bl. 973), dass er das Amt des Testamentsvollstreckers bis zur rechtskräftigen Feststellung seiner Stellung als Testamentsvollstrecker oder der Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses nicht ausüben werde und die Verfahren vor den Prozessgerichten mit Ausnahme der Verfahren 2-05 O 30/11 und 2-23 O 141/11 zum Ruhen gebracht werden sollten (Bl. 973).
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In diesem Beschwerdeverfahren vertieft der Beteiltigte zu 1) sein bisheriges Vorbringen (Bl. 601 ff). Die Voraussetzungen für die Anordnung der Nachlasspflegschaft hätten von Anfang an gefehlt.
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(Von der Darstellung der folgenden Textstellen wird abgesehen – die Red.)
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Die Beteiligte zu 2) hat zunächst mitgeteilt, dass wegen der anstehenden Mediation zwischen den Erbprätendenten von einer weiteren Begründung abgesehen werde. Mit Schriftsatz vom 21.09.2011 (Bl. 831 – 845) bringt sie nunmehr u. a. vor,
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(Von der Darstellung der folgenden Textstellen wird abgesehen – die Red.)
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Wegen der weiteren Einzelheiten, auch soweit es die Vermögensverwaltung durch den Beteiligten zu 1) zu Lebzeiten des Erblassers und die Beteiligung des Beteiligten zu 4) einschließlich des Nachlasses von A1 betrifft (hier insbes. Schriftsatz vom 31.03.2011, Bl. 678 ff, vom 05.05.2011, Bl. 743 ff und vom 30.09.2011, Bl. 878 ff, 08.11.2011, Bl. 974 ff), wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst ihren Anlagen verwiesen. Ebenso auf die Gegendarstellung des Beteiligten zu 4) hinsichtlich seiner Informationen über die Vermögensanlagen (Bl. 768 ff) und das Sitzungsprotokoll vom 10.11.2011.

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II.

Die Beschwerden sind zulässig (§ 11 RpflG i.V.m §§ 58, 59 FamFG). Der Beteiligte zu 1) ist dadurch beschwert, dass seine von ihm nachvollziehbar behauptete Testamentsvollstreckerstellung vom Nachlassgericht nicht als ausreichend angesehen worden ist, um einen Anlass für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft zu verneinen. Der Beteiligte zu 1) hat seine Beschwerdebefugnis auch nicht durch den vor dem Oberlandesgericht geschlossenen Vergleich vom 27.10.2011 (3 U 45/11) verloren, weil dieser sich nur auf die Verfahren vor den Prozessgerichten bezieht, worunter dieses Nachlasspflegschaftsverfahren nicht fällt.
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Die Beschwerden sind aber nicht begründet. Die Gesamtsituation rechtfertigt sowohl die Anordnung als auch die Aufrechterhaltung der Nachlasspflegschaft.
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Nach § 1960 Abs. 1 Satz 1 BGB hat das Nachlassgericht bis zur Annahme der Erbschaft für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen, soweit ein Bedürfnis besteht. Das Gleiche gilt nach § 1960 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn der Erbe unbekannt oder wenn ungewiss ist, ob er die Erbschaft angenommen hat. Daraus lässt sich ableiten, dass für eine Nachlasspflegschaft Voraussetzung ist, dass ein Bedürfnis hierfür besteht und der Erbe unbekannt bzw. die Annahme ungewiss ist (Palandt-Weidlich (2011), § 1960 BGB Rn 4). Als unbekannt wird ein Erbe angesehen, wenn der Erbe noch nicht feststeht. Allerdings reicht nach hM eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Erbenstellung aus, um den Erben als bekannt i.S.v. § 1960 BGB anzusehen (so auch Senat, OLGR Frankfurt 2005, 442; vgl. auch Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, 2009, Rn 40 m.w.N.); Leipold in MünchKommBGB (2010), § 1960 Rn 10 und 11). Die Frage, ob der Erbe „unbekannt“ ist und ob ein Fürsorgebedürfnis besteht, ist vom Standpunkt des Nachlassgerichts bzw. des im Beschwerdeverfahren an seine Stelle tretenden Beschwerdegerichts im Zeitpunkt der Entscheidung zu beurteilen. Im Verfahren über die Anordnung der Nachlasspflegschaft ist nur das Unbekanntsein des/der Erben (oder die Annahmeproblematik) sowie das Fürsorgebedürfnis zu prüfen. Zeitraubende Beweisaufnahmen, um die richtigen Erben oder Testamentsvollstrecker zu ermitteln, fallen nicht darunter.
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Die Rechtspflegerin hat nicht geprüft, welche letztwilligen Verfügungen des Erblassers wirksam sind und welche nicht. Die Rechtspflegerin hat dies damit begründet, dass Entscheidungen des Rechtspflegers keinesfalls für die Erbscheinsanträge präjudiziell sein könnten. Daran zutreffend ist, dass der Rechtspfleger auch nach neuem Recht bei streitigen Erbscheinsanträgen aufgrund verschiedener Testamente wegen des Richtervorbehalts keine positive Entscheidungskompetenz hat und das Vorhandensein der für den Erbschein erforderlichen Tatsachen nicht feststellen kann (§§ 3 Ziffer 2 c, § 16 Abs. 1 Nr. 6, 19 RpflG, § 1 Ziffer 3 Hess. Verordnung vom 29.10.2008, § 342 FamFG). Entsprechendes gilt auch für die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses. Dies befreit die Rechtspflegerin aber nicht von der Verpflichtung, die rechtlichen Vorfragen zu prüfen, von denen die Rechtmäßigkeit einer Nachlasspflegschaft abhängt. So hat beispielsweise auch ein Zivilgericht für verwaltungsgerichtliche Streitigkeiten keine Entscheidungszuständigkeit, muss aber – soweit es die Rechtssache erfordert – verwaltungsrechtliche Vorfragen prüfen. Auf keinen Fall kann die Prüfung von Rechtsfragen kompetenzbedingt erst in der Beschwerdeinstanz beginnen. Auch das Nachlassgericht hat die Pflicht, alle Voraussetzungen für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft zu prüfen. Der Hinweis auf anhängige gerichtliche Auseinandersetzungen ist allein nicht ausreichend (OLG Düsseldorf, ZEV 1995, 111). Andererseits ist das Verfahren über die Anordnung einer Nachlasspflegschaft nicht dazu da, zeitraubende Beweisaufnahmen durchzuführen und die Nachlassstreitigkeiten, wie etwa den Streit über die Gültigkeit von mehreren letztwilligen Verfügungen, einer Klärung zuzuführen. Die Rechtspflegerin musste vor der Anordnung der Nachlasspflegschaft die Beteiligten zu 1) und 2) auch nicht hören. Sie durfte bei dem sich abzeichnenden Umfang des Streits ein rasches Sicherungsbedürfnis annehmen und dementsprechend entscheiden. Das rechtliche Gehör ist nachgeholt worden. Das Vorbringen der Beteiligten zu 1) und 2) hat aber die Voraussetzungen für die Nachlasspflegschaft – wie nachstehend ausgeführt wird – nicht entfallen lassen.
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Vorliegend streiten die Beteiligten zu 2) und 3) um die Alleinerbenstellung. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, wer hier als Erbe anzusehen ist, lässt sich derzeit nicht feststellen. Das Landgericht Frankfurt am Main (2-05 O 30/11) hat zwar auf die Klage der Beteiligten zu 2) am 29.09.2011 entschieden, dass diese Erbin des Erblassers geworden ist, weil der Erblasser den Erbvertrag wirksam angefochten habe. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig und bindet den Senat somit nicht. Die Richterin des Nachlassgerichts ist außerdem im Parallelverfahren ( …) betreffend den Nachlass der vorverstorbenen Ehefrau zu einem anderen Zwischenergebnis gekommen. Sie hat mit Verfügung vom 11.04.2011 darauf hingewiesen, es könne nicht festgestellt werden, dass die Anfechtung mit dem Willen des (hiesigen) Erblassers in den Verkehr gebracht worden sei (Bl. 724).
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Der Senat geht davon aus, dass der Erblasser den mit seiner Ehefrau geschlossenen Erbvertrag vom 03.12.2002, in dem er die Beteiligte zu 3) als Erbin eingesetzt hat, nicht wirksam angefochten hat. Dabei unterstellt der Senat, dass die gegen Ende der mündlichen Erörterung am 10.11.2011 von der Beteiligten zu 3) vorgebrachten Zweifel an der Eheschließung des Erblassers mit der Beteiligten zu 2) keinen sachlichen Hintergrund haben. Die von der Beteiligten zu 3) geäußerten Zweifel gründeten darauf, dass die Angaben des Hochzeitsdatums variierten (27.06.2009 und 30.06.2009) und bisher in keinem Verfahren eine Heiratsurkunde im Original vorgelegt worden sei. Dies ließ sich im Termin vom 10.11.2011 nicht mehr klären, wird aber in den Nachlassstreitigkeiten ohnehin noch zu prüfen sein. Aus der (hier unterstellten) Eheschließung nach dem Tod der früheren Ehefrau leitet sich aufgrund des Pflichtteilsrechts der Beteiligten zu 2) als Ehefrau (§ 2303 Abs. 2 BGB) ein Anfechtungsrecht des Erblassers ab (§§ 2281 Abs. 2, 2079 BGB; Palandt-Weidlich (2011), § 2281 BGB Rn 6). Das Anfechtungsrecht ist im Erbvertrag und dem gemeinschaftlichen Testament vom 03.12.2005 auch nicht ausgeschlossen worden. Es liegt aber keine wirksame Anfechtungserklärung vor.
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Allerdings scheitert die Anfechtungserklärung des Erblassers nach dem derzeitigen Verfahrensstand nicht an einer etwaigen örtlichen Unzuständigkeit des Nachlassgerichts in Frankfurt, das die Erklärungen entgegengenommen und die Beteiligten unterrichtet hat.
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Nach dem Tod eines der vertragsschließenden Ehegatten hat die Anfechtungserklärung gegenüber dem für den Todesfall des Erstverstorbenen zuständigen Nachlassgericht zu erfolgen (§ 2281 Abs. 2 BGB). Zuständiges Nachlassgericht für die Anfechtungserklärung ist das Wohnsitzgericht der vorverstorbenen Ehefrau (Art. 111 FGG-RG, § 73 FGG, § 342 FamFG). Maßgeblich ist sowohl nach § 73 FGG als auch nach § 342 FamFG der Wohnsitz, so dass sich hier weitere Ausführungen erübrigen, ob für die Anfechtungserklärung das neue oder das alte Verfahrensrecht maßgeblich ist. Begründung und Aufhebung des Wohnsitzes richten sich nach den §§ 7-11 BGB. Nach § 7 BGB geschieht die Begründung eines Wohnsitzes durch tatsächliche Niederlassung, verbunden mit dem Willen, den Ort zum ständigen Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen (Palandt-Ellenberger, § 7 BGB Rn 6). Es ist auch möglich, dass jemand einen Doppelwohnsitz hat. Dies erfordert, dass an zwei Orten dauernd Wohnungen unterhalten werden und beide gleichermaßen den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse darstellen. Wird der zweite Aufenthaltsort nur zu längeren Besuchen aufgesucht, so besteht kein doppelter Wohnsitz. Die Aufhebung eines Wohnsitzes setzt voraus, dass die Niederlassung tatsächlich mit dem Willen aufgegeben wird, den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse nicht am bisherigen Wohnsitz zu belassen (Palandt-Ellenberger, § 7 BGB Rn 12 und 13).
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Vorliegend hat die Beteiligte zu 3) vorgebracht, die vorverstorbene Ehefrau habe sich in den Jahren vor ihrem Tod nur noch in dem Anwesen in … aufgehalten (Bl. 206 ff).
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(Von der Darstellung der folgenden Textstellen wird abgesehen – die Red.)
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Von daher könnte es sein, dass die vorverstorbene Ehefrau des Erblassers ihren Stadt1 Wohnsitz aufgegeben hat. Es kommt darauf aber nicht entscheidend an, denn § 7 FGG bzw. § 2 Abs. 3 FamFG bestimmen, dass gerichtliche Handlungen nicht deswegen unwirksam sind, weil sie von einem örtlich unzuständigen Gericht vorgenommen worden sind. Dies gilt auch für Nachlasssachen und Anfechtungserklärungen. Der Erklärende darf darauf vertrauen, dass das Gericht seine Zuständigkeit überprüft und bejaht hat. Die Folgen eines gerichtlichen Irrtums sollen dem Erklärenden nicht aufgebürdet werden (BGH FamRZ 1977, 575 ff = MDR 1978, 300 ff; vgl. hierzu auch Lehrmannin: jurisPK-BGB, 5. Aufl. 2010, § 2081 BGB, Rn 24). Durchgreifende Anhaltspunkte, dass sich der Erblasser den Gerichtsstand wider besseres Wissen erschlichen haben könnte, sind nicht ersichtlich. Es konnte zwar in der mündlichen Verhandlung am 10.11.2011 keine Einigkeit erzielt werden, in welchem Umfang die vorverstorbene Ehefrau des Erblassers noch persönliche Sachen im … hatte. Das Zurücklassen von Kleidungsstücken in dem von Frau A1 (früher) bewohnten und wohl so belassenen Flügel des Hauses am … und der Wunsch, auch in … begraben zu werden, ist aber ein gewichtiges Indiz für eine mögliche Beibehaltung des Wohnsitzes. Jedenfalls kann dem Erblasser nach alledem nicht unterstellt werden, er habe sich insoweit unredlich verhalten. Selbst wenn das Amtsgericht Frankfurt am Main nicht das zuständige Wohnsitzgericht gewesen sein sollte, durfte sich der Erblasser nach der gesetzlichen Regelung darauf verlassen, dass das Nachlassgericht seine Zuständigkeit überprüft und bejaht hat.
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Die Anfechtung des Erblassers ist jedoch nicht in der erforderlichen Form erfolgt. Der Erblasser hat seine Anfechtungserklärung in der Urkunde vom 28.08.2009 dahingehend eingeschränkt, der beurkundende Notar solle die Ausfertigung der Urkunde erst zu einem späteren Zeitpunkt beim Nachlassgericht einreichen, nämlich erst dann, wenn ihm durch den Erklärenden oder einen Vertreter eine entsprechende Mitteilung gemacht worden sei (Bl. 29, 31,35). Der Senat stimmt den Beteiligten zu 1) und 2) nicht zu, dass die Anweisung, wann die Erklärung abzusenden sei, nur eine Erklärung im Innenverhältnis ist. Die Anweisung konnte vielmehr nur vom Erblasser selbst erteilt werden. Da die Anfechtungserklärung der notariellen Beurkundung bedurfte (§ 2282 Abs. 3 BGB), war auch für die den Vorbehalt aufhebende Anweisung eine notarielle Beurkundung erforderlich, die nicht vorgenommen worden ist. Die Anfechtungserklärung vom 28.08.2009 hätte deshalb vom Erblasser noch vorbehaltlos gestellt werden müssen und zwar durch eine notariell beurkundete Erklärung, die der Erblasser aber nicht abgegeben hat. Das Erfordernis der formgerechten Vorbehaltloserklärung folgt aus dem Charakter der Anfechtungserklärung als einer nach dem Tode des anderen Vertragsschließenden dem Nachlassgericht gegenüber zu erklärenden (§ 2281 Abs. 2 S. 1 BGB), also einer amtsempfangsbedürftigen einseitigen formbedürftigen Willenserklärung, für die auch die Vorschriften des allgemeinen Teils des Bürgerlichen Gesetzbuches gelten (§§ 143 Abs. 1, 130 Abs. 3 BGB; BGH NJW 1953, 938 ff [BGH 16.04.1953 – IV ZB 25/53]; RGZ 65, 270 ff m.w.N.).
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Eine Willenserklärung ist abgegeben, wenn der Erklärende alles getan hat, was für das Wirksamwerden der Willenserklärung erforderlich ist. Nur bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen reicht die Vollendung des Erklärungsvorgangs für die Abgabe aus. Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen ist zusätzlich notwendig, dass die Willenserklärung an den Erklärungsempfänger gerichtet ist. Hierzu muss bei schriftlichen Willenserklärungen unter Abwesenden in der Regel deren Absendung bzw. Übergabe an den Erklärungsboten erfolgt sein (Einsele in MünchKommBGB, 5.Aufl. 2006, § 130 Rn 30). Oder anders ausgedrückt: Abgegeben ist die Erklärung, wenn der Erklärende seinen rechtsgeschäftlichen Willen so geäußert hat, dass an der Endgültigkeit der Äußerung kein Zweifel möglich ist. Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen muss hinzukommen, dass sie mit Willen des Erklärenden in den Verkehr gebracht worden sind (Palandt-Ellenberger, 70. Aufl. 2011, § 130 Rn 4; vgl. auch Brunner, Zur Wirksamkeit von Willenserklärungen unter Treuhandauflage, MittBayNot 1997, 197 ff).
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Der Erblasser hat hier zwar den Notar ersucht, dem zuständigen Nachlassgericht die Anfechtungserklärung zu übermitteln, allerdings unter dem in der Urkunde enthaltenen ausdrücklichen Vorbehalt, dass dies nur dann erfolgen soll, wenn ihm der Erblasser oder ein hierzu Bevollmächtigter diesbezüglich gesondert schriftliche Mitteilung macht. Der in die Urkunde aufgenommene Vorbehalt ist Bestandteil der Willenserklärung geworden. Das Wirksamwerden der Anfechtungserklärung sollte von einer weiteren Anweisung abhängig sein. Einen endgültigen Anfechtungswillen belegt die beurkundete Erklärung somit nicht. Aus der Urkunde selbst wird vielmehr offenkundig, dass der Erblasser am 28.08.2009 noch keine Rechtsfolgen herbeiführen wollte. Der Rechtsfolgewille muss aber Bestandteil einer Willenserklärung sein (vgl. Palandt-Edenhofer, 70. Aufl. 2011, §130 Rn 1 und 4; Beck’scher Online-Kommentar BGB (Stand: 01.03.2011), § 133 BGB Rn 5). Dieser ist hier von der Untersagung der weiteren Begebung nicht zu trennen. Die Urkunde selbst zerstört die Beweisfunktion der Urkunde für den Begebungsakt (vgl. zur Erstreckung der Beweiskraft auf den Begebungsakt BGH NJW-RR 2006, 1181 ff = MDR 2006, 847 ff; BGH FamRZ 2003, 669 = NJW-RR 2003, 384 ff = MDR 2003, 406, jew. zit. nach juris).
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Selbst wenn der Erblasser wollte, dass es binnen Jahresfrist zur Anfechtung kommen sollte, wie der Beteiligte zu 1) vorgebracht hat, geht das nicht aus der beurkundeten Erklärung hervor. Auch die am gleichen Tag, also ebenfalls am 28.08.2009 unterzeichnete Urkunde hinsichtlich der Einsetzung eines Testamentsvollstreckers (Urkundenrolle Nr … /2009 des Notars Dr. N1) geht hinsichtlich der Selbstanfechtung in die nämliche Richtung. Dort heißt es unter Punkt VIII: „Die vorstehenden Regelungen hinsichtlich der angeordneten Testamentsvollstreckung sollen auch dann vollumfänglich für meinen Nachlass gelten, wenn meinerseits eine Selbstanfechtung erfolgen sollte.“ Der Erblasser war zudem Herr seiner Willenserklärung geblieben, wie letztlich auch die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen (Bl. 1002 ff) zeigen. Nahezu vier Monate waren seit der Anfechtungsbeurkundung verstrichen bis der Erblasser den tatsächlichen Weiterleitungsauftrag erteilte bzw. erteilt haben soll. Der Beteiligte zu 1) hat angegeben, er sei anlässlich seines Besuchs am 21.12.2011 beauftragt worden, die Einreichung der notariellen Erklärung noch vor Weihnachten bei Dr. N1 zu veranlassen. Die Beteiligte zu 2) hat bekundet, als der Erblasser am 21.12.2009 die Schmuckstücke ausgehändigt bekommen habe, habe er sich sehr gefreut und zu dem Beteiligten zu 1) gesagt, „jetzt können wir die Bombe platzen lassen.“ Der Beteiligte zu 1) solle gleich den Notar anrufen und den Auftrag geben, dass er wie beauftragt die notarielle Anfechtungserklärung beim Nachlassgericht einreichen solle. Auch ein weiterer Freund des Erblassers bestätigte (Bl. 1008), dass der Erblasser kurz vor Weihnachten 2009 bestätigt habe, er habe die Bombe platzen lassen.
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Soweit das Landgericht Frankfurt am Main (2-05 O 30/11) in seiner Entscheidung vom 29.09.2011 dagegen meint, an der Endgültigkeit der beurkundeten Erklärung bestünde kein durchgreifender Zweifel, denn das „Ob“ der Einreichung beim Nachlassgericht sei nicht in Frage gestellt gewesen, sondern nur das „Wann“, vermag der Senat dem nach dem hiesigen Aktenstand nicht zu folgen.
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Es erscheint fraglich, ob die vom Landgericht vorgenommene Aufspaltung sich mit der Rechtsnatur der Anfechtungserklärung vereinbaren lässt. Die Anfechtung ist ein Gestaltungsrecht und als solches bedingungsfeindlich. Unbedenklich sind nur Bedingungen, die den Erklärungsempfänger nicht in eine ungewisse Lage versetzen, seine berechtigten Interessen also nicht beeinträchtigen (Palandt-Ellenberger, 70. Aufl. 2011, Einf. § 158 BGB Rn 13). All dies ist hier aber nicht der Fall.
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Durch den Vorbehalt ist zunächst ein Schwebezustand herbeigeführt worden, bei dem grundsätzlich auch das „Ob“ in Frage gestellt war. Für die Wirksamkeit einer Willenserklärung und damit auch einer (wirksamen) Anfechtungserklärung ist es nämlich ohne Einfluss, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt (§ 130 Abs. 2 BGB). Wäre der Erblasser hier früher gestorben und wäre die Erklärung noch nicht mit seinem Willen auf den Weg zum Nachlassgericht gebracht gewesen, so hätte die Erklärung wegen des Vorbehalts keine Wirkung entfalten können. Der Beteiligte zu 1) hätte die zur Überwindung des Vorbehalts erforderliche Erklärung des Erblassers nicht nachträglich ersetzen können, der Notar hätte ohne Anweisung ebenfalls nicht handeln können. Die Anfechtung konnte nur durch den Erblasser persönlich zu Lebzeiten erklärt werden (§ 2282 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ein Wirksamwerden der Anfechtungserklärung durch nachträgliche Versendung der Erklärung an das Nachlassgericht wäre also nicht möglich gewesen. Bereits dieses spricht dafür, dass die Erklärung in der Urkunde vom 28.08.2009 nicht als wirksame Anfechtungserklärung gewertet werden kann.
39

Auch die mit der Einführung von Formvorschriften verknüpften gesetzgeberischen Ziele sprechen für diese Wertung. Der Formzwang für die Anfechtung des Erbvertrags hat neben der Warn- und Beratungsfunktion für den Erblasser auch eine Klarstellungs- und Beweisfunktion gegenüber dem Vertragspartner bzw. im Fall von dessen Vorversterben gegenüber dem Dritten, der seine im Erbvertrag zugedachten Begünstigungen verliert. Dem Dritten ist gemäß § 2281 Abs. 2 Satz 2 BGB vom Nachlassgericht die Erklärung mitzuteilen. Durch die Mitteilung einer mit einem Vorbehalt versehenen Erklärung wird er aber nicht in Stand gesetzt, zweifelsfrei zu erkennen, ob der Erblasser von seinem Vorbehalt abgerückt ist oder ob die Anfechtungserklärung auf andere Weise zum Nachlassgericht gelangt ist. Entsprechendes gilt auch für das Nachlassgericht selbst. Der Schutzzweck der Beurkundung wäre verfehlt, wenn es auf Nebenabreden außerhalb des Urkundenwortlauts ankäme. Schließlich führte der in die Urkunde aufgenommene Vorbehalt – wenn man ihn nur als technische Vollzugsregel und nicht als Teil der materiell-rechtlichen Willenserklärung begreifen wollte – dazu, dass auch im Vollzug Diskrepanzen auftreten. Nach §§ 347 Abs. 1, 3 FamFG, 34a Abs 1 BeurkG, DONot § 20 hess. Verwaltungsvorschrift (JMBl. 2006, 4) hat der Notar das für den Geburtsort des Erblassers zuständige Standesamt schriftlich von der Anfechtungserklärung zu unterrichten. Eine Mitteilung an das Standesamt vor der Weiterleitung der Ausfertigung an das zuständige Nachlassgericht ist jedoch nicht sinnvoll und würde für den oben gebildeten Fall des raschen Vorversterbens zu weiteren (unnötigen) Nachforschungen Anlass geben, wo die Anfechtungserklärung geblieben ist.
40

Auch wenn Vollzugsanweisungen – etwa in Grundbuchangelegenheiten – nicht formbedürftig sind, so ergibt sich daraus für den Fall der amtsempfangsbedürftigen Willenserklärung jedoch nichts. § 53 BeurkG lässt es ausdrücklich zu, dass der Notar auf Anweisung der Beteiligten in Grundbuchangelegenheiten die Urkunden trotz Vollzugsreife auf Anweisung aller Beteiligten noch nicht beim Grundbuchamt einreicht. Entsprechende Befreiungen gibt es für Anfechtungserklärungen – wie hier – nicht, vielmehr ist der umgehende Vollzug die gesetzliche Regel, wie die oben angeführten Mitteilungsvorschriften erkennen lassen. Auch aus § 51 BeurkG, der das Recht auf Ausfertigungen etc. regelt, ergibt sich – entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 2) – nichts anderes. § 51 Abs. 4 BeurkG stellt ausdrücklich klar, dass Mitteilungspflichten, die aufgrund von Rechtsvorschriften gegenüber Gerichten oder Behörden bestehen, unberührt bleiben.
41

Der Senat hat dabei nicht übersehen, dass der Bundesgerichtshof in dem oben bereits zitierten Fall (BGH NJW 1953, 938 ff [BGH 16.04.1953 – IV ZB 25/53]), in dem der Erblasser dem beurkundenden Notar die Anweisung gegeben hatte, eine Ausfertigung der notariellen Urkunde über den Widerruf des gemeinsamen Testaments seiner Ehefrau nach seinem Tode durch den Gerichtsvollzieher zustellen zu lassen, ausgeführt hat, dass die Handlung, die der Erklärende in einem solchen Falle selbst vorzunehmen habe, mit der Verlautbarung der Erklärung beendet sei. Die Erklärung an sich bestehe somit rechtlich, wenn auch ihre Wirksamkeit noch von dem Hinzutreten eines anderen Umstandes, nämlich dem Zugehen an den anderen Teil abhänge. Der Unterschied zu dem hier zu entscheidenden Fall besteht aber schon darin, dass die Widerrufsurkunde den Vorbehalt nicht enthielt. Der Erklärende hatte alle Erklärungen abgegeben und brauchte – auch nach seinem Verständnis – nichts weiter zu veranlassen. In dem hier vorliegenden Fall musste der Erblasser aber noch den Vollzug seiner beurkundeten Erklärung veranlassen, die Erklärung also vorbehaltlos stellen. Der Bundesgerichtshof hat den Fall zudem auch nicht im Hinblick auf § 130 Abs. 2 BGB entschieden. Er hat zwar auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts verwiesen, dass ein Widerruf nicht wirksam sei, wenn der widerrufende Ehegatte die Widerrufserklärung z.B. bei sich behalten und bis zu seinem Tode wegen ihrer Zusendung an den anderen Ehegatten nichts veranlasst hatte. Ob dem zuzustimmen sei, hat er dann aber dahinstehen lassen, weil sich die Unwirksamkeit des Widerrufs bereits daraus ergebe, dass die dem Notar erteilte Anweisung nicht anders zu beurteilen wäre, als wenn der Widerruf durch eine neue Verfügung von Todes wegen erfolgt wäre. Denn auch eine letztwillige Verfügung würde erst nach dem Tode des Widerrufenden eröffnet und dem anderen Ehegatten bekannt gegeben. Durch eine letztwillige Verfügung könne ein gemeinschaftliches Testament aber nicht abgeändert werden.
42

Selbst wenn man vorliegend die Selbstanfechtung des Erbvertrags vom 03.12.2002 nicht als formunwirksam ansehen, sondern den Vorbehalt für eine Vollzugsregelung halten wollte, so würde das derzeit gleichwohl keine Feststellung ermöglichen, ob die Beteiligte zu 2) oder die Beteiligte zu 3) mit hoher Wahrscheinlichkeit Erbin geworden ist. Ob der Erblasser am 28.08.2009 bei Unterzeichnung der notariellen Urkunde einen endgültigen Anfechtungswillen hatte, geht aus der beurkundeten Erklärung nicht hervor und ist streitig, da der Erblasser immer noch die Hoheit über seine Erklärung hatte. Die Zweifel an einem endgültigen Anfechtungswillen am 28.08.2009 nähren sich aus den Gesamtumständen. Nach der Darstellung des Beteiligten zu 1) wollte der Erblasser damals lediglich nicht vor Abschluss der seinerzeit schwebenden Vergleichsverhandlungen mit der Beteiligten zu 3) über den Schmuck die Anfechtungserklärung weiter geleitet wissen. Dazu passen allerdings – wie oben schon angesprochen – die sich aus dem Original der weiteren, ebenfalls am 28.08.2009 unterzeichneten Urkunde bezüglich der Testamentsvollstreckung (Urkundenrolle Nr. … /2009) und zwar unter Punkt VIII ergebenden Regelungen bzw. Änderungen nur schwerlich. Es blieb unter Punkt VIII bei der vorgefertigten Bestimmung, dass die vorstehenden Regelungen hinsichtlich der angeordneten Testamentsvollstreckung auch dann vollumfänglich gelten sollten, wenn der Erblasser die erbvertraglichen Regelungen anfechten würde („meinerseits eine Selbstanfechtung erfolgen sollte“). Hier ist die im Konditional gehaltene Formulierung bemerkenswert. Gestrichen wurde außerdem die ebenfalls vorgefertigte und sich daran anschließende Bestimmung, dass die Testamentsvollstreckung auch unabhängig von den aufgehobenen letztwilligen Verfügungen gelten sollte. Dies macht wenig Sinn, wenn eine Selbstanfechtung am 28.08.2009 bereits feststand, da durch die Selbstanfechtung sowohl die Erbenstellung der Beteiligten zu 3) als auch die Testamentsvollstreckung durch den Beteiligten zu 4) beseitigt werden sollte. Aus Punkt VIII und den stattgefundenen Änderungen lässt sich entnehmen, dass sich beim Erblasser wohl erst langsam Vorstellungen über seine Vorgehensweise entwickelten. Es spricht auch viel dafür, dass der Erblasser sich selbst am 23.11.2009 bei Errichtung der notariellen Urkunde noch nicht im Klaren gewesen ist, ob die Anfechtungserklärung wirksam werden sollte oder nicht. Der Erblasser bestätigt in dieser Urkunde als Vorbemerkung ausdrücklich, dass er eine Anzeige gegenüber dem Nachlassgericht gegenüber dem Notar noch nicht in Auftrag gegeben habe. Unter dem Abschnitt VII heißt es in der Urkunde vom 23.11.2009 weiter, dass die Regelungen zur Testamentsvollstreckung unabhängig davon gelten sollten, ob die Selbstanfechtung durch Anzeige gegenüber dem Nachlassgericht wirksam werde oder nicht. Der Beteiligte zu 1) hat hierzu in der mündlichen Verhandlung zwar erläutert, man habe am 23.11.2009 mit diesen Formulierungen klarstellen wollen, dass die Testamentsvollstreckeranordnung in jedem Fall wirksam sein sollte, unabhängig von einem etwaigen Scheitern der Anfechtung. Dabei bleibt allerdings die Frage offen, welche Vorstellungen der Erblasser hinsichtlich des möglichen Scheiterns hatte. Soweit der Beteiligte zu 1) vorbringt, die Anfechtungserklärung sei vom Erblasser unbedingt abgegeben worden und er sei beauftragt gewesen, für die Einreichung der Selbstanfechtung innerhalb der gesetzlichen Jahresfrist auch für den Fall zu sorgen, dass der Erblasser schwer erkranke, geschäftsunfähig würde oder gar versterbe, ändert das nichts daran, dass der Erblasser sich ganz offensichtlich zunächst selbst die Hoheit über die Versendung vorbehalten wollte und vorbehalten hat. Da sowohl streitig ist, ob der Erblasser seine Erklärung vom 28.08.2011 als endgültige Anfechtungserklärung verstanden hat, als auch, was am 21.12.2009 wirklich geschah und ob der Beteiligte zu 1) am 21.12.2011 noch geschäftsfähig war, wie die Beteiligte zu 3) in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, müsste insoweit weiter ermittelt und gegebenenfalls Beweis erhoben werden. Die Zweifel lassen sich in diesem Verfahren nicht beseitigen, da eine Beweisaufnahme insoweit den Rahmen des Nachlasspflegschaftsverfahrens sprengen würde, denn dieses erschöpft sich in der Feststellung, ob die Erben unbekannt sind und ein Fürsorgebedürfnis besteht. Deswegen war entgegen dem Beteiligten zu 1) weder das Nachlassgericht noch der Senat gehalten, den beurkundenden Notar zu vernehmen. Soweit der Beteiligte zu 1) meint, dass er vom Erblasser auch im Fall von dessen Geschäftsunfähigkeit betraut gewesen sei, eine Vollzugsanweisung abzugeben, müsste je nach dem Ergebnis der weiteren Ermittlungen bzw. der Beweisaufnahme auch beachtet werden, wie sich hier die vom Gesetz für Geschäftsunfähige vorgesehenen Vertretungsgrenzen (§ 2282 BGB) auswirken. Nur am Rande drängt sich dabei auch die Frage auf, welchen Sinn es macht, dass der Erblasser die Beteiligte zu 2) noch am 23.11.2009 unbedingt im Vorstand der Beteiligten zu 3) sehen wollte, obwohl er andererseits bemüht war, die Stiftung von ihrer wohl wichtigsten Geldquelle, seinem Nachlass, mit Ausnahme des Vermächtnisses abzuschneiden.
43

Auch wenn man wie der Senat eher der strikteren Auffassung folgt und einen endgültigen Anfechtungswillen am 28.08.2009 ablehnt, bedeutet das nicht, dass die Erben nicht mehr i. S. von § 1960 BGB als unbekannt angesehen werden könnten, denn die vom Senat im Grundsatz bejahte Unwirksamkeit der nicht vorbehaltlosen Anfechtung des Erbvertrags durch den Erblasser ist in dieser Konstellation bisher – soweit ersichtlich – weder obergerichtlich noch höchstrichterlich entschieden worden. Die zahlreichen Rechtsstreitigkeiten um das Erbe des Erblassers und das seiner vorverstorbenen Ehefrau und die hier erwähnten bisherigen gerichtlichen Entscheidungen bzw. Hinweise zeigen vielmehr auf, dass die Anfechtungserklärung und die Einhaltung der Formstrenge sehr unterschiedlich gesehen werden kann und vor einer höchstrichterlichen Klärung eine Prognose über die überwiegende Wahrscheinlichkeit nur schwerlich abgegeben werden kann. Bei der Frage, ob der Erbe unbekannt ist, wird zwar gemeinhin auf die Unkenntnis abgestellt, die weitere Sachaufklärung erfordert. Das muss aber auch gelten, wenn die Erteilung des Erbscheins allein von ungeklärten Rechtsfragen abhängt (so im Ergebnis LG Gießen, Rpfleger 2007, 665 ff [LG Gießen 10.05.2007 – 7 T 134/07]) und zudem der Nachlass so groß und infolge der schon zu Zeiten des Erblassers streitigen Finanztransaktionen unübersichtlich ist, dass keinem der beiden Erbprätendenten vor einer endgültigen Klärung die Bevorzugung des anderen zugemutet werden kann.
44

Diese Einschätzung ist eng mit dem Fürsorgebedürfnis verbunden. Das Fürsorgebedürfnis setzt gemeinhin voraus, dass ohne Eingreifen des Nachlassgerichts der Bestand des Nachlasses gefährdet wäre und deshalb aufgrund dringlicher Nachlassangelegenheiten ein konkreter Sicherungsanlass besteht. Das Sicherungsbedürfnis für den Nachlass ergibt sich hier schon aus dessen Umfang und dem erheblichen Interessengegensatz zwischen den Beteiligten zu 2) und 3) einschließlich der von der Beteiligten zu 3) im Schriftsatz vom 10.11.2010 (Bl. 22 ff) geschilderten Möglichkeit der Vermögensübertragung auf einen Strohmann. Der Beteiligte zu 1) leitet seine Stellung als Testamentsvollstrecker im Ergebnis von einer letztwilligen Verfügung zugunsten der Beteiligten zu 2) ab, deren Wirksamkeit zwischen den Beteiligten äußerst umstritten ist. Der Erblasser hat den Beteiligten zu 1) erklärtermaßen zur Wahrung der Interessen der Beteiligten zu 2) anstelle des Beteiligten zu 4) zum Testamentsvollstrecker bestimmt. Der Beteiligte zu 1) hat das Amt auch angenommen. Dadurch entfiel aber das Fürsorgebedürfnis nicht. Darauf, dass der Beteiligte zu 1) zunächst – wie er vorbringt – Sicherungs- und Verwertungsmaßnahmen in die Wege geleitet und die laufende Verwaltung wie seit Juni 2009 fortgeführt hat (Bl. 89 ff) kommt es nicht an; ebenso wenig darauf, ob er die erheblichen Entnahmen der Beteiligten zu 2) hätte verhindern können oder müssen.
45

Die Ansicht des Beteiligten zu 1), der Erblasser habe ihn auch bei Unwirksamkeit der Selbstanfechtung als Testamentsvollstrecker einsetzen können, ist nicht zutreffend. Die Frage, inwieweit eine Auswechslung von Testamentsvollstreckern eine Beeinträchtigung i. S. v. § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB darstellt, wird durchaus nicht einheitlich beantwortet (vgl. zum Meinungsstand: BGH DNotZ 2011, 774 ff = FamRZ 2011, 885 ff = MDR 2011, 667 ff = NJW 2011, 1733 ff = Rpfleger 2011, 509 ff = ZEV 2011, 306 ff). Die Rechtsprechung hebt seit langem auf den Inhalt des Erbvertrags als Vergleichsmaßstab ab und beurteilt die Wirksamkeit der nachfolgenden testamentarischen Verfügung danach, ob sie eine konkrete Rechtsbeeinträchtigung für den Vertragserben darstellt (BGH a.a.O). In dem eben zitierten Fall war die Vorinstanz (KG FamRZ 2010, 498 ff = ZEV 2010, 40 ff) davon ausgegangen, dass das dem Erbvertrag nachfolgende Testament den Erben seiner Testamentsvollstreckerstellung enthoben hatte und hat die Beeinträchtigung bejaht (vgl. hierzu und zur Entscheidung des BGH auch Anm. von Reimann, ZEV 2011, 309 ff). Der Bundesgerichtshof hat dagegen angenommen, dass der Erbe und Mittestamentsvollstrecker durch die testamentarische Auswahl der neuen Testamentsvollstrecker in seinem durch den Erbvertrag garantierten Handlungsrahmen rechtlich nicht eingeschränkt sei.
46

Eine konkrete Rechtsbeeinträchtigung ergibt sich im vorliegenden Fall, wenn die Beteiligte zu 3) Erbin geblieben sein sollte. Der Beteiligte zu 4) sollte nach dem gemeinsamen Willen der Eheleute in der letztwilligen Verfügung vom 03.12.2005 Testamentsvollstrecker sein. Er gehörte als Stiftungsvorstand ins Lager der Beteiligten zu 3). Der Beteiligte zu 1) dagegen wurde zeitgleich mit der Beurkundung der Anfechtungserklärung am 28.08.2009 zunächst über das inländische Vermögen und am 23.11.2009 über den gesamten Nachlass des Erblassers zum Testamentsvollstrecker bestimmt und zwar anstelle des Beteiligten zu 4). Der Beteiligte zu 1) sollte nach dem in der notariellen Urkunde vom 23.11.2009 zum Ausdruck gebrachten Willen des Erblassers auch Testamentsvollstrecker bleiben, falls die Beteiligte zu 2) nicht Erbin wird. Ohne die (vom Erblasser beabsichtigte) Auswechslung des Beteiligten zu 4), wäre der Beteiligte zu 4) aber nach dem Tod des Erblassers und nach Annahme des Amtes sofort Testamentsvollstrecker gewesen. Damit wäre die Verfügungsbefugnis über den Nachlass und die Stellung als Stiftungsvorstand Hand in Hand gegangen. Im Fall einer wirksamen Bestimmung des Beteiligten zu 1) hätte dieser (nach Annahme des Amtes und ohne die Nachlasspflegschaft) den Zugriff auf den Nachlass gehabt. Dies wäre wegen der ursprünglichen Personengleichheit von Vorstandsmitglied und Testamentsvollstrecker in der Person des Beteiligten zu 4) eine deutliche Schlechterstellung der Beteiligten zu 3). Hinzukommt, dass der Beteiligte zu 1) bereits zu Lebzeiten des Erblassers angetreten war, um Einfluss auf die Stiftung zu bekommen, und zwar im Zusammenhang mit den Bemühungen des Erblassers, der Beteiligten zu 2) dort eine Stellung zu verschaffen. Dies hat die Beteiligte zu 3) abgewehrt. Wegen der durch die Stiftungsverfassung (Bl. 177, 197) eröffneten Einflussrechte des Testamentsvollstreckers auf die personelle Besetzung des Vorstands der Beteiligten zu 3) würde der Erblasser dann über die Auswahl des Testamentsvollstreckers auf die Beteiligte zu 3) unter Umständen in größerem Ausmaß Einfluss nehmen können, als dies der Erblasser noch zu Lebzeiten vermocht hat. § 6 Abs. 6 der Stiftungssatzung sieht immerhin vor, dass der Vorstand von den Testamentsvollstreckern gestellt oder bestimmt wird solange Testamentsvollstreckung über den der Stiftung zugewandten Nachlass der Stifter besteht. Intensiver kann in eine Beteiligtenstellung kaum eingegriffen werden. Hinzukommt, dass der Beteiligte zu 1) erklärtermaßen die Interessen der Beteiligten zu 2) wahren sollte. Die erstrangige Aufgabe des Beteiligten zu 1) sollte die bestmögliche Verwertung des Nachlasses sein, um der Beteiligten zu 2) einen angemessenen gehobenen Lebensstandard zu sichern. Die Auswechslung des Testamentsvollstreckers verbunden mit dem Wegfall der Erbenstellung der Beteiligten zu 3) ist weit mehr als eine bloße Personenauswechslung. Die Auswechslung ist sehr eng verbunden mit der Abkehr von der Zielrichtung des Erbvertrags. Die Auswechslung des Testamentsvollstreckers wirkt hier wie ein Vorzeichenwechsel in der Gestaltung des Erbvertrags. Die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2) und der angeordnete Wechsel in der Testamentsvollstreckung entspringen der nämlichen Intention des Erblassers. Die bestehenden Streitigkeiten nähren sich u. a. aus dem Interessengegensatz zwischen der Beteiligten zu 2) und der Beteiligten zu 3).
47

Auf die sonst von der Beteiligten zu 3) gegen den Beteiligten zu 1) vorgebrachten Entlassungsgründe einschließlich des Vorwurfs, der Beteiligte zu 1) sei bemüht, das eigentliche Vermögen des Erblassers am Nachlass vorbei zu schleußen (Bl. 180 ff), kommt es sonach nicht an. Der Stand behaupteter staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen braucht nicht überprüft zu werden, ebenso wenig das Verteidigungsvorbringen des Beteiligten zu 1) hinsichtlich der Kenntnisse des Beteiligten zu 4) und dessen Gebahren gegenüber dem Nachlassgericht (Bl. 657 ff) sowie etwaige Kenntnisse und Verschleierungsmanöver der Beteiligten zu 3). Unerheblich erscheint auch, dass die vorverstorbene Ehefrau des Erblassers an der Stiftung (auch) kein maßgebliches Interesse mehr zu haben schien, weil sie anderweitige Personen als Erben bedacht hat. Diese letztwilligen Verfügungen der Ehefrau können nur Wirksamkeit entfalten, wenn auch der Erblasser durch eine wirksame Anfechtung seine Testierfreiheit wieder erlangt hat.
48

Eine Überprüfung etwaiger Schenkungen, Verhaltensweisen oder Unregelmäßigkeiten seitens des Erblassers oder des Beteiligten zu 4) kann im Verfahren über die Pflegschaftsanordnung nicht stattfinden, weswegen dahin stehen kann, inwieweit und mit welchem Hintergrund Schenkungen geflossen sind. Entsprechendes gilt hinsichtlich der bestrittenen Verbringung von Vermögen nach … durch den Beteiligten zu 1) (Bl. 99, 181).
49

Die dem Beteiligten zu 1) vom Erblasser erteilte Generalvollmacht hat – abgesehen von der erfolgten Kündigung durch den Nachlasspfleger – das Sicherungsbedürfnis nicht entfallen lassen. Hier gelten die nämlichen Erwägungen, die gegen ihn als Testamentsvollstrecker sprechen.
50

Es erscheint nach wie vor angemessen, dass eine neutrale Person mit der Nachlasspflegschaft betraut ist. Zu Unrecht beruft sich der Beteiligte zu 1) auf den Erblasserwillen, denn Kern des Streits ist ja gerade, ob der Erblasser sich an seinen vor seiner späteren Verehelichung zusammen mit seiner vorverstorbenen Ehefrau errichteten letztwilligen Verfügungen festhalten lassen muss oder nicht. Einer Pflegschaft für die unbekannten Testamentsvollstrecker statt oder neben der angeordneten Pflegschaft bedurfte es nicht. Der Senat teilt nicht die Ansicht des Beteiligten zu 1), dass der Nachlasspfleger seine Befugnisse nur von den durch Testamentsvollstreckung beschränkten unbekannten Erben ableiten kann.

Die Nachlasspflegschaft ist vor Annahme des Testamentsvollstreckeramts durch den Beteiligten zu 1) eingerichtet worden. Zu Recht hat das Nachlassgericht den Wirkungskreis auf Sicherung und Verwaltung des Nachlasses festgesetzt. Ob eine wirksame Testamentsvollstreckerbestellung vorliegt und ob und in welcher Weise die (unbekannten) Erben durch die Testamentsvollstreckerbestellung beschwert sind, ist allein durch die Erklärung des Beteiligten zu 1), er nehme das Amt an, noch nicht geklärt. Der Senat teilt schon deswegen nicht die Ansicht des Beteiligten zu 1), dass der Nachlasspfleger seine Befugnisse nur von den durch die Testamentsvollstreckung beschränkten Erben ableiten kann. Vielmehr ist er der Auffassung, dass insoweit § 1960 BGB entsprechend und ohne die gedachte Erbenbeschränkung anzuwenden ist. Dies dürfte im Allgemeinen einen größeren Ressourcenverbrauch zum Nachteil des Nachlasses vermeiden und ausreichend sein bis die Erbschaftsfragen so weit geklärt sind, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit erkannt werden kann, wer Testamentsvollstrecker bzw. und/oder wer Erbe ist (vgl. hierzu auch Marotzke in Staudinger, BGB (2008), § 1960 Rn 25; vgl. auch Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung (2008) Rn 140, der für den Fall, dass der Testamentsvollstrecker unbekannt, der Erbe aber bekannt ist, eine Pflegerbestellung durch das Vormundschaftsgericht vorzieht). Es kommt hier zum Tragen, dass es sich bei dem Nachlasspfleger um einen neutralen Dritten handelt, der kein eigenes Erbinteresse verfolgt. Wenn dieser die Nachlasspflegergeschäfte innerhalb seines Wirkungskreises vornimmt, ist dem Fürsorgebedürfnis nach derzeitiger Kenntnis hinreichend Genüge getan. Es ist Aufgabe des Nachlassgerichts hier entsprechend über die Amtsführung zu wachen und gegebenenfalls geeignete Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen.
51

Hinzu kommt hier, dass weitere Pflegschaftskonstruktionen um das derzeit nicht ausgefüllte Testamentsvollstreckeramt auch mit dem hypothetischen Erblasserwillen nicht im Einklang stehen dürften. Der Erblasser hat selbst zum Ausdruck gebracht, dass er keine Testamentsvollstreckung wünscht, sofern die von ihm als Testamentsvollstrecker Benannten das Amt nicht ausüben wollen und können. Sowohl die letztwillige Verfügung vom 28.08.2009 als auch vom 23.11.2009 enthält eine entsprechende Klausel. Auch in der gemeinschaftlichen letztwilligen Verfügung der Eheleute A vom 03.12.2005 ist verfügt, dass die angeordnete Testamentsvollstreckung gegenstandslos ist, wenn keiner der ernannten Testamentsvollstrecker das Amt annehmen sollte oder alle Testamentsvollstrecker vor der Beendigung der Testamentsvollstreckung wegfallen sollten. Das bedeutet, der Erblasser und seine vorverstorbene Ehefrau legten Wert auf die Testamentsvollstreckung durch bestimmte Personen. Beschränkungen des (jeweiligen) Erben durch andere Personen wollten sie nicht.
52

Durch die Anordnung der Nachlasspflegschaft werden auch keine postmortalen Persönlichkeitsrechte des Erblassers verletzt. Falls der Nachlasspfleger oder einer seiner Angestellten nicht die nötige Diskretion wahren sollten, wird das Nachlassgericht zu prüfen haben, ob ein Einschreiten geboten ist. Im Übrigen ist der jetzige Zustand die Folge davon wie die vom Erblasser Bedachten ihre Interessen wahrnehmen.
53

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 84 FamFG, 131 Abs. 4, 30 KostO.
54

Der Senat hat bei der Quotierung und Wertfestsetzung berücksichtigt, dass das Interesse des Beteiligten zu 1) an der Aufhebung der Nachlasspflegschaft wirtschaftlich wesentlich niedriger ist als das der Beteiligten zu 2). Mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 3) bestand kein Anlass, den Beteiligten zu 1) und 2) weitere außergerichtliche Kosten aufzuerlegen. Der Beteiligte zu 4) ist auch nicht mit erkennbaren außergerichtlichen Kosten in Erscheinung getreten.
55

Die Wertfestsetzung beim Beteiligten zu 1) orientiert sich an dessen Vergütungsinteresse, welches der Senat mit 250.000 € angenommen hat. Bei der Beteiligten zu 2) war das Interesse maßgeblich, von der für sich in Anspruch genommenen Erbenstellung nicht durch die Nachlasspflegschaft ausgeschlossen zu sein. Dabei hat sich der Senat am Gesamtnachlasswert orientiert, den der Nachlasspfleger mit ca. 11 Mio. € angegeben hat. Wegen der Bewertungsunsicherheiten hat der Senat letztlich für die Wertfestsetzung nur 5 Mio. und davon wiederum als Interesse der Beteiligten zu 2) nur 10 % angesetzt (vgl. zum Interesse am Wegfall der Nachlasspflegschaft auch OLG München, MDR 2009, 294 = FamRZ 2009, 1436).
56

Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen (§ 70 FamFG). Sowohl hinsichtlich der Wirksamkeit der Anfechtungserklärung als auch zum Umfang der Bindungswirkung des Erbvertrags bei der Auswechslung des Testamentsvollstreckers sowie zum Fürsorgebedürfnis gemäß § 1960 BGB bei angeordneter Testamentsvollstreckung und postmortaler Vollmacht einschließlich der richtigen Sicherungsmaßnahmen sowohl bei Ungewissheit über die Stellung als Erbe und als Testamentsvollstrecker erscheinen höchstrichterliche Vorgaben wünschenswert.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

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